NACHRICHTEN, NACHRICHTEN, NACHRICHTEN
NACH DER MILITÄRISCHEN ZERSTÖRUNG DROHT DEM IRAK DER KULTUR-RAUB DURCHE DIE USA
- "Wenn ich mir vorstelle, daß mir einer vor sechzehn Jahren gesagt
hätte, ich solle Babylon ausgraben, so würde ich ihn für verrückt
gehalten haben", schrieb der Archäologe Robert Koldewey, bevor er sich
daran machte, im Auftrag der Berliner Königlichen Museen das
"Leichentuch des Flugsandes" (Koldewey) über den Monumenten
Nebukadnezars zu lüften. Er ertrug Staub, Hitze und Wolken von
Sandmücken und Flöhen, während er Wachtürme frei-legte, die legendäre
Prozessionstraße Babylons und tausende eigenartig geformter
blauglasierter Ziegelbrocken, die er ordnete, verpackte und nach
Deutschland sandte. Die Lösung des Riesenpuzzles erlebte er nicht mehr:
Erst 1928 wurde das Ischtar-Tor auf der Berliner Museumsinsel
zusammengesetzt. Seitdem ziehen Stiere und Löwen im Vorderasiatischen
Museum über die himmelblauen Wände und Millionen Besucher in ihren
Bann. Die Koldeweys dieser Tage haben es schwerer. Archäologen, die im
Irak graben, dürfen keine Scherbe exportieren, winzige Proben
ausgenommen, die nach der Analyse meist zerstört werden. Bis in die
fünfziger Jahre wurden im Irak wie in vielen anderen Ländern die Funde
geteilt: Das Gastland erhielt die schönsten Stücke und die
Grabungsgebühren, die fremden Forscher teilten sich den Rest. So
füllten sich die Museen der Welt auch das Vorderasiatische Museum. Doch
diese Praxis ist vorbei, und das heutige irakische Ausfuhrverbot für
Antiquitäten ist ausnahmsweise kein Skandal, sondern international die
Regel. Nun aber herrscht Krieg im Zweistromland, wanken Moscheen und
Paläste unter dem Bombenhagel. Archäologen bangen um das Minarett von
Samarra, um die Wüstenstadt Hatra, um Ur und Ninive. Mehr noch aber
fürchten sie den Frieden, jene "Epoche des Betrügens zwischen zwei
Epochen des Kriegführens" (Ambrose Bierce). Das Vakuum nach der
Schlacht, so die Sorge, könnte mehr Schaden, anrichten als die Kämpfe,
denn es droht eine Plünderungswelle, gewaltiger noch als jene nach dem
Golfkrieg. Damals fielen Menschenmassen in die Museen des Irak ein, die
meisten wurden geplündert, jahrtausendealte Schätze gestohlen oder
zertrampelt. Tausende Objekte tauchten auf dem Schwarzmarkt wieder auf
(SZ vom 26. März). Neben Museen und bekannten Fundorten sind diesmal
über 20 000 verborgene Stätten bedroht, denn Raubgräber könnten kleine,
kostbare Stücke wie Rollsiegel oder Tontafeln außer Landes schaffen und
die zerbrechlichen Überreste aus Stein oder Lehm dem Verfall
überlassen.(Anm. d. Red.: Dieser Kulturraub fand inzwischen unter den Augen der Besatzungsmacht USA
durch organisierte und weniger organisierte Plünderer statt.)
Umso beunruhigender scheinen deshalb die Aktivitäten einer Gruppe von
sechzig amerikanischen Kunsthändlern, Anwälten, Wissenschaftlern und
Museumsdirektoren, die sich im vergan-genen Jahr zum "American Couneil
on Cultural Policy" zusammengeschlossen haben, zum "Amerikanischen Rat
für Kulturpolitik". Ihr Ziel, so berichtet das Wissenschaftsmagazin
Science, ist die Lockerung der irakischen Antiquitätengesetze unter
einer amerikanisch kontrollierten Nachkriegsregierung, die
Erleichterung des Antiken-Exports aus dem Irak, kurz: die legalisierte
Plünderung der Kultur Mesopotamiens durch die Amerikaner, nachdem
US-Bomben bereits das Land zerstört haben und US-Firmen vom
Wiederaufbau profitieren. Der Rat unterstütze eine "vernünftige
Post-Saddam-Verwaltung für die Kultur", mit Gesetzen, die es erlaubten,
"einige Objekte für den Export zu zertifizieren", zitiert Science den
Schatzmeister des Couneil, William Pearlstein. Seither sind die
Archäologen diesseits und jenseits des Atlantik in heller Aufregung.
