Aus einem Interview
des Kirchenrebells Adolf Holl mit Stefan Winkler
Winkler: Was war Ihnen am Priestertum so lieb?
Holl: Sie werden lachen. Das, was ich an meiner jetzigen Existenz
vermisse, ist die Zelebration der lateinischen Messe nach dem alten
Rituale Romanum. Diese uralte und gewachsene Gestalt des kultivierten
Umgangs mit den höheren Mächten. Dafür gibt es in meinem Leben keinen
Ersatz.
Winkler: Sie verzeihen, aber irgendwie hat es etwas Tragikomisches an
sich, wenn ein Kirchenrebell wie Sie es bedauert, dass das Lateinische
aus der Liturgie verschwunden ist.
Holl: So von außen betrachtet, mag ich ja fast ein Clown sein. Aber ich
hab es immer betrauert. Nur habe ich mir es lange nicht eingestanden.
In den 60er Jahren, als das Zweite Vatikanum die Liturgiereform
beschloss, da habe auch ich mir eingebildet, dass die Zeit der
lateinischen Messe abgelaufen sei. Ich wollte den Gottesdienst mit dem
Gesicht zu den Menschen zelebrieren und ihnen nicht mehr den Rücken
zukehren. Erst im Nachhinein ist mir klar geworden, dass hier etwas den
Bach hinunter geschwommen ist. (...) Noch heute nach 40 Jahren kann es
vorkommen, dass ich im Traum wieder an den Stufen des Altars stehe und
auf Lateinisch das Kreuzzeichen mache: In nomine patris, et filii et
spiritus sancti, Amen. (aus LEBEN EXTRA - KLEINE ZEITUNG vom
11.5.2003) |