TUET BUSSE
(Schluß) von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Immer wieder kann man die Frage hören: "Weshalb müssen wir denn eigentlich Buße tun, was haben wir denn so Schreckliches gemacht?" Die Antwort zu finden ist aber nicht schwer: "Deshalb müssen wir Buße tun, weil durch die kleinste Sünde Gott beleidigt wird, besonders aber weil die meisten Menschen nicht mehr glauben wollen, sondern alles wissen wollen. Sie reden sich ein, daß sie alles wissen können, ja müssen!"
"Oh die Schande und das Verbrechen dieser Saturnalien der Vernunft!" - so hörte man klagen beim Pariser Konzil 1849. - Um die Völker zu strafen, sollten sie ja massenweise jene schaurigen Wege betreten, auf welche sie die verrückten Menschen drängen, braucht Gott ihnen nur den freien Lauf zu lassen: die menschliche Gesellschaft wird sich von selbst in eine Hölle verwandeln.
Alle diese Unordnungen entspringen einem hochmütigen Rationalismus: ein neuer Turm von Babel entsteht. Der Mensch versucht, den Himmel zu erstürmen, um Gott zu entthronen und seinen Platz einzunehmen." (1) Schon Donne, der berühmte englische Dichter (+ 1631), klagt: "Es scheint, wir haben den Ehrgeiz, das ganze Werk Gottes zu zersetzen. Aus Nichts hat er uns gemacht, und wir bemühen uns, uns in das Nichts zurückzubringen; wir machen was wir nur können, um es so schnell zu tun, wie Er." (2)
Was muß man bei all diesem nicht an die Klage des Herrn beim Propheten Isaias denken:
"Höret, ihr Himmel, und horche auf, o Erde, denn der Herr redet: Söhne habe ich groß gezogen und hoch erhoben, sie aber sind mir untreu geworden! Es kennt der Ochs seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn, Israel aber erkennet nicht, mein Volk hat keine Einsicht.
Wehe der sündigen Nation, dem Volke mit Schuld beladen, der Brut von Übeltätern,den frevelnden Söhnen! Verlassen haben sie den Herrn, sich von ihm weggedrückt, mißachtet haben sie den Heiligen Israels. Worauf soll man euch noch schlagen, wenn ihr weiterhin treulos seid? Daß ganze Haupt ist krank, und das ganze Herz ist siech. Von der Fußsohle bis zum Scheitel ist nichts Heiles mehr an ihm: Risse und Striemen und frische Wunden, weder ausgedrückt, noch verbunden, noch erweicht mit Öl. Euer Land ist eine Wüste, eure Städte sind Brandstätten, den Ertrag eures Bodens: vor euch dort verzehren ihn Fremde, und eine Verwüstung ist wie bei der Zerstörung von Sodoma." (1, 2-8).
Ja, die wahre Ursache gibt Gott selbst erneut an durch den Mund des Propheten Jeremias
"Erschaudert drob, ihr Himmel, und entsetzt euch wirklich gewaltig! Doppelte Untat verübte ja mein Volk: hat mich verlassen, den fließenden Wasserquell, sich Zisternen zu graben, brüchige Zisternen, die das Wasser nicht halten." (2, 12-13).
