Der heilige Karl Borromäus
von Heinrich Storm
Am 4. November feiert die Kirche das Fest eines Heiligen' den wir unter die größten Bischofsgestalten der Neuzeit einreiben müssen und dessen segensreiches Wirken bis heute seine Früchte trägt.
Der Heilige Karl stammte aus dem vornehmen gräflichen Geschlecht der Borromeo, das durch verwandtschaftliche Bande Beziehungen zu den ersten Familien Italiens hatte. Er wurde am 2. Oktober 1538 im väterlichen Schloß von Arona, am Ufer des Lago Maggiore, geboren. Über seine Kindheit haben wir wenige Nachrichten, es steht aber fest, daß er, wie es eine Unsitte der damaligen Zeit wollte, schon von früher Kindheit an zum geistlichen Stand bestimmt war und demnach bereits mit 7 Jahren das geistliche Kleid und die Tonsur erhielt. Auch stattete man ihn, seiner vornehmen Abstammung entsprechend, reich mit Pfründen, also Einnahmen aus kirchlichem Besitz, aus. Schon bald wurde offensichtlich, daß sich im Falle Karls äußere Bestimmung und innere Berufung in glücklichem Übereinklang befanden. Das zeigt sich in seiner, - leider damals ganz ungewöhnlich- hohen Auffassung von den kirchlichen Pfründen, die uns in einem bezeichnenden Ausspruch überliefert ist: "Die Güter der Kirche sind Güter Gottes und gehören deshalb den Armen, alles, was daher nicht unbedingt notwendig für den Unterhalt des Benefiziaten ist, muß nach Recht und Gerechtigkeit den Armen ausgeteilt werden." - Nachdem Karl, zunächst in Arona, später in Mailand, mehrere Jahre von Hauslehrern unterrichtet worden war, begab er sich mit 16 Iahren zum Studium an die Universität Pavia, die er fünf Jahre später, also 1559, mit einer glänzenden Promotion als Doktor beider Rechte verließ. Im gleichen Jahr bestieg in Rom sein Onkel mütterlicherseits, der Kardinal de Medici, als Pius IV. den päpstlichen Thron, und damit eröffneten sich für den jungen Kleriker glänzende Möglichkeiten. Der Papst zögerte nicht, seinen begabten Neffen bald nach Rom zu rufen und übertrug schon 1560 dem erst 21jährigen das Kardinalat. In der Folgezeit wurde Kardinal Borromeo mit Ämtern geradezu überhäuft: Nicht genug damit, daß er als Inhaber der Aufgaben, die heute im Wesentlichen das Amt des Kardinalstaatssekretärs ausmachen, die rechte Hand des Papstes war, wurde ihm dazu auch noch die Administration des Erzbistums Mailand übertragen. In seiner jugendlichen Machtfülle war Karl damit ein typischer Vertreter jenes päpstlichen Nepotismus, der der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten, zuletzt unter dem Pontifikat Paul IV. Caraffa, des Vorgängers Pius' IV., soviel Schaden und Unehre zugefügt hatte.
Jedoch stach er von Anfang an von seinen Vorgängern dadurch ab, daß er die Verantwortung seines hohen Amtes ganz ernst nahm und seinen Verpflichtungen mit ungeheurem Fleiß und großen Geschick nachkam. Daneben benutzte er die wenigen freien Stunden des Tages und zum Teil auch der Nacht dazu, seine philosophischen, theologischen und künstlerischen Studien auszubauen und zu vertiefen. Ein Zeitgenosse urteilte damals über den jungen Kardinal: "In der Blüte seiner Jahre und auf dem Höhepunkt seiner Macht stehend, denkt er an nichts anderes, als wie er sein Wissen und seine Lebensführung in Übereinklang mit seiner hohen Stellung bringen kann." Diese Lebensführung war allerdings durchaus noch nicht die eines Heiligen. In seinem Verhalten wich Karl Borromeo noch nicht entscheidend von dem seiner fürstlichen Zeitgenossen ab. Er erholte sich bei der Jagd, bei Schach- und Ballspielen von seiner anstrengenden Tätigkeit und war dem äußeren Pomp nicht abhold. Vor allem fühlt er sich aber als Vertreter seiner Familie und versuchte, wo er nur konnte, deren Einfluß und Macht zu mehren, meist durch entsprechende Heiratsverbindungen seiner Geschwister. Erst als im Jahre 1562 sein Bruder Friedrich, der Kommandant der päpstlichen Truppen war und auf den er am meisten seinen familiären Ehrgeiz gesetzt hatte, plötzlich und unerwartet starb, begrub er mit ihm auch alle eitlen Hoffnungen, um nun ganz seiner eigenen Heiligung und seinen Aufgaben im Dienste der Kirche zu leben. "Dieser Verlust, ich gestehe es, hat mich einen großen Schritt in der Gnade Gottes des Herrn weitergebracht. Dieses Ereignis hat mich mehr als sonst etwas unser Elend und die wahre Seligkeit der ewigen Herrlichkeit lebendig fühlen lassen." Erst jetzt empfing Karl die höheren Weihen, nämlich die Priester- und Bischofsweihe und konnte damit auch vom bloßen Administrator zum Erzbischof der Kirche von Mailand ernannt werden.
