Das Bündnis Gottes mit der Welt – Utopie der heutigen ‚Kirche’
von H. Le Caron (Courier de Rome) Übers. von Ambros Kocher
Der Heilige der Heiligen.
Gott will das Heilige. Als Er das Bündnis mit Israel schloß, hatte niemand außer den Priestern das Recht, sich der Bundeslade zu nähern. Jene, die ihre Hände nach ihr ausstreckten, wurden vom Blitz erschlagen. Als Er die Fleischwerdung Seines Sohnes beschloß, wählte Er eine Jungfrau von unvergleichlicher Reinheit. Er hat sie kraft einer besonderen Gnade von der Erbsünde bewahrt (Dogma von der Unbefleckten Empfängnis). Diese Beispiele zeigen, wie sehr der Heilige Forderungen an die Reinheit stellt, wenn es sich für Ihn darum handelt, in ein Bündnis einzuwilligen.
Die Kirche, die unvergleichliche Braut Christi.
"Die katholische Kirche, Herrin der Seelen, Königin der Herzen herrscht über die Welt, weil sie die Braut Jesu Christi ist." (Pius X. zur Seligsprechung von Jeanne d'Arc) Sie wurde geschaffen durch den Sohn, sie wird beständig erneuert durch Sein Opfer und sie vollführt den Plan Gottes, die Seelen zum ewigen Leben zu führen, indem sie sie aus der Natur zur Übernatur führt. Denn Gott hat es so gewollt.
Der Sohn ist der einzige Mittler, der alleinige Weg, der es dem Menschen ermöglicht, zum übernatürlichen Leben zu gelangen; d.h. vom Tode, wohin ihn die Sünde geführt hat, zum Leben, das durch die heiligmachende Gnade gegeben wird ... "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern geht vom Tode zum Leben über" (Joh. 5,24). So gebiert die Kirche die Menschen zum ewigen Leben, indem sie von der Gottheit des Bräutigams und den Mitteln, zum Bräutigam zu gelangen, Kenntnis gibt.
Die Welt, wie sie von unserm Herrn Jesus Christus dargestellt wird.
Die Welt durch den Stolz von Gott getrennt und sich im Schlamme seiner Sünde wälzend, bedeutet für Gott, selbst wenn sie noch natürliche Tugenden besitzt, einen Auswurf. Die Welt, unter die Herrschaft Satans geraten, ist das große Babylon der Schriften und der Apokalypse, die große Hure, die beim Erscheinen des Lammes zusammenbrechen wird, um im Falle jene mitzureißen, welche ihr gedient und sie angebetet haben. Immer wieder während seines öffentlichen Lebens hat Unser Herr ausgerufen, daß keine Gemeinschaft bestände zwischen ihm und der Welt. Gerade deswegen ist er am Kreuze gestorben, um die Seelen Seiner Auserwählten der Welt zu entreißen. "Ihr stammt von unten, ich stamme von oben; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt. Ich habe euch gesagt: Ihr werdet in euren Sünden sterben; denn wenn ihr nicht glaubt, daß ich es bin, werdet ihr in euren Sünden sterben." (Joh. 1,23 f.). "Wenn die Welt euch haßt, so wisset, sie hat mich vor euch gehaßt. Wäret ihr von der Welt, so würde die Welt euch lieben als ihr Eigenes. Aber ihr seid nicht von dieser Welt, vielmehr habe ich euch von der Welt auserwählt, deshalb haßt euch die Welt." (Joh. 15,18 f.)
Triumph der formell verurteilten Häresien
Nun entwickelt sich in unserer Zeit eine Häresie, die schon oft von den größten Päpsten verurteilt worden ist. Man will uns glauben machen, daß die Welt nicht so schlecht sei; daß viel Großmut bestehe im sündigen Menschen, und daß es schließlich möglich sein wird' Gott mit der Welt zu versöhnen, selbst wenn diese in ihrer Sünde verharrt (Ideen von PaulVI.; d.Übers.).
Es handelt sich in der Tat nicht darum, daß die Welt Verzicht leiste auf die großen Grundsätze der Revolution, des Laizismus, des Naturalismus und des Liberalismus. Gott findet sich mit ihr ab, wie sie ist. Was der Menschheit gewünscht wird, daß sie ihre ideologischen Grundlagen findet in einer profanen Übertragung des Evangeliums und daß sie, derart säkularisiert, christliche Grundlagen annimmt, ohne selbst dazu gezwungen zu werden, Gott einen Kult darzubringen. Diese Konfusion der Pläne bedeutet gegenüber unserem Schöpfer eine Abscheulichkeit, eine Beleidigung. Dieses Vorhaben, Unversöhnliches zu versöhnen, bedeutet eine verderbliche Utopie. Man verlangt vom Heiligen der Heiligen, daß er sich mit einer ehebrecherischen Frau verbinde, einer Hure, ohne vorher zu verlangen, daß sie sich von ihrem Schmutze reinige und für ihre Sünden Buße tue.