Das heißt für uns: "Du hast theoretisch und praktisch deinen Katechismus vergessen!" Steht denn dort nicht gleich am Anfang geschrieben: "Christlich Glauben, heißt alles für wahr halten, was Gott geoffenbart hat und durch die katholische Kirche zum Glauben vorstellt"? Es wird wohl nicht notwendig sein zu betonen, daß dies selbst für den Papst gilt und daß er keine Macht hat etwas daran zu ändern soweit es Glaubensgut ist. (3)
Leider tun die meisten Menschen, auch viele Priester .so, als ob Christus und die Kirche nichts Definitives gesagt hätten, und man die Wahrheiten je nach Bedarf biegen könne, daß bevor etwas Neues eingeführt wird, zuerst die unumstößlichen, unfehlbaren Entscheidungen des apostolischen Stuhles befragt werden müssen, was ja selbstverständlich ist und selbst in den Akten des sog. II. Vatikanischen Konzils betont wurde, will den meisten nicht einleuchten. Jedoch schon der heilige Papst Gelasius mahnt: "Ist es uns denn erlaubt, das, was von den ehrwürdigen Vätern verdammt wurde aufzulösen, und die von ihnen verworfenen gottlosen Lehren von neuem zu behandeln? ... Was forschen wir noch über die Entschlüsse der Vorfahren hinaus, oder warum genügen sie uns nicht? Wenn wir bei Unkenntnis einer Sache uns belehren wollen, was von den rechtgläubigen Vätern und Ahnen zu meiden angeordnet wurde oder was der katholischen Wahrheit zurechtzumachen ist, warum befragen wir nicht ihre Dekrete? Sind wir denn weiser als sie, oder können wir fest weiter bestehen, wenn wir das, was von ihnen festgesetzt wurde, untergraben?" (4) Daß dies in erster Linie bei der hl. Messe und den hl. Sakramenten ernst zu nehmen ist, sollte uns klar sein. Wenn wir das tu möchten, würden wir sehen, wie sehr in diesen Sachen gesündigt wurde. Doch wir wollen es eben nicht!
Der grenzenlose Hochmut der sogenannten "mündigen Christen" hat sie derartig verblendet, daß sie die einfachsten Wahrheiten nicht mehr begreifen können und sie deshalb nach ihrem Gutdünken umgestalten. Allein die Demut gestattet eine wahre Axiologie, Ordnung der Werte, nach welcher alles zu beurteilen ist. Doch "der Umfang des Stolzes ist, daß der Mensch frech wird, und von seinem Schöpfer abfällt sein Herz." (Eccli.10,14).
In einer Vision beklagt sich der Schöpfer bei der hl. Birgitta: "In welchem Hause wird der Herr verachtet und der Knecht geehrt? Ist denn so etwas nicht ungebührend und abscheulich? ... Und nun bin ich der Herr von Allem. Die Welt ist mein Haus und der Mensch sollte rechtmäßig mein Knecht sein, jedoch werde ich jetzt in der Welt verachtet und der Mensch geehrt!" (5)
Längst haben wir vergessen, daß wir weder uns noch irgendetwas anderes bestehen wissen wollen, es sei denn wegen Gott, einzig weil Er es so will, nicht weil es uns so gefällt.... Wer sich selbst aber zum Gesetze macht, indem er seinen Willen dem allgemeinen und ewigen Gesetze vorzieht, handelt verkehrt, indem er seinen Schöpfer kopieren will. (6) Hier kommt das Dämonische zum Vorschein, denn in diesem Bestreben gleicht ein solcher Mensch dem Teufel, weil er sich und das Seinige nicht zu Gott als seinem letzten Ziele hinordnet, sondern sein eigenes Wohlergehen zum letzten Ziel macht, indem er das dazu Notwendige als Regel für sein Handeln nimmt. (7) Über eine solche Einstellung brauchen wir uns nicht zu wundern, da wir in einer Zeit leben, wo die Wahrheit als Funktion des Menschen und seiner Bedürfnisse betrachtet wird, und das als gut gewertet wird, was dem Menschen für sein selbstisches Ziel nützlich ist. Hiermit ist aber die Tür der Willkür und Brutalität geöffnet.
Auf die Strafe macht bereits der hl. Paulus aufmerksam: "Darum überließ Gott sie durch die Gelüste ihres Herzens der Unlauterkeit, so daß sie ihre Leiber entehrten, sie, die den wahren Gott mit falschen Götzen vertauscht und das Geschöpf verehrt und angebetet hatten anstatt den Schöpfer, der da hochgelobt ist in Ewigkeit" (Röm. 1, 24-25).
Doch was hilft das alles, wenn "die Frucht so köstlich ist!" Ist es denn nicht köstlich, so wie Gott zu sein und zu erkennen d.i. erkennend anordnen, was gut und was böse ist??? (Gen. 3, 5). Wenns bloß der kleine Gernegroß wäre, doch wir haben "mündige Christen" vor uns!!!
