Ehe, Familie und Erziehung
3. Fortsetzung
von H.H. Dr. theol. Otto Katzer
Ein guter Baum trägt gute Früchte, und ein Apfel wird nicht weit vom Baume fallen. Dem entsprechend ist es wahrscheinlich, daß gute und gesunde Eltern auch gute und gesunde Kinder haben werden; Ausnahmen werden allerdings immer eintreten. Hier beginnen die Wurzeln der Verpflichtung: ein solches Leben zu führen, daß die Eheleute ihren Kindern das Beste für Laib und Seele geben können.
Schon bevor die jungen Leute heiraten, müssen sie sich die Frage stellen ob sie imstande sind, den Verpflichtungen, welche das Ehe- und Familienleben bezüglich des Körpers und der Seele an sie stellen wird, nachzukommen. Wo eine ernste Krankheit dies bedroht, ist ärztlicher Rat zu suchen. Es ist ein Zeichen einer erhabenen Gesinnung, wenn sie von der Ehe ablassen, falls sich unüberwindliche Schwierigkeiten einstellen sollten.;
Während der Ehe müssen die Eheleute von allem abstehen, was sie irgendwie körperlich oder seelisch verletzen könnte. Soweit es möglich ist, ist es notwendig, ein geregeltes, hygienisches Leben zu führen, das unmäßige Rauchen und Trinken zu meiden, wie auch eine jede auftauchende Leidenschaft sofort zum Stillstand zu bringen. Das Nichtbeachten müssen Vater oder Mutter meistens schwer bezahlen, leider oft auch ihre ganz unschuldigen Kinder.
Vor einigen Jahren besuchte ich einen kleinen Knaben im Krüppelheim. Der siebenjährige Knabe lief mir entgegen, soweit ihm das seine verbogenen Füße erlaubten. Ein trauriger Fall von Eltern! Beide waren Verbrecher von "Beruf" und syphilitisch.
"Franz", fragte ich ihn eines Tages, "was möchtest du werden?" - "Chauffeur", war seine Antwort. "Armer Knabe" - dachte ich, als ich seine verkrüppelten Hände betrachtete. In einer Anstalt für Schwachsinnige war unter einer Anzahl von Zeichen menschlichen Elends ein Knabe, dessen ganze Arbeit während des Tages darin bestand, daß er den Finger in den Mund steckte, den Mund so weit wie nur möglich ausdehnte, um ihn dann wieder zusammenschrumpfen zu lassen, dies trat manchmal zehnmal während einer Minute ein. Zu helfen war ihm nicht.
Besuchen wir nur verschiedene Anstalten für Taubstumme und Blinde, wie auch noch andere Plätze des menschlichen Elends und betrachten ihre unglücklichen Insassen.
Wie viele von ihnen könnten zu ihrem Vater und ihrer Mutter sagen: "Ihr seid schuld daran, daß ich hier bin, denn als ihr das Fundament für mein Sein legtet, tatet ihr es ohne jedes Verantwortungsgefühl." Selbstverständlich kann dies auch durch "Zufall" geschehen, dann müssen aber wie die Eltern, so auch ihr Kind opferwillig das Kreuz auf sich nehmen, und ihren Erlöser betrachten, der ein Kreuz trägt, das größer ist, als aller Menschen zusammen, und mit Ihm durch das Leben schreiten; auf Seine Hilfe können wir uns immer verlassen.
