Die gültige Materie, das Offertorium, „Ich“
(Wurzel, Stamm und Krone - XIV.)
von H.H. Dr. theol. Otto Katzer
Wir haben uns das Denken sehr vereinfacht und glauben mit schachtelmäßigen Konstraktionen, welche schadenlos demontiert werden können, unser Leben aufbauen zu können.
So weit sind wir in dieser von Grund aus falschen Anschauung befangen, daß wir nicht mehr imstande sind, "organisch" zu denken. Befangen in einer materialistisch mechanischen Einstellung haben wir kein Verständnis für das Leben mehr, ganz besonders für das religiöse, und erst recht nicht für DAS LEBEN, welches Gott ist.
Ein lebendiges Gebilde hat keine überflüssigen Teile. Gott hat "alles nach Maß, Zahl und Gewicht geordnet!" (1) Es hat keine überflüssigen Teile, soweit wir von Teilen überhaupt sprechen dürfen, die unabhängig vom Ganzen existieren könnten und einfach aus dem Organismus entfernt werden könnten, ohne daß dieser dadurch Schaden erleiden würde, oder an seiner Existenz gehindert wäre. Dennoch spricht man von integrierenden Teilen, ohne welche ein Organismus noch weiter leben könnte und von sogenannten essentiellen, ohne welche ein Weiterleben nicht mehr möglich ist.
Das ist zwar alles wahr, aber ganz so einfach verhält es sich auch nicht. Wenn ich aus einer Symphonie Beethovens oder eines anderen Komponisten einen Ton, geschweige denn einen Takt herausreiße, bleibt sie zwar eine seiner Symphonien, jedoch meistens eine so sehr entwertete, daß der ganze Genuß verdorben werden kann.
Kommen wir nun auf das Drama der Vergegenwärtigung des Erlösungsopfers zu sprechen, so dürfte es uns nach dem soeben Angeführten ganz klar sein, wie vorsichtig wir bei seiner Analyse vorgehen müssen. Wir sehen bereits, wie verfänglich es ist, dieses einfach auf "wesentliche" und "unwesentliche" Teile zu zersetzen. Bei einer Symphonie gibt es keine wesentlichen und unwesentlichen Teile. Vergessen wir nie: die als selbständig vielleicht denkbaren unwesentlichen Teile, sind in dem Zusammenhang wesentlich, wenn wir das Werk, wie wir es ja auch müssen, als eine Ganzheit nehmen.
Damit soll gesagt werden, daß es bei dem Wunderwerk der hl. Messe absolut unzulässig ist, rücksichtslos von substantiellen und akzidentellen Teilen zu sprechen, wobei man von jeder Bezugnahme auf die sg.- wesentlichen absehen würde, die akzidentellen Teile ohne weiteres umtauschen oder einfach auslassen mochte.
Gleich zu Beginn sei gesagt, daß jene Form des hochh. Meßopfers die bessere ist, welche uns sicherer auf den Kalvarienberg bringt, der ja samt dem Kreuz und dem gekreuzigten Heiland vor unseren Augen aus dem Nebel der Geschichte und des Alltags auftaucht. Wenn wir die Kirche betreten, um an diesem so heiligen Opfer teilzunehmen, dann müssen wir bedenken, daß wir nicht mehr in Berlin, Wien, Bern oder München, in Rom oder Prag, oder wo auch nur anders uns befinden, sondern in Jerusalem gerade zu dem Augenblicke, als man den Heiland das schwere Kreuz auf die Schultern legt und er Seinen Leidensweg beginnt, an dem auch wir teilnehmen solle und müssen, soll unsere Anwesenheit wahrlich fruchtbar sein.
Wer könnte zweifeln, daß es der Ritus der Diözese Rom ist, die ja Mater et Magistra aller anderen ist, ihre Mutter und Lehrerin welche den soeben angeführten Forderungen vollauf entspricht, und "quam maxime" (2) dazu beiträgt, die Vergegenwärtigung und Erneuerung zu realisieren. Geleitet vom Heiligen Geiste, bewahrt sie in ihm völlig unversehrt das, was der Herr selbst diesbezüglich angeordnet hat, wie auch was die Apostel und heiligen Päpste angeordnet haben. Fast zwei Jahrtausende haben an diesem Ritus gearbeitet, und so steht er als ein monumentales Wunderwerk vor unseren Augen, dessen Erhabenheit nur ein kurssichtiger, unempfindlicher Geist nicht erfassen kann.