Die Versuchung, die Christus seiner Person gegenüber zuließ, bleibt niemandem von uns erspart: Brot, Ehre, Macht! Wahrlich ein Held ist der, der hier nicht unterliegt. So manche, die des Brotes halber nicht vom WEG gewichen sind, ließen sich durch Ehrenbezeichnungen von IHM abbringen, und das Machtbedürfnis ist eine Lockung, der selten jemand widersteht. Prüfen wir nur unser Gewissen und wir werden staunen, wie häufig wir der Versuchung nachgegeben haben. Wie ernst wir es mit solchen "Nichtsen" als welche wir sie gerne bezeichnen möchten, nehmen müssen, bezeugt der allgemeine Zustand der Menschheit, welcher nicht das Endergebnis einiger bösen Persönlichkeiten ist oder einer Gruppe von solchen, sondern das Resultat der Auswirkungen eines jeden von uns; ein jeder ist im entsprechenden Ausmaße mitschuldig, ein jeder muß sein Confiteor sagen.
So spricht der Herr: Schlage in deine Hände und stumpfe mit deinen Füßen und rufe "Wehe" über alle schlimmen Greuel des Hauses Israel; durch das Schwert, durch Hunger und durch Pest sollen sie fallen. Wer fern ist, wird durch die Pest sterben, wer nahe ist, wird durch das Schwert fallen, und wer noch übrig ist und belagert ist, wird durch Hunger umkommen, und ich werde meinen Grimm an ihnen erschöpfen. Und ihr sollt erkennen, daß ich der Herr bin, wenn eure Erschlagenen mitten unter euren Götzen daliegen rings um eure Altäre ..." (Ezech. 6, 11-13).
"Deine Bosheit züchtigt dich, und dein Abfall straft dich. Hab Verstand und sieh, wie bitterböse es ist, daß du Gott, deinen Herrn, verließest und keine Furcht vor mir besaßest - Spruch des Herrn der Heerscharen.
Von jäher hast du ja dein Joch zerbrochen und deine Stricke zerrissen, indem du sprachst: Ich mag nicht Knecht sein. Vielmehr auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum legtest du dich hin als Dirne. Ich hatte dich doch gepflanzt als edle Rebe - nur echter Reiser! Wie hast du dich doch zum Unkraut gewandelt, zur welschen Rebe! Fürwahr, wüschest du dich auch mit Natron und nähmest du noch so viel Lauge, schmutzig bliebe deine Schuld in meinen Augen!" (Jerem. 2, 19-22).
Es möge ja niemand glauben, dies alles sei übertrieben und habe uns nichts zu sagen Zuerst möge er sich die Antwort auf die Frage geben, wie viele praktische Atheisten es auf der Welt gibt, er würde über den hohen Prozentsatz staunen! Jerusalem, Jerusalem, kehre zurück zu Gott, deinem Herrn!
Gerne hätten Adam und Eva das einst verweigerte Opfer gebracht und konnten nicht, du aber willst es nicht! Wie oft hast du dein ganzes Leben beim Offertorium auf den Altar gelegt??? Den Leidenskelch mit dem Heiland trinken, - das ist doch nicht - so sagst du - die Aufgabe des Christen! Ein Liebesmahl - das schon! So folgen die meisten nicht ihrem Vater Abraham, denn sie haben sich mit Lot für die Umgebung von Sodom entschlossen!