Eine große Sünderin, wie Maria Magdalena eine war, vermochte durch den Glauben an das Wort Jesu Christi eine große Heilige zu werden, weil Gott unendlich barmherzig ist, aber sie verharrte nicht in ihrer Sünde; sie bereute und löste sich von der sündigen Welt. Gott kann die Sünden seiner Geschöpfe nicht dulden, denn es sind eben gerade die Sünden, welche sie von ihm trennen, und welche den geistigen Tod verursachen.
Die Verirrung der Geister in der heutigen katholischen Welt.
Wie soll man nun jene Geistesverirrung erklären, jene Verblendung, die zahllose Laien und Priester erfaßt hat bis zu den höchsten Stellen der katholischen Hierarchie? Der hl. Pius X. hat es gesagt in folgenden Worten: "Der Hauch der Revolution ist da durchgegangen..." Zweifellos hat der demokratische Virus im Sinne des Demokratismus mehrere Generationen von Priestern und Laien angesteckt. Mit seiner Lehre, daß "die Revolution dem Katholizismus eine zweite Geburt verlieh", führte Lamennais in die Kirche jene Krankheit ein, welche die nachfolgenden Generationen vergiftete; vom Marc Sangnier, von Maritain bis zu den Theologen von Vatik. II, einem Congar, einem Cardonnel und einem Hans Küng.
Kardinal Billot hat in einigen kurzen Linien in bezug auf einen Sillon die Quelle des Übels definiert: "Das Christentum des Sillon ist eine Funktion seines Demokratismus und dieser christliche Demokratismus ist eine Reformation des Evangeliums in der revolutionären Ideologie."
"Wenn das Evangelium in ihrer Art erklärt wird... ist Christus entstellt und verkleinert", so präzisierte der hl. Pius X. als er sich gegen die blasphematorisohen Annäherungen erhob. Und von der Kanzel von Notre Dame warnte der zukünftige Papst Pius XII. die Menschheit vor der Häresie, die recht bald die hl. Kirche überschwemmen sollte: "Vigilate!" Nicht allein an die Sorglosen richtet sich dieser Apell. Er richtet sich auch an die eifrigen Geister, an die großmütigen Herzen, an die Aufrichtigen, aber... deren Eifer sich nicht erleuchten läßt durch das Licht der Klugheit und der christl. Weisheit. In ihrem ungestümen Eifer, in ihren sozialen Beschäftigungen laufen sie Gefahr, die Grenzen zu verkennen, da die Wahrheit dem Irrtum weicht, der Eifer wird zum Fanatismus und die nützliche Reform wird zur Revolution... Wehe jenem, der die Gerechtigkeit mit der Ungerechtigkeit paktieren läßt, der Finsternis mit dem Lichte versöhnen will!" (Weil man meint, die Revolution zähmen zu können, welche die heutige Kirche nicht einmal mehr bekämpft.)
Denn es handelt sich um dieselbe Strömung, dieselbe immer wieder aufkommende und unablässig verdammte Häresie. Lamennais und der "Avenir" wurden von Gregor XVI. 1831 verurteilt; die liberalen Katholiken wurden es durch Pius IX.; der Amerikanismus durch Leo XIII., der Modernismus und der Sillon von Marx Sangnier durch den hl. Pius X., der juridische und soziale Modernismus durch Pius XI.. Immer handelt es sich mit gewissen Nuanzen um Leute oder Bewegungen, die derselben geistigen Familie angehören, der Familie der Verurteilten, die aber in unseren Tagen es versucht, in der kathol. Kirche zur regierenden Familie zu werden. Es ist zu befürchten, daß sie im Schoße der Kirche noch größere Verwüstungen anrichten wird bis zu jenem Moment, da ein Papst sich von neuem veranlaßt sieht, sie zu verurteilen.
Woraus besteht dieser Demokratismus? Es ist ohne Zweifel sehr schwierig für einen Demokraten, die Autorität eines absoluten Monarchen anzunehmen, selbst wenn dieser Monarch Gott ist, und wenn die Autorität von weit oben kommt. Ein Demokrat wird Gott als eine Art Regierungschef ansehen, den man in die Minderheit versetzen kann, da die Menschheit die Rolle eines Parlamentes erfüllt. In dieser Schau müssen die Gebote Gottes und jene seiner Kirche durch die Menschen geprüft und diskutiert werden, bevor sie Gesetzeskraft erhalten. Wenn das Parlament befindet, daß sie gefährlich und inopportun sind, werden sie an theolog. Kommissionen zurückgewiesen, welche darin erfahren sind, dogmatische Wahrheiten zu zerschneiden, ebenso jene moralischer Natur, um sie für die Menschen genießbar zu gestalten. Es ist verständlich, daß in solcher Schau die Menschheit bestrebt ist, nach und nach die Gesetze Gottes durch die ihrigen zu ersetzen. Nach vielem Diskutieren über die Gesetze glaubt das Parlament schließlich, es sei souverän und will das Seinige auferlegen. Diese Geisteshaltung bildet die Grundlage für die bekannte Erklärung der Menschenrechte, welche die Gebote und Rechte Gottes ausschließen.