Nicht selten hören wir, wie so mancher Vater oder so manche Mutter dem lieben Gott vorwirft, daß Er ihnen ihr Kindlein, nach dem sie sich doch so gesehnt hatten, wieder nahm. "Warum hat ER es uns nur genommen?" so lautet die Frage. Es kann aber vorkommen, daß bei ganz anderen Zuständen die Frage auch anders lauten könnte:
"Warum hat ER es uns lieber n i c h t genommen!" Weiß den der liebe Gott nicht, was Er tut? Darf ein Mensch Ihm vorschreiben, was Er zu tun hat? Warum erpressen wir von Ihm etwas, was weder zu unserem noch anderer zeitlichen und ewigen Glücke dient? Bei unseren Gebeten, in den harten Stunden unseres Lebens müssen wir dem Herrn nachfolgen, der am Ölberg auf Seine Knie fiel und betete: "Mein Vater, wenn es möglich ist so gehe dieser Kelch an mir vorüber. Doch nicht wie ich will sondern wie du willst." (1) Unser Gebet soll lauten: "Vater, wenn es möglich ist, erfülle diesen meinen Wunsch, doch nur dann, wenn es zu Deiner Ehre und unserem Heil ist. Es geschehe aber nicht mein, sondern Dein heiliger Wille." Und wenn der Herr in Seiner gütigen Vorsehung unser Gebet nicht erhört, und uns das Kind trotz aller Gebete und Fürbitte nimmt, dann soll unser Gebet mit Hiob lauten: "Der Herr hat's gegeben, der Herr hat's genommen. Wie es dem Herrn gefallen hat, also ist's geschehen! Der Name des Herrn sei gebenedeiet." (2)
Warum dürfte der liebe Gott sich nicht gerade die schönste Blume aus dem Garten dieser Erde nehmen? Ist es denn zum Schaden der Blume, wenn sie auf den Fluren des Himmels weiter blühen soll? Ist es nicht gerade ein Zeichen der wärmsten Liebe Gottes, wenn er eine Pflanze vor dem Frost der Welt retten will?
"Da er Gott wohl gefiel, ist er zum Liebling geworden; und da er unter Sündern lebte, wurde er hinweggenommen. Er ward weggerafft, damit die Bosheit seinen Verstand nicht verkehre, noch Trug seine Seele täusche. Denn der Zauber der Eitelkeit verdunkelt das Gute, und die unstete Begierlichkeit verkehret auch arglosen Sinn.
Früh vollendet, hat er viele Jahre erreicht; denn seine Seele war wohlgefällig; darum eilte er, ihn aus der Mitte der Laster hinweg zunehmen; die Völker aber, die es sahen, verstanden es nicht und nahmen nicht zu Herzen, daß Gott gnädig und barmherzig gegen seine Heiligen ist, und Acht hat auf seine Auserwählten." (3)
"Wer eines von diesen Kleinen, die an mich glauben, verführt, für den wäre es besser, daß ihm ein Mühlstein an den Hals gehängt und er in die Tiefe des Meeres versenkt würde", so spricht der milde Erlöser. (4) Es hängt von den Eltern ab, ob sie ihrem Kinde ein Leitstern in der Finsternis des Lebens werden oder ein Irrlicht, das es in den Sumpf der Leidenschaften führt, wo es verkommen muß, wenn es die helfende Hand Gottes nicht oft im letzten Augenblicke noch rettet.
Die Erziehung des Kindes beginnt mit der Erziehung der Eltern! Gott gebe, daß diese gut ist! Das Kind kommt nicht auf die Welt wie ein leeres Blatt; seine Eltern und Ahnen haben ihm viel in das Buch des Lebens hineingeschrieben! Dieses erste Gedenkblatt läßt sich nicht herausreißen!
Schon der heidnische Philosoph Plato betont in seinen "Gesetzen" (nomoi), daß es notwendig sei, mit der Erziehung des Kindes schon vor seiner Geburt zu beginnen. Beim Grundsteinlegen des Lebens müssen die Eltern sittlich gesund und wohl sein, da von dieser Bedingung das Werden des Kindes abhängig ist.
Wenn die Seele den Schoß des himmlischen Vaters verläßt, um sich mit dem Körper zu verbinden und so zum Tabernakel der Kathedrale des Heiligen Geistes zu werden, dann, wenn sie auch die heiligmachende Gnade ob der Urschuld nicht besitzt, ist sie dennoch Gottes natürliches Abbild, welches in sich das Bild der persönlichen Güte, des Vaters, der persönlichen Wahrheit, des Sohnes und der persönlichen ewigen Schönheit, des Heiligen Geistes, birgt. Es durchdringt sie der Akkord der ewigen LIEBE, der nichts anderes ist als die ewige Harmonie der persönlichen Güte, Wahrheit und Schönheit.
Was war es, was die Seele im Augenblick ihrer Schöpfung vernahm? Das Lied der Liebe, welches das Fundament für unser Gewissen ist. Indem wir diesem zulauschen, verspüren wir, ob wir unser Lebenslied korrekt oder nicht vortragen.
