Die Allerheiligste Dreifaltigkeit
von H.H. Pfarrer Josef von Zieglauer
"Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" so sollen wir auf Jesu Befehl alle getauft werden.1) Er ist die zweite Person des Dreifaltigen Gottes, vom Vater gesandt, "um allen die Verwirklichung des Geheimnisses aufzudecken, das von ewigen Zeiten her verborgen war in Gott, dem Schöpfer des Alls..." 2)
Nicht anders dürfen wir nun von Gott denken und glauben als von dem einen Gott in drei Personen: Vater, Sohn und Heiliger Geist.
Es ist dies ein Glaubensgeheimnis, eine Erkenntnis, die uns nur durch Gottes Offenbarung zugänglich ist. Wir hätten sie nie erlangen können, noch wagen können zu behaupten, wir hätten so etwas aus eigener Einsicht erforscht oder entdeckt. Aber die Geheimnisse Gottes haben diese Eigenart: sie sind zu reich, zu licht für unseren Verstand. Doch wenn wir sie im Glauben annehmen, können wir in ihrem Lichte alles andere, was wir in der Welt erkennen, richtiger und fruchtreicher verstehen und beurteilen. Es ist so wie beim Sonnenlicht: Die Sonne ist zu hell für unsere Augen, wir können nicht in sie hineinschauen, ohne zu erblinden. Aber im Sonnenlicht erst erschließt sich uns die ganze Welt in ihrem Reichtum, ihrer Schönheit und Sinnhaftigkeit. So ist es auch im Bereich des Glaubens. Von daher ist das Wort des hl. Kirchenlehrers Anselm von Canterbury (+ 1109) zu verstehen: "Credo ut intelligam", d.h. ich glaube, um (besser) zu verstehen.
Gott Vater als Schöpfer und Herr
Wir beginnen mit Gott Vater. Die erste Grundwahrheit des Glaubens lautet: "Es ist nur ein Gott".3) Ohne diese Wahrheit können wir nicht selig werden. Sie ist notwendig "necessitate medii", also notwendig, um die Seligkeit zu erlangen. Es gibt keine Möglichkeit, vor Gott gerechtfertigt zu werden ohne diesen Glauben. 4) Dazu kommt noch die zweite Grundwahrheit: "Gott ist ein gerechter Richter, der das Gute belohnt und das Böse bestraft." Ist es schwer zur Erkenntnis des einen wahren Gottes zu kommen? Wir sehen so viele Dinge auf der Welt und forschen nach den Ursachen. Aus den Spuren können wir Dinge oder Geschehnisse erschließen, die wir nicht unmittelbar gesehen oder erlebt haben. Bei unerwarteten Veränderungen in unserem Blickfeld forschen wir sofort nach den Ursachen.
So verhält es sich auch mit der ganzen Welt. Schon ein Kind schaut voll Neugierde und Wissensbegierde in die Welt, die sich ihm darbietet. In dem Maß, wie sich unser Verstand entwickelt, fragen immer mehr nach dem Wieso oder Woher. Wir treffen auch die weitere Feststellung: Wieso bin ich da? Denn ich könnte ja auch nicht da sein. Oder: Wieso ist überhaupt etwas da? Diese Fragen entspringen aus der Grunderfahrung des Nichts, aus dem wir hervorgegangen sind, aus der Kontingenz, wie die Philosophen das aus dem Nichts hervorgegangene Sein nennen. So belehrte schon die makkabäische Mutter ihren Jüngsten. 5)
Wir staunen, je mehr wir in der Erkenntnis der Welt und der Natur vordringen, über die Vielfalt allen Geschehens. Diese staunende Frage mündet in die Erkenntnis eines allmächtigen, allwissenden höchst weisen Verursachers, nämlich Gott. Es ist nur ein Gott. Er muß da sein, wenn es überhaupt etwas gibt. Keine andere Ursache ist letzten Endes möglich. Es ist übrigens ein guter, allmächtiger, ja väterlicher Gott.
Wir dringen in unserem Forschen weiter vor. Überall dort, wo wir Sinn und Ordnung, vernünftiges Schaffen, Organisation, antreffen - in einem Hauswesen, in einem Betrieb oder einer Gemeinschaft, schließen wir auf einen weisen, vorsorgenden Vater oder Mutter oder Leiter des Betriebes. Denn ohne diese vorsorgende Führung kann diese Ordnung und diese reibungslose Wirksamkeit nicht zustandekommen. Beim Betrachten der Welt kommt uns daher die Erkenntnis: Es ist ein Gott, der die Sterne, die Winde, das Wachsen der Pflanzen, das vielfältige Leben der Tiere und ihr ganzes Zusammenspiel leitet. Er ist unendlich groß und geheimnisvoll, voller Weisheit, Reichtum und väterlicher Güte, aber auch voller Majestät und Erhabenheit. Wir sind seine Geschöpfe, wir sind Ihm verpflichtet - nicht Er uns. Es ist ein freies Geschenk Gottes, daß wir überhaupt sind. Das erfordert von uns eine entsprechende Antwort in unserem Verhalten. Wir müssen anerkennen, daß wir unter Gott stehen. Wir sollen uns Ihm unterwerfen, die von uns erkennbare Ordnung einhalten, Gott preisen im Blick auf die Sinnhaftigkeit der vorgefundenen Welt. Denn selbst die vernunftlosen Geschöpfe loben Gott auf ihre Weise. 6)
Unsere Einordnung in Gottes Plan soll aus freiem Entschluß erfolgen. Sie kann leider auch verweigert werden. Wir erleben das schon in den menschlichen Beziehungen: in jeder Familie, jeder Gemeinschaft und in jedem Betrieb. Wer in eine Ordnung aufgenommen und darin geborgen ist, muß sich ihrer Ordnung fügen. Sonst wird er - zumindest in einem Betrieb - als schuldig ausgeschlossen oder mit einer Strafe belegt. Umgekehrt wird der Willige und Gehorsame belohnt und geehrt. Verdienst und Schuld sind die Facetten unseres freien Willens. Was schon in der Gemeinschaft der Menschen gilt, muß ein umso höheres Gewicht gegenüber Gott haben. Darum lautet die zweite Grundwahrheit: "Gott ist ein gerechter Richter, der das Gute belohnt und das Böse bestraft." Somit kann der Mensch das Dasein Gottes ebenso erkennen wie seine Abhängigkeit von Ihm und seine verpflichtende Unterordnung.
