„Papa“ haereticus“
von Dr. theol.Otto Katzer
Ein jeder Papst muß vor seinem Amtsantritt einen Eid ablegen. Sein Wortlaut mag sich von Zeit zu Zeit ändern, im Wesentlichen aber dürfte er mit den Formen, so wie wir sie im Liber Diurnus Romanorum Pontificum (1) finden, übereinstimmen. Col. 43: „(Ich gelobe): nichts an der Überlieferung, nichts an dem, was ich von meinen gottgefälligen Vorgängern bewahrt vorgefunden habe, zu schmälern, zu ändern, oder darin irgendeine Neuerung zuzulassen, vielmehr mit glühender Hingabe als ihr wahrhaft treuer Schüler und Nachfolger mit meiner ganzen Kraft und Anstrengung das überlieferte Gut ehrfurchtsvoll zu bewahren; alles, was in Widerspruch zu der kanonischen Ordnung auftauchen mag, zu reinigen, die heiligen Canones und Verordnungen unserer Päpste gleichwie göttliche Aufträge des Himmels zu hüten, da ich mir bewußt bin, Dir, Dessen Platz ich durch göttliche Gnade einnehme, Dessen Stellvertretung ich mit Deiner Unterstützung innehabe, strengste Rechenschaft über alles, was ich bekenne, im göttlichen Gericht ablegen zu müssen. Wenn ich es unternehmen sollte, in irgendetwas nach anderem Sinn zu handeln oder zulassen sollte, daß es unternommen wird, so wirst Du mir an jenem furchtbaren Tag des göttlichen Gerichts nicht gnädig sein. (...)“
col.54: „... Daher unterwerfen Wir auch dem Ausschluß des strengsten Bannes: wer es wagen sollte, - seien es Wir selbst, sei es ein anderer - irgendetwas Neues im Widerspruch zu dieser so beschaffenen evangelischen Überlieferung und der Reinheit des orthodoxen Glaubens und der christlichen Religion zu unternehmen oder durch seine widrigen Anstrengungen danach trachten sollte, irgendetwas zu ändern oder von der Reinheit des Glaubens zu unterschlagen oder jenen zuzustimmen, die solch lästerliches Wagnis unternehmen.“ (Mit dem lateinischen Text bereits abgedruckt in EINSICHT I/4, S.23f. - Übersetzung von Dr. Werner Hensellek, Wien.)
HIERMIT SCHLIESST SICH DER PARST AUS DER KIRCHE SELBST AUS, und es ist nicht notwendig, wie auch nicht möglich, daß ihn eine Synode als Bischof von Rom, der er ja juridisch nicht mehr ist, oder ein Konzil noch ausschließe; es ist ja gar nicht möglich, einen, der schon ausgeschlossen ist, noch einmal auszuschließen. Die Synode der Diözese Rom - ein Konzil kann ja ohne den Papst nicht einberufen werden - stellt die Tatsache der Häresie, ähnlich wie im Falle des Absterbens des Papstes, nur fest, also ähnlich wie seinen physischen, seinen moralischen Tod!
An und für sich dürfte beim Papste schon allein die Professio Catholicae Fidei Tridentino-Vaticana, genügen, die er wie alle Priester ablegen mußte ... alles Gegenteilige und alle Häresien, die von der Kirche verurteilt, verworfen und anathematisiert sind, verurteile, verwerfe und anathematisiere ich gleichfalls. (... contraria omnia atque haereses quascunque ab Ecclesia damnatas et reiectas et anathematizatas, ego pariter damno, reiicio et anathematizo.) Auch das Ius iurandum contra errores modernismi (Antimodernisteneid) des hl. Pius X. ist zu berücksichtigen.
Denn auch für den Papst gibt es ein "ubbidire" (gehorchen), wie wir in "Il trionfo delle Santa Sede e della Chiesa contro gli assalti dei Novatori (2) lesen: ;'Chi nega in se l’obbligo di ubbidire, nega neu altro il diritto di comandare. - Wer für sich die Pflicht zum Gehorsam verneint, spricht dem anderen das Recht zu befehlen ab!"
