DAS SÜHNEOPFER
IX.Teil von "Wurzel, Stamm und Krone"
von Otto Katzer
Wir haben noch die Symbolik der aus dem Opfertode erfolgenden Auferstehung des opfernden Priesters und der Menschheit in ihm, welche im neutestamentlichen Opfer in der Priesterkommunion vor sich geht, aufzusuchen. Dieselbe liegt darin, daß die Schaubrote am Ende der Woche von den Priestern (u.zw. nur durch diese) gegessen wurden.
Auch im Alten Bunde war der Priester stellvertretendes Erlösungsprinzip und darum war auch an seine symbolische Auferstehung zum Leben, vermöge des Essens des in symbolischer Weise in ein gottmenschliches Leben übergegangenen Opfermaterials, die Auferstehung der Menschheit durch die Gnade geknüpft, in so weit nämlich die Möglichkeit dieser Auferstehung im alten Bunde gehen konnte. Der Weihrauch, der während des Essens verbrannt wurde, sinnbildete offenbar durch sein Aufsteigen zum Himmel diese Auferstehung...
Es ist schon gesagt worden, daß das notwendige Präliminare der wirklichen sub Ëjektiven Erlösung des Menschen das Innewerden der Erlösungslehre von seiner Seite, also die Verkündigung derselben durch das dazu bestellte Organ sei, das dieselbe von dem eigentlichen Erlösungsprinzip erhält und in seinem Namen mitteilt.
Diese notwendige erste Tätigkeit des Erlösungsprinzips ist im alten Bunde symbolisiert durch den siebenarmigen Leuchter, der neben dem Rauchopferaltar im Heiligtum stand, eigentlich durch die sieben Lichter, welche auf demselben brannten. Die erste Folge des objektiven Erlösungsopfers mußte immer wie gesagt die sein, daß es die Welt mit dem Lichte der Erlösungslehre beleuchtete; das Licht dieser Lehre war im Alten Bunde zwar schon angezündet, aber es war noch nicht ganz offenkundig in die Welt herausgetreten; ihr Symbol war noch im Heiligtum eingeschlossen; und erst wenn dieses Heiligtum geöffnet, das heißt, wenn die Kirche Christi mit ihm und in ihm in ihrer schönsten und vollkommensten Gestaltung vom Himmel auf die Erde herabkommen würde, da sollte Ë auch das volle Licht der Erlösungslehre aus der Verborgenheit des Heiligtums hervorgehen und mit seinem Glanze die ganze Welt erleuchten. Der siebenarmige Leuchter stand also im notwendigen Zusammenhange mit dem Schaubroteopfer, und kann daher nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit ihm betrachtet werden. " (1)
Wie im Neuen Testamente so auch im Alten legten die Priester das Volk vertretend ihre Gaben dar, welche natürlich, so war es ja vom Gesetze vorgeschrieben, heil und makellos sein mußten. Legen wir nur schön unsere Scheinheiligkeit beiseite und betrachten wir das, was wir opfern, nämlich uns selbst! Daß dies mit keinem Wohlbehagen begleitet sein wird, darauf haben wir schon aufmerksam gemacht, genau so, daß wir selbst die "leichtesten" Sünden nicht auf eine leichte Waage nehmen dürfen. Vielmehr müssen wir uns die Worte des Propheten Malachias zu Herzen nehmen: "Ihr bringt auf meinem Altar unreine Speise dar, und sagt: Womit verunreinigen wir dich? Dadurch, daß ihr sagt: D Ëer Tisch des Herrn ist geringzuschätzen.
Wenn ihr ein blindes Tier zum Schlachtopfer bringt, ist das nicht böse? Wenn ihr ein lahmes und krankes opfert, ist das nicht böse? Bring es doch deinem Fürsten, ob er Gefallen daran hat, oder dich gnädig aufnimmt? Spricht der Herr der Heerscharen ... Verflucht sei, der trüglich handelt, der in seiner Herde ein (starkes) männliches Tier hat ein Gelübde macht, dann aber ein fehlerhaftes Tier dem Herrn opfert! (Malach. 1.)