Hast du denn nicht bei der heiligen Taufe jene Worte gehört, die einst dein Herr zu deinem Vater gesprochen hat?: "Zieh fort aus deinem Lande und von deiner Verwandtschaft und vom Hause deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde ... Segen sollst du verbreiten. Ich will segnen, die dich segnen, und ich will verfluchen, die dir fluchen! In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!" (Gen. 12, 1-3). Du sagst aber, was geht mich Abraham an? Geht er dich nichts an, dann bist du trotz deiner Taufe innerlich ein Heide!! Dann hast du dich losgesagt von der Familie des Herrn, der du wohl nie voll angehört hast. Israel und Kirche ist ein organisches Gebilde, Israel ist die Kirche des alten Testaments, die Kirche ist das Israel des Neuen Testamentes, da gilt: beides oder nichts. Nie sollte Israel ein völkisches, ethnologisches Gebilde sein, wie auch bei der Kirche das Völkische in den Hintergrund treten muß. Diesbezüglich wurde von den sogenannten Christen viel und schwer gesündigt. Im Gotteshaus treffen sich nicht Kinder dieser oder jener Nation, sondern Bürger des himmlischen Reiches, dessen Gesandtschaft das Haus Gottes ja ist. Die Ereignisse auch nur unseres Jahrhunderts allein, die beiden Weltkriege, wo Glieder des mystischen Leibes Christi sich gegenseitig Tod, Leid und Tränen zuschickten, sind das größte Ärgernis, welches die sogenannte Christenheit der Welt hat geben können. Wie viele in den Himmel um Rache schreienden Sünden sind da nur zustande gekommen! Und dann hast du, "mündiger Christ" nichts zu büßen??? Gerade in den letzten Tagen, wo die ganze Welt am Rande einer unaussprechlichen Katastrophe steht, ist es unbedingt notwendig, über die Kirche in Klarheit zu sein, denn nur so kann es gelingen, das zu retten, was noch zu retten ist. Wer hierin im Unklaren verbleibt versündigt sich schwer in bezug wie auf die eigene Person, so auch auf die ganze Menschheit!
Das Herausgehobensein der Christen aus dem Meer der Völker und ihre organische Verbindung mit dem seiner Sendung treugebliebenen Israel ist die Äußerung seiner Auserwählung. Aufgrund dessen müssen sich die Christen ihrer Zugehörigkeit zur Kirche, dem Israel des Neuen Testamentes voll bewußt werden, wie auch all der daraus entspringenden Folgen. So mahnt schon der hl. Maximus (+ 662): "Größer ist die Bruderschaft Christi, als die des Blutes!" Auch ist die natürliche Verwandschaft durch unsere Einpfropfung in den edlen Stamm Israels völlig in den Hintergrund geschoben.
"Hat etwa Gott sein Volk verstoßen, - so fragt der hl. Apostel der Völker, Paulus -. Das sei fern! .... Gott hat sein Volk nicht verstoßen, das er sich einst auserwählt hat. Wißt ihr nicht, was die Schrift in der Geschichte des Elias sagt, da er vor Gott über Israel klagt? "Herr, sie haben deine Propheten getötet, deine Altäre zerstört; ich allein bin übriggeblieben und nun trachten sie auch mir nach dem Leben." Welche Antwort wird ihn da von Gott zuteil? "Ich habe mir siebentausend Mann bewahrt, die ihr Knie vor Baal nicht gebeugt haben." So ist auch in der jetzigen Zeit ein Rest geblieben, den die Gnade auserwählt hat ..... die andern blieben verstockt, wie geschrieben steht: "Gott gab ihnen einen Geist der Betäubung, Augen, um nicht zu sehen, Ohren, um nicht zu hören, bis auf den heutigen Tag." Und David sagt: "Ihr Tisch soll ihnen zur Schlinge werden und zum Strick, zur Falle und zur Vergeltung. Ihre Augen sollen finster werden, daß sie nicht sehen, und ihren Rücken sollen sie krümmen immerdar!"
