Wurzel, Stamm und Krone
XII. Teil
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Das hochheilige Meßopfer ist, wie schon betont wurde, nicht nur das Opfer des historischen Christus allein, sondern Seines ganzen, mystischen Leibes.
Maria ist Bindeglied beider Opfer. Da Sie unbefleckt empfangen wurde, konnte Sie mit Ihrem Sohne in Arbeit und Leid, Leben und Tod auf das innigste verbunden bleiben' so innig, daß es nur durch ein Wunder für Sie möglich war, die in Golgotha ausmündende Passionswoche zu überleben. Auch die unzähligen Lästerungen, die ihr Sohn im allerheiligsten Altarsakramente erdulden muß, welche alle in den bitteren Kelch vorausgreifend geflossen waren, mußte Sie auf sich einwirken lassen.
Christi und Mariae Leiden begann bei der Inkarnation, drang durch alle Seine und Ihre Arbeit, erreichte den Höhepunkt am Ölberg, um am Kalvarienberg in Seinem Tode zu gipfeln.
"Und auch deine Seele wird ein Schwert durchdringen", so lauteten die Worte der Prophezeiung Simeons (Luk. 2,35), wie auch im Stabat Mater zu lesen ist:
"Durch die Seele voller Trauer, Seufzend unter Todesschauer, Jetzt das Schwert des Leidens ging."
Zwei Grundfehler zeigen sich bei den neuzeitigen liturgischen Auseinandersetzungen.
I. Man unterscheidet nicht genug das blutige Opfer von seiner unblutigen Darstellung und Erneuerung, dem hochheiligen Meßopfer. Dies ist, unter anderem eine der Ursachen der Fälschung der Konsekrationsworte, da die Worte "pro vobis et pro multis" d.i. "Für euch und für viele" einfach "für euch und für alle" dargeboten werden, was philologisch, theologisch und logisch falsch ist. (Vgl. die diesbezüglichen Abhandlungen in der Einsicht.).
Sicher, - durch das blutige Opfer wurde allen Menschen ohne Ausnahme die Möglichkeit gegeben, Kinder Gottes wieder zu werden, jedoch unter der Bedingung, daß sie Ihn, ihren Erlöser aufnehmen werden. "Detit illis potestatem filios Dei fiert - Allen aber, die ihn aufnehmen, gab er Macht' Kinder Gottes zu werden." (Joh. 1,12). Leider machten und machen nur sehr wenige Gebrauch von dieser Möglichkeit, allein, die "die an seinen Namen tatkräftig glauben, die nicht aus dem Geblüte, nicht aus dem Wollen des Fleisches und nicht aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind." (Joh. 1,12-13).
Wenn auch der Heiland bei der Konsekration von vielen spricht, denen Sein Opfer zum Heile gereichen wird, sind diese vielen tatsächlich nur recht wenige im Vergleiche mit der "massa damnata", der großen Masse der Verdammten, wie aus der Warnung des Heilandes klar ersichtlich ist: "Tretet ein durch die enge Pforte! Denn weit ist die Pforte und breit der Weg, der ins Verderben führt, und viele sind es, die da hineingehen. Eng dagegen ist die Pforte und schmal der Weg, der zum Leben führt, und nur wenige sind es, die ihn finden." (Matth. 7, 13-14). Die Pforte ist aber ER selbst, wie ER auch der Weg, die Wahrheit und das Leben ist.
Jene gehören zu den "vielen" der Konsekrationsworte, die direkt. d.i. aktuell, indirekt (indem sie den Wunsch tragen, am hl. Opfer teilnehmen zu können), oder interpretative (aufgrund ihres tatkräftigen Willens, das Gesetz Gottes so zu erfüllen, wie sie es erkannt haben), - im hochheiligen Meßopfer durch Christus, mit Christus und in Christus das durch Adam, mit Adam und in Adam im Paradies verweigerte Ganzopfer des eigenen "Ich" darbringen.