Eingehend wird der Fall vom Kirchenlehrer dem Hl. Kardinal Robert Bellarmin behandelt und auch endgültig entschieden. (3) Bellarmin betont: "... esset miserima conditio Ecclesiae, si lupum manifeste grassantem, pro pastore agnoscere cogeretur ... haereticus igitur manifestus, Papa esse non potest... Est ergo quinta opinio vera, Papam haereticum manifestum, PER SE DESINERE ESSE PAPAM, et caput, sicut per se desinit esse Christianus, et membrum corporis Ecclesiae, quare ab Ecclesia posse eum judicari et puniri. Haec est sententia omnium veterum Patrum." - "Es wäre ein großes Elend für die Kirche, wenn sie denn offen wütenden W o l f als Hirten anerkennen müßte ... ein offensichtlicher Häretiker kann also nicht Papst sein ... Wahr ist demnach die fünfte Ansicht: Ein offensichtlich häretischer Papst HÖRT VON SELBST AUF, PAPST UND OBERHAUPT ZU SEIN, wie er auch von selbst aufhört, Christ und Mitglied der Kirche zu sein; deshalb kann ihn die Kirche richten und strafen. Das ist die Ansicht aller alten Väter."
Derselben Ansicht ist auch Wernz S.J. (4): "Durch unverhüllte und offen verbreitete Häresie geht der röm. Pontifex seiner Jurisdiktionsgewalt verlustig, und zwar ipso facto, wenn er sich einer solchen Häresie schuldig macht, also noch vor jedem Deklarationsurteil von seiten der Kirche ... Das Deklarationsurteil, das erforderlich ist, wenn es auch bloß Offenbarungscharakter hat, bedeutet nicht, daß der häretische Papst GERICHTET wird, sondern vielmehr daß er als GERICHTET VOR AUGEN GESTELLT wird ..." (Majuskeln von O.K.) (Per haeresim notoriam et palam divulgatam R. Pontifex si in illam incidat, ipsò facto etiam ante omnem sententiam declaratoriam Ecclesiae sua potestate iurisdictionis privatus existit.... Sententia vero declaratoria criminis, quae tanquam mere declaratoria non est reiicienda, illud efficit, ut Fapa haereticus non iudicetur, sed potius iudicatus ostendatur...)i.e. die Diözese Rom (Roma aeterna) proklamiert bloß die Tatsache.
Schon im Sermo II. "In consecratione Pontificis Romani" des Papstes Innozenz III. (5) lesen wir: "In tantum enim fides mihi necessaria est' ut cum de caeteris peccatis solum Deum judicem habeam, propter solum peccatum quod in fide commititur possem ab Ecclesia judicari. Nam qui non credit, iam iudicatus est. (Joh.3 18)." - "Sosehr ist mir nämlich der Glaube notwendig, daß ich einzig wegen der in Glaubensdingen begangenen Sünde von der Kirche gerichtet werden kann, während ich bei den anderen Sünden Gott allein zum Richter habe. Denn wer nicht glaubt, ist schon gerichtet. (Joh. 3,18)"
Die ganze Angelegenheit wurde auch beim ersten Vatikanischen Konzil besprochen: Oratio r.p.d. Laurentii Gastaldi episcopi Salutiarum...
Ein Papst kann, wenn ihr so wollt, häretisch sein, aber ein Papst kann in Glaubens- und Sittenfragen keine dogmatische Definition geben, die irrig wäre. Und hier die Begründung:
Was ist Häresie? - Einer von der Kirche schon ausdrücklich verurteilten Ansicht folgen. Wenn also ein Papst je einer von der Kirche schon ausdrücklich verurteilten Ansicht, Lehre, Behauptung oder Meinung folgen wollte, so haben wir eine Regel, nach der wir uns vor seinen Worten in Acht nehmen können. Wir werden in diesem Fall die Regel des hl. Paulus auf ihn anwenden (Gal. 1,8): "Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch ein anderes Evangelium verkündeten, als wir euch verkündet haben: Er sei verflucht!" Entschuldigt, wenn ich folgendes Beispiel gebrauche: Wenn - was ganz ausgeschlossen ist - Papst Pius ein Dekret gegen die dogmatische Definition der Unbefleckten Empfängnis erließe, dann sagten wir: Du fällst in Häresie. Und eine formal erklärte Häresie trennt unmittelbar den Menschen von der Kirche. Der Papst hörte auf, Papst zu sein, er wäre nicht länger Autorität!" – Papa, si vultis, potest esse haereticus; sed papa non potest proferre definitionem dogmaticam de fide et moribus, qae sit erronea. Et causam affero. Quid est haeresis? Est adhaerere opinioni iam explicitc daranatae ab Ecclesia. Si itaque pontifox uraquara velit adhaerere opinioni, doctrinae, propositioni, sententiae iam damnatae explicito moda ab Ecclesia, regulam habemus, qua nobis caveamus ab eius verbis. Tunc applicabimus ei regulam sancti Pauli (Gal.1,8). Licet nos, aut angelus de coelo evangelizet vobis praeterquam quod evangelizavimus vobis, anathema sit: excusate me si utar hoc exemplo. Si per impossibile summus Pontifex Pius promulgaret decretum contra definitionem dogmaticam immaculatae Conceptionis, diceremus tunc: in haeresim laberis. Iamvero haeresis explicata, formalis separat (ó) immediate hominem ab Ecclesia: PAPA CESSARET ESSE PAPA; NON ESSET AMPLIUS SUPERIOR". (6)
Auch hat der Papst geschworen, alle Beschlüsse der heiligen Kirche "bis auf das I-Tüpfelchen zu bewahren". ("usque ad unum Apicem immutilata servare") (7).