Ich frage nun: Sind sie gestrauchelt, um zu Fall zu kommen? Das sei fern! Vielmehr ist durch ihren Fall das Heil zu den Heiden gekommen, damit sie ihnen nacheifern. Wenn aber schon ihr Fall ein Reichtum für die Welt und ihr Versagen ein Reichtum für die Heiden geworden ist, wieviel mehr dann ihre Vollzahl .... Wenn das Erstlingsbrot heilig ist, so ist es die ganze Masse, und wenn die Wurzel heilig ist, so sind es auch die Zweige. Wenn aber einige Zweige ausgebrochen wurden, und du, der wilde Ölzweig, zwischen ihnen eingesetzt wurdest und nun an der fetten Wurzel des edlen Ölbaumes Anteil erhalten hast, so überhebe dich nicht über die andern Zweige. Überhebst du dich aber, so bedenke: nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich. Du wirst erwidern: Die Zweige wurden ausgebrochen, damit ich eingesetzt werde. Wohl. Infolge ihres Unglaubens wurden sie ausgebrochen, du hingegen wurdest um des Glaubens willen eingesetzt. Sei darob nicht hochmütig, sondern fürchte dich! Denn hat Gott die natürlichen Zweige nicht verschont, so wird er auch dich nicht verschonen. Erkenne also Gottes Güte und Strenge: die Strenge gegen die Gefallenen, die Güte Gottes gegen dich, vorausgesetzt, daß du in der Güte verharrst, sonst wirst auch du ausgehauen werden. Aber auch jene werden wieder eingesetzt (durch die hl. Taufe; eigene Bemerkung), wenn sie nicht im Unglauben verharren; denn Gott vermag sie wieder einzusetzen. Wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum ausgeschnitten und wider die Natur in den edlen Ölbaum eingesetzt wurdest, wieviel leichter werden dann die natürlichen Zweige in den eigenen Ölbaum wieder eingesetzt werden!" (Röm 11, 1-24).
Der weitaus größere Teil der Kirche, des Israels des Neuen Testamentes, ist also wider die Natur, als Zweige von wilden Ölbäumen, indem edlen Baum Israels eingesetzt worden und dadurch veredelt worden. Darf sich da solch ein Zweig erlauben zu sagen, ich will mit dem Stamm, der Wurzel nichts gemeinsames haben? Trennt er sich von ihnen, dann ist er tot! Geht denn da nicht die Erlösung durch Christus über Adam und Abraham und alle Patriarchen und Propheten bis auf uns? Singt nicht die hl. Kirche im Exultet bei der Herzenweihe am Karsamstag: "O felix (Adae) culpa, quae talem ac tantum meruit habere Redemptorem!? Oh glückliche Verschuldung, die uns einen solchen und so großen Erlöser verdient hatte! Ist denn Adam die Quelle nur unseres Unglückes? Haben wir ihm nichts zu verdanken, und all den Patriarchen und Propheten? Wirklich sonderbar sind manche Anschauungen über das Geschehen in einem Organismus!
Unser Vater Abraham mußte sein Land und seine Verwandtschaft verlassen, um auch für uns das werden zu können, was er geworden ist, Träger der Verheißung Gottes, Rückgrad der Familie des Herrn, da aus ihm der Erlöser dem Fleische nach kommen sollte. Warum zögern wir, die natürliche Bindung an die Welt zu zerreißen? Kann denn ein Pröpfling zugleich beiden Bäumen angehören? Auch an uns sind die Worte des Psalmisten gerichtet: "Vernimm, o Tochter, sieh her und neige dein Ohr: Vergiß dein Volk und dein Vaterhaus, damit sich sehne nach deiner Schöne er, dein Herrn" (44,11).