Das Heilmittel.
Damit Kirche und Menschheit aus dieser Versunkenheit heraussteigen können, ist es von nöten, daß das höchste Lehramt und die Bischöfe unzweideutig die Definitionen bestätigen, welche von den Päpsten seit 2000 Jahren stets proklamiert worden sind und der Überlieferung entsprechen. Verdammt als Häretiker sollen jene werden, die freiwillig davon Abstand nehmen.
Seit Vatik. II kann jedermann in theologischer oder moralischer Hinsicht lehren und bekunden, was ihm beliebt, ohne irgendwelche Sanktion befürchten zu müssen. Seit der "Öffnung zur Welt hin" wird jegliche Neuerung wohlwollend entgegengenommen, mit günstiger Zustimmung von seiten der Hierarchie.
Jene Worte des hl. Pius X. scheinen heute vergessen zu sein: "Die Zivilisation kann nicht mehr erfunden werden, noch eine neue Stadt in den Wolken erbaut werden. Sie ist es schon und sie bleibt. Es ist die christliche Zivilisation, es ist die kathol. Civitas. Es bedarf bloß ihrer Einführung und Wiederherstellung auf ihren natürlichen und göttlichen Fundamenten gegenüber den immer wieder auftauchenden ungesunden Utopien, der Revolte und der Gottlosigkeit. Omnia instaurate in Christo!" Aber würde ein hl. Pius X. heute noch kanonisiert?
H. Le Caron
Addendum: "Es gibt ein schlimmeres und tödlicheres Übel als die Verfolgung, es ist die perfide Vergiftung der Mentalität". Hl. Cyprian. Zeitgenössische Texte zur heutigen Ideologie: Marc Sangnier: "Diese Anarchisten mit tiefer und mystischer Seele mit verwirrenden und süßen Träumen, welche das hl. Russland in ihrem Schoße als beunruhigende Keimlinge für Revolte und Verführung birgt: Laßt uns ihnen das wahre Christentum enthüllen und sie werden sich darauf stürzen..." Naivität? Jedenfalls eine Utopie.
"Sillon" 25.4.1907: "Die Revolution von 1793 war nicht antireligiös. Ein Robespierre, ein Danton, ein Demoulin waren zu tiefst religiös... ihre Philosophie religiös, die Substanz des Christentums selber, von welcher Frankreich lebte." (Vgl. Aussagen Pauls VI. über Revol., d. Übers.) - Gotteslästerliche Annäherung.
Maritain (dem Paul VI. den Kardinalshut offerierte, der aber ablehnte. Paul VI. hat übrigens das Werk Maritains übersetzt: "L'Humanisme integral"): Als zu Ende des 18. Jahrh. die Menschenrechte in Amerika und Frankreich proklamiert wurden und die Völker zum Ideal der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit aufgefordert wurden, so bedeutete das eine Herausforderung an das Volk, die Menschen des Nichts, den Geist der Kindheit und des Glaubens und insgesamt ein Ideal der allgemeinen Großmut, die selbst in der politischen Ordnung Eingang fand gegenüber den Mächtigen dieser Erde und ihres experimentierten Skeptizismus. Das evangelische Denken, das hier hereinbrach, trug das Merkmal eines laisierten Christentums." (Christ. und Demokratie' S. 49)
Und weiter: "Die Nation wird erst wahrhaft geeinigt sein, wenn ein genügend mächtiges Ideal sie zu einem großen Werke hinreißt, wo die beiden Überlieferungen – das Frankreichs der Jeanne d'Arc und das Frankreichs der Menschenrechte versöhnt sein werden" (L, Unité d'un peuple libre", Figaro 7.12.44). Drittes Zitat von Maritain: "Die Tatsache kann berechtigter Weise festgehalten werden, daß Frankreich zwei nationale Feste hat, das Fest vom 14. Juli und das Fest von Jean d'Arc, zwei Feste, die sich gegenseitig durchdringen und das eine und dasselbe Versprechen darstellen." (Pour la justice, Artikel und disc. 1940/45.). Unheilvolle Illusion, verderbliche Utopie. (Beim Tode von Maritain grüßte in ihm die kathol. Presse den großen Propheten der modernen Zeit, Pionier und Mitverantwortlichen für die neue Entwicklung in der kath. Kirche. Und der "Papst" selber rief in Erinnerung, was Maritain war: "Ein großer Denker unserer Zeit, Meister in der Kunst des Denkens, zu leben und zu beten. Seine Stimme, seine Figur werden in der Überlieferung des philosoph. Denkens und der kath. Meditation bleiben."
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