Das "Ich" als Opfergabe (Wurzel, Stamm Krone - XVI.)
von Dr. theol.Otto Katzer
Ein jedes Gebet, wie schon das Wortspiel andeutet gebet, geht zuletzt in das Opfer über. "So lange betet der Mensch, sagt der hl. Thomas, wie lange er sein ganzes Leben auf Gott hin richtet." (1) Ähnlich der hl. Augustinus: "Durch dein Leben singe so, daß du nie schweigest.... wenn du also lobst, singe nicht nur mit der Zunge, nehme aber dazu den Psalter der guten Werke; du lobst, wenn du deinen Geschäften nachgehst, lobst wenn du Speise und Trank einnimmst, lobst wenn du am Lager ruhst, lobst, wenn du schläfst - und wann lobst zu nicht?"(2)
Wenn wir auch danach trachten sollen, daß diese unsere Gaben womöglich die besten sein sollen, wie uns der Prophet Malachias ermahnt, halten wir uns nicht unnütz beim Nachprüfen auf und übergeben alles, so wie es vor Gott geschehen ist, mit der Bitte um Entschuldigung, daß es durch unsere Schuld nicht so ist, wie es hätte sein können und sollen, und mit dem guten Vorsatz, soweit es die Schwachheit der menschlichen Natur erlaubt, uns zu bessern.
Keine Lebensäußerung ist ausgenommen, allein die Sünde, welche ja im direkten Gegensatz zum religare steht, zur Wiederverknüpfung. Heute leider lebt man um zu essen, früher aß man, um zu leben. Wollten wir das Essen in die entsprechende Opferformel bringen, - in alten Zeiten, bei den Sumerern und in Israel war jedes Mahl ein Gottesdienst - so müßten wir sagen: Die im Dienste Gottes verbrauchte Energie ersetzen wir durch die in der Speise enthaltene Energie Gottes für weiteren Gottesdienst. Nach dem Offertorium, und dieses bezieht sich praktisch auf einen jeden Augenblick unseres Lebens soll uns nichts übrigbleiben allein die Ursache zur Freude. Also keine Trauer, kein Zorn, nichts als Freude in Christi. Behielten wir uns dennoch etwas, dann sind wir entweder Lügner, wie Ananias und Saphira, welche sagten, daß sie alles gaben, und gaben nur einen Teil, oder Diebe, die zwar etwas gegeben haben, es jedoch wieder entwendet haben, oder Narren, die nicht wissen, was sie sagen.
Alles in der Welt hat seinen wahren Wert nur mit Rücksicht auf das letzte Ziel. So kommen wir leicht zu einer Abstufung der Werte, wobei wir bei der Knappheit des Lebens daran denken müssen, jene Werte zu wählen, welche uns schneller und besser, sicherer zum letzten Ziel bringen, das Gott ist, hier auf Erden im allerheiligsten Sakrament des Altars.
Wie wünschenswert es auch wäre, uns bei jeder Handlung ihres vollen Wertes in Gott bewußt zu sein, ist es dennoch praktisch unmöglich und auch nicht notwendig, denn an und fürsich genügt es beim Offertorium der hl. Messe unseren Entschluß, alles aus Liebe zu Gott zu tun, zu erneuern.
Nie dürfen wir vergessen, daß auf diese Weise eine jede, auch nur die geringste Äußerung unseres Lebens einen unaussprechlichen Wert aufweist, und im letzten entscheidendem Geschehen mitentscheidend ist. Indem wir uns unserer Auserwählung voll bewußt werden, wird in uns auch das Verantwortungsgefühl wach, denn "leidet ein Glied, so leiden alle Glieder mit; wird ein Glied geehrt, so freuen sich alle andern Glieder mit." (3) Leider kann es hier nicht unsere Aufgabe sein, die Tragweite dieser Wahrheit voll aufzuzeichnen.
Auf eines sei aber doch hingewiesen. Im Fegefeuer, wenn uns durch Gottes Barmherzigkeit die Hölle erspart bleibt, werden wir sehen, wie viel Leid wir hätten verhindern können, wie viele wir hätten retten können, wenn wir durch unser Opfer ihnen geholfen hätten, die verspielte Gnade zu ersetzen. Wie gerne wir uns wichtig machen, so wenig wollen wir es uns zum Bewußtsein kommen lassen, wie verantwortungsvoll eine jede Äußerung unseres Lebens zu nehmen ist .
Aus dem bereits Gesagten ist es leicht ersichtlich, wie die einzige, wahre Reform aussehen soll. Caritas bene Ordinata incipit a semetipso, die gut geordnete Liebe beginnt bei sich selbst. Wenn wir diesbezüglich einen Ausspruch des hl. Augustinus modernisieren wollen, dann müssen wir sagen: "Sei im Stillen das, was du willst, daß dein Nächster sei, und mit Gebet und Opfer helfe ihm, das zu werden, was du selbst sein willst!" "Leben will ich", ruft Jacopone da Todi aus, deshalb eile ich zum Tode". In Christus und mit Christus sollen wir sterben, damit Er auch in uns auferstehe und wir in Ihm leben, der ja DAS LEBEN ist!