Das blutige Opfer Christi am Kreuze sühnte die Sünden aller Menschen, was die beleidigte Gerechtigkeit Gottes anbelangt. Dies hätte nie ein bloßer, mit der Erbsünde belasteter Mensch tun können. So wurde es den Menschen ermöglicht ihrerseits, natürlich als Glieder des mystischen Leibes Christi, ein Lob-, Dank-, Sühn- und Bittopfer darzubringen. Schon daraus ist es klar ersichtlich, daß das hochheilige Meßopfer nur denen hilft und helfen kann, die Glieder des mystischen Leibes sind oder es noch werden können, nicht aber jenen, die es nicht sind und nie mehr werden können, also denen, die belastet mit der Erbsünde oder persönlichen Todsünde, in die Ewigkeit übergegangen sind. Keinesfalls ist es also erlaubt und möglich, das Meßopfer für "alle" zu applizieren.
Wenn auch durch das blutige Opfer Christi die Gerechtigkeit Gottes vollauf, ja überschwänglich beschwichtigt wurde, heißt es nicht, daß hiermit allen Menschen einfach eine Freikarte in den Himmel geschenkt wurde, welche sie sich nur holen müßten. Es wurde ihnen mit und in dem Blute Christi ein Lösegeld angeboten, daß sie, in Verbindung mit dem eigenen Blute, zur effektiven Tilgung der eigenen Sünden, wie auch als ihr Ganzopfer benützen konnten und sollten. Nur der, der es darbringt, kann zum Tische des Herrn herantreten - hier auf Erden und einmal im Himmel.
"Der Sühnewert des Meßopfers mußte vom Tridentinum ausdrücklich definiert werden. Die Augsburgische Konfession erklärt: "So ist das heilige Sakrament eingesetst, nicht damit für die Sünde ein Opfer anzurichten (denn das Opfer ist zuvor geschehen), sondern daß unser Glaube dadurch erweckt und die Gewissen getröstet werden, welche durchs Sakrament erinnert werden, daß ihnen Gnad und Vergebung der Sünde von Christus zugesagt ist." (Art. 25: Müller 53).
Diesen Irrtümern gegenüber lehrt die heilige Synode, daß dieses Opfer wahrhaft ein Sühnopfer sei, und daß durch dasselbe bewirkt werde, wenn wir mit aufrichtigem Herzen und rechtem Glauben, mit Ehrfurcht und Andacht, zerknirscht und reumütig zu Gott hintreten, daß wir Erbarmen erlangen und Gnade finden, wenn Hilfe not tut. Durch dieses Opfer nämlich versöhnt, verleiht der Herr Gnade und die Gabe der Buße, und erläßt Vergehen und Sünden, seien sie auch noch so groß (crimina et peccata etiam ingentia dimittit). Denn es ist ein und diesselbe Opfergabe, derselbe jetzt durch den Dienst der Priester sich Opfernde, welcher damals sich selbst am Kreuze geopfert hat, indem nur die Weise der Darbringung verschieden ist. Werden nun, wie gesagt, die Früchte jenes blutigen Opfers durch dieses auf irgend eine Weise Abbruch getan. Deshalb wird es nach der Überlieferung der Apostel nicht nur für die Sünden, Strafen, Genugtuungen und andere Nöten (necessitates) der - lebenden Gläubigen mit Recht dargebracht, sondern auch für die in Christus Verstorbenen, welche noch nicht völlig gereinigt sind." (s.22. c.2; Denz. 940) (1)
Es ist nicht zu umgehen, auf die vierfache Einheit in Christus noch einmal hinzuweisen.
1. Durch Sein blutiges Opfer wurde Christus zum juridischen Oberhaupt der gesamten Menschheit; sie gehört von nun an Ihm. Daß dies aber nur sehr wenige mit ihrem Leben anerkennen, braucht nicht eigens betont werden. Dies ist die unio juridica.
2. Die unio symbolica wird im Augenblicke des Offertoriums in der Aufopferung von Brot und Wein verwirklicht. Diese Gaben bergen in sich unser "Ich", welches mit dem unserer Mitbrüder und dem Unseres Herrn zur Einheit wird. Dadurch kommt unser Entschluß zum compati d.i. Mit-leiden voll zum Ausdruck.