Die Anerkennung dieses Sachverhaltes finden wir klar und deutlich in der Offenbarung des Alten Testamentes und in der jüdischen Tradition grundgelegt. Doch finden sich einige Spuren, trotz vielfältiger Verirrungen, auch in den alten heidnischen Religionen. Wenn die Heiden auch verworrene Gottesvorstellungen hatten, so haben sie doch die sittliche Verpflichtung verspürt, sich Gott zu unterwerfen. Als Beispiel diene das "TAO" der Chinesen, die Harmonie des Universums, der sich anzupassen sittliche Aufgabe ist. Sie haben mit diesem Grundsatz ein mächtiges und in seiner Art geordnetes Staatswesen aufgebaut. Sie haben auch eine reiche Kultur geschaffen. Der hl. Franz Xaver SJ (+1552) bewunderte sie so sehr, daß er den Papst um die besten Missionäre bat, damit auch den Chinesen das wahre Licht des Evangeliums leuchte. Des weiteren können wir an die Römer denken. Sie haben die "pietas", die Frömmigkeit hochgeschätzt, die Ehrfurcht vor dem Göttlichen und seiner Ordnung. Diese hat sie dazu befähigt, eine dem Naturrecht entsprechende Rechtsordung zu schaffen, die heute noch anerkannt wird. Mächtig und oft auch streng hat Gott im Alten Testament das "auserwählte Volk" in den Gehorsam gegen seine Satzungen eingewöhnt. Denn wie bei den Heiden, so hat auch bei den Israeliten infolge menschlichen Versagens der Geist der Empörung seine störenden Einflüsse getätigt.
Da bieten sich nämlich dem unbotmäßigen Menschen eine Reihe von Trugschlüssen an, die aber alle in den einen Schluß zusammenfallen, nämlich die Aufkündigung der Unterwerfung unter Gott, d.i. die Empörung gegen Gott (Emanzipation). Der Mensch, der nicht glauben und sich Gott unterwerfen will, greift zu vielen Ausflüchten.
Da bietet sich zunächst die mechanische Ursächlichkeit als Erklärung jeglichen Geschehens an. Schon die Heiden haben in der Welt ein perpetuum mobile zu sehen versucht, ein ewiges Stirb und Werde, in dem das Gute und das Böse eben nur notwendige Entwicklungsstufen sind. Eine andere Erklärung meinten die Philosophen Johann Gottlieb Fichte (1762-1814) und Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) mit ihrer Dialektik entdeckt zu haben, nämlich den notwendigen Widerspruch der Antithese gegen die These, der dann zur Synthese führt, damit ein Qualitätssprung und von da aus wieder eine neue Antithese verursacht würde usw.7)
Die oben genannte Erkenntnis eines allmächtigen, allwissenden, väterlichen Verursachers wird als kindlich und naiv abgelehnt. Die Erkenntnisse der Wissenschaft über die Evolution, die Entwicklung des Kosmos und somit auch unserer Erde zeigen für jede Veränderung in ihrem Geschehen eine Ursache auf. Das kann dazu verleiten, eine mechanische, chemische, physiologische Notwendigkeit zu erkennen, aus der heraus eben alles geschieht. So kann man auch in einer Fabrik, in der Bestandteile für Kraftfahrzeuge hergestellt werden, den Werdegang der Herstellung beobachten, die Ursachen und Wirkungen. Aber wenn ich das Endprodukt nicht kenne, verstehe ich den Zweck der Bestandteile nicht. Sollte das Endprodukt noch gar nicht vollendet sein, so muß doch schon der ganze Konstruktionsvorgang ausgedacht, berechnet und ausgezeichnet sein. Das ist nur dann der Fall, wenn jemand sich das alles bis ins Einzelne ausgedacht hat.
So sehen die Evolutionisten das Werden der Welt. Sie untersuchen die Ursachen, sie sehen sogar das Endprodukt: eine schöne bewohnbare, reiche Welt voller Sinn und Ordnung. Aber sie wollen das Eine nicht wahrhaben, daß das alles jemand geplant haben muß. Statt des Ideenreichtums und der Allmacht des Schöpfers nehmen sie lieber eine unbestimmte Kraft an, die in den Dingen stecken muß, einen blinden Willen, der über allem waltet, oder das Absolute, bei dem man nicht verstehen kann, wie das funktionieren soll. Alles aber nehmen sie an, nur keinen Schöpfer. Außerdem wird dabei der Blick auf die Schönheit, den Reichtum und die Sinnhaftigkeit der Schöpfung mehr und mehr vernebelt durch utopische Zukunftsvisionen. Diese führen aber geradezu zum Mißbrauch und zur Zerstörung der von Gott gegebenen Ordnung, der Schönheit und Sinnhaftigkeit. Darum sucht man heute so verzweifelt nach neuen Werten. Steht nicht schon im Schöpfungsbericht, daß Gott am sechsten Tag sein Werk vollendet hat, es gesegnet hat und den siebten Tag zum Ruhetag gemacht hat, zum Tag der Anbetung und Verherrlichung des Schöpfers? 8)
Diese Theorien einer notwendigen und unausweichlichen Entwicklung als Erklärung des ganzen Weltgeschehens führen zu einer Relativierung der Werte. Im Namen der Entwicklung werden vergangene Sichten und Beurteilungen als überwunden und daher als nicht mehr bindend erachtet. Man setzt seinen ganzen Eifer auf die Vorwärtsentwicklung ohne zu wissen, was diese eigentlich bringen wird! Dies alles hat in der neueren Geschichte zu blutigen Revolutionen geführt, zum Verfall aller Werte, zur Empörung gegen jede Ordnung in der Familie, Gesellschaft und der Staaten, zur Blindheit gegen die Ordnung der Natur und zur frevelhaften Behauptung, daß dies alles unausweichlicher Fortschritt sei: Die rasante Entwicklung der Wissenschaften und der Technik haben diese Einstellung noch bekräftigt. So ist der Glaube an den Herrn und Gott wohl ein Korrektiv gegen eine solche Fehlentwicklung im Sinne des Bibelwortes: "Die Furcht Gottes ist der Anfang der Weisheit." 9)
Die oben angesprochene Entwicklung hat Gott ausgeklammert, weil sie die Anbetung nicht vollziehen will. Die Anbetung Gottes hat im Alten Testament eine besondere Bedeutung gehabt, ebenso bei den Heiden, wenn auch gegenüber falschen Göttern. Sie hat in der sozialen Ordnung einen hervorragenden Platz eingenommen. Namentlich das Opfer war das aussagekräftigste Zeichen der Unterwerfung unter die Gottheit. Diese Unterwerfung ist in der modernen Ausübung der Religion fast vollständig verdrängt worden. Schon die alten Heiden haben das vorausgeahnt in dem Mythos des Prometheus, der dem Zeus das Feuer gestohlen und auf die Erde gebracht hat. Wie sehr ähnelt das der heutigen Entwicklung, bei der durch die Kenntnis und Inanspruchnahme der Elektrowellen der Mensch sich der Allwissenheit und Allgegenwart Gottes bemächtigen will. Freilich bieten die neuen Erkenntnisse ungeahnte Möglichkeiten, aber auch die Gefahr der totalen Kontrolle über die Menschen und ihrer Versklavung. Gott ist nämlich Herr und Vater, der seine Geschöpfe liebt, die falschen Götter sind Tyrannen, Dämonen, die die Menschen verführen und versklaven!