Was für eine erhabene und ernste Zeit ist es, wenn das Kind im Schoße der Mutter entsteht. Zu dieser Zeit sollte die Mutter mit all dem Edelsten und Heiligsten umgeben sein, denn dies durchwirkt nicht nur sie, sondern auch das in ihr entstehende Kindlein. Ernährt sie es mit ihrer Liebe, so wie sie es mit ihrem Blute tut? Nährt sie ihr Kindlein mit der Aufrichtigkeit des Lebens, mit Güte und dem Adel des Geistes? Trifft sie in dieser Sache nicht so mancher Vorwurf? Und der Vater? Glaubt er, daß sein Leben ohne Einfluß auf das Kind vor sich geht?
Welch traurige Aufgabe muß es sein, der Mutter zu vermelden, daß ihr Kind eine Mißbildung ist. Was aber müßte sie da erst verspüren, wenn ihr zur Kenntnis käme, daß das Kind wegen ihrer eigenen Schuld oder der Umgebung zu einer geistigen Mißgeburt geworden ist!
Hieraus können wir schon sehen, wie wenig wir die Pflege einschätzen, welche der Frau während der Schwangerschaft gebührt, was ihre leibseelische Gesundheit anbelangt. Wird da nicht unheimlich viel Zeit vergeudet? Ein jedes Mädchen, das eines Tages Mutter zu werden wünscht,7 muß sich auf diese erhabene Aufgabe vorbereiten. Sie, die, wenn es Gottes Wille sein wird, das natürliche Wort dem neuen Geschöpf übergeben soll, muß in dem intimsten Kontakt mit dem WORTE GOTTES sein, wie in der Heiligen Schrift, so auch im allerheiligsten Altarsakrament. So wie ein Gemälde auch einen entsprechenden Rahmen haben muß, muß die leibseelische Einheit fähig sein, das übernatürliche Bild Gottes, die heiligmachende Gnade in sich aufzunehmen.
Was für ein Lied singt die Mutter ihrem Kindlein in ihrem Schoße? Ist es nicht ein Knarren ausgebrannter Schlacken ihres Lebensglückes? Nicht eine rauhe Stimme einer von fieberhaften Leidenschaften ausgebrannten Kehle? Wo befindet sich der neue Setzling? Ist das Herz der Mutter nicht zu einem Misthaufen geworden, wohin ein jeder hinwerfen kann, was er will, den Kehricht des menschlichen Lebens? Es ist schon lange her, daß wir die Gewohnheit aufgegeben haben, unsere Gedanken, Worte und Werke auf das Wahre, Gute und Schöne zu überprüfen.
Wie betrachtet der Sämann prüfend die Saat, bevor er sie der fürsorglich vorbereiteten Erde anvertraut, wie heiß betet er um den Segen von Oben, der liebe Gott möge aufgrund seiner unendlichen Güte und Barmherzigkeit überall dort Nachhilfe leisten, wo die menschliche Vorsehung nicht nachkommen konnte. Gedanken, Worte und Werke sind ebenfalls Samenkörnlein, welche die Mutter nicht nur in ihr eigenes Herz legt, sondern auch in das ihres Kindleins, dieses Wesens, das ihr nach Gott das teuerste sein sollte! Wenn aber die Eltern nicht entsprechend beachten würden, was sie in ihr und ihres Kindes Herz säen, dann gelten für sie die Worte der Heiligen Schrift: "Durch den Acker eines faulen Menschen bin ich gegangen, und durch den Weinberg eines törichten Mannes; und siehe, ganz war er von Nesseln voll und Dornen bedeckten seine Oberfläche, und die Mauer von Steinen war eingerissen." (5)
Laßt uns zuerst vor eigenen Türen kehren und uns hüten, unsere Aufmerksamkeit diesbezüglich anderen Menschen zu widmen - haben wir denn nicht genug mit uns selbst zu tun? Das Leben vieler Menschen besteht nur im Essen, Trinken, Schlafen und in der Befriedigung ihrer Leidenschaften. So müssen sie sorgfältig Fehler anderer Menschen suchen, um in ihnen eine Entschuldigung für ihre eigenen zu finden. Auf einer anatomischen Skizze von Leonardo da Vinci lesen wir: "Es scheint mir, daß Menschen mit gemeinen Seelen und verachtungsvollen Leidenschaften einer so wunderbaren, herrlichen und komplizierten Konstruktion, wie ihr Körper sie aufweist, nicht würdig sind wie jene Menschen von großer Vernunft und Einsicht. Sind sie nicht ein Sack, dem zwei Öffnungen genügen, eine für die Aufnahme der Nahrung, die andere für die Ausscheidung, da sie nichts anderes sind als eine Durchgangsstation für die Nahrung und Füller von Kanälen! Nur was ihr Gesicht und ihre Stimme anbelangt, gleichen sie Menschen, alles andere ist ärger als beim Vieh."