In einer grandiosen Vision beschreibt der Prophet Zacharias die letzte Bedrängnis und Rettung Jerusalems. Allerdings ist hier nicht so sehr der Ort selbst zu beachten, wie er sicher nicht übergangen wird, sondern das himmlische Jerusalem, ohne dem das irdische Jerusalem jede Bedeutung im positiven Sinne verliert. So wie die heilige Messe die unblutige Vergegenwärtigung des blutigen Opfers Christi am Kalvarienberg ist, und ein jeder Gläubige, anwesender Christ sich hiermit auch am Kalvarienberg des irdischen Jerusalems mystisch aber real befindet, ist Israel zwar im mystischen, gerade deshalb aber im vollen Sinne seiner Sendung zu nehmen. In diesem Sinne sind auch die Worte des Propheten zu erklären. Nicht alle Heiden, nicht alle vom Herrn ausgehauene Söhne Israels, nicht alle Kinder der Kirche, des Israels des Neuen Testamentes werden am Kampfe gegen Jerusalem teilnehmen. "Aber alle die da übriggeblieben sind aus all den Völkern, die da wider Jerusalem zogen, die werden Jahr für Jahr hinaufziehen, um den König Herrn Sabaoth anzubeten, und um das Laubhüttenfest zu feiern. (Das Laubhüttenfest war das volkstümlichste unter den Wallfahrtsfesten, bei welchem an die Unterkunft beim Auszug aus Ägypten gedacht wurde, wie es auch als Dankfest für die reiche Ernte eingesetzt wurde. Gerade dieses Fest steht so nahe dem Geiste des Neuen Testamentes, denn haben die Kinder der heiligen Kirche nicht das Ägypten der Sinne verlassen, wie auch der Sünde, die ganze Welt mit allen ihren Banden und Versuchungen, um am Erntefest des Opfers Christi, DEN mit DEM und in DEM sie der Welt gestorben sind, im Heiligen Geiste von der FRUCHT des wahren Lebensbaumes genießen zu können?) Wer aber nicht hinaufzieht nach Jerusalem von den Völkerfamilien der Erde, um den König Herrn Sabaoth anzubeten, über den wird kein Regen kommen. Und wenn die Nation der Ägypter nicht hinaufsieht, so wird er (Nil) sie (d.h. ihr Land) nicht überschwemmen (und sie so strafen) ohne daß über sie kommt die Plage, mit der der Herr die Völker trifft, die nicht hinaufziehen, um das Laubhüttenfest zu feiern. Das wird also die Strafe Ägyptens und die Strafe all der Völker sein, die nicht hinaufziehen, um das Laubhüttenfest zu feiern." (Zach. 14, 16-19).
Der heilige Hieronymus, der in einer Zeit lebte, in der der Anthropozentrismus und hiermit Nationalismus, (in diesem Zusammenhang als kollektiver Egoismus genommen) bei weitem nicht jenes Ausmaß erreicht hatte, wie jetzt, mußte trotzdem, wie wir sehen werden, schwer gegen ihn kämpfen. In seinem Kommentar zur eben angeführten Stelle aus dem Propheten Zacharias, lesen wir: "die Kirche des Herrn Jesu wird himmlisches Jerusalem benannt, von dem der Apostel schreibt: "Die aber oben, nämlich Jerusalem, ist frei, die Mutter unser aller. (Gal. 4,26) Und: Ihr seid herangetreten an denn Berg Sion, das himmlische Jerusalem, die Stadt des lebendigen Gottes. Und dieses Jerusalem liegt nicht auf Tiefebenen, sondern am hohen Berge, von dem der Herr spricht: "Eine Stadt, die auf einem Berge liegt, kann nicht verborgen bleiben." (Matth. 5,14). Infolgedessen muß der, der den Herrn der Heerscharen in Jerusalem anbeten will, auf den Berg steigen. Über den aber der denn Familien und Stämmen der Erde angehört, und infolgedessen den Herrn nicht anbeten kann, über den kommt kein Früh- und Spätregen, noch wird sein Boden von den Gewässern des Himmels begossen. Oder, nach dem Wortlaut der Septuaginta (alte griechische Übersetzung; eigene Bemerk.), "jene von den Familien der Erde, die nicht hinaufgezogen sind nach Jerusalem, um den König, allmächtigen Herrn anzubeten, werden zu denen gezählt, die gegen Jerusalem gekämpft haben, deren Fleisch verwest, die Augen triefen werden und die Zunge verfault. Wer Ägypter (geblieben) ist oder Angehöriger anderer Nationen, solange er Ägypter bleibt oder anderer Nationalist, der steigt nicht hinauf nach Jerusalem, und weil er nicht hinaufsteigen kann, ja überhaupt keinen Schritt nach oben machen kann: über den kommt deshalb nicht der Erguß des Herrn. Und es wird dem Ägypter, Assyrer, Chaldäer, Syromoabiten und Ammoniter als größte Sünde angerechnet, daß sie ihre Länder nicht verlassen wollen, um durch Hütten nach Jerusalem zu gelangen und hier ihr ewiges Heim zu finden; daß sie nicht aufhören wollen verschiedener Nationen zu sein und nicht Israeliten werden, in denen keine List ist."