Gott Sohn als Weisheit und Wahrhaftigkeit
Nun kommen wir zu der zweiten Person in Gott. Halten wir uns vor Augen: "Es ist nur ein Gott!" Das sagt unser Glaubensbekenntnis. Aber Gott, der Herr, hat uns noch tiefer hineinschauen lassen in das Geheimnis seines Lebens. Denn Er ließ das ewige Wort in die Welt kommen. "Im Anfang war das Wort" 10), so beginnt das Johannesevangelium. Niemals würde ich mich zu einer solchen Aussage erdreisten, wenn es uns nicht durch die göttliche Gnade geoffenbart wäre. Können wir nach dieser Offenbarung etwas über dieses Geheimnis sagen?
Ich will es versuchen: Schon als wir in der Kinderzeit hörten: Gott ist ewig, er ist immer schon dagewesen, er wird immer dasein, da ist der Gedanke aufgetaucht: Ja was hat denn Gott die ganze Ewigkeit hindurch getan, als er ganz alleine war? Die Antwort war: Gott ist unendlich reich und herrlich in sich selbst, so daß das ganze Universum nicht einmal wie "der Tropfen im Eimer" ist. Ja, das ist das Geheimnis des göttlichen Lebens. Gott ist Geist, und Geist heißt erkennen und wollen, frei wollend entscheiden, und die Entscheidung entspringt der Liebe. Sie ist die Bewegung auf das Gute hin.
Da nur ein unendlicher Gott möglich ist, kann der Gegenstand Seiner Erkenntnis nur Seine eigene Vollkommenheit sein. Zum Erkennen und Lieben gehört aber das Du als Gegenüber, und das Wort, das den Inhalt des Erkannten ausdrückt. Nur so ist geistiges Leben. Wir sehen auch daran, daß die ganze geschaffene Welt mit ihren Schönheit, Sinnhaftigkeit und ihrem Reichtum an Gaben und Möglichkeiten keinen Sinn hätte, wenn sie nicht erkannt würde: das Erkennen ist das Licht, das allen zum Vorschein und Bewußtsein führt. Und das Wort ist die Wiedergabe des Erkannten. Je umfassender und ebenbildlicher die Erkenntnis ist, um so ausdrücklicher und ebenbildlicher auch das Wort.
So kann das innere Leben Gottes nur darin bestehen, daß Gott von Ewigkeit her - oder besser gesagt - in seinem ewigen Jetzt, Seine eigene Vollkommenheit erkennt und im geistigen Wort ausdrückt. Wie das nun aussieht, ist uns Menschen nur schattenhaft zugänglich, aber nach Gottes Offenbarung steht die Tatsache außer Zweifel. Das ist die Zeugung des Sohnes durch den Vater. Das Wort ist genau das Ebenbild der erkannten Herrlichkeit des Vaters, der Sohn ist das Ebenbild des Vaters: "Ich und der Vater sind eins." 11) Und wenn wir das geoffenbarte Wort Gottes annehmen, daß nämlich Gott den Menschen nach seinem Ebenbild und Gleichnis erschuf 12), dann können wir den innertrinitarischen Vorgang, der Zeugung genannt wird, eher begreifen. Zeugung ist ein Vorgang, der aus der Natur hervorgeht: Das Zeugen des Geistes besteht im Erkennen und in dem Ausdrücken dieser Erkenntnis. Der Mensch ist auch ein geistiges Wesen. Darum braucht er auch das Du. Das erste "Du" ist Gott. Von Ihm haben wir alles empfangen, aber als Mann und Frau schuf er sie. Wir bedürfen auch des menschlichen Du, damit wird das Leben erst schöner und reicher, dem Du drücken wir unsere Erkenntnisse im Worte aus und erhalten andere Erkenntnisse im Worte des anderen. Nur im Austausch miteinander, im gegenseitigen Mitteilen und Lernen kommt der ganze Reichtum des Menschenlebens zu Entfaltung.
So ist das Wort Gottes, der ewige Sohn Gottes, Mensch geworden und hat unter uns gewohnt. 13) Das göttliche Wort ist Licht, weil Es die Wahrheit ist, und auf diese Wahrheit sind wir angewiesen. Aber "das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht begriffen".14) Da gilt: Wer es nicht aufnimmt, bleibt im Finstern. 15)
So sehen wir, daß wir zur Entfaltung des Lebens das Wort, die Mitteilung brauchen, und zwar die Mitteilung der Wahrheit. Jesus, der Gottessohn kam in die Welt, um Zeugnis für die Wahrheit zu geben.16) Pilatus, der Landpfleger aber hat mit der Achsel gezuckt: "Was ist Wahrheit?" 17) Doch wir sind auf die Wahrheit angewiesen. Aber leider, wenn es dem defekten Ich nicht entspricht, muß in der Mitteilung die Wahrheit all zu oft der Täuschung, der Lüge weichen. So ist in der heutigen Informationsflut die Mitteilung nur allzu oft Desinformation. Wir sehen, wie dringend die Wahrheit notwendig ist. Wehe, wenn sie von interessengeladenen Informationsquellen - wirtschaftlichen, politischen, marktorientierten - erstickt wird! Wie aktuell ist heute das Wort des Apostels: "Und das Licht leuchtete in der Finsternis, aber die Finsternis hat es nicht begriffen!"18)
Besonders seit der Aufklärung ist das Streben erwacht, sich mit dem eigenen Verstand Kenntnisse zu beschaffen, Urteile zu bilden. Der Mensch soll sich aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit befreien und seinen eigenen Verstand benutzen. Zu dieser Einstellung wurde der Mensch geführt durch die vielen Erkenntnisse und Entdeckungen der Naturwissenschaften, der historischen Forschung und der Quellenforschung. Diese Einstellung hat ihn mit einem allzu mächtigen Selbstbewußtsein erfüllt. Und doch kann nicht übersehen werden, daß ohne Übernahme der Erkenntisse anderer keine Erweiterung, Vertiefung und Weiterentwicklung möglich ist. Ob wir nicht erkennen, daß bei der Übernahme von Erkenntnissen anderer wir auch Täuschungen ausgesetzt sein können? Auch bei der Übernahme von wissenschaftlichen Erkenntnissen, besonders der geisteswissenschaftlichen, zeugen die verschiedenen Schulen von der Möglichkeit der Täuschung. Naturwissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich im Experiment verifizieren, also nachweisen, daß sie stimmen; geisteswissenschaftliche schon weit weniger. Die Zustimmung zu geisteswissenschaftlichen Urteilen kann allzu oft von persönlichen Stimmungen Sympathien, Grundeinstellungen beeinflußt sein. Abgesehen von der heutigen Mitteilungsüberflutung mit ihrer schillernden Vielfalt und Aufdringlichkeit gelingt es, dank der Erkenntnisse der experimentellen Psychologie, der gruppendynamischen Methoden, die es verstehen, nicht Kenntnisse zu vermitteln, sondern mittels raffinierter Reize die Menschen zu vorher bestimmten Einstellungen, Wünschen oder Konsumverhalten zu manipulieren. Das ist nicht der Geist der Wahrheit, sondern der des Widersachers, des Fürsten dieser Welt und "des Vaters der Lüge", wie unser Herr ihn genannt hat.