Betrachten wir aber ja nicht unnütz die Fehler anderer, auch wenn sie sehr große Fehler sind, denn dadurch werden ihre Träger nicht besser; im Gegenteil, wenn wir über ihre Schlechtigkeit nachdenken, werden wir sie nur umso mehr betonen und uns selbst Schaden zufügen, wenn nicht anders7 so dadurch, daß wir zur gleichen Zeit etwas Schönes in der Seele hätten haben können, wir aber etwas Häßliches gewählt haben.
Bei einem Spaziergang nehme ich mir einen Blumenstrauß oder auch nur ein paar Blümlein mit; bei der Haustür angekommen, putze ich mir sorgfältig die Schuhe und staube die Kleider ab, denn ich stelle nicht Kot auf den Tisch, sondern eine Vase mit Blumen. Genau so muß ich mich in der Gesellschaft von Menschen benehmen. So wie ich danach trachte, mich nicht zu beschmutzen, und nach Schönheiten der Natur schaue, muß ich nach erhabenen Taten der Menschen schauen, so daß das Gute in meinem Herzen herrsche. Was anderes können Vater und Mutter ihrem Kinde geben, wenn nicht den Adel des Geistes! Nie dürfen wir das vergessen! Ein jedes Wort und eine jede Tat drückt unsere gesamte Persönlichkeit aus. Welche Saite wird in unserem Herzen erklingen?
Wenn alles, was wir tun, aus Liebe zu Gott getan ist, werden sich alle Ausdrücke unseres Lebens im Garten unserer Seele in Blumen verwandeln! "Mögt ihr also essen oder trinken oder sonst etwas tun, so tut alles zur Ehre Gottes." (6) Wer von euch betrachtet nicht ganz entzückt eine blühende Wiese im Frühling! Sohneeweiße Gänseblümchen und Margeriten, blaue Glockenblumen und Vergißmeinnicht, gelbe Dotterblumen und Löwenzahn, violette Veilchen, rosige Pechnelken, Heckenrosen, all das im Grün durchwoben von den goldenen Strahlen der Sonne, die aufgegangen ist über einem neuen Tag, und von den jubelnden Perlchen der Vogelstimmen.
Jedoch kein noch so reizendes Bild der Natur kann auch nur annähernd die Schönheit eines Herzens, das sich Gott geweiht hat, zum Ausdruck bringen. Solch ein Herz ist ein Garten des Himmels, wo alle Lebensäußerungen sich in Blumen und Blüten der guten Werke und Tugenden verwandelt haben, durchwoben von den goldenen Strahlen der Gnade Gottes, welche der Sonne der LIEBE entspringen. Hier kann die Seele mit ihrem Herrn lustwandeln, da hören die Worte des Menschen auf, denn ES spricht Gott selbst, das WORT!
Der Gedanke ist es, der den Menschen vom Tier unterscheidet und so zwischen ihm und dem Tier eine Kluft erbaut, die nicht zu überbrücken ist! Das Wort ist in einem gewissen Sinne ein Gedanke, der "Fleisch" geworden ist: Genauso wie wir meistens auf unsere Gedanken nicht aufpassen, achten wir auch nicht auf unsere Worte, wie notwendig es auch ist. Sollte jemand fragen, welche Symphonie die erste in der Geschichte der Welt war, und wo sie vorgetragen wurde, dann müssen wir ihm sagen, daß es das erste Wort war, welches im Paradies ausgesprochen wurde. Und sollte jemand weiter fragen, welches es war, dann müßten wir mit Sicherheit sagen, das Wort "VATER"!