Dieses zauberhafte Gebilde ist zur Ehre Gottes gewirkt worden, nicht um dem Menschen zu dienen, ihn zu belehren, wenn auch die Früchte dieses hochh. Opfers ihn retten sollen, soweit er sich selbst retten will. So wie an den herrlichen Kathedralen oft Meisterwerke der Kunst angebracht sind, die selten noch ein menschliches Auge bewundern wird, birgt dieser Ritus in sich Momente, die nur selten ein geschaffener Geist voll erleben kann, denn er ist nicht ein Werk des menschlichen Geistes, sondern in erster Linie des Heiligen Geistes. Welcher Priester hat es nicht erlebt, obwohl er täglich die hl. Messe liest, oder gerade deshalb, daß plötzlich gewisse Teile in neuer Sicht erscheinen, ihn neu bereichern, und die Unerschöpflichkeit des Gedankengutes zum Vorschein bringen.
Was wird da nur heute vom sogenannten "neuen Menschen" herumgeredet, als ob er sich wesentlich von seinen Vorgängern unterscheiden würde. Man spricht eben von seiner "Neuheit", um seine Unempfindlichkeit zu maskieren Diese besteht aber allein darin, daß er nicht mehr fähig ist, das zu erfassen, was den Menschen vor ihm geläufig war. Neu ist allein sein absoluter Mangel an Glauben, welcher ihm die Einsicht unmöglich macht. Mehr denn je ein Mensch vor ihm, sollte er sich das "credo ut intelligam" d.i. "ich glaube, damit ich verstehe" zu Herzen nehmen. Ohne den Glauben gibt es einfach kein Leben als Erlebnis.
Weiter Unsere Aufgabe ist es diesmal, von der ersten der drei sogenannten substantiellen Bedingungen des hochheiligen Sakramentes- aber in der ersten Reihe Sakrifiziums zu sprechen, von der MATERIA VALIDA, d.i. von der gültigen Materie. Nur, das ist aber leicht getan, wird vielleicht so mancher gleich hinzufügen: das ist ja WEIZENBROT und TRAUBENWEIN! Was kann da noch darüber herumdebattiert werden? Jedoch gerade hierin liegt das erste, was wir als substantiellen Teil betrachten müssen.
Das hochheilige Meßopfer ist keine fremdkörperartige Erscheinung im Leben des Menschen, wenn auch die meisten sie als eine solche bezeichnen. Es ist dies ebensowenig wie wenig die Sonne es ist, welcher wir, und das wird wohl niemand bestreiten, nach Gott das irdische Leben zu verdanken haben. Von der Sonne, mag sie auch für uns gerade untergegangen sein oder sich hinter Wolken und Nebel versteckt haben, schöpfen alle Lebewesen Kraft. Was würde uns von einem Stückchen Brot übrig bleiben, wenn das Einwirken der Sonne auegeschlossen werden könnte.
Dieses, wenn auch äußerst unvollkommene Bild, von der Wirkungskraft der Sonne, soll uns das Verständnis der Wirkungskraft einer anderen Sonne erleichtern, wie auch die unumgängliche Mitwirkung unsererseits. Nicht nur unser natürliches Leben samt der natürlichen Sonne hängt von dieser SONNE ab; unser ganzes übernatürliches Leben, ohne welches das Leben kein Leben wäre, hängt von IHR ab. Infolge der Verweigerung des paradiesischen Opfers verlor der Mensch diese SONNE und versank in die Finsternis der Sünde. SIE wurde jedoch am Kreuze erneut, und zwar für die ganze Ewigkeit, aufgepflanzt, so daß ein jeder Mensch, soweit er die Finsternis der Erbsünde und der etwaigen persönlichen Sünden verläßt, am Fuße des Kreuzes von IHR durchstrahlt werden kann, um so Licht vom LICHTE des LICHTES zu werden.