Wann werden wir es endlich mit unserem religiösen Leben ernst nehmen und zur einzigen, so bitter notwendigen Reform schreiten, unserer eigenen Person, unseres eigenen "Ich"?! Wenn wir auch nur einen ganz kleinen Bruchteil dessen, was wir noch vom echten Glauben wissen, in unser Leben projezieren würden, wäre die Erde bereits ein kleines Paradies, nach dem wir uns so sehnen! Im Brot opfern wir unsere Arbeit, betrifft, die aber das, was gottgefällig ist? Im Weine bringen wir unser Leid, ist es aber nicht vielmehr das Leid welche Ës wir unseren Mitmenschen verursacht haben? Also ein frevelhaft mißbrauchtes, gestohlenes Gut, als ob Kain das Blut seines Bruders Abels aufopfern wollte? Jawohl, wir schrecken davor zurück, mit Recht, Reue aber empfinden wir keine!
Wir haben bereits betont, daß sich der Mensch als eine Ganzheit aufopfern muß, besonders was seine drei geistigen Fähigkeiten anbelangt. Die Vernunft, den Willen und das "Herz". Gerade das letzte ist zu unterstreichen in einem Zeitalter, welches mit eiskaltem mathematischen Berechnen über das Schicksal von Millionen entscheidet und sie kaltblütig dem Götzen der sogenannten Wissenschaft opfert. Nie in der Geschichte, wurden blutigere Opfer Göttern dargebracht, die Scheusale der Azteken Mexikos sind ein Kinderspiel im Vergleich mit dem, was sich in den Konzentrationslagern, wo immer auch auf der Welt, im zwanzigsten Jahrhundert abgespielt hat. Über die Azteken schreibt Proscott: "Niemals sind gewiß Feinheit und äußerste Rohheit in so nahe Berührung miteinand Ëer gebracht worden.
Es haben Menschenopfer bei vielen Völkern, die höchstgebildeten des Altertums nicht ausgenommen, stattgefunden, doch bei keiner jemals in einer Ausdehnung, die mit der in Anahuac zu vergleichen wäre. Die Zahl der auf seinen fluchwürdigen Altären geschlachteten Opfer würde den Glauben der Leichtgläubigsten wanken machen. Kaum ein Schriftsteller schätzt die Anzahl der jährlichen Opfer im ganzen Reiche auf weniger als zwanzigtausend, und einige lassen sie bis auf fünfzigtausend steigen.
Bei großen Gelegenheiten, wie der Krönung eines Königs oder der Einweihung eines Tempels, wird die Zahl noch entsetzlicher. Bei der Einweihung des großen Tempels Huitzilopotchlis, im Jahre 1486, wurden die einige Jahre hindurch zu diesem Zwecke aufbewahrten Gefangenen aus allen Gegenden nach der Hauptstadt geschleppt. Sie wurden in Reihen aufgestellt, woraus sich ein beinahe zwei Meilen langer Zug bildete. Die Feierlichkeit währte mehrere Tage, und es sollen siebzigtausend Gefangene a Ëm Altare dieser Gottheit umgekommen sein! ... Eine Tatsache kann als zuverlässig betrachtet werden. Es war gebräuchlich, die Schädel der Geopferten in dazu geeigneten Gebäuden aufzubewahren. Die Gefährten von Cortez zählten 136.000 in einem dieser Gebäude." So Prescott. (2) Was ist das aber alles im Vergleich mit dem, was sich noch heute da oder dort auf der Welt abspielt! Hiroschima 150.000 Opfer auf einen Schlag! Was ist das jedoch wieder im Vergleich mit dem langjährigen unblutigen aber umso peinvollerem Leiden der aus Gott und der Natur entwurzelten Menschheit! Die wahre Religien spricht nicht nur allein die Vernunft oder den Willen an, aber beide unter Dominanz des "Herzens". Das kommt auch zum Ausdruck im Gottesdienste des alten Testamets, welcher im neuen zu seiner Vollkommenheit gekommen ist. Nur dann allein, wenn alle drei Fähigkeiten eingesetzt werden, gelingt es dem Menschen in die Herrlichkeiten des Gottesdienstes einzudringen und an ihnen auch Anteil zu nehmen.