Auf diesem Hintergrund können wir die Liebe des himmlischen Vaters erahnen, daß Er das Wort, den Sohn, die Offenbarung der Wahrheit, in die Welt gesandt hat: die Offenbarung des Geheimnisses, das von Ewigkeit verborgen war in Gott, dem Schöpfer des Alls. 19)
Darum gilt: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und das Übrige wird euch dazu gegeben werden." 20) Denn "was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, aber an seiner Seele Schaden leidet!" 21) Nicht die Welt ist unser Ziel, unsere eigentliche Heimat, sondern der Himmel, die ewige Gemeinschaft mit Gott. Welch ein Mut und welch eine Herausforderung, mit diesen Grundsätzen der Welt entgegenzutreten, jener Welt, die nur auf ihr eigenes Behagen bedacht ist! So ist Jesus, der Sohn Gottes, das Ebenbild des Vaters, als Mensch gekommen, um unter uns zu wohnen, uns mit menschlichen Worten die Wahrheit kundzutun, die ewige Wahrheit! Durch sein Leben, uns Vorbild zu sein und uns vorauszugehen, durch sein Kreuz und seinen Opfertod, um für uns zu sühnen und die falschen Glücksangebote der Welt (heute besonders: Maschine und Sex) zu besiegen, um uns so den Eingang in die himmlische, unvergängliche Freude zu öffnen. Das ist der Vorrang der geoffenbarten Wahrheit vor aller irdischen Neugier, Wissensbegier und Glücksbegier. Das ist das Dogma, Gottes Wort, an das wir glauben, nicht wegen unserer Verstandesstärke, sondern wegen der Wahrhaftigkeit und Allwissenheit Gottes, der nicht lügen und nicht irren kann. 22)
Das hat Jesus verkündet und bewirkt und durch die Sendung der von Ihm beauftragten Apostel und ihrer Nachfolger und seiner ausdrücklichen Verheißung der Zuverlässigkeit ihrer Verkündigung seiner Kirche übergeben. Weil aber die Kinder dieser Welt, wie die Erfahrung bestätigt und unser Herr selber zugegeben hat, auch nicht auf den Kopf gefallen sind, denn sie sind oft klüger als die Kinder des Lichtes, 23) haben sie sich nicht gescheut, viele wertvolle Grundsätze der göttlichen Lehre als Etikette für falsche und abweichende Einstellungen zu benützen, denn der Teufel erscheint oft als "Engel des Lichtes"! Dennoch gilt: "Und wenn einer, und wäre er ein Engel des Lichtes, euch etwas anderes lehrt, als ihr von mir gehört habt, so glaubt es nicht!" 24)
Darum gehört zum Worte Gottes das Dogma, der Glaubenssatz, der ständige Anstoß der Feinde der Wahrheit!
Es gibt unzählige Versuche der Glaubensverfälschung, zu denen das kirchliche Lehramt mit göttlicher Autorität Stellung nehmen mußte. Von daher gibt es eine große Zahl von Dogmen, also verpflichtenden Glaubenserklärungen und Richtigstellungen. Zwar ist niemand verpflichtet, sie alle zu kennen, was kaum möglich wäre. Aber jeder Katholik ist verpflichtet, die wichtigsten Offenbarungen, die im Glaubensbekenntnis ausgesprochen sind, die Gebote Gottes und alle verpflichtenden Gebote der Kirche und die notwendigen Gnadenmittel zu kennen. Alle diese Dinge sind in den Katechismen zusammengefaßt. Weil die protestantischen Abweichler sich vom lebendigen Lehramt getrennt haben und nur die Hl. Schrift als einzige Glaubensquelle anerkennen, haben sie sich fast notwendig in so viele unterschiedliche Kirchen aufgesplittert. Um einen gewissen Zusammenhalt unter seinen Gefolgsleuten zu garantieren, hat sogar Martin Luther (1483-1546) einen eigenen Katechismus verfaßt, um seine Leute in seiner Auslegung der Hl. Schrift festzulegen. 25) So gesehen ist der katholische Katechismus eine notwendige Stütze und ein Schutz gegen den willkürlichen Umgang mit der Hl. Schrift. Weil er heute auch in der nachkonziliaren Kirche im öffentlichen Unterricht ganz untergegangen ist, haben wir die vielfach beklagte krasse Unwissenheit bei sehr vielen Katholiken.
Das Dogma wird heute oft als Zwangsjacke unseres Gehirns angesehen, als Scheuklappe, die unser Denken einengt, aber nicht mehr Gottes Wort und Weisheit und sein Licht, das uns herrliche Einblicke in Gottes Größe und Liebe eröffnet, vermittelt, wie diese Ausführungen darzulegen versuchen. Außerdem weiß ja jeder Wissenschaftler, Techniker und Künstler, daß er nur bei genauer Einhaltung der Regeln seines Faches sein Werk zur Vollendung bringen kann.
