Ehe, Familie und Erziehung
2. Fortsetzung
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Die Eltern müssen ihren Sexualtrieb aus Liebe zu Gott und zueinander beherrschen. Sie müssen ihn beherrschen, nicht von ihm beherrscht werden. Was1 wenn aus irgendeinem Grunde der eheliche Verkehr nicht möglich sein sollte? Es kann eine Krankheit kommen oder eine längere Abwesenheit eines der Ehepartner. Was wird dann geschehen? Jetzt müssen sie beweisen, daß das, was sie bis jetzt als unmöglich gehalten haben, dennoch möglich ist. Es sollte auch allen klar sein, daß der Verkehr während der Menstruation, der Schwangerschaft wie auch der ganzen Laktation unerlaubt ist. Die "wilden" Pygmäen, von denen wir bereits gesprochen haben, betrachten diese Forderung als evident, und der Mann, der sich diesbezüglich vergehen würde, muß mit der Rache der Familie der Frau und des ganzen Stammes rechnen. (1) Wenn auch ein solcher Verkehr nicht gerade unter einer Todsünde verboten ist, den Fall ausgenommen, daß ein körperlicher oder geistiger Schaden dem Kinde oder der Frau droht, was nicht selten der Fall sein wird, eine Tugend ist er nie!
Wenn die Eheleute sich im sexuellen Leben nicht beherrschen lernen, dann wird, wenn die Unmöglichkeit des Verkehrs zu Hause ist, leicht ein Ersatz gefunden, mit ihm aber so manches, was nicht gesucht wurde, verschiedene Krankheiten, welche das weitere Zusammenleben oft unmöglich machen. Wie teuer wird so ein Augenblick der Unenthaltsamkeit bezahlt, wenn plötzlich ein Schatten der Angst in ihr Leben schleicht? Erotismus ist etwas wesentlich anderes als Liebe. Er ist eine Leidenschaft, die einer gemeinen selbtischen Seele entspringt, während die Liebe stets bereit ist, Opfer zu bringen, und nicht selten auch große Opfer bringt.
Das Klimakterium bringt nicht selten große seelische und körperliche Schwierigkeiten mit sich, und so mancher Mann wird um die "fünfzig" herum nicht selten sich selber zum Problem. Während dieser Zeit beklagen sich die Frauen häufig ob der wirklichen oder auch nur erdachten Untreue ihrer Männer. Sie sind meistens selbst schuld daran, da sie in dieser Zeit oft den ehelichen Verkehr verweigern, da er für sie den Reiz verloren hat, welcher, in der ersten Linie, in der Aussicht auf ein Kind besteht, welches nun ebenso unwahrscheinlich ist, wie auch, was in diesem Zusammenhang sonderbar klingen mag, unerwünscht. Sie vergessen aber die zweite Aufgabe der Ehe, die Regelung des sexuellen Lebens, und daß sie ihren Leib dem Gatten übergeben haben, wie auch diese ihren ihnen. Natürlich ist es Pflicht der Männer, sich in ihren Ansprüchen zu mäßigen, und nicht gegen den Takt zu verstoßen, was leider nicht selten geschieht.
Ich weiß nicht, was "zivilisierte" Völker sagen möchten, wenn man den Brauch der "nichtzivilisierten" Ojibwa Indianer einführen wollte. "Vor jeder Zeremonie muß die öffentliche Beichte über sexuelle Vergehen gehalten werden, zuerst von den Älteren, dann von den Jünglingen, dann von den Frauen. Ein großer Geist-Stein liegt in der Mitte, der Stein hört ihre Worte und läßt Unglück über die Lügner kommen. Vor jeder Zeremonie mußte auch viertägige geschlechtliche Enthaltsamkeit geübt werden. Wer es nicht tat, mußte mit halbgeschwärztem Gesicht erscheinen. Er durfte nicht an Tanz und Sang teilnehmen und nicht die heilige Pfeife berühren." (2) Es ist interessant, daß wir diesen Brauch nur bei den "tiefsten' Kulturstuten finden' je "höher" wir steigen, hält auch die Sittenlosigkeit mit dem Fortschritt Schritt.