Es kann hi Ëer nicht unsere Aufgabe sein, diese Tatsachen pädagogisch zu werten, wenn wir auch dieses Feld nicht ungestreift vorbeigehen lassen. Der Dienst am Weinberge des Herrn fordert den Einsatz des gesamten Menschen, nicht nur ein verstümmeltes intellektuelles Torso. Nie dürfen wir vergessen, worauf bereits Pascal uns aufmerksam gemacht: "Le coeur a ses raisons, que la raison ne connaît point; on le sait en mille choses - Das Herz hat seine Gründe, welche die Vernunft keineswegs kennen kann; das erkennt man bei tausend Sachen." Mit Bezug auf die Religion sagt er dann: "Wenn wir alles der Vernunft unterwerfen würden, unsere Religion hätte nichts Mysteriöses mehr und Übernatürliches aufzuweisen. Wenn wir aber die Prinzipien der Vernunft anrühren, wird unsere Religion absurd und lächerlich." *) (3) Wie wir uns noch zeigen werden, allein der katholische Gottesdienst ist diesbezüglich harmonisch aufgebaut und zeigt schon durch seine äußerliche Form, daß er D E R Gottesdienst ist und es im wahren S Ëinne des Wortes keinen anderen geben kann. Eine Annäherung an Gottesdienstformen anderer religiöser Gruppen ist von vornherein zum Scheitern verurteilt und setzt dabei eine unheimliche Menge anvertrauter Seelen in äußerste Gefahr, was den Glauben anbelangt, wie wir heute leider sehen müssen. Wie bereits mehrmals betont wurde, beschränkt sich die Äußerung des religiösen Lebens nicht einzig und ausschließlich auf die hl. Messe, erst recht nicht an irgendeine Teilnahme an einem sogenannten Abendmahle, wenn es auch eucharistisch genannt wird, sondern muß als ein auf das ganze Leben sich beziehender Opferakt betrachtet werden. Alle Lebensäußerungen müssen den Opfercharakter tragen, ganz besonders das Gebet. "Es ist schon erwiesen worden, so lesen wir bei Stöckl, daß es das Gebet sei, welches als die Form des inneren das äußere Opfer, sowohl als rein symbolisches, als auch reelles, mit dem innere in die Einheit zusammenfallendes, einleiten, und ihm seine Beziehung als Opfer geben müsse. Eben Ëso ist auch gezeigt worden, daß der Charakter dieses Gebotes mit der Veränderung des Charakters des Opfers sich gleichfalls verändern, und dem zufolge, nachdem es ursprünglich reines Lobgebet gewesen, dann als das Opfer Lob- und Sühne-, d.h.Versöhnungsgebet werden mußte. Im Munde des Erlösers hat das Gebet jenen in die Einheit des Begriffes zusammengehenden Doppelcharakter angenommen, und behält ihn bei im Munde des Priesters, wenn er opfernd am Altare steht. Aber eben deshalb, weil die ganze Menschheit, sowohl mit dem Erlöser, als Er noch auf Erden wandelte, als auch mit dem Priester, wenn er das objektive Opfer verrichtet, zur solidarischen Einheit verbunden, und deshalb gleichsam Eins mit demselben ist: muß auch in ihrem Munde das Gebet den Charakter eines Lob- und Sühne, d.h. Versöhnungsgebetes annehmen, und darum muß das subjektive Opfer, zu dem sich der Mensch bewußt und frei in dort objektiven Erlösungsopfer hingibt, so wie es überhaupt als Opfer durch das Opfergebet eingeleitet Ë und ihr seine Beziehung gegeben werden muß, so insbesondere in seiner Eigenschaft als Erlösungsopfer durch ein solches Gebet Einleitung und Beziehung erhalten, welches Lob - und Sühngebet zugleich und einheitlich ist, und darum im Begriffe als Versöhnungsgebet verzeichnet werden muß." (4) In diesem Zusammenhange sei auf ein Wortspiel aufmerksam gemacht. Gebet und gebet! Es kann kein erlösendes Gebet geben, wenn der Betende nicht zugleich Gebender ist, wobei das, was er gibt, nun er selst ist. Über die Beschaffenheit dieses Gegebenen wurde schon genügend gesagt. -
In Anbetracht der bedingungslosen existentiellen Abhängigkeit des Menschen von Gott, über welche sich ein jeder Mensch, insoweit er denkfähig ist, in einem jeden Augenblicke überzeugen kann, ist die Tatsache, daß das Leben des Menschen ein sühnendes Ganzopfer sein muß, einleuchtend.