Natürlich lehren die hl. Väter einstimmig, die Häretiker seien nicht nur außerhalb der Kirche, sondern sie verlören ipso facto jede kirchliche Gewalt und Würde". (Cyprian, lib.2, epist. 6) "Wir sagen", bemerkt er, "überhaupt kein Häretiker oder Schismatiker hat eine Amtsgewalt oder ein Recht." - "Sancti Patres concorditer docent, non solum haereticos esse extra Ecclesiam, sed etiam ipso facto carere omni jurisdictione et dignitate Ecclesiastica." Cyprianus lib.2, epist.6. Dicimus, inquit omnes omnino haereticos atgue schismaticos nihil hebere potestatis ac iuris." (8)
"Wie wir dem Papst widerstehen dürfen, wenn er den Leib angreift, so auch, wenn er die Seele angreift oder das Gemeinwesen durcheinanderbringt, und erst recht, wenn er die Kirche zerstören wollte. Wir dürfen, sage ich, ihm widerstehen - indem wir nicht tun, was er befiehlt, und verhindern, daß er seinen Willen ausführt." - Itaque sicut licet resistere Pontifici invadenti corpus, ita licet resistere invadenti animas vel turbanti Rem publicam! et multo magis si Ecclesiam destruere niteretur: Licet, inquam, ei resistere, non faciendo quod jubet, et impediendo ne exequatur voluntatem suam." (9)
Durch seinen Krönungseid gelten umso mehr vom Papst, der in die Haeresie gefallen ist, die Worte: "Haeretici autem etiam ante excommunicationem sunt extra Ecclesiam, et privati onni jurisdictione: sunt enim prorio judicio oondemnati." - Häretiker sind sogar schon vor der Exkommunikation außerhalb der Kirche und jeder Amtsgewalt ledig, durch ihr eigenes Urteil nämlich sind sie verurteilt." (10)
"Mübelos kommen wir darin überein, daß ein Papst, der von der Kirche gerechterweise der Häresie verdächtigt wäre, nicht das Recht hätte, das allgemeine Konzil, auf dem seine Lehre geprüft werden sollte, einzuberufen, noch es zu leiten - Nous conviendrons, sans peine, qu'un pape justement soupconné d’hérésie per l'Eglise n'aurait ni le droit d'assembler, ni celui de présider et de diriger le concile général dans lequel sa doctrine devrait être examinée." (11)
Dies für den Fall eines imaginären dritten Vaticanums sollte die Häresie bei Paul VI. voll belegt sein. Vgl. UNIGENITUS, Tridentinum, AUCTOREM FIDEI, um nur das Notwendigste anzugeben.
Damit auch die andere Seite gehört werde, siehe Disputationes Theologicae R.P. Philippi (a SS.Trint. O. Carm. disc.) 3. Disputation: Die Vollmacht über die gesamte Kirche. 4. Problem: "Ob der Papst in Glaubenssachen irren kann." Dieser Fall ist aber indirekt von Gastaldi gelöst, denn als haereticus manifestus ist er ipso facto nicht mehr Papst und kann also keine Definitionen herausgeben, und die er dennoch herausgibt, sind keine Definitionen!
"Fünftes Problem: Ob der Papst von einem allgemeinen Konzil abzusetzen ist, wenn er im Glauben irrte." Dieses Problem löst Philippus folgendermaßen. "Dazu ist zu sagen: Wenn ein Papst in Häresie fiele und im Glauben, irrte, so wäre er nicht eo ipso abgesetzt und verlöre nicht sofort seine päpstliche Würde, sondern wäre von einem allgemeinen Konzil abzusetzen, und zwar durch die ministeriale Gewalt der Kirche und nicht durch eine Vollmacht der Kirche über den Papst, er wäre abzusetzen, wenn er nach zwei Mahnungen nicht widerriefe, sondern hartnäckig in der Häresie verbliebe. So lehren jetzt allgemein die Theologen, und besonders Cajetan, tract.1: Die Autorität von Papst und Konzil, Kap. 17ff und Bannes, art.10, Problem 20: „Respondeo dicendum, quod si Summus Pontifex erraret in fide cadens in haeresim, non eo ipso esset depositus, aut statim amitteret pontificiam, dignitatem. Sed esset deponendus a Concilio Generali. Per potestatem ministerialem Ecclesiae, et non per potestatem authorativam ipsius supra papam. Esset autem deponendus, si post duas monitiones non resipisceret, sed in haeresim obstinatus permaneret. Ita communiter docent nunc Theologiae, et specialiter Cajetanus... ac Bannes."