"Vater" so lautet das erste Wort des herrlichsten Gebetes, welches uns der Herr selbst lehrte. - "Vater" so lautete das erste Wort, als der Mensch mit Staunen die geheimnisvolle Schönheit des Schöpfers betrachtete und bezaubert dem Lobgesang der gesamten Schöpfung zulauschte. Das Weltall mit allen seinen Bewohnern ist nichts anderes als ein Orchester, welches eine Symphonie darbringt, die vom Herrn selbst komponiert wurde, ein Orchester, in dem die Engel und Menschen Solisten sind.
"Papa" - "Mama" so lautet das erste Wort, welches das Kind ausspricht. Von allem Anfang an muß dieses Wort jedoch, wenn auch unbewußt, von der Überzeugung durchdrungen sein, daß der wahre Vater und die wahre Mutter, von welchem ein jeder Schlag unseres Herzens abhängig ist,, nicht von dieser Welt ist, und nur in den Tiefen des Herzens zu finden ist. Wollten wir das Wort einer phonetischen Analyse unterziehen, dann kamen wir zu eigenartigen Ergebnissen, welche den Beweis erbringen, daß das Wort wirklich eine Symphonie ist, sein soll! Es genügt hier zu bemerken, daß es nicht der Laut ist, bei dem das Kind stehen bleibt, sondern der auf eine entsprechende Weise in Laute gekleidete Gedanke, ein Gedanke, der im Herzen geboren wurde, um einem anderen Herzen anvertraut zu werden. Die Mutter lehrt das Kind nicht dadurch sprechen, daß sie es sinnlose Laute wiederholen läßt, als ob durch ihre Kombination ein Wort, Ausdruck des Gedankens, der Idee, entstehen könnte. Es ist nicht die Kombinatorik von Silben, die das Wort schafft, und durch das Wort den Gedanken, sondern der Gedanke kleidet sich in das Wort als eine Gruppe von Silben.
In einem jedem Wort, selbst in dem unbedeutendsten, geben wir uns ganz so, wie wir sind, selbst wenn wir es nicht wünschten, ja es versuchten, uns zu verstellen. Vor uns selbst können wir nicht flüchten! Wenn wir uns nicht offen zeigen, offenbaren wir uns im "Geheimen", was unter Umständen viel schwerwiegender ist. Da hier ein Mangel an Aufrichtigkeit ist, wird unser Leben zur Lüge.
Gott gebe, daß in dem ersten Wort, welches die Mutter in das Herz und in den Mund des Kindes legt, ein Reflex des ewigen WORTES ist! Möge es erklingen im Akkord des Guten, Wahren und Schönen, und strahlen durch das neue Geschöpf wie die goldenen Sonnenstrahlen durch ein Tautröpfchen beim Sonnenaufgang.
Gott behüte, daß eine verborgene höllische Flamme die ersten Worte durchwebt, um einmal in ein offenes Feuer auszubrechen in dem Augenblicke, wenn es am wenigsten zu erwarten wäre, vielleicht gegen die selbst, die als erste die grauenhafte Glut ins Herz legte.
Allein der Mensch kennt von der gesamten Schöpfung, die Engel ausgenommen, das Wort. Das Tier ist und bleibt ein stummes Wesen, wie sehr auch bei ihm Gefühle zum Ausdruck kommen mögen. Bedenken wir dies stets gut.
Selbst nur durch ein Wort ausgedrückt, ist die Ehe ein "mysterium tremendum“ ein großes Sakrament, Geheimnis! Möge dieses erschaudernde Geheimnis zum Guten der ganzen Familie werden. Lasset uns auch dieses Wort, wie alle anderen in Achtung behalten und der Mahnung des Herrn gedenken. "Von jedem unnützen Worte, das die Menschen reden, müssen sie am Tage des Gerichtes Rechenschaft geben!" (7), umsomehr, wenn es ein schlechtes sein sollte.