In der neuesten Zeit schleicht sich die künstliche Befruchtung ein und zwar dort, wo eine normale physiologische Empfängnis nicht möglich ist. Dies kann entweder mit dem Sperma des eigenen Mannes geschehen oder eines anderen Spenders. Die zweite Art kann sehr verhängnisvolle Situationen im ehelichen Leben hervorrufen. Wenn der Ehemann die Ursache der Kinderlosigkeit ist, dann kann es bei ihm zu nicht geringen Minderwertigkeitserlebnissen kommen. Der Spender kann den Eheleuten bekannt sein oder nicht. Ist er ihnen bekannt, so kann das Kind nicht selten zum Steine des Anstoßes werden, viel eher als eine Festigung des Ehebandes. Auch die Gefahr einer späteren Heirat unter Verwandten kann bei solchen Kindern nicht ausgeschlossen werden. Die Gegenwart des Kindes ist weiter eine andauernde Nahrung für einen Minderwertigkeitskomplex beim Ehemann. Es besteht auch für die Mutter die Gefahr, in Schwierigkeiten zu fallen ob der natürlichen Anhänglichkeit dem wirklichen Erzeuger des Kindes gegenüber. In Fällen, in welchen die Mutter im Kinde die ihr bis jetzt verweigerte Befriedigung ihrer mißlungenen Ehe siebt, kann sie einer Idealisation und Imago-Fixation dem Erzeuger gegenüber verfallen. Der Ehemann wird höchstwahrscheinlich Haßgefühle und Eifersucht dem Spender gegenüber verspüren. Diese können von ihm verdrängt werden und so zur Neurose führen. Im Falle aber, daß der Spender den Eheleuten unbekannt ist, kann alles auf die Schultern des Arztes geschoben werden. Das Leben wird ihm ob des andauernden Mißtrauens und der ständigen Versuche, ihm das Geheimnis zu entreißen, bitter gemacht. Auch auf das Kind kann später die Last fallen, wie auch bei ihm selbst die Ungewißheit ein psychisches Trauma hervorrufen kann. (3)
Papst Pius XII. sagte diesbezüglich bei einer Ansprache in Castel Gandolfo am 1.10.1949:
1. Die künstliche Befruchtung darf beim Menschen nicht allein vom biologischen Standpunkt genommen werden, ohne die Moral und das Gesetz zu befragen.
2. Die künstliche Befruchtung unverheirateter Personen muß als unmoralisch verworfen werden; bei den Katholiken gibt es diesbezüglich keine Unklarheit Ein so erzeugtes Kind ist unehelich.
3. Die künstliche Befruchtung mit dem Sperma eines anderen Mannes, als des eigenen Ehemannes, ist ebenfalls unmoralisch und muß ausnahmslos verworfen werden. Eine solche Lösung ist selbst in den äußersten Fällen abzulehnen. Nur im Falle der Erleichterung des physiologischen Aktes mit dem eigenen Manne oder nach einem normalen um das gewünschte Ziel leichter zu erreichen, ist ein solcher Eingriff nicht verurteilt.
Wir dürfen aber nicht vergessen: Nur das Erwecken eines neuen Lebens auf eine dem Willen und Plan des Schöpfers entsprechende Weise, entspricht dem erwünschten Ziele und weist eine Vollkommenheit auf, welche wir nur anstaunen können. Es entspricht allseitig der Natur des Leibes und Geistes, wie auch der Würde der Partner, und der normalen und glücklichen Entwicklung des Kindes. (4).
"Auch dürfen wir nicht vergessen", bemerkte Dr. Carlos Santos beim Kongreß der katholischen Ärzte in Rom 1949, "daß die Unfruchtbarkeit wie auch der Kindersegen vom Allmächtigen abhängt und so ein jeder Eingriff von seiten des Menschen ein Eingriff in die Privilegien Gottes ist."
Deshalb sollten wir nicht hartnäckig von Gott etwas verlangen, aber der gütigen Vorsehung Gottes vertrauen, indem wir bedenken, daß alles, was er tut, für uns gut ist. Ich erinnere mich an einen Fall, wo jungen Eheleuten ein gesunder Knabe geboren wurde. Damit, dachten sie, sei ihre eheliche Pflicht erfüllt, und wollten keine Kinder mehr. Die Frau ersuchte um Durchschneidung der Eileiter, was auch durchgeführt wurde. Als der Knabe herangewachsen war, ertrank er beim Baden. Nach diesem Unglück fiel ein Schatten auf das Familienleben mit allen seinen traurigen Folgen.