Doch der heilige Bellarmin hat die Sache klar entschieden. Kein allgemeines Konzil kann ohne den Papst einberufen werden; auch steht es nicht über dem Papst. Entweder ist er Papst oder er ist es nicht) Ist er es nicht, dann kann es zu keinem allgemeinen Konzil kommen.
Zuletzt noch aus dem 1.Buch der Offenbarungen der hl.Brigitte, Kap.41: "Jetzt wehklage ich über dich, Haupt meiner Kirche, thronend auf meinem Stuhl, den ich dem Petrus und seinen Nachfolgern gegeben habe, damit sie darauf mit dreifacher Würde und Gewalt sitzen: erstens mit der Gewalt, Seelen zu binden und von der Sünde zu lösen, zweitens mit der Gewalt, den Büßern den Himmel zu öffnen, drittens mit der Gewalt, den Verfluchten und Gleichgültigen ("contemnentibus") den Himmel zu verschließen. Aber du – statt die Seelen zu lösen und zu mir zu führen, wie du solltest – bist in Wahrheit der Seelen Mörder. Habe ich doch Petrus als den Hirten und Hüter meiner Schafe eingesetzt. Du aber bist ihr Zerstreuer und Zerreißer. Du bist schlimmer als Luzifer. Dieser nämlich fiel in Neid gegen mich und begehrte niemanden zu töten außer mich, um an meiner Stelle zu herrschen. Du aber bist umso niederträchtiger, als du nicht nur mich von dir durch deine schlechten Werke verjagst und mich tötest, sondern auch die Seelen durch dein schlechtes Beispiel tötest. Ich habe die Seelen mit meinem Blut losgekauft und dir wie einem treuen Freund anvertraut. Du aber übergibst sie erneut dem Feind, von dem ich sie losgekauft habe. Du bist ungerechter als Pilatus, er veurteilte niemanden zum Tode außer mich. Du aber verurteilst nicht nur mich wie einen ohnmächtigen und nichtwürdigen Herrscher, du verurteilst vielmehr auch die unschuldigen Seelen, die schuldigen aber läßt du frei. Du bist grausamer als Judas; er verschacherte nur mich, du aber verschacherst nicht nur mich, sondern auch die Seelen meiner Auserwählten um schmählichen Gewinn und eitles Ansehen. Du bist abscheulicher als die Juden. Sie kreuzigten nur meinen Leib, du aber kreuzigst und quälst die Seelen meiner Auserwählten, für die deine Bosheit und dein Ungehorsam bitterer sind als jedes Schwert. Weil du also dem Luzifer gleichst, weil du ungerechter als Pilatus, grausamer als Judas und abscheulicher als die Juden bist, deshalb wehklage ich zu recht über dich.“ (Worte des Schöpfers) "Nun sende uns, Vater und Sohn, den rechten Geist herab, daß er mit seiner süßen Feucht' ein dürres Herz erlab. Unchristlicher Dinge ist all die Christenheit so voll. Wo Christentum zu Siechhaus liegt, da tut man ihm nicht wohl." (Walther von der Vogelweide)
Anmerkungen: (1) Migne, PL 105, col.39-60 (2) Mauro Cappelari, Monaco Camaldolese (Gregorio XVI), Venezia 1832, 306. (3) Bellarmin, Controv.I. De Romano Pontifice, lib.II, cap.XXX. (4) Jus Decretalium, Romae 1899, Tom.II, 695 squ. (5) Migne PL 217, col.656 C. (6) Mansi 511 334 BC. (7) PL 105, 41. (8) Bellarmin, op.cit. (9) idem, cap.29 (10) idem, cap.30 (11) Discussion des raisons qu'allèguent les Protestats et les Jurisconsultes Gallicans pour rejeter le Concile de Trente. Par l'abbé J.H.R. Prompsault, im dritten Teil des Werkes "Histoire de Concile de Trente" par le P. Sforza Pallavicini, Migne, Paris 1863' Teil III, Seite 910, Nr.679.
Die Übersetzungen auf den Seiten 2-4: Michael Wildfeuer, Gröbenzell.
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