Das soll kein "Jüdeln" sein, welchen Vorwurf wir noch vor ein Paar Jahren von Menschen, die keinen Einblick in die Sachlage hatten, immer hören mußten, auch kein Verrat an Staat und Volk. Weder der eine noch der andere kommt zu kurz, ja wie wir gleich zeigen werden, erst der christliche Bürger ist Vollbürger im wahren Sinne des Wortes, erst der katholische Christ kann seiner Umwelt zum wahren Segen werden, und hiermit jener Menschengruppe in der er aufgewachsen ist, das zurückzahlen, unendlich reichlicher, als ihm selbst zuteilgeworden ist.
Der Brief des Diognet aus dem II. Jahrhundert, der zu den apostolischen Vätern gerechnet wird, gibt uns die notwendige Antwort. Kein Staat braucht sich vor den Christen zu fürchten." Sie leisten Gehorsam den Gesetzen gegenüber, (natürlich soweit diese nicht das Naturgesetz verletzen, oder das positive göttliche, in welchem Falle sie ja überhaupt keine Gesetze sein könnten, eigene Bemerkung), in ihrer Lebensweise gehen sie jedoch weiter als die Gesetze". Ihr Gehorsam ist nämlich nicht im vergänglich Menschlichen verankert, sondern im ewig Göttlichen.
Genausowenig sind sie nun Feinde des Völkischen, allerdings solange es mit den Geboten Gottes und der Kirche vereinbar ist. "Sie unterscheiden sich - so schreibt Diognet - von anderen Menschen weder dadurch, daß sie eigene Plätze bewohnen, noch von irgendeiner eigenen Sprache Gebrauch machen, oder eigene Bräuche aufweisen. Allerdings, wenn sie auch dasselbe Vaterland bewohnen, bewohnen sie es als Fremde. ...Eine jede Fremde ist ihnen Vaterland und ein jedes Vaterland Fremde.... Sie sind Bettler und bereichern trotzdem so viele) "So wie das Israel des Alten Testamentes Sauerteig für alle Völker sein sollte, sind auch sie Quelle des Segens für die ganze Umgebung." "Sie halten sich zwar im Lande auf, jedoch ihre Heimat ist im Himmel .. ... Das was für den Körper die Seele ist, sind für die Welt die Christen." (8)
Im Gotteshause treffen sich alle zusammen, ohne jeden Unterschied, in einer Sprache, der Heiligen Schrift, der heiligen Kirche. Was das Himmlische anbelangt, da gibt es und kann es kein aggiornamento geben, deshalb nur eine Lehre und einen Kult. Denn "schweren Schaden leidet die Lehre Gottes, betont der hl. Gregor der Große, wenn sie mit Rücksicht auf die fleischliche Abstammung erteilt wird. Außerhalb der Verwandschaft und Bekanntschaft muß jener stehen, der sich enger an den Vater aller schmiegen will, denn umso gediegener liebt er die, welche er wegen Gott nützlich vernachlässigt, umso mehr er das Gefühl der vergänglichen Bindung übersieht." (9)
Es ist ganz .natürlich, wenn von seiten der Leser die Frage auftaucht, warum wir gerade hier, abschließend, dieser Sache im gegebenen Zusammenhang soviel Aufmerksamkeit widmen. Dazu müssen wir bemerken, daß ihr lange nicht soviel Aufmerksamkeit gewidmet wird, als sie an sich fordert, was aber geschehen ist, mußte deshalb geschehen, um den Begriff der Angehörigkeit zur Kirche etwas zu klären. Wir können nämlich nur dann menschlich handeln, wenn wir wissen, was "Mensch" ist. Um katholisch zu leben, ist es notwendig zu wissen, was eigentlich ein katholischer Christ ist. Dies kann aber nur dann geschehen, wenn wir klar das Bild des Corpus Christi mysticum vor den Augen haben. Ohne sich der innigsten Verbundenheit mit allen seinen Gliedern bewußt zu sein, angefangen von Adam über Abraham bis zum letzten seinen Glieder, kann es keine richtige Umkehr und hiermit Buße geben. "Wie berichtigt der Jüngling seinen Weg? - fragt der Psalmist - Wenn er achtgibt nach deinem Worte!" (118,9) Wie können die Menschen aber achtgeben, wenn sie das Wort nicht kennen. Es gibt aber kein "Kennen" ohne Gebet, ohne Meditation! Wie kann sich selbst führen, der nicht von dem geführt wird, der von Gott dazu bestellt wurde, von einem heiligmäßigen Seelenführer!