Kommen wir nun auf das Brot und den Wein der hl. Messe zu sprechen, so werden wir jetzt schon ahnen, daß es bei ihnen um etwas mehr geht, als um eine auf eine gewisse Art verarbeitete gewisse Menge von Weizenmehl und Traubensaft, nämlich daß neben der sachlichen Realität noch ein ebenso realer und bedeutungsvoller Wert im Symbol, welches Brot und Wein verkörpern, zu suchen ist; ja wir müssen es unterstreichen, daß es gerade das Symbolisierte ist, weshalb Brot und Wein gewählt wurden. Würde sich jemand mit Brot und Wein, wenn auch vorschriftsmäßig hergestelltem, begnügen wollen, so wären diese, soweit sie von ihm abhängig sind, keine materia valida, also für die Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers keine notwendige Materie. Wollte dies die Kirche so, was ja nur gedacht werden kann, wollte die Kirche also Brot und Wein ohne Bezug auf das durch sie symbolisierte darbringen, so wären sie eine materia absoluta invalida, eine völlig ungültige Materie, und hiermit auch ein kein Sakrament, so kein Sakrifizium möglich.
Die materia des allerh. Altarsakraments, wie auch des hochh. Meßopfers ist also Weizenbrot und Traubenwein, jedoch nicht in sich allein, sondern auch in ihrer mystischen Realität, so daß ohne diese mystische Realität, wenn diese nicht mitbegriffen wäre oder sogar ausgeschlossen wäre, wie dies beim Protestantismus ist, von einer gültigen Materie nicht gesprochen werden könnte, wie wir soeben angeführt haben. Die mystische Realität beinhaltet aber und bezieht sich auf alle Lebensäußerungen, Gedanken, Worte und Werke, d.h. das Offertorium ist eine Angelegenheit des ganzen Lebens aller Glieder des mystischen Leibes.
Hiermit ist schon ersichtlich, daß das hochheilige Meßopfer keine vergängliche Angelegenheit im Leben des Christen, ja jedes Menschen ist, sondern ein raum-zeitliches Gebilde, welches eine fortdauernde Anteilnahme aller Glieder des mystischen Leibes fordert. Nicht weniger wird aber gezeigt, daß bloße, wenn auch korrekte Konsekrationsworte aus sich allein nicht imstande sind, das erwünschte Sakrament und Sakrifizium zu verwirklichen, wie auch daß die oben angeführte Anteilnahme eine der wesentlichen, notwendigen Bedingungen des hochheiligen Meßopfers ist. In diesem Zusammenhange sei noch zu bemerken, daß es neben der MUTTER GOTTES immer aktive Mitglieder des mystischen Leibes Christ, gegeben hat, wie es auch solche immer geben wird? wenn auch viele, ja sogar die meisten es nicht sind und auch nicht sein wollen. Die Verweigerung der Anteilnahme von seiten einzelner Menschen beeinflußt die Qualität des Meßopfers nicht, verhindert es aber, daß seine Früchte solchen Menschen direkt zugeteilt werden können, wenn sie auch indirekt stets eine Hilfe für sie bedeuten, solange sie leben. In den eben angeführten Fällen kommt es zur abermaligen Verweigerung des Paradiesopfers, des eigenen "Ich"? indem gesagt wird: "Es geschehe nicht nach Deinem, sondern nach meinem Willen", mit den traurigsten nur denkbaren Folgen: der Androhung des ewigen, unwiderruflichen Todes.
Heute wird, indem man sich auf das allgemeine Priestertum beruft, so viel von der aktiven Anteilnahme am Gottesdienst gesprochen, wobei noch nie in der Geschichte der Kirche eine derartige Unkenntnis über das eigentliche Geschehen herrschte wie heute. Ja, wir könnten sagen, je mehr irgendwo nach aktiver Teilnahme gerufen wird, ums o größer ist dort die Unkenntnis, denn bestünde sie, müßte es auch bekannt sein, daß ohne diese Teilnahme das hochheilige Opfer für die, die die wahre aktive Anteilnahme verweigern, direkt unfruchtbar verlaufen muß.
Zuerst müssen wir nun den ersten Satz überdenken: Durch den Priester können und sollen alle in Christus Priester sein.