Möchten doch auch wir beim Offertorium mit dem hl. Andreas ausrufen: "Oh süßes Kreuz, mit den Gliedern des Herrn geziertes, lang ersehntes, heiß geliebtes, ohne Unterlaß gesuchtes, und einst dem nach dir strebenden Geiste vorbereitetes: nimm mich von den Menschen in Empfang, gib mich wieder meinem Herrn zurück, daß ER mich durch dich empfange, DER durch dich mich erlöste." (4)
Wir sagten uns schon, daß die Epistel und das Evangelium nichts anderes sind als eine Erweiterung der Frage des Herrn: "Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" Schön drückt dies der mittelalterliche Dichter, Erzbischof Hildebert von Lavardin, aus:
"Effectum spondet chorus offertoria cantans, Tanguam si dicat: Credo, fatebor, agam. Ordo decens, Evangelium praecedere cernis. fidem pandi, dona deinde dari: Audis, ut credas, et credis ut hostia fias." (5)
"Wenn vom Chor das Offertorium gesungen wird, verspricht er Erfolg, als sagte er: Ich glaube, bekenne, werde handeln. Nach dem vorausgehenden Evangelium sei bereit, den Glauben zu bekennen, als dann Gaben zu schenken. Du hörst um zu glauben und glaubst um Opfergabe zu werden!" Wenn wir voll des LICHTES sein werden, getreu der Mahnung des Herrn: "So leuchte euer Licht vor den Menschen, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen" (6), aber auch nur dann, wird es Re-Form kommen, zur wahren Erneuerung in Christus. Christus will alles zu sich ziehen, alles wieder mit Ihm verbinden, also auch die Tiere, Pflanzen und die leblose Welt. "Wir wissen ja, daß die ganze Schöpfung bis zur Stunde seufzt und in Wehen liegt." (7) Auch sie soll von uns die frohe Botschaft uns hören.
Das Offertorium ist also eine etwas weiterreichende Handlung, als ein mechanisches Darbieten von Brot und Wein!" Auf dem christlichen Altare opfert sich Christus der Gottmensch nicht allein, sondern mit ihm und durch ihn opfert sich die ganze jenseitige und die ganze diesseitige freie und unfreie Schöpfung. Wenn nämlich der Priester "den Heiligen Geist auruft und das schaudererregende Opfer darbringt... so umringen ihn selbst Engel und der ganze Chor der himmlischen Mächte stimmt ein" (8) und es wird von Christus geopfert und opfert sich durch Christus die triumphierende, leidende und streitende Kirche und die gesammte organische (in Brot und Wein) und unorganische (in Wasser) Natur. Der christliche Altar ist demnach die Stätte, an welcher Christus und die ganze Schöpfung zur Verherrlichung des Schöpfers, zur Sühne wie zum Lobe, zur Bitte wie zum Danke sich opfert." (9)
Es ist nun wahr, daß das Offertorium soweit wir das hochheilige Meßopfer als das Opfer Christi allein nehmen, nicht als sg. essentieller Teil zu betrachten ist. Vollauf notwendig ist es aber und unumgänglich, wenn wir das hochheilige Meßopfer als das Ganzopfer auch der Glieder des mystischen Leibes nehmen, ja der der gesamten Schöpfung, und wenn es die ersehnten Früchte bringen soll.
"In den zwei ersten Oblationsgebeten und den sie begleitenden Handlungen tritt uns ebenso der doppelte Charakter des einen Opfers, welches zugleich Opfer Christi und der Kirche ist, sowie die doppelte Stellung des Priesters entgegen, der am Altare einerseits als Stellvertreter Christi, andererseits als Repräsentant der Kirche (und wir können hinzufügen, der ganzen Schöpfung; O.K.) spricht und handelt." (10)
Nie dürfen wir vergessen, daß der Heiland deshalb das hochheilige Meßopfer eingesetzt hat, um es uns zu ermöglichen, an ihm aktiv teilzunehmen und so unserer einst im Paradiese in Adam und durch Adam und mit Adam verweigerten Pflicht nachzukommen. "Nos ipsos voluit esse sacrificium suum" uns selbst wollte ER sein Opfer sein bemerkt dazu der hl. Augustinus. (11) Natürlich kann es ein Gott wohlgefälliges Opfer, ja ein Opfer überhaupt nur durch IHN, mit IHM und in IHM werden. Wir haben schon öfters den hl. Cyprican angeführt, wenn wir von der Beimischung von einigen Tropfen Wasses zum Wein sprechen. "Wenn nämlich im Kelche dem Wein etwas Wasser beigemischt wird, so wird das Volk mit Christus vereint, die Glaubigen mit dem, an den sie glauben, verbunden und vereint. So erfolgt nun diese Verbindung und Vereinigung, daß es nicht mehr möglich ist, sie voneinander zu trennen. Wenn nämlich Wein allein aufopfern möchte, wäre das Blut Christi ohne uns, wenn aber nur Wasser, bliebe das Volk ohne Christus." (12) Dies alles ist durch das die Handlung begleitende Gebet zum Ausdruck gebracht: "Gott, Du hast den Menschen in seiner Würde wunderbar erschaffen und noch wunderbarer erneuert: laß uns durch das Geheimnis dieses Wassers und Weines teilnehmen an der Gottheit dessen, der Sich herabgelassen hat, unsere Menschenatur anzunehmen, Jesus Christus, Dein Sohn, unser Herr, der mit Dir lebt und herrscht in der Ewigkeit des Heiligen Geistes, Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen."