Wie hätten Adam und Eva gejubelt, wenn ihnen jene Möglichkeit geboten worden wäre, das hochheilige Opfer wie wir darbringen zu können; sie werden es sicher versucht haben, hatten aber keine Opfergabe, denn sie hatten sie sich selbst verspielt. Die Pforte des Paradieses blieb für sie geschlossen
P. Trilles hörte bei den Pygmäen an den Ufern der Abanga im äquatorialen Kongo ein trauriges Lied:
"Die Nacht ist schwarz, der Himmel ist erloschen. Wir haben verlassen die Siedlung unserer Väter. Der Schöpfer zürnt uns! (10)
So etwa ähnlich werden die Klagelieder Adams und seiner Kinder gelautet haben. Wie andächtig und wirklich aktiv hätten sie sich an der heiligen Messe beteiligt! Stellen wir uns nur Abel vor, wie er vor dem Altar, an dem das Opfer unserer Erlösung dargebracht wird, in Demut und Andacht kniet! Haben wir da nicht sehr vieles nachzuholen?
Durch die Treulosigkeit eigener Hirten wurden zwar sehr viele Kinder Israels Glieder der heiligen Kirche, vom hochheiligen Berge Sion, vom Kalvarienberg nach Ägypten zurückgeführt, und gerieten abermals in die Sklaverei der Sinne, noch mehrere aber gingen durch ihre eigene Saumseligkeit auf allen Gebieten der Religion von selbst verloren. So brauchen wir uns heute gerade bei elementarsten Wahrheiten, die ihnen bereits in der Volksschule geläufig sein sollten, nicht zu wundern. Gediegene Katechismuskenntnisse fehlen sehr vielen Priestern, und auch Bischöfe sind Priester, von Laien ist nicht viel zu erwarten. Die Gewissenserforschung ist äußerst oberflächlich, wenn sie überhaupt noch gepflegt wird, und das Tohuwabohu in der Liturgie leider allen zu sehr bekannt. Was bleibt uns da übrig?
"Zwischen Vorhof und Altar sollen weinen die Priester, die Diener des Herrn, und sprechen: Schone, Herr, dein Volk und gib dein Erbe dem Hohn nicht preis, daß die Heiden über sie spotten! Warum soll man sagen unter den Völkern:
Wo ist ihr Gott? (Joel. 2,17)
Anmerkungen: (1) Mansi 43, 509. Sacrorum Conciliorum nova et amplissima collectio. (2) John Donne, The first Anniversary, 155 sq. (3) Siehe Einsicht 1. Jhg. Nr. 9 Dezember 1971, ff. (4) Denz. 161. (5) Revelationum S. Birgittae I. cap. 40. (6) S. Bernardi, De diligendo Deo, X, 28, XII 36. P. L. 182, 990 sq. (7) S. Thomae Aqu. Summa contra Gentiles III, 109. (8) Epist. ad Diognetum, cap. 5, 1 sq. (9) S. Gregorii Magni, Moralia VII. in cap. VI. 41. (10) R. P. Trilles, Les Pygmées de la Forêt équatoriale, Paris, Bloud Gay, 1932, pg. 503.
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