An dem für die Geschichte der katholischen Kirche so bedeutsamen Konzil von Trient, das unter Pius IV. 1563 endlich seinen Abschluß fand, hatte Kardinal Borromeo als einer der wichtigsten Berater des Papstes und sein oftmaliger Botschafter und Unterhändler keinen unwesentlichen Anteil. Nachdem nun gerade dieses Konzil aufs eindringlichste den Bischöfen ihre Residenzpflicht eingeschärft hatte, fühlte sich Karl vor seinem Gewissen verpflichtet, endlich seine Aufgaben in Mailand zu übernehmen. Doch erst nach dem Tode seines Onkels, des Papstes, konnte er diesen seinen Vorsatz wahrmachen und unter dem Jubel der Mailänder, die seit Jahrzehnten keinen ihrer Erzbischöfe mehr in ihren Mauern gesehen hatten, in seine Bischofsstadt einziehen. Seine letzte Großtat in Rom, die nicht unerwähnt bleiben darf, war der Anteil, den er als einflußreichster Kardinal des Konklaves an der Erhebung Michele Ghislieris, des heiligen Papstes Pius V., hatte.
Schon oben wurde gesagt, daß die Mailänder Erzbischöfe seit vielen Jahrzehnten nicht mehr in ihrer Stadt residiert hatten, und entsprechend waren die religiösen Zustände in der Diözese. Die Priester kamen ihren seelsorglichen Verpflichtungen nur äußerst unzulänglich nach, die Zucht der Klöster hatte sich gelockert, und das Volk befand sich infolge so schlechter geistlicher Vorbilder in einem Zustand des religiösen Unwissens und des Niedergangs seiner Sitten. Indem Karl Borromeo nun sogleich mit Energie, Tatkraft und größter Entschlossenheit an die Besserung dieser Zustände ging, hat er wahre Wunder des seelsorglichen Eifers vollbracht. In den zwei Jahrzehnten seiner erzbischöflichen Regierung entfaltete er eine erstaunenswerte Aktivität: Provinzialkonzilien, Diösesansynoden und Pastoralvisitationen lösten einander in beinahe ununterbrochener Reihenfolge ab, ein Dekret folgte dem anderen, ohne mit seiner Durchführung lange auf sich warten zu lassen. Die sechs Provinzialkonzilien - Mailand ist ja Metropole der lombardischen Kirchenprovinz - und zehn Diozesansynoden, die er abhielt, zeigen den hl. Karl als einen Meister der Organisation und der Regierungskunst. Dabei kann man durchaus nicht sagen, daß er sich einem leeren Aktivismus hingab. Karl Borromeo ließ sich in seinem Wirken ganz vom Hl. Geist leiten, so daß jede seiner Maßnahmen, auch die geringste, ihren wohldurchdachten Sinn erfüllte. Der hl. Karl war in seinem Leben und Handeln die lebendige Erfüllung der Gesetze des Trienter Konzils: "Was in den Trienter Gesetzen in großen Zügen angedeutet wird, findet sich in Borromeos Anordnungen bis ins kleinste ausgeführt und zwar mit einem Scharfblick für das, was not tat und was sich tatsächlich durchführen ließ, der allgemeine Bewunderung erregte", urteilte schon Kardinal Valiers, Bischof von Verona und der erste Biograph des Heiligen. Die "Acta Ecclesiae Mediolanensis", die Sammlung der kirchlichen Gesetze des Heiligen, gelten bis heute als ein Vorbild kirchlicher Gesetzgebung.