Alle Christen sind verpflichtet zu wissen, was das die hl. Messe eigentlich ist. Denn der Verpflichtung, andächtig die hl. Messe zu hören, wird nicht durch eine bloß materielle äußerliche Anwesenheit nachgekommen. Sie sind zu einer heiligen Handlung verpflichtet, also folglich zur Darbringung des Opfers mit dem Priester und durch ihn, um Gott mit dieser Opferhandlung zu ehren. (3)
Die Christen bilden, soweit kein inneres Hindernis vorhanden ist, mit Christus ein organisches Gebilde, den Corpus Christi mysticum, den mystischen Leib Christi. Infolgedessen müssen sie sich die Worte des hl. Cyrillus von Jerusalem zu Herzen nehmen: "Im eucharistischen Opfer opfert durch die Hände der Priester Christus sich und die Kirche, wie auch die Kirche sich und Christus." (4)
Nun ist, so betont der hl. Cyrillus, der opfernde Priester zugleich auch das Opfer. Dies wollte er täglich wiederholt sehen als Opfer der Kirche, die, da sie Körper des Hauptes ist (welches ER ist; O.K.) sich selbst durch Ihn zu opfern lernt." (5) Kardinal Hosius betont in diesem Zusammenhang, daß (nur dann) das sichtbare Opfer auf die entsprechende Weise Gott dargebracht wird, wenn wir in unserem Herzen selbst zum unsichtbaren Opfer geworden sind. (6) Die Kirche als solche und ein jedes ihrer Glieder, soweit sie lebendige Glieder am Leibe des Herrn sind, Opfern also zugleich mit Christus und werden mit ihm geopfert. Natürlich geschieht dies nicht automatisch, sondern fordert von seiten der Gläubigen eine weitgehende Anteilnahme, von der wir noch genügend sprechen werden. Dies ergibt die organische Verbundenheit mit dem Haupte dieses Leibes. Um das zu sein, was er sein soll, muß der Körper am Opfer teilnehmen und so das vom Menschen im Paradies verweigerte Opfer in dem und mit dem HAUPTE darbringen. Daß dies nicht immer voll bewußt geschieht, daß es nicht selten dazu nur auf eine interpretative Weise kommt, darauf haben wir schon früher autmerksam gemacht.
Etwas später werden wir auf die Symbolik des dem Weine beigefügten Wassers zu sprechen kommen, wodurch die untrennubare Vereinigung der Kirche mit Christus im Opfer angedeutet wird. So wird die gesamte Kirche mit und in Christus Priester, wie auch Opfer, bei einer Aufopferung, die am eucharistischen Altar beginnt und am himmlischen vollbracht wird. (7) Also nicht nur Sich, sondern auch Seine Kirche opfert Christus Seinem himmlischen Vater. (8) Er opfert alles "im Namen der Kirche, Er opfert im Namen des ganzen Körpers, also aller Gläubigen, aus welchen Er wie aus Gliedern besteht. Nichts ändert daran, daß viele sich dieser Opferung nicht bewußt sind, da der interpretative Wille genügt, welcher darin besteht, an allen Handlungen teilzunehmen, welche den ganzen Körper betreffen, dem die Darbringung des Opfers gehört, und die der Gesamtheit zugute kommen." (9).
Bedenken wir nur unsere Teilnahme am hochheiligen Opfer. Wer könnte sich da zurückgestellt sehen, benachteiligt? Müssen wir da nicht vielmehr unser Versagen bekennen, daß wir unsere Aufgabe nicht richtig erfaßt und infolgedessen auch nicht erfüllt haben? Wie armselig siebt es da aus mit unserer so angestrebten aktiven Teilnahme als Opferer durch den Priester in Christus, wie auch als Opfer in IHM. Verblieben wir da überhaupt noch auf Erden, stünden wir nicht in Christus vor dem ewigen Altar im Himmelreich (10), wenn wir wirklich das wären, was wir sein sollten?