Der lateinische Name für die Ehe "Matrimonium", wird vom hl. Thomas v. Agu. als "matris munium" d.i. "officium", Dienst der Mutter, genommen. Die vollkommene Ehe beginnt mit der Mutterschaft, und mit ihr der Gebrauch der weiblichen Genialität, wohl aber auch die Verantwortlichkeit. Es ist nicht allein Aufgabe des Weibes, der Welt ein neues Kind zu geben, was an sich selbst schon ein geheimnisvolles Geschehen ist, welches unübersehbare Folgen haben kann, sondern auch dieses in Gott für Gott zu erziehen. Daß an dieser Aufgabe auch der Vater seinen Anteil haben muß versteht sich von selbst.
Mit Recht bewundern wir einen Bildhauer, wenn er die in seiner Seele geborene Idee in den harten, oft bis aufs äußerste Widerstand leistenden Stein versetzen will. Man spricht von genialer, schöpferischer Kraft. Die ersten Schläge, wie wichtig sie auch sein mögen, sind aber nicht die wesentlichsten. Mit dem Fortschritt der Arbeit muß größere Vorsicht verbunden werde. Je näher der Bildhauer an sein Ziel herankommt, umso vorsichtiger muß er vorgehen, da ein unbedachter Schlag das ganze Werk vernichten könnte.
Es wird oft gesagt, daß die Frau nichts großes in der Kunst geleistet habe. Das ist nicht wahr! Wenn sie auch nichts anderes geleistet hätte, als ein Kind auf die Welt gebracht und erzogen zu haben, so hat sie dennoch eine Tat vollbracht, mit der nichts verglichen werden kann - eine Tat, die größer ist als alle Werke der Kunst zusammen! Wenn wir in einem Augenblicke alle Kunstwerke aller Jahrhunderte vernichten möchten, so wäre der Schaden bei langem nicht so groß, wie wenn ein einziges menschliches Leben zerstört wird, dem Körper und noch mehr der Seele nach.
Hiermit sind wir an die Wurzel der Verantwortlichkeit gelangt. Jetzt müssen wir betonen, daß das Kind ausschließlich der Mutter angehört und niemandem anderen, und daß sie, sogar mehr als der Vater, eines Tages für dieses ihr "munus matris", Dienst der Mutter, wird Rechenschaft ablegen müssen. Ganz besonders in den ersten Jahren muß das Kind unter der Kontrolle der Mutter bleiben. Sie verletzt ihre Verpflichtungen, wenn sie, sei es auch nur für eine kurze Zeit, die Fürsorge für das Kind jemandem Fremden überläßt. Das Komitee der Welt-Gesundheitsorganisation studierte die mütterliche Fürsorge vom Standpunkte der therapeutischen und präventiven Psychiatrie des Kindesalters und betonte die Wichtigkeit eines ausgeglichenen Gefühlslebens der Mutter während der Zeit der embryologischen Entwicklung, genau wie sie die Pflicht hat, einer organischen Erkrankung vorzubeugen. Auch emotionelle Faktoren können die geistige Entwicklung beeinträchtigen, wenn die schädlichen Einflüsse sich beim Kinde in den ersten 3 - 6 Monaten seines Lebens bemerkbar machen. Ein Mangel an mütterlicher Pflege jeder Art in dieser Zeit, besonders bei einer Unterbringung in einer Anstalt, beeinträchtigt die körperliche, intellekluclle, emotionale und soziale Entwicklung. Dauert der Schaden zu lange, so kann die geistige Entwicklung für das ganze weitere Leben gestört werden... Schlechte Heime sind immer noch besser als die besten Anstalten. Pflegeheime sind stets Anstalten vorzuziehen... Wenn das Kind im Krankenhaus untergebracht werden muß, so ist der Kontakt mit der Mutter so eng wie nur möglich aufrechtzuerhalten." (8)