Aus der ungeheuren Fülle der Maßnahmen, mit der Karl Borromeo eine wahre, katholische und gegenreformatorische Restauration seiner Diözese und Kirchenprovinz betrieb, können hier nur die wichtigsten Erwähnung finden. Die Erneuerung des hl. Karl vollzog sich, gemäß dem hierarchischen Aufbau der Kirche von oben nach unten, d.h. von den Bischöfen und Prälaten über die Priester zum Volk. Daher sah der Erzbischof es als das Wesentlichste an, daß nächst ihm die ihm untergeordneten Bischöfe und Prälaten durch das Beispiel eines guten und heiligmäßigen Wandels glänzen sollten: "Ich bin entschlossen, die in Trient beschlossene Reform bei den Prälaten zu beginnen, es wäre der beste Weg, um in unseren Diözesen Gehorsam zu erreichen. Wir müssen zuerst marschieren, unsere Untergebenen werden uns dann umso leichter folgen." Nach den Prälaten waren es natürlich vor allem die Priester und Ordensleute, denen die besondere Sorge des Erzbischofs Karl galt. In der Wiederherstellung ihrer Zucht, bei der er sich auch vor harten Maßnahmen wie der Aufhebung von Klöstern und der Suspendierung unwürdiger Geistlicher nicht scheute, hat er sich den Ehrentitel eines "Engels der kirchlichen Disziplin" erworben. Daß ihm dabei, vor allem im Anfang, zum Teil erbitterter Widerstand aus den Reihen laxer Priester und Ordensleute erwuchs, konnte ihn nicht beirren, selbst als Mönche gegen ihn einen Mordanschlag verübten, dem er nur durch ein offensichtliches Wunder entging. Auf vielen langen und entbehrungsreichen Visitationsreisen, die ihn bis in die entlegensten Alpentäler führten, überzeugte er sich an Ort und Stelle von den herrschenden Mißständen, vor allem der oft erschreckenden Unfähigkeit und Unwissenheit der Priester. Daher mühte er sich unentwegt um die bessere Schulung dieser Priester, denen er durch die Gründung einer Druckerei billigere Bücher als Hilfsmittel an die Hand geben konnte. Den größten Ruhmestitel hat er sich in dieser Beziehung durch die maßgebliche Beteiligung an der Ausarbeitung und Herausgabe des "Römischen Katechismus" erworben, der so vorfaßt war, daß er es den Priestern erlaubte, das Volk klar und allgemeinverständlich in den Grundwahrheiten des Glaubens zu unterrichten. Unübersehbar sind die segensreichen Auswirkungen, die dieses Werk über Jahrhunderte im katholischen Volk verbreitet hat und noch verbreitet.
Bei der Erneuerung des Klerus war ihm die wichtigste Aufgabe die Heranbildung fähiger, heiligmäßiger Priester. Zu diesem Zweck gründete er, unter Einsatz seines eigenen Vermögens, Seminare, in denen gleicher Wert auf die Gründlichkeit des Studiums und auf die moralische Untadeligkeit der Alumnen gelegt wurde. Gerade aus ihren Reihen sind später hervorragende Seelsorger horvorgegangen, Priester, die ganz aus dem Geist ihres heiligmäßigen Vorbildes lebten.