Unsere aktive Teilnahme geht aber noch viel weiter. Nicht nur daß wir durch den Priester in Christus selbst Priester sind, als Glieder seines Leibes, wir sind auch OPFER, sollen MITLEIDEN und MITSTERBEN, Christus ist nicht ohne die Kirche Priester für die Ewigkeit, noch wird die Kirche Gott Vater ohne Christus geopfert. (11)
Kardinal Hosius betont die gerechte Forderung, daß wir Christi Leidensgenossen zu werden trachten, wenn wir an Seinen Tröstungen teilnehmen sollen, indem wir mit ihm auferstehen und in den Himmel steigen. Denn wenn wir nicht mit Ihm sterben werden, werden wir auch nicht mit Ihm vereinigt werden: wenn wir mit Ihm nicht alles ertragen, werden wir mit Ihm nicht herrschen. Wer mit Ihm verherrlicht werden will, muß mit Ihm leiden. Denn Christus mußte zuerst leiden und so in Sein Glorie eintreten, Wenn auch, streng genommen, die Gebete des Offertoriums umgeändert werden könnten, müssen sie doch zum Ausdruck der aktiven Teilnahme am Leiden und Tod des Herrn werden, ohne welche es zu keiner Erneuerung kommen könnte. Daß nicht alle sich daran beteiligt haben und sich nicht beteiligen werden, wurde schon gezeigt. Eine einzige genügte jedoch, um das hochheilige Meßopfer für uns zu retten, und das ist Maria. Auf Ihr Offertorium in Nazareth kommen wir noch zu sprechen.
Die Symbolik des Brotes und des Weines bringt die Tatsache zum Ausdruck, daß die Kirche sich selbst durch Christus Gott opfert. (12). Dies ist unbedingt notwendig, denn, so bemerkt der hl. Augustinus, "Der dich ohne dich erschaffen hat, rechtfertigt dich nicht ohne dich. Er schuf den Nichtwissenden, rechtfertigt den Wollenden." (13) Auch "will Christus nicht ohne dich seine vollkommene Glorie in Empfang nehmen, das ist ohne Sein Volk, welches Sein Körper ist, Glieder seines Leibes", so lesen wir im Doctrinale Fidei des Thomas Waldensis, bezugnehmend auf eine Homilie des Origenes. (14) Die Väter, wie auch die späteren Theologen betonen immer wieder das Mitleiden und Mitsterben, wie besonders der hl. Cyprianus es in seinem 63. öferts bereits erwähnten Brief zum Ausdruck bringt: kein Wein ohne Wasser. So kann auch das Opfer Christi nicht rechtmäßig dargebracht werden, wenn sich nicht unser Opfer hinzugesellt.
Der hl. Ignatius von Antiochien betont die Notwendigkeit, an das Kreuz unseres Herrn Jesus Christus geschlagen zu werden, was den Körper und die Seele anbelangt. (15). Wie das zu verstehen ist, werden wir uns demnächst zeigen. Für den Augenblick zitieren wir bloß die Worte des hl. Paulus: "Die Christus angehören, haben ihr Fleisch mit seinen Leidenschaften und Gelüsten ans Kreuz geschlagen" (16) wozu der Hl. Thomas bemerkt: "Die Ergebenheit dem gekreuzigten Christus gegenüber zwingt sie, sich Christus anzupassen..." wie wir im Römerbrief lesen: "Wir wissen ja, daß der alte Mensch in uns mitgekreuzigt wurde... Mit Christus bin ich gekreusigt, um für Gott zu leben." (17)
"Folgen wir ihm also nach und tragen das Kreuz" mahnt der hl. Johannes Chrysostomus (18). Wie schaut das Kreuz aus? Es sind zwei Balken, die übereinander quer gelegt sind. So geht es auch in unserem Leben kreuz und quer: Wir wollen etwas und das Gebot Gottes sagt nein! Wir befehlen etwas, es geschieht nicht, wir wünschen uns etwas, es geschieht das Gegenteil; wir möchten lachen und müssen weinen, wünschen uns die Gesundheit, und es zeigt sich die Krankheit, und so fort; alles geht in die Quere. Wenn wir nun verspüren, daß wir ein Kreuz zu tragen haben, dann werden wir alle mürrisch, ungeduldig, lieblos, hart, und was das Schlimmste ist, ohne Freude traurig.