Ein weiterer Grund der Feindschaft gegen das Dogma wird uns vorgestellt in der Sorge um den Frieden in der Welt. Jesus hat gesagt: "Den Frieden bringe ich euch, meinen Frieden gebe ich euch, nicht wie die Welt ihn gibt!" 26) Hat nicht schon der Teufel bei der dritten Versuchung Jesu in der Wüste diesen Vorschlag gemacht: "Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest!" 27) So, als wollte er sagen: Wozu wollen wir uns streiten? Wenn wir zwei zusammenhalten, dann ist die ganze Spannung aufgehoben.
So ähnlich will man heute im Zuge der Verständigung unter den Religionen oder der Ökumene, vorsichtiger mit dem Wahrheitsanspruch der katholischen Religion umgehen. Erst kürzlich hat sich der Diözesanbeauftragte für den Dialog mit den Juden so geäußert: Man wolle die Gemeinsamkeiten mit den Juden, die seitens der katholischen Kirche viel umfassender sind, als mit anderen Religionen, wieder mehr zur Geltung kommen lassen: Wir haben ja das ganze Alte Testament gemeinsam, und auch im Neuen Testament können wir die tiefe Verwurzelung im jüdischen Glauben feststellen: Jesus war ja auch ein Jude, aus ihrer Tradition herausgewachsen, ein Rabbiner, wie es deren mehrere gab, nur ein ganz besonders charismatischer usw. Ja, wenn wir Jesus so annehmen, dann hätte dieser Jesus vor dem Hohen Rat auf die Frage des Hohenpriesters: "Bist du der Sohn Gottes?" anders antworten müssen. Etwa so: "Nein, so war das nicht gemeint. Es ist ja nur das Volk, das in der Begeisterung immer etwas dazugibt. Ihr wißt ja: Das Wunder ist des Glaubens liebstes Kind: der eine sagt, er habe es gespürt, ein anderer gibt es weiter mit den Worten: er habe es gesehen u.s.w. So wurde das Bild, das sie von mir hatten mit der Aureole des Göttlichen verklärt. Ich wollte doch nur aus der Thora den Geist hervorheben, im Gegensatz zu der kleinlichen Fixierung der Pharisäer auf Nebensächlichkeiten. Ich wollte einfach den Menschen helfen. Da haben sie mich zum Gott gemacht." Hätte Jesus das gesagt, dann wäre alles mit einer Blamage ausgegangen, dann hätte es keine Erlösung gegeben, auch kein Christentum. Dann hätten aber auch die Juden niemals diese Weltbedeutung erlangt, die sie ja nur dem Christentum zu verdanken haben. Denn für die Christen sind die Juden immer noch das "auserwählte Volk", aus dem der Erlöser hervorgegangen ist. Die Juden haben zwar im Falle Jesu eine negagtive Rolle gespielt. Sie werden aber nach den Worten der hl. Apostels Paulus am Ende ihren Erlöser anerkennen. 28)
Ein Zweites zeigt die Offenbarung des Gottessohnes: Er ist einer Natur, eines Wesens mit dem Vater, mit all den überragenden Eigenschaften: aber sein Verhältnis zum Vater ist das Verhältnis des Sohnes. Als Mensch gewordener Gottessohn ist er zudem im Verhältnis der Unterordnung unter den Vater, 29) allerdings ohne Verminderung Seiner Würde und Seiner göttlichen Majestät. Andererseits erkennt der Vater im Sohn Seine Herrlichkeit und drückt sie aus im Worte, das diese Herrlichkeit vollständig widerspiegelt. Der Sohn sieht in Seiner Herrlichkeit das Ebenbild des Vaters. Er liebt den Vater wie ein Sohn, hervorgebracht vom Vater. Das bedeutet Unterordnung in Liebe. Und diese Unerordnung hat der Sohn kundgetan durch Seinen Gehorsam auf Erden bis in den Tod: "Mein Vater, laß diesen Kelch vorübergehen, aber nicht mein Wille geschehe, sondern der Deine!" 30) Dadurch hat Jesus die Unterordnung geadelt und geheiligt. Die Unkenntnis dieser Offenbarung hat die Menschen heute dazu verleitet, die Unterordnung als Herabwürdigung, als Diskriminierung zu empfinden, und das hat zu dieser merkwürdigen Neuentdeckung der Würde der Frau geführt - der Frauenemanzipation. Sie ist eine wirkliche Ausgeburt des Teufels, der damit die Frau, ihre Eigenart, ihre Liebenswürdigkeit zerstört hat. Es gibt manche heidnischen Religionen, und besonders der Islam, die die Würde der Frau verletzen. Und diese Zerrbilder benutzt der Teufel, um die Unterordnung der Frau verhaßt zu machen!
Unterordnung ist keine Schande. Gott dienen heißt herrschen! 31) Die Ablehnung der Unterordnung geht schon soweit, daß man sie sogar den Kindern madig macht und man aus der Gehorsamspflicht der Kinder gegenüber den Eltern eine Partnerschaft zwischen Kindern und Eltern aufstellt! O, würden doch die Männer in ihren Frauen die Würde der Frau an der jungfräulichen Gottesmutter Maria erkennen, dann brauchte es keine Frauenemanzipation!
Das ist die Aufgabe, die der göttliche Menschensohn erfüllt hat: durch Seinen Gehorsam bis zum Tode den Stolz und die Undankbarkeit der Menschen zu sühnen. Das Kreuz ist die Waffe, mit der unser Herr Jesus die zerstörerische und verführerische Macht des Teufels besiegt hat.
Der Heilige Geist als Lenker in Liebe
Der Heilige Geist, die dritte göttliche Person, ist der Hauch der Liebe des Vaters zum Sohn und des Sohnes zum Vater. Indem der Vater im Sohn die ganze Herrlichkeit Seines Wesens erkennt und der Sohn im Vater den Ursprung seines vollkommenen Abbildes sieht, hauchen sie beide den Geist der Liebe, der Freude, des unendlichen Glückes einander zu. So erklärt die Kirche die Offenbarung der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Die Liebe ist das göttliche Leben, der Heilige Geist. Das ist das innergöttliche Leben: Gott ist die Liebe. 32) Der Mensch ist nach Gottes Bild und Gleichnis erschaffen, als Ebenbild Gottes, und diese Ebenbildlichkeit besteht in einer Geistigkeit im Erkennen und Wollen.