Außer dem mächtigen Einfluß, den allein schon diese Erneuerung der Priesterschaft auf das Volk ausüben mußte, trugen noch viele besondere Maßnahmen des Erzbischofs Karl zu seiner Besserung und katholischen Wiedererweckung bei. Er sorgte für eine regelmäßige sonntägliche Unterrichtung der Kinder, in den Glaubenswahrheiten und übte auf das übrige Volk durch seine Predigttätigkeit, die er auch den Priestern zur Vorschrift machte, einen gewaltigen Einfluß aus, so daß seine ständigen Ermahnungen zu einen häufigeren Empfang der Sakramente nicht ohne Wirkung blieben. Durch volkstümliche Andachten und Prozessionen belebte er die Verehrung der Heiligen, vor allem der allerseligsten Jungfrau. Auch seine großzügige Förderung der Künste, besonders des Kirchenbaus, der religiösen Malerei und der Kirchenmusik, kam letztlich dem Volk zugute, denn die Kunst war für die damaligen Menschen die Sprache, die auch die der Schrift Unkundigen verstanden und die ihnen mächtige Anstöße zur Erhebung ihrer Herzen zu Gott geben konnte. Der Kardinal Borromeo ließ es sich darüber hinaus angelegen sein, wo er nur konnte, auf das öffentliche Leben im Sinne seiner christlichen Durchgestaltung einzuwirken. Dazu gehörte vor allen Dingen, daß er gegen Mißbräuche, wie es die Ausschreitungen des Karnevals und die Mißachtung der Sonn- und Feiertage waren, mit Erfolg eintrat. Den Ständen, die besonderen Einfluß auf einzelne oder Gruppen ausüben konnten, wie Buchhändlern, Ärzten und vor allem Lehrern, verlangte er das Glaubensbekenntnis und einen besonderen Eid ab. In dieses Kapitel gehört aber auch der Kampf, den er - ein wahrhaft würdiger Nachfolger des hl. Ambrosius - mit den Vertretern der weltlichen Behörden um die Rechte und Freiheiten der Kirche ausfocht. Welche Achtung er sich dadurch bei den Spaniern als den damaligen Beherrschern Mailands erwarbt, zeigt die Äußerung König Philipps II. bei der zweiten Neubesetzung des Mailänder Stuhls nach Karls Tod: "Wenn er (der neue Erzbischof) nur heilig lebt wie der Erzbischof Karl, dann liegt uns wenig daran, ob er auch so wie dieser die Rechte der Kirche vertritt."
Wirksamer als alle mündlichen Predigten des Erzbischofs Borromeo für seine Seelsorge und ihren großen Erfolg, war die Predigt seines Lebens, die er den Mailändern 20 Jahre lang hielt, und deren beherrschendes Thema die Liebe zum Nächsten war. Nächstenliebe verwirklichte Karl zuerst im Kreise der ihm im engeren Wortsinn am nächsten Stehenden: seiner Verwandten, Freunde und Untergebenen, welch letztere man auch die "Kardinalsfamilie" nannte, ein Auedruck, der hier wirklich zutreffend war, weil Karl trotz seiner Jugend seinem Hause als gestrenger, aber gütiger Hauevater vorstand. Darüber hinaus aber war ihm jeder der Nächste, der seine Hilfe in geistiger und materieller Not brauchte. Niemand wurde von seiner Pforte mit leeren Händen weggeschickt. Er gab riesige Summen für die Unterstützung der Armen und die Einrichtung karitativer Häuser und Genossenschaften. Immer war sein praktischer Sinn darauf bedacht, über die Linderung der Not des Augenblicks hinaus dauernde Hilfe zu schaffen. Am deutlichsten offenbarte sich seine grenzenlose Nächstenliebe in der furchtbaren Not der Pest von 1576/77, die als die "Pest des hl. Karl" in die Geschichte eingegangen ist. Während der spanische Statthalter feige die Stadt verließ und die Ärzte die Kranken aus Furcht vor Ansteckung sich selbst überließen, war er es, der, zusammen mit mutigen Priestern und Ordensfrauen die Hilfe organisierte und die Stadt vor dem Chaos bewahrte. Tag und Nacht war er nun unterwegs, um die Lebenden zu ermutigen, den Sterbenden die letzte Tröstung zu bringen und die Toten zu begraben. Er rief das Volk zu gewaltigen Bußprozessionen auf, denen er selbst im Büßergewand, barfuß und mit einem Kreuz auf den Schultern, voranschritt. Was er an materiellen Mitteln besaß, gab er her, bis zu den Stofftapeten seines Palastes, die er abschneiden ließ, so daß ein Chronist von ihm schreiben konnte: "Er hat jetzt selber nichts mehr zum Leben und ist ganz arm geworden... Eine andere Tröstung (als ihn) hat diese Stadt nicht. Es wäre das größte Unheil, wenn Gott ihn aus diesem Leben abberufen würde."