Wir sind aber nicht allein. Vor uns gebt unser Bruder und trägt ein Kreuz das viel schwerer ist als das unsrige. Mit Wunden besät' mit Blut befleckt, fällt Er unter seiner Last in den Staub der Straßen Jerusalems. Er wird geschlagen, rafft sich wieder zusammen, schleppt sich wieder weiter, und doch ist Er nicht so wie wir: Er schimpft nicht, flucht nicht, ist nicht mürrisch, ungeduldig, lieblos, hart und traurig, sondern voll Freude und Seine Freude ist am größten in dem Augenblicke in dem Er unter unaussagbaren Schmerzen am Kreuze für uns stirbt. Sagen wir Ihm doch wenigstens einmal unter dem Kreuze des hochheiligen Meßopfers: "Herr, ich will mit Deiner Hilfe tapferer sein, Du, o Herr, hast Dein großes Kreuz mit Freude getragen, um unsere Sünden zu sühnen, um mich und die ganze Welt glücklich zu machen. Auch ich will froh und freudig mein kleines Kreuz nehmen, um Buße zu tun für meine Sünden und um Dir zu helfen, die glücklich zu machen, die Du mir anvertraut hast. Nur um eines bitte ich Dich: sollte ich schwach werden, stärke mich, sollte ich fallen, erhebe mich, sollte es mir scheinen, daß mein Kreuz zu schwer ist, so schwer, daß ich es nicht mehr ertragen kann, dann laß mich Dich anschauen und mich schämen; denn was, wenn ich Dein Kreuz tragen sollte."
So groß ist das Kreuz Christi, daß wenn wir alle Kreuze aller Menschen aller Zeiten auf eine Waagschale geben würden und auf die andere dann das Kreuz Christi legten, so würde sich die Waagschale mit allen menschlichen Kreuzen heben, als wäre auf ihr nur eine Flaumfeder. Es ist nicht bei den Haaren herangezogen, wenn wir sagen: Wäre eine Sekunde des Leidens Christi auf alle Menschen aufgeteilt, niemand könnte es ob der Schwere ertragen. Es sei hier wiederholt, daß es eines der größten Wunder der Welt ist, daß die Mutter Gottes den Kreuzweg überhaupt überlebte. Bedenken wir nur die Worte des Herrn: "Wahrlich ich sage euch: Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!" (19) Lassen wir den Herrn nur durch ein einziges Haus führen, und bedenken, daß ein jeder liebloser Gedanke, ein jedes lieblose Wort, eine jede lieblose Tat ein ihm versetzter Hieb ist - wie dem auch leider wirklich so ist! Wie möchte er da ausschauen Und wie viele Häuser gibt es nun in der Welt! Bedenken wir alle die Scheußlichkeiten der vergangenen Jahre wie auch die, die sich soeben an so manchen Orten in der Welt abspielen! Denken wir an die unschuldigen Kinder, die wie Schädlinge hingemetzelt werden, dazu noch dem Himmel entrissen.
Jetzt verstehen angeblich die "mündigen Christen" alles. Da lacht der Teufel in die Fäuste, wenn er sie so vieles Zeug unter dem Kreuze herplappern hört! keinen einzigen auf die Knie fallen sieht und sich auf die Brust schlagen mit den Worten: Herr, verzeihe mir meine Sünden! Das Benehmen der "jetzt alles wissenden und verstehenden Christen" zeigt, daß sie überhaupt nichts wissen, ja nicht einmal etwas wissen wollen, und so eine rohe Seele zeigen, die nichts anderes kennen will als das eigene Wohlsein! Die Hand aufs Herz! Wie oft habt ihr euch bei der hl. Messe zum Bewußtsein durchgerungen, daß ihr mit der Mutter Gottes dem Herrn auf Seinem Leidenswege folgt, mit ihr unter dem Kreuze steht! Kein einziges Mal, denn wenn ihr es getan hättet, nie wieder hättet ihr euch nach einer Reform gesehnt, die euch nur zu den Fleischtöpfen Ägyptens zurückführen kann."