Den ersten Ansatz zu einem solchen Opfer müssen wir nun im Inneren des Menschen selbst finden, da niemand die Existenz Gottes übergehen kann, w Ëenn er sich auch zuletzt leugnend ihr gegenüber stellt. Gottes Erhabenheit strahlt ihm aus einem jeden Geschöpf entgegen, und wenn der Mensch fähig ist, für seine eigenen Werke Anerkennung zu fordern, umso leichter muß er dies für einen Schöpfer tun können, dessen Werke die seinigen unendlich an Weisheit übersteigen. Hiermit ist aber auch schon die absolute Oberherrschaft Gottes über alles Erschaffene gegeben, da der Mensch seine restlose Abhängigkeit von Ihm nicht sehen kann. Da der Mensch ein soziales Wesen ist, muß auch seine Einstellung dem Leben gegenüber einen äußeren Ausdruck finden, welche ihm in fundamentalen Sachen von der von Gott geschaffenen Gesellschaft vorgeschrieben werden, der Kirche, dem mystischem Leibe Christi, dessen Glied er ist und auch bleiben muß, wenn er hier auf Erden und einmal im Himmel glücklich werden will.
Gebet und Opfer, die ja, wie wir uns soeben zeigten, innerlich zusammengehören, können in Anbetracht der ersten Sünde wie auch der unzähligen oft sch Ëweren Verfehlungen, zu welchen es täglich kommt, selbst im Lobgesang nicht ihren auch sühnenden Charakter verlieren, wie wir es beinahe schematisch nach dem reichen Fischfang bei Petrus sehen. Das Staunen über die Macht des Herrn zwingt Petrus auf die Kniee, indem er sich im Lichte der göttlichen Majestät so sieht, wie er in der Wirklichkeit ist, als ein schuldvoll beflecktes Wesen und läßt ihn rufen: "Herr, geh hinweg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch." (Luk. 5, 8) Wir können uns hier nicht eingehender mit diesem Geschehen befassen, zwei Dinge wollen wir aber hervorheben. Die Erhabenheit Gottes und die versündete Armseligkeit des Menschen. Je klarer das Licht um uns wird, umso schärfer müssen sich die Schatten unserer Persönlichkeit zeigen, jener Äußerungen, die nicht auf Gott als der ersten Ursachen und letztem Ziel eingestellt sind, und infolgedessen ein Licht durchlassen können und einen umso dunkleren Schatten werfen, je intensiver dieses Licht wird.
Deshalb haben wir un Ës etwas länger mit der inneren Qualität des Gebetes und des Opfers, dessen Vorstufe ja das Gebet ist, befaßt, daß wir uns zeigen, wie natürlich und unumgänglich der Sühnecharakter des Gebetes und des Opfers nach der ersten Sünde sein muß. Das Sichausschließen von dieser Pflicht ist bereits blasphemisch, wie es eine teuflische Blasphemie ist, den Sühn- Opfercharakter der heiligen Messe zu übergehen und sie auf ein Festmahl zu reduzieren, wenn auch in Beziehung, fälschlicherweise natürlich, zum letzlen Abendmahl. Dies kann nur bei denen vorkommen, "quorum deus venter est" (deren Gott der Bauch ist). (Philip. 3, 19)
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Anmrkungen: 1) Stöckl, Liturgie und dogmatische Bedeutung der alttestamentlichen Opfer, S. 174-177. 2) William Prescott, Der Untergang der Indianischen Kultur, Bernina, Wien, S. 54 3) Pascal, Pensées, La raison et le coeur./Classiques, Larousse/ S. 65 4) Stöckl, op. cit. 187 - 188
*) Pascal versteht also of flfensichtlicht unter "Vernunft" eine besondere, eingeschränkte Art des Begründens. Wenn wir sagen: "Der Glaube muß vernünftig sein", dann ist in unserem Verständnis von Vernunft das Herz mit eingeschlossen. - Anm. d. Rek.
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