Seit der Pest wurde Karl als der wahre Vater seiner Stadt, ja der gesamten Diözese anerkannt und geliebt. Die allgemeine Verehrung, die er genoß, faßte der Magistrat Mailands nach seinem Tod mit den Worten zusammen: "Während seines Lebens hat er, von einer unglaublichen Liebe zu uns beseelt, an nichts anderes gedacht, als daß er alle Gedanken, Pläne und Handlungen, kurz sein ganzes Leben auf das einstellte, was am geeignetsten war, uns die größten geistlichen Vorteile zu verschaffen."
Während der 20 Jahre seines Mailänder Pontifikates führte der hl. Karl ein Leben angespanntester Arbeit. Außer während seiner Krankheiten gönnte er sich niemals Erholung. "Der Garten eines Bischofs ist die Hl. Schrift", antwortete er einmal scherzhaft einem Prälaten, der ihm dringend riet, sich im Garten zu entspannen. Oft erlosch die ganze Nacht hindurch nicht das Licht in seinem Arbeitszimmer. "Die Bischöfe müssen es machen wie die Heerführer im Krieg: Die Tüchtigsten schlafen sitzend auf einem Stuhl", äußerte er sich selbst einmal darüber. Die wenige Zeit, die ihm seine Pflichten ließen, verwandte er zu Studien verschiedenster Art, durch die er sich eine erstaunlich umfassende Bildung erwarb.
Das Zentrum seines Wirkens aber war seine Verbindung mit Gott, dem Herrn und mit Seinem Sohn, unserem Erlöser. "Da Christus nichts anderes lehrt als Liebe zu Gott und dem Nächsten, Welt- und Selbstverachtung, so kann man sagen, daß der hl. Karl in seinem ganzen Leben und in allen Lagen seines Lebens ein Bekenner der Lehre Christi gewesen ist", sagte Kardinal Bellarmin anläßlich seiner Heiligsprechung. Diese Heiligkeit Karls war die Frucht eines Lebens strengster Buße: Wo er konnte, erlegte Karl sich Abtötungen auf, nicht nur durch die ohnehin schon schwere Last seiner Arbeit, sondern auch durch Fasten, Geißelungen und Nachtwachen. Täglich erforschte er sein Gewissen streng, ja, er hatte einen Geistlichen eigens damit beauftragt, ihn zu beobachten, um ihn überall, wo es nötig war, freimütig zurechtzuweisen. In den letzten Lebensjahren beichtete er täglich vor der hl. Messe, die er dann mit größter Andacht und Sammlung feierte, zur geistlichen Erbauung aller Anwesenden. So oft und solange es seine Geschäfte ihm gestatteten, versenkte er sich in das Gebet und in geistliche Betrachtungen, wurde er tagsüber daran gehindert, so lag er manchmal die ganze Nacht über auf den Knien, um Gott unter Tränen seine Anliegen vorzutragen und um Kraft für die Erfüllung seiner schweren Aufgaben zu flehen. -
Nach kaum 40 Jahren hatten die übermenschlichen Anstrengungen Kardinal Borromeos körperliche Kräfte bereits weitgehend verbraucht. Je mehr er aber seinen irdischen Leib vernachlässigte, umso mehr strahlte das ihn erfüllende geistige Leben an ihm auf. "Es ist etwas Wunderbaren, ihn zu sehen, sein Gesicht ist das eines Engels Gottes, er sieht aus wie das wahre Abbild der Frömmigkeit", lautete ein zeitgenössisches Zeugnis über ihn. Und Kardinal Paleotti konnte nach einem Besuch in Mailand, von dem er Reliquien mitgebracht hatte, in Rom berichten: "Ich bringe Überreste von toten Heiligen, aber ich habe einen lebenden Heiligen gesehen." Es kann uns nicht überraschen, daß Gott seinen Diener, den er so früh zu äußeren Ehren, mehr aber noch zu innerer Vollendung hatte gelangen lassen, auch früh aus dieser Welt abberief: Am 3. November 1584 starb der heiligmäßige Erzbischof, nachdem er sich nicht nur wenige Stunden oder Tage, sondern ein halbes Leben lang aufs Beste auf den Tod vorbereitet hatte.
Sofort nach seinem Tod wurde er vom Volk