Gedanken- und gefühllos wird da heruntergeratscht: "Deinen Tod verkünden wir... usw." in einem mindestens absolut unklaren Zusammenhang, daß wir aber mit Ihm uns hätten sterben sollen, das wollen wir nicht zur Kenntnis nehmen. Wozu sind wir denn überhaupt zu der heiligen Messe gekommen? Um uns etwa nur belehren zu lassen? Wohl ist der Kalvarienberg mit dem Berge der acht Seligkeiten in organischer Verbindung, hier aber ist die Zeit gekommen zu zeigen, wie ernst wir es mit der Belehrung nehmen! Im Augenblicke, da der Herr Seinen Leidensweg betritt? sollen auch aus unserem Munde die Worte des heiligen Thomas erschallen: "Laßt uns mitgehen; um mit ihm zu sterben!" (20)
Der Altar soll der Ort sein, wohin wir unser "Ich" zu Grabe tragen, wie uns auch der hl. Paulus ermahnt: "Ihr seid gestorben, euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott." (21) Er soll aber auch der Ort unserer Auferstehung sein, so daß bei einigermaßen gutem Willen und wirklich aktiver Teilnahme am Erlösungsopfer auch für uns die Worte des hl. Paulus gelten sollten: "Mit Christus bin ich gekreuzigt. Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir!" (22) In die Kirche sind Herr und Frau und Fräulein XYZ gekommen, die Kirche soll Christus in ihnen verlassen, so daß jetzt ihre Gedanken Seine Gedanken sein können, ihre Worte - Seine Worte, ihre Taten - Seine Taten Wie weit wir dem entfernt sind, überzeugt uns ein auch noch so flüchtiger Blick in das eigene Leben und in die Umwelt, in der wir uns befinden. Wer könnte da nicht die Ironie eines Nietzsche begreifen, wenn er sagt: "Die Erlösten sollten erlöster sein!"
Einst kam die Mutter der Söhne des Zebedäus mit ihren Söhnen zu Jesus, "fiel vor ihm nieder und wollte ihn um etwas bitten. Er fragte sie: "Was willst du?" Sie antwortete ihm: "Laß meine beiden Söhne in deinem Reiche den einen zu deiner Rechten und den anderen zu deiner Linken sitzen." Jesus entgegnete: "ihr wißt nicht, um was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" Sie antwortete ihm: "Wir können es." Da sprach er zu ihnen: "Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken. Aber den Platz zu meiner Rechten oder Linken habe ich nicht zu verleihen, der gebührt denen, für die er von meinem Vater bereitet ist." (23)
Einst kam auch unsere Mutter mit uns in die Kirche zu Jesus. "Was verlangst du", fragte an Seiner Stelle der Priester. "Den Glauben", antworteten für uns die Paten. "Was gibt dir der Glaube?", so lautete die weitere Frage. "Das ewige Leben", war die Antwort durch die Paten, worauf die Ermahnung erfolgte: "Willst du zum Leben eingehen, so halte die Gebote. DU sollst den Herrn, deinen Gott lieben aus deinem ganzen Herzen und aus deiner ganzen Seele, und aus deinem ganzen Gemüte, und deinen Nächsten wie dich selbst."
Wir werden noch darauf zurückkommen müssen, daß unser ganzes Leben eine einzige hl. Messe sein soll, der Introitus beginnt mit der hl. Taufe, wie unsere letzten Worte sein sollten: Ite, gehet meine Freunde, missa est, die Messe meines Lebens ist beendet.
Kultus, Gottesdienst, bedeutet theologisch "die Betätigung der Tugend der Religion in ihrer unmittelbaren Beziehung auf Gott." (24) Heute hören wir häufig den rätselhaften Namen "Wortgottesdienst" als ob man diesen Teil von der Messe einfach trennen könnte, wie dies leider auch nicht selten geschieht. Das hl. Meßopfer beginnt mit dem hl. Kreuzzeichen und der Antifon: "Introibo ad altere Dei" mit dem darauf folgenden 42. Psalm. Von der Messe der Katechumenen und der der Gläubigen zu sprechen ist am Platze, selbst heute ob der großen Zahl der zu erwartenden Katechumenen.
In der Epistel, dem Evangelium und der darauf folgenden Predigt überwiegt wohl das Wort Gottes. Es wird uns in ihm das Leben eines wahren Kindes Gottes gezeigt, seine Erhabenheit, Schwierigkeiten und die ob der Nachfolge Christi möglichen Anfeindungen und Verfolgungen von seiten der Welt. Mit anderen Worten richtet der Herr an uns durch den Priester, Seinen Stellvertreter, die Frage: "Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" Das Offertorium ist unser "Wir können es, wir wollen es." - um für den weiteren Teil, den Kanon, Seine Worte hören: "Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken. Aber den Platz zu meiner Rechten oder Linken habe ich nicht zu verleihen; der gebührt denen, für die er von meinem Vater bereitet ist."