Daß dieses einigende Band das Band der Liebe ist, muß jedem ganz klar sein. "Wenn du also deine Opfergabe zum Altare bringst und dich dort erinnerst, daß dein Bruder etwas gegen dich hat, so laß deine Gabe dort vor dem Altare, geh zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder; dann komm und opfere deine Gabe." (13) Es ist sicher nicht notwendig, darauf hinzuweisen, wie sehr diesbezüglich gesündigt wird; man bleibe nur im engsten Bekanntenkreis beim Kirchenbesuch. Dabei haben wir aber den Mund voll von lauter Liebe! Wolltest du von den Anderen getrennt herantreten, dann bist du ein von der Ganzheit losgetrenntes Brotsämchen, welches zum unverwandelt fruchtlos bleibt!
Aufgrund unseres Offertoriums wird gewissermaßen die ganze Welt ein einziges großes Gotteshaus, dessen unsere Kirchen und Kathedralen, wie erhabene Wunderwerke der menschlichen Kunst sie auch sein mögen, nur ein ganz matter Abglanz sind. Prof. Ho A. Rowland aus Baltimore, ein bekannter Physiker, vergleicht das Atom mit einem äußerst komplizierten musikalischen Instrumente, welches fähig ist, tausende Töne verschiedener Längen von sich zu geben. (14) Am einfachsten wäre es für uns, es mit einer Glocke zu vergleichen! Was für ein bezaubendes Glockenspiel offenbart sich da unserem Geiste, wenn schon unser Gehör so unempfindlich ist. Die ganze Welt die ganze Zeit ihres Bestehens hindurch ist hiemit nichts anderes als ein feierliches Einläuten des kommenden ewigen Tages des Herrn, ein Angelusläuten, welches uns daran erinnert, daß Gott Mensch geworden ist, um uns zu retten und über alles Sein, das so schwer verwundet ist, den Balsam seiner Barmherzigkeit zu ergießen.
Aufjauchze nun in Himmeln das Engelsheer? Aufjauchzen sollen Gottes Geheimnisse, Und erdröhnen zum Siege so überherrlichen Königs Soll die Posaune des Heils.
In Freuden stehe die Erde, Von solchen Lichtgewalten durchstrahlt, Und vom Glanz des ewigen Königs durchleuchtet, Wisse sie Hinweggenommen die Finsternis, So auf allem Erdkreis lag.
Freue sich die Kirche, die Mutter, Vom Geleucht so überherrlichen Lichtes umschönt. Und widerhallen Von großen Stimmen des Volkes Soll dieses Haus.
(Exultet, Lützeler)
Fortsetsung folgt.
Literatur:
1) S. Thom. Aqu. Super Epist. Pauli, Rom. Lect V, 84. 2) S. August. in l-s. 146. 3) 1 Cor 12?26 4) Brev. S. Andreae Lectio VI. 5) Joannis Stephani Duranti, Libri tres de Ritibus Ecclesiae Catholicae, Lugduni 1675, pg. 263-264. 6) Matth. 5,16. 7) Rom. 8,22. 8) J.Chrysost. De Sacerdotio PG 48, VI, 4. 9) Der christliche Altar und sein Schmuck archäologisch, liturgisch dargestellt von Andreas Schmid, Pustet, Regensburg 1871, Seite 36. 10) Schuch-Polz, Handbuch der Pastoraltheologie, 19-20. Auflage, S. 533, Rauch, Innsbruck. 11)PL 38, col. 1101, Sermo 227 Ad Infantes. 12) nach Ambrosius Duranti op.cit. 267. 13) Matth. 5, 23-240 14) Angelo Zammarchi, Fisica del Atomo, "La scuola" Brescia, Seite 132.
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