"Die planmäßig betriebene Ausfuhr, den auf neue, gesetzliche Grundlagen
gestellten 'Handel' mit Kunstwerken aus dem Iraq" hält der Vizedirektor
des Vorderasiatischen Museums in Berlin, Ralf Wartke, für schlimmer als
etwaige Schäden durch den Krieg. Er fordert den unverzüglichen Schutz
durch die Unesco. (...) Arme Länder mit reicher Geschichte verkaufen
reichen Ländern mit besseren Wissenschaftlern und schöneren Museen ihr
kulturelles Erbe: Die Vorschläge der neokolonialen Pressuregroup
verraten nicht nur den Wunsch, den Antikenmarkt in den Vereinigten
Staaten zu beleben. Selbst wenn der Kulturrat die Gesetze des Irak
nicht antastet, deutet sich hier im Kulturellen eine auf Macht, Geld
und Überwältigung angelegte Strategie an, die der Welt politisch gerade
den Atem raubt. (Sonja Zerki in der SZ vom 4.4.03)
KRIEG NACH DEM KRIEG - Der
Abtreibungen befürwortende United Nations Population Found (UNFPA) hat
nach Beendigung des Krieges im Irak "mobile Geburtsvorsorge-Einheiten"
(incl. Abtreibungstötungen) eingesetzt. Der UNFPA, der die
Vorgeschichte hat, an Flüchtlinge auf der ganzen Welt, einschließlich
Afghanistan, manuelle Abtreibungsausrüstungen und abtreibende
Medikamente verteilt zu haben, kündigte an, an Orten im Irak und in
Nachbarländern "reproduktive Gesundheits-Grundausstattungen"
anzubieten, um den Bedürfnissen der irakischen Flüchlinge gerecht zu
werden. (Vgl. SPUC vom 27.3.03; zitiert nach AKTION LEBEN, Rundbrief
2/2003)
WAHNSINN - Kishon-Stück erzürnt
Hildesheim - Die Aufführung eines Stückes von Ephraim Kishon in
Hildesheim hat zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen
Kirchenvertretern und Theaterschaffenden geführt. Die Inszenierung von
"Der Vaterschaftsprozess des Zimmermanns Joseph" war zunächst im
Landgericht gezeigt worden. Anschließend sollte das Stück im
evangelischen Sprengelheim in Heersum gespielt werden. Dessen Vorstand
verbot aber die Aufführung ohne An-gabe von Gründen. Nun spielt das
Theater in einer Obst-Lagerhalle. Thema des Stücks ist ein Prozess, in
dem Joseph Gott auf Unterhaltszahlungen für Jesus verklagt. (dpa)
PSYCHOFARMAKA - DIE NEUEN SCHÜLERDROGEN - "RITALIN"
gegen mangelnde Konzentration - Experten gehen von mindestens 10 000
getroffenen allein in Nordrhein-Westfalen aus / Verkauf von Pillen auf
Schulhof - Düsseldorf - Die Zahl der Schüler, die regelmäßig
Psychopharmaka einnehmen, ist dramatisch gestiegen. Nach Schätzungen
von Experten nehmen mittlerweile allein in Nordrhein-Westfalen
mindestens 10 000 Schüler regelmäßig Medikamente gegen
Konzentrationsstörungen ein. Ähnlich hoch ist der Anteil auch in
anderen Bundesländern. Die Mittel würden manchmal im Selbstversuch
konsumiert, häufig aber auch von den Eltern verabreicht und auf
ärztlichen Rat hin verschrieben, bestätigten Mediziner der Süddeutschen
Zeitung. Man dürfe die Augen vor den Gefahren nicht verschließen, sagte
die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marion Caspers-Merk (SPD).
Lehrer hätten ihr berichtet, dass Psychopharmaka sogar auf den
Schulhö-fen während der Pausen verkauft würden. Dabei handele es sich
meistens um die verschreibungspflichtige Substanz Methylphenidat, die
als "Ritalin" oder "Medikinet" im Handel erhältlich ist. Nach Angaben
der Drogenbeauftragten ist der Verkauf der Präparate sprunghaft
gestiegen. Diese Besorgnis erregende Entwicklung bestätigt auch der
Psychologe an der Kölner Universitätsklinik für Kin- der- und
Jugendpsychiatrie, Manfred Döpfner. Der Wissenschaftler gilt mit dem
Leiter der Klinik, Gerd Lehmkuhl, als bundesweit anerkannter Experte
für Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitäts-Störungen (ADHS). Die
Krankheit, auch als hyperkinetisches Syndrom bezeichnet, sei seit
vielen Jahren bekannt. Sie sei vermutlich vererbbar und beruhe auf
leichten Funktionsstörungen im Gehirn, sagt Döpfner. Die betroffenen
Kinder seien in ihrer motorischen Aktivität kaum zu stoppen. Sie
könnten sich im Unterricht nicht konzentrieren, ließen in ihren
Leistungen nach und zeigten dis-soziales Verhalten. Döpfner geht davon
aus, dass die ADHS-Häufigkeit objektiv zugenommen hat. Auch wenn die
Krankheit genetisch bedingt sei, könne ihr Auftreten durch äußere
Umstände (TV-Konsum, mangelnde Bewegung) gefördert werden. Am
hyperaktiven Verhalten, das Eltern und Lehrer oft bei Kindern bitter
beklagen, trügen diese eine Teilschuld, weil sie weder Kontrolle
ausüben noch Grenzen setzten. (...) Kombiniert mit einer
Verhaltenstherapie seien "Ritalin" und "Medikinet" bei Fällen von ADHS
sinnvolle Präparate, sagt Döpfner. Voraussetzung einer Applikation sei
eine sorgfältige und zeitaufwändige Diagnose. Daran mangele es aber
sehr oft. Zum Teil, so der Mediziner, würden die Psychopharmaka für die
Kinder von den Ärzten "viel zu schnell" verschrieben. "Manche geben
etwas auf Verdacht", sagt auch der Sprecher der Düsseldorfer
Kinderärzte, Hermann Josef Kahl. Allerdings nimmt er seine Fachkollegen
gegen den Vorwurf, zu schnell Psychopharmaka zu verschreiben, in
Schutz. Es gebe in Bezug auf den Einsatz von Beruhigungsmitteln bei
Kindern "eine sehr kritische Haltung". Eine gewisse Mitschuld tragen
laut Kahl die Eltern. Sie kämen in die Praxen, weil sie mit ihrem
Nachwuchs nicht mehr fertig werden. Dort fragen sie verzweifelt nach
Mitteln gegen die Rast- und Ruhelosigkeit ihrer Kinder. (...) (H.
Gärtner in der SZ vom 28.12.01) |