Im Offertorium sollen wir drei Sachen vorlegen, zu allererst uns selbst dann das, was für den Gottesdienst notwendig ist: Brot, Wein und Wasser, zuletzt alles andere, was noch als Opfer dienen kann (25). Die Väter und Theologen werden nicht müde auf die Notwendigkeit der Selbstopferung in Christus hinzuweisen, auf das Mit-leiden und Mit-sterben. Gott bedarf unserer Gaben nicht, sie sind ja doch Seine Gaben! Unser bedarf er, nicht Seinetwillen, sondern unsertwillen, um uns glücklich zu machen.
Bei der hl. Taufe wurden wir zwar Glieder am Leibe des Herrn, daraus erfolgt aber nicht, daß wir automatisch einfach von nun an an allem teilnehmen. Die hl. Taufe sollte uns nur die bewußte Teilnahme ermöglichen. So wie die Ernennung als Mitglied der Staatsoper ohne Ausübung der Kunst das neue Mitglied noch nicht zum Schauspieler in der Tat macht, wird der Christ durch die hl. Taufe nicht ipso facto, automatisch, Opferer in Christus und zugleich auch Opfer. Es muß sich sein in die Tat übergehender Entschluß zeigen, und das geschieht während der hl. Messe beim Offertorium. Bieten wir in Brot und Wein in erster Linie nicht uns selbst, dann ist, wie wir später zeigen werden, subjektiv bezüglich auf uns keine materia valida vorhanden, wenn sie es auch absolut genommen, ob der vielen Gerechten, objektiv stets ist, vorausgesetzt, daß sie zugleich all den anderen an sie gestellten Forderungen entspricht.
"Herr, unser Gott, wir bitten Dich, heilige diese Opfergabe durch die Anrufung Deines heiligen Namens und mache durch sie uns selber zur vollendeten ewigen Opfergabe für Dich. Durch unsern Herrn." (Stillgebet am Feste der allerheiligsten Dreifaltigkeit.)
Fortsetsung folgt.
Literatur:
1) Weish. 11,21. 2) Denz. 942. 3) De lugo. Responsa Moralia, De virtute Fidei divinae, Disp. XIII. s.V. 4) Migne P.G. 33,277 D, De variis Cyrillianae doctrinae capitibus, Diseert. III. 5) S. Augustinus, De Civitate Dei, 10,20. 6) Stanislai Hosii, De Sacramento Eucharistiae. 7) Lepin, L'Idée du Sacrifice de la Messe, 144; nach Isaac, abbé de l’Etoile. 8) Duranti Wilh.d.Ält.Rationale div.officior. De oblatione sacerdotis. 9) Zacharias Pasqualigo, De Sacrificio Novae Legis, Tract. I. Qu. 109. 10) Didaché, Cabrol, Reliquiae Liturgicae Vetustissimae 1. XXXIV. Parisiis. 11) S. Paschasius Radbertus, Epistola de Corpore et Sanguine Domini, Migne? P.L. 120,1353 a. 12) Natali Alex. Theologia Dogmatica et Moralis, cap. VI. De Missae Sacrif., propos. II. 13) S. August. Serm. 15 de Verb. Apost. c. ll. 13. Migne, P.L. 38,923. 14) De Sacramentalibus Missae, cap. XL, 8. 15) Epistula ad Smyrnaeos. 16) Gal. 5,24. 17) S. Thomae Aqu. Super epist. S. Pauli, Ad Galatas 338. 18) S. Joh. Chrys. In Joa. Hom. LXXIV al. LXXIII, Migne, P.G.55. 19) Matth. 25,40. 20) Joh. 11,160 21) Koll 3,3. 22) Gal. 2,19-20 23) Matth. 20,20-23. 24) Buchterger, Lexikon für Theologie u. Kirche, II. Auflage. 25) Joannes Belettus, Rationale divin. Officiorum, cap. XLI, De offertorio. Migne, P.L. 202,50.
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