Michael Savonarola, der Großvater des berühmten italienischen Predigers Savonarola, ein bekannter Arzt, schrieb ein Buch für Frauen: "Ad mulieres Ferrarienses de regimine praegnantium et noviter natorum usque ad septennium." Im letsten Kapitel gibt er Anweisungen, wie mit der Erziehung zu beginnen ist. So sagt er. "Wenn das Kind mit zwei oder drei Jahren zu sprechen beginnt, soll man ihm anständige Worte beibringen und es edle Taten lehren, besonders bei dem Namen Jesu und Maria das Haupt beugen. Die Mutter soll es das "Vater unser" und "Gegrüßt seist du Maria" lehren, das heilige Kreuzzeichen machen, es in die Kirche führen und mit den religiösen Zeremonien bekannt machen. Es soll sogar an der Predigt, Vesper und anderen Andachten teilnehmen. Von Zeit zu Zeit soll das Kind einem erfahrenen Beichtvator anvertraut werden, welcher es auf seine Pflichten aufmerksam machen soll. Hauptsächlich dafür soll die Mutter Sorge tragen, daß das Kind anständig im Reden sei, nicht mit schlechten Kindern verkehre und keine schlechten Freundschaften anknüpfe. Dann soll es das Glaubensbekenntnis lernen, was der Beginn unseres Heiles ist. Von allen Tugenden ist die Liebe am notwendigsten, welche aus der Liebe zu Gott erworben wird. Girolamo Savonarola ist von seinem Großvater erzogen worden, und so brauchen wir uns nicht zu verwundern, wenn er seine Anschauungen, was die Erziehung betrifft, von ihm übernahm. Er fordert7 daß die Mütter selbst ihre Kinder stillen und sie derben Menschen nicht überlassen. Denn das Kind saugt mit der Milch auch die moralischen Qualitäten jener Person ein, und wird ihr ähnlich, sinnlich oder zornig usw. sodaß es letztlich nur halb Kind seiner Eltern ist. Michelangelo wurde von der Frau eines Steinmetzen gestillt und pflegte zu sagen, daß er seine Vorliebe für die Bildhauerei mit der Milch seiner Amme eingesogen hatte, Das mag reiner Zufall sein, eines muß aber trotzdem betont werden, daß alles, was wir tun, mit unserer Persönlichkeit signiert ist, ihrem Einflusse entsprechend. In Europa pflegte man Ammen aus den Bäuerinnen zu nehmen; sie mußten gut, gesund und weise sein.
Es ist hauptsächlich Aufgabe der Mutter, die geheimnisvolle Harmonie des Guten, Wahren und Schönen in das neue Geschöpf zu pflanzen. Gerade so wie der Bildhauer seine Idee in den Stein drückt, muß sie versuchen, die Gestalt Jesu Christi, seine Persönlichkeit, dem Kinde einzuprägen, so wie sie besorgt sein muß, dies zuerst in sich selbst zu verwirklichen, genau so wie ihr Mann, so weit es für einen Menschen überhaupt möglich ist. Hat sie dann nicht stets das Vorbild selbst vor Augen, in der Heiligen Schrift, im Kirchenjahr und ganz besonders im allerheiligsten Altarsakrament.
Natürlich fordert dies eine fortdauernde Kontrolle. Wie oft staunen die Eltern über Ausdrücke oder über das Benehmen des Kindes und fragen sich, wo es sich so etwas angeeignet habe. Bei dir war es, Vater, bei dir, Mutter, denn entweder habt ihr euch selbst nicht entsprechend benommen oder ihr habt es zugelassen, daß andere sich in der Gegenwart des Kindes so benehmen. Vergesset ja nie! Das Kind kann allerlei Sachen tun; es spielt irgendwo im Winkel, nichtsdestoweniger hat es aber noch genügend Interesse übrig, besonders für das, was Vater oder Mutter tun. Vergessen wir auch nicht, daß die Wände nicht nur Ohren haben, sondern immer auch sprechen. Sie widerstrahlen, so wie alle Gegenstände um uns, all das, womit wir sie getränkt haben.
Irgendwie speichern die Wände alles auf, was sich innerhalb von ihnen abgespielt hat. Was alles könnten sie uns nur erzählen, wenn sie unsere Sprache sprechen könnten. Das mag heute noch etwas sonderbar klingen, morgen wird dem nicht mehr so sein.
Fortsetzung folgt.
Anmerkungen: 1) Matth.26,39 2) Job 1,21 3) Weish. 4,10-15 4) Matth.18,6. 5) Sprüche, 24,30-31 6) 1 Kor 10,31 - 7) Matth. 12,36 8) Excerpta medica IV.7.VIII, 1951. J. Bowlby, Maternal care and mental health. Org. 1951.
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