3. Die unio sacrifica, die Einheit im Opfertod kommt im Augenblicke der heiligen Wandlung zustande, das commori d.i. Mit-sterben! Ohne diese Einheit kann niemand zur weiteren "unio" zugelassen werden, denn "sind wir mit Ihm gestorben, so werden wir auch mit Ihm leben!" (2 Tim. 2,11)
4. Die unio sacramentalis, die heilige Kommunion erwirkt in voller Realität, wenn diese auch hier auf Erden "nur" auf eine sakramentale Weise sich zeigt, das gegenseitige "Sich-besitzen" in der LIEBE des Heiligen Geistes, die circuminessio cordium, welche in der Ewigkeit zur UNIO BEATIFICA verwandelt werden soll.
Da nun Ziel des SACRIFICIUM, des hochheiligen Meß-OPFERS der ewige mystische Leib Christi im Lichte der Glorie ist und nicht die bloße, wenn auch reale Gegenwart Christi allein, etwa eine Repräsentierung des historischen Christus, betont der östliche Ritus so sehr die Epiklesis, das Gebet, der Heilige Geist möge herabkommen und die Opfergaben in den Leib und das Blut des Herrn umwandeln. Kardinal Bessarion betont gerade an dieser Stelle das Werden des mystischen Leibes Christi in seiner Vollkommenheit. Im römischen Ritus kommt dies vor der Konsekration zum Ausdruck.
An dieser Stelle sei uns erlaubt darauf hinzuweisen, wie sehr am Platze im Canon das Vater unser ist, welches auf das "per Ipsum, cum Ipso et in Ipso" folgt. Durch, mit und in Christus haben wir unser in Adam verweigertes Opfer zu Ehren des himmlischen Vaters dargebracht, nun können wir im vollen Sinne des Wortes wieder das "Vater unser" sagen.
II. Es wird nicht deutlich genug hervorgehoben, daß das Wesentliche der' Form der Eucharistie: "Das ist mein Leib... Das ist mein Blut", nicht die einzige Bedingung ist, um die Materie, d.i. Brot und Wein, zum Sakrament zu machen. Diese Materie muß eine valide, d.i. gültige sein. Wir werden uns gleich zeigen, daß mit bloßem Weizenbrot und Traubenwein allein nicht alles zur hl. Wandlung notwendige vorgelegt wurde. Dies zum Auedruck zu bringen, dazu dient die Intentio fidelis, die getreue Absicht, daß alles deshalb und auf eine solche Weise geschehe, wie es der Heiland und mit ihm die heilige Kirche will. Wird diese Intentio vergewaltigt, etwa man wollte z.B. das hochheilige Meßopfer für alle, also auch für die Verdammten aufopfern, dann ist die ganze Handlung null und nichtig.
Mit den drei Bedingungen sind auch die drei Wesensteile des hochheiligen Meßopfers gageben, wobei die "Intentio fidelis" das beinhalten muß, was durch die Worte des Heilandes in der Konsekrationsformel über dem Kelch zum Auedruck kommt: "...des neuen und ewigen Bundes - Geheimnis des Glaubens - das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden."
Dies alles ist für immer unabänderlich im traditionellen Ritus der Mater und Magistra, der Diözese Rom durch das Konzil von Florenz in der Form fixiert worden. Wird eines dieser Worte durch ein Versehen auegelassen' muß die ganze Form unter einer schweren Sünde wiederholt werden. Wollte jemand aber wissentlich etwas auslassen' weil er eine von der Intention Christi abweichende Absicht hat, etwa er will die hl. Messe für "alle" absolut applizieren, so kann dies nicht geschehen, ohne den Sinn der Worte zu ändern, wodurch aber die Konsekration ungültig wird, dies umso deutlicher, wenn er seine abweichende Absicht wörtlich zum Ausdruck brächte.
Die alten liturgischen Anmerkungen sprechen gewöhnlich nicht von substantiellen Bedingungen aber von dem, was de necessitate sacrificii ist, d.h. dem was notwendig ist um das Sacrificium, das Opfer zu seiner spezifischen Vollkommenheit zu bringen.
Anmerkung: (1) Bartmann: Lehrbuch der Dogmatik, II § 189
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