Im Augenblick der Empfängnis beginnt in der Tat im Haushalt des Leibes der Frau eine wahre Revolution, wo alles auf das Wunderwerk des keimenden Lebens eingestellt wird. Wir haben bereits einen kurzen Blick ir die Heiligkeit dieses Geschehen getan. Wenn sich die Frau bewußt wäre, was sich in ihrem Schoße abspielt, aber auch die Menschen um sie herum, sie würden von tiefer Ehrfurcht ergriffen sein; wirklich ein gesegneter Zustand.
Zu dieser Zeit kommt es aber leider zu einer schrecklichen Versuchung, die in unseren Zeiten eine wahre Pest hervorgerufen hat, nämlich sich des unerwünschten Gastes und der unangenehmen Folgen zu entledigen. "Schauet doch", - so lesen wir bei Schmidt - "unmittelbar auf die Ankunft der heiligen Drei Könige an der Krippe Jesu folgt der bethlehemitische Kindermord. Aber als damals die Schergen des blutdürstigen Herodes in Bethlehem einfielen, wie erschrocken waren doch die armen Mütter, wie haben sie da ihre Kindlein geflüchtet, wie sie zu verstecken und zu decken gesucht auch mit ihrem eigenen Leibe. Diese modernen Mütter aber, die eilen den Henkern und Herkerinnen entgegen, bieten ihnen ihren Leib dar, damit sie ihn von dem lästigen Eindringling, den sie doch selbst hineingeführt haben, befreien und bezahlen noch dafür mit ihrem Geld, mit ihrer Gesundheit und mit ihrer Gewissensruhe (und nicht selten mit dem Leben; O.K.).
Eines ist sicher, die unausweichlichen Folgen dieser Greuel äußern sich immer drängender in einem schrecklichen Dilemma: entweder in einem zerquälten Gewissen, das nicht zur Ruhe kommt vor den dunklen Schatten dieser gemordeten Kinder, oder in einer unbeschreiblichen Verrohung des Herzens gerade bei der Frau, die unter ihrem Herzen, vom sichersten Ort weg, sich das Liebste wegriß, das sich so innig und heilig an sie geklammert hatte. Der Schaden der hier an Lebenden wie an Toten angerichtet wird (vergessen wir auch nicht auf den Verlust der ewigen Seligkeit beim Kinde; O.K.) ist ein ungeheuerer, gar nicht übersehbarer. Eine wahrhaft glückliche Ehe ist dabei natürlich längst nicht mehr denkbar; das Beisammensein muß zum Ekel werden, der bis an den Hals hinaufsteigt, da im selben Maße, wie das Kind ferngehalten werden kann, auch die letzten Schranken fallen gegen das dämonische Hervortreten der entfesselten Sinnlichkeit, die nun vollends Leib und Seele verwüstet." (5)
Den Menschen, die menschliche Person, müssen wir im Keim von dem Augenblicke an sehen, in welchen das Sperma sich mit dem Ovum verbunden hat. In diesem Augenblicke ist der Mensch, was seinen Leib anbelangt "in potentia" formiert, so wie etwa im Apfelkern der Apfelbaum. In diesem Augenblicke wird auch von Gott die Seele geschaffen und mit dem Körper verbunden, wie der Autor "De ecclesiasticis dogmatibus" anführt: "damit im Schoße der aus Leib und Seele bestehende Mensch lebe und aus dem Schoß lebend hervortrete, im vollen Besitz der menschlichen Natur." (6). Papst Innozenz XI. verurteilte am 2.3.1679 unter anderem den Satz: "Es scheint wahrscheinlich zu sein, daß jeder Fetus, solange er sich im Mutterschoß befindet, der vernünftigen Seele entbehre, und sie erst dann beginne zu besitzen, wenn es zur Geburt kommt, infolgedessen ist zu behaupten, daß in keiner Abtreibung Menschenmord zu sehen ist." (7) Man schaue nur nach, wie scharf im christlichen Altertum solche "Lebenskünstler" verfolgt und bestraft wurden! So lesen wir in "Capitularia regum Francorum": "Wenn irgendein Weib einer anderen ein Getränk reicht, um bei ihr die Abtreibung der Frucht zu erwirken, wenn sie ein Magd ist (Leibeigene), dann soll sie 200 Schläge bekommen, wenn eine Freie, soll sie ihre Freiheit einbüßen und vom Fürsten als Hörige dem zugeteilt werden, wie er es anordnet." (8) Im Rechtsbuch Karl d. Großen steht geschrieben: "Wenn jemand einem Weibe Kräuter gibt, so daß sie keine Kinder haben kann, der wird verurteilt als Strafe, 2.500 Denare zu bezahlen, was 62 1/2 Soliden ausmacht." (9)
Bereits der hl. Augustinus schrickt vor einer solchen Scheußlichkeit zurück: "Manchmal geht diese libidinöse Grausamkeit oder grausame Begierde so weit, daß sie sich ein Gift zur Erlangung der Sterilität verschafft, wenn ohne Erfolg, daß wenigstens das bereits empfangene Wesen (Fetus) irgendwie im Schoße ausgelöscht und vertrieben werde. Die Nachkommenschaft soll lieber umkommen als leben, und wenn sie schon im Schoße lebt, lieber getötet werden, als daß seine Geburt zugelassen werde. Wenn nun beide (von den Eheleuten) solche Menschen sind, Eheleute sind sie nicht..." (10).
Sonderbar, daß wir bei einer Tötung der Leibesfrucht nach der Geburt von einem Mord sprechen, nicht aber ebenso von einer Tötung im Schoße der Mutter, als ob erst das geborene Kind ein Anrecht auf das Leben hätte und im Schoße der Mutter noch keine Person wäre. Wer hat das Recht, das Todesurteil über einen unschuldigen absolut wehrlosen Menschen auszusprechen? Der Arzt ist dazu da, das Leben zu behüten, er ist kein Richter, noch weniger Henker! Hat nicht die Mutter die Pflicht, selbst ihr Leben zu opfern? Vergessen wir nie, erst nach dem Tode, bei der Auferstehung beginnt das wahre Leben!
Mit Recht bestraft die Kirche solch eine Tat mit der Exkommunikation wie der Mutter, so auch aller, die bei dieser Schandtat mitgeholfen haben. (11)
"Hochwürden", sagte mir einmal eine kranke Frau, "zweimal konnten wir ein Kind haben, und wollten es nicht, jetzt, wenn wir es wollten, können wir nicht." Wie wir bereits bemerkt haben, ist das Schlimmste darin zu sehen, daß ein solches unglückliches Kind nicht in den Himmel kommen kann, die ewige Seligkeit nicht erlangen kann, wenn auch das höllische Leiden ihm erspart bleibt.
Wie erhaben ist aber die Tat einer Mutter, welche für ihr Kind ihr Leben gibt, jenes Leben, das wir ja alle eines Tages Gott zurück geben müssen. Sind da bereits andere Kinder, so darf sie nicht vergessen, daß der Tod das Band der Liebe nicht zerreißt, und sie ihren Kindern bei Gott unter solchen Voraussetzungen viel mehr helfen kann, als sie es auf Erden könnte. Das ist jedoch Glaubenssache! Glauben wir aber noch?
Fortsetzung folgt.
Literatur:
1) Trilles7 Les Pygmées, 366. 2) Schmidt: Der Ursprung der Gottesidee, II, 507. 3) Anselmino K.J. und Friedrichs H.: Die künstliche Befruchtung mit fremdem Sperma in psychologischer Sicht. Experpta medica III, II, VIII. 4) Acta Apost. Sed. 41, 1949 pg. 569. 5) P. Wilhelm Schmidt: Sechs Bücher von der Liebe, von der Ehe, von der Familie, Stocker, Luzern 1945, pg. 117-118. 6) P.L. 42/Aug. VIII/col. 1216. 7) Denz 1185, vgl. 1184. 8) Lex Bajuvariorum, AD 630, Titulus VII. XVIII De avorso per potionem facto, Mansi 17 Bis, 116. 9) Pactus legis Salicae DCCXCVIII, Titulus XXI De maleficis, IV. Mansi 17 Bis 295 (Solidus = 4.55 g auri.) 10) P.L. 44/Aug. X-1, De nuptiis et concupiscentia, col. 423-424. 11) Codex Iuris Canonici, Can. 2350 § 1, vgl. Pius XI. "Casti connubii", Denz 2242.
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