Mit der Erfindung der Elektronenhirne hat der Mensch sich ein Instrument geschaffen, das das menschliche Hirn mit seiner oftmaligen Unverlässlichkeit an Genauigkeit, Schnelligkeit und prompter Verfügbarkeit unzähliger Daten bei weitem übertrifft. Aber der Computer kann wohl unserem Erkenntnisbedürfnis zu Hilfe kommen, er bleibt trotzdem eine Maschine. Er erkennt nichts, sondern liefert uns nur das Material, wie es etwa auch die Schrift tut. Erst unsere Erkenntnis erweitert den Blick, erzeugt Interesse, Neugierde, vielleicht auch Freude oder Ablehnung. Geistige Erkenntnis heißt Aufblühen des Lebens, der Freude, der Liebe und des Glücks. Es ist der Wille, der an der Erkenntnis sich entscheidet, der die innere Einstellung des Menschen prägt, der die Liebe wecken kann, die Freude am Schönen und Guten, der unsere innerste Einstellung lenkt. Liebe macht glücklich, bringt Begeisterung, macht auch in der Trauer und im Unglück unser Leben noch lebenswert. Die Verweigerung der Liebe wirft den Menschen zurück auf eine von Eigenbedürfnis geprägte Haltung, die im anderen nur eine Störung und Belastung sieht. So prägt der Wille unseren moralischen Wert und unsere Verantwortung für die eigenen Entscheidungen. Die Offenbarung Gottes in all dem Reichtum der Welt, in ihrem Hinweis auf Gottes Barmherzigkeit, die sich in der Heilsgeschichte zeigt, soll in uns die Liebe und die dankbare Freude und Hingabe an Gott wecken. Aber da die Welt und die Menschen durch den negativen Gebrauch ihres Willens, durch das "Nein" gegen Gott gestört sind, hat das auch seine Schattenseiten und zur Folge die Möglichkeit weiteren Aufbegehrens, der Feindseiligkeiten, des Verfluchens, des Verwünschens. Dieser Entscheidung sind wir ausgesetzt. Da hilft uns die Verheißung Gottes, die uns der Sohn gebracht hat: nicht diese Welt ist unsere Heimat; sie wird vergehen, wie die Kirche in ihren Segnungen oft erwähnt, wenn sie Christus, den Erlöser anruft "der da kommen wird zu richten die Lebenden und die Toten und die Welt durch das Feuer." 33)
Unsere Heimat ist also nicht die Welt. "Liebet nicht die Welt". 34) Sie ist nur Durchgangs- und Bewährungsort. Unsere Heimat ist der Himmel, bei Gott. Der Heilige Geist ist es, der die unendliche Liebe ist, der unseren Willen zu "himmlischen Begierden" 35) wecken und stärken kann. Jede rein irdische Begeisterung hat ein Ende, oft auch ein jähes. Und doch können sich Menschen ganz gewaltig hinreißen lassen, oft auch zu sehr fragwürdigen Dingen. Man denke nur an die hysterischen Anfälle, die manche Popsänger bei den Massen hervorrufen können, oder bei Fußballveranstaltungen, die dann leicht in Tumulten und Schlägereien ausarten. Aber man sieht daran auch, daß der Mensch zur Begeisterung fähig ist, ja, daß sie zu einem gewaltigen Lebensmotor werden kann, der dann freilich, wenn er fehlgeleitet wird, auch zu Unfällen führen kann.
"Unruhig ist unser Herz, bis es ruhet in Dir, o Gott." 36) Heute wird von vielen westlichen Intellektuellen der Buddhismus als eine der christlichen ähnliche Religion erachtet, ja, er übt auf viele eine Anziehungskraft aus, die jedoch bei vielen wegen mangelnder Kenntnis der eigenen christlichen Religion und bei der massiven Verweltlichung unseres Wohlstandslebens als wirksames Gegengewicht angesehen wird. Vieles ähnelt dem Christlichen: die Bedürfnislosigkeit des Mönchslebens mit dem Ziel des Verzichtes auf Bedürfnisbefriedigung, um sich von unnötigen Belastungen freizuhalten, weil ja jede Lust meist nur Leid nach sich zieht, und schließlich das Mitleid, das uns zu gütigen, Schmerz lindernden Menschen machen kann. All das scheint dem Christlichen sehr ähnlich zu sein und manche glauben es im Buddhismus noch ausgeprägter zu finden als bei uns.
Aber der Buddhismus ist eigentlich gar keine Religion, denn Religion heißt ja: Bindung an Gott. Der Buddhismus hat eher eine sehr negative Einstellung zur Welt: sein Ziel ist das Nirwana, das nicht näher beschrieben wird, das Fliehen aus allen irdischen Belastungen. Wohl empfiehlt der Buddhismus das Mitleid: das Mitleid ist schön und hat gerade im chistlichen Glauben einen hervorragenden Platz. Aber das Mitleid ist nicht die ganze Liebe. Kann sich übrigens der Mensch wünschen, bemitleidenswert zu sein? Ja, wenn einer tief im Loch versunken ist, dann ist er froh um einen barmherzigen Samariter. Das Mitleid kann auch verfänglich sein: "Du tust mir leid!" Das ist oft ein Wort der Verachtung, mit dem man jemand verletzen will. Ein solches Mitleid ist eine Beleidigung!
Das Mitleid kann auch auf andere Weise verfänglich sein. Schon Goethe hat dies in seinem Prolog zum Faust I ausgedrückt, als Mephisto, der Teufel, nach dem Lobgesang der Engel auf Gottes Schöpfung von Gott gefragt, ob er nicht auch etwas zu sagen habe, antwortet: "Von Sonn und Welten weiß ich nichts zu sagen; ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen, mich dauern sie in ihren Erdentagen...!" Da steckt schon die Blasphemie drin: "Hast du keine bessere Welt zu schaffen vermocht?" Mit Mitleid hat schon die alte Schlange unsere Stammeltern zum Ungehorsam gegen Gott verführt: "Hat euch Gott wirklich verboten...?" 37) Sollte uns das nicht zu denken geben, wenn wir sehen, wie die moderne Kirche, die sich noch katholisch nennt, ihre einzige Daseinsberechtigung darin sieht, einfach dem Menschen zu helfen, besonders den Ausgegrenzten: gescheiterte Eheleute, sexuell Pervertierte u.a. Allen wird Hilfe angeboten, auch auf Kosten der Gebote Gottes, die allein den Menschen in seiner Würde befestigen können und die der Weg zum Heile sind. Die Aufgabe der Kirche besteht nicht darin, das Erdenleben möglichst erträglich zu gestalten, sondern das Reich Gottes zu verkünden, die Verherrlichung Gottes und das ewige Ziel, den Himmel, aufzuzeigen, zu dem alle berufen sind. Dieses Ziel kann aber nur auf dem Weg des Kreuzes erreicht werden. Jesus sagt: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und das Übrige wird euch dazugegeben werden." 38) Das Kreuz auf sich zu nehmen ist nur möglich in der Liebe, in der ganzen umfassenden Liebe. Im einseitigen Betonen des Mitleids nach der modernen Auffassung vieler in der Kirche, einzig Anwalt der Schwachen zu sein -, darin zeigt sich das wahre Gesicht, die verfängliche List des Verführers: wir wollen euch in eurem Elend helfen: wir haben sonst nichts zu bieten, was liebenswert ist. Eine bessere Welt also? Jeder kann erkennen, daß das eine Utopie bleibt. Alle Weltverbesserer sind damit nicht fertig geworden. Noch mehr Technik und technischen Fortschritt? Alle merken, daß das auch nicht das Glück bringt, wohl aber immer neue Belastungen und Abhängigkeiten. Die Liebe ist mehr als Mitleid und Hilfsbereitschaft. Diese gehören sehr wohl zu einem christlichen Leben. Liebe ist aber auch Staunen, Bewundern, Sehnsucht. Es ist keine Liebe, wenn die Sehnsucht nach dem größten Glück, nach der Vereinigung mit Gott, zugunsten rein irdischer Verbesserungen den Gläubigen vorenthalten wird!
Der Heilige Geist ist der Geist der Wahrheit! Wir wollen doch im Grunde genommen die Wahrheit erfahren. Sie ist wohl der Motor aller Wissensbegierde und Neugier. Und wir wären doch alle enttäuscht, wenn Erkenntnisse, die wir geglaubt haben, sich als irrig herausstellten. Darum ist nur die Wahrheit liebenswert! Jesus hat vor Pontius Pilatus bekannt: "Dazu bin ich in die Welt gekommen, um für die Wahrheit Zeugnis zu geben." 39) Darum ist auch die von Jesus gestiftete Kirche die Künderin der Wahrheit. Darum der Sendungsbefehl Jesu an die von Ihm berufenen Apostel: "Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker! Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt wird verdammt werden!" 40) Jesus verkündet also eine verpflichtende Lehre, die nicht ihresgleichen hat. Wenn jemand eine Rede hält, muß er durch den Erweis seiner Kompetenz und durch eine geschickte Redekunst sich um die Zustimmung seiner Zuhörer mühen, aber er kann nicht den Glauben befehlen. Das kann nur Gott. Darum muß sich aber der von Christus beauftragte Lehrer genau an die von Ihm aufgetragene Lehre halten. Er wird auch glaubwürdig sein, wenn sein eigens Tun der Lehre entspricht. Aber selbst wenn er darin versagt, bleibt die Verpflichtung: "Tut und befolgt alles, was sie euch sagen, aber nach ihren Werken richtet euch nicht." 41)
Mit dieser Autorität hat Christus nur die Apostel ausgestattet und ihnen die Garantie der Unfehlbarkeit gegeben. Darum ist die Kirche die Gemeinschaft aller Getauften, die also den geoffenbarten Wahrheiten ihren Glauben in der Taufe versprochen haben, und die dem Papst und den Bischöfen gehorchen. So hat man immer unterschieden zwischen der lehrenden und der hörenden Kirche. Dabei ist es klar, daß auch die Lehrer hören müssen: auf Christus und Seinen Auftrag. Heute hört man manche sagen: "Wir sind Kirche". 42) Damit scheinen alle an dem Lehrauftrag der Kirche beteiligt zu sein. Ein auffälliges Symptom dieser Auffassung ist die eher große Zahl der Theologiestudenten bei gleichzeitigem Ausbleiben der Priesterberufe.
Die Offenbarung Gottes ist auf uns gekommen durch die Heilige Schrift und die mündliche (apostolische) Überlieferung. Ohne die genannte Überlieferung könnten wir die Heilige Schrift auch mißverstehen. Die Lehre der Kirche ist zusammengefaßt im Katechismus. Er enthält die von der Kirche beglaubigte Lehre über das Heilsgeschehen, die Gebote, die Gnadenmittel, besonders die sieben Sakramente. In der mündlichen Verkündigung, in Predigt und Religionsunterricht werden diese Wahrheiten ständig erklärt und zur Einhaltung empfohlen. Wer diese Wahrheiten umdeutet, manipuliert oder gar ändert, hat keinen Anspruch auf Glauben und Gehorsam! So haben sich schon in der Vergangenheit wachsame Gläubige gegen die Irrtümer von Predigern widersetzt, die der Häresie verdächtigt waren oder ihr huldigten. Man denke z.B. an Nestorius, (+ ca. 451). Er leugnete wegen seiner falschen Christologie die Gottsmutterschaft Mariens. Diese hatten mit Freude die Verurteilung des Nestorius auf dem Konzil von Ephesus (431) gefeiert! Nach der Vorhersage Jesu kennen die Gläubigen die Stimme ihres Hirten. Einem falschen folgen sie nicht. Jesus sagt: "Ich kenne meine Schafe und die meinigen kennen mich!" 43) Heute wird die Theologie als sog. freie Forschung betrieben. Sie läßt sich in ihre Wissenschaft nicht von religiösen Mythen - wie sie das nennen -, also von Glaubensvorschriften dreinreden! Sie gehen an die Glaubensinhalte heran wie ein Sezierer an seine Leiche. Sie haben daher die Theologie auch bei vielen Klerikern in Mißkredit gebracht. Dagegen gilt: Theologie ohne Glaube, nur auf Grund historischer Forschung und Analysen ist der Tod des Geistes! (...)
Nicht mehr die Glaubensnormen bestimmten den Gottesdienst und den Religionsunterricht, sondern die freie Initiative der Gruppe. Der Gläubige, der in der traditionell katholischen Kirche zu Hause war, findet sich plötzlich alleingelassen oder dem Diktat der Gruppe ausgeliefert! So wird es dem einzelnen fast unmöglich, sich ein selbständiges Urteil zu bilden, ob das, was da geboten wird, noch mit der einst praktizierten und beschworenen Religion vereinbar ist. Sicher haben immer schon fromme, betende, begnadete und heiligmäßige Laien der Kirche wertvolle Anregungen geliefert oder Initiativen angeregt, 44) aber immer war das ordentliche Lehramt der von Gott berufene Amtsträger der Kirche, die diesen Initiativen die kirchliche Bestätigung gegeben haben. 45) Wenn die Kirche sich heute nur mehr auf die Aufgabe versteht, den Menschen in ihren irdischen Nöten zu helfen, dann macht sie sich zur Dienerin der Welt. Schon Solschenizyn hat dem Moskauer Patriarchen dessen servile Haltung gegenüber der Sowjetregierung vorgeworfen. Eine Kirche, die ihren eigenen Glauben, ihr Wertvollstes opfert für den Frieden der Welt, macht sich zur Dienerin der Welt. In weitsichtiger Vorausschau dieser Möglichkeit hat Papst Leo XIII. (1878-1903) die Gebete nach der heiligen Messe eingeführt, besonders das um Freiheit und Erhöhung unserer heiligen Mutter, der Kirche. Man hat diese Gebete in aller Stille fallen gelassen mit der Begründung des damaligen geschichtlichen Umfeldes, des Verlustes der weltlichen Herrschaft des Papstes. Welch fadenscheinige Begründung! Die Kriecherei der Kirche vor der Welt auf Kosten ihres Wahrheitsanspruches ist weit schlimmer als der Verlust des Kirchenstaates!
Man wird mir entgegenhalten, daß auch heute noch von höchster Stelle oft die Bremse gezogen wird gegen gar zu gewagte Änderungen, daß die Kontrolle schon noch funktioniere, was ja auch innerhalb der Vorwärtsstürmer oft zu heftigen Protesten führt. Man lasse sich nicht täuschen! Auch die Neuerer müssen irgendwie auf den sensus fidelium, den gläubigen Sinn der praktizierenden Katholiken, Rücksicht nehmen. Deswegen müssen diese immer wieder beruhigt oder beschwichtigt werden. Im Grunde lassen die Neuerer nur die Zeit arbeiten. Man sagt: was heute noch nicht möglich ist, kann schon morgen ohne weiteres eingeführt werden. Einen Beweis für diesen Hintergedanken ist der oftmalige Hinweis, man sei eben zu schnell vorgegangen. Damit ist erwiesen, daß nicht mehr die unveränderliche Wahrheit, sondern die notwendige Entwicklung geglaubt wird.
Da steht aber vor uns unverrückbar das Ende jeden Erdenlebens, das Gericht, die Auserwählung oder die Verdammnis. Wer das Kostbarste, das es gibt, wofür sich der Gottessohn hat kreuzigen lassen, hintanstellt zugunsten einer irdischen Entwicklung, einer rosigen Zukunft oder Wunschvorstellung, hat sich an Gottes Liebesangebot vergriffen. Das Beste hat er verachtet, darum wird er auch dieses Besten für immer verlustig gehen. Himmel oder Hölle erwarten uns, da gibt es kein Entrinnen, so wie wir auch dem Tod nicht entrinnen können. Dieses Thema wird weitgehend verschwiegen! Manche sehen es für unvereinbar mit der Liebe und Barmherzigkeit Gottes an. Sie unterstellen den Heiligen im Himmel sogar Sadismus, daß sie jubeln können im Wissen um die furchtbaren Qualen der Verdammten. Wir wollen aber vor diesem Umstand stehen bleiben. Der Anfang der Weisheit ist die Furcht Gottes. Wer Gott nicht fürchtet, ihn verehrt und liebt, hat keinen Zugang zu Seiner Liebe. Maria, die allerseligste Jungfrau und Gottesmutter, hatte keine Strafe Gottes zu fürchten, aber trotzdem lebte sie in der höchsten Gottesfurcht. Sie hat nichts mehr gefürchtet, als irgendetwas zu tun, was die Liebe zu Gott verletzen und Gott beleidigen könnte. Wenn wir im Leben gestrauchelt sind, kann uns nur die Furcht vor Gott zur Einsicht bringen, in welche Gefahr wir uns begeben haben. Nur die Furcht Gottes kann uns in die Arme der Barmherzigkeit Gottes legen, daß wir seine Sakramente suchen und schätzen, vor seinem Kreuz uns zu beugen und darin Rettung finden. Wir sehen ja mit Schrecken, daß gerade die Furcht Gottes nicht einmal mehr in der Schule den Kindern beigebracht werden soll!
"Jerusalem, Jerusalem, convertere ad Dominum, Deum tuum!"
Anmerkungen: 1) Mt. 28, 19. 2) Eph. 3, 8 ff. 3) Wilhelm Pichler: "Katechismus der katholischen Religion" Bozen 1958, S. 11: Die sechs Grundwahrheiten. 4) Röm 1, 5; Hebr. 11, 6. 5) 2 Makk 7, 28. 6) Ps. 19, 2: "Die Himmel rühmen die Herrlichkeit Gottes." 7) Anmerkung der Redaktion: während das Schema These, Antithese, Synthese bei Hegel im Widerspruch endet, benutzt es Fichte methodisch, um zum höchsten Punkt, zur absoluten Setzung, zum Grund in sich zu kommen, zum Absoluten, zu Gott! 8) Gen. 2, 1-3. 9) Sir. 1,14. 10) Joh. 1, 1. 11) Joh. 10, 30. 12) Gen. 1, 27. 13) Joh. 1, 14. 14) Joh. 1, 5. 15) Joh. 3, 20. 16) Joh, 19, 37. 17) Joh. 19, 38. 18) Joh. 1, 5. 19) Eph. 3, 9. 20) Mt. 6, 33. 21) Mt. 16, 26. 22) Num. 23, 19; Jak. 1, 13. 23) Lk. 16, 8. 24) Gal. 1, 8f. 25) Vgl. Martin Luther: "Der große Katechismus" Gütersloh 1995; ders.: "Der kleine Katechismus" Gütersloh 1958 u.ä. 26) Joh. 14, 27. 27) Mt. 4, 9. 28) Röm. 11, 25f. 29) Joh. 14, 28; vgl. auch 1 Kor. 15, 28. 30) Lk. 22, 42. 31) Mt. 19,28: "Wenn die Welt neu geschaffen wird, ... werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten." 32) 1 Joh. 4, 4. 33) Apostolisches Glaubensbekenntnis in einer früheren Fassung. 34) Phil. 3, 20; 1 Joh. 2, 15. 35) Litanei von allen Heiligen - in der älteren Fassung. 36) Augustinus: "Bekenntnisse". 37) vgl. Gen.1, 3. 38) Mt. 6, 33. 39) Joh. 18, 37. 40) Mt. 28, 19; Mk. 16, 15f. 41) Mt, 23, 2f. 42) So die "Bewegung für eine lebendigere Kirche". 43) Joh. 10, 14. 44) Katharina von Siena (+ 1380) hat Papst Gregor XI. 1376 zur Rückkehr von Avignon (Frankreich) nach Rom beschworen. 45) Man denke z.B. an den Benediktiner- und den Franziskanerorden. Ihre Gründer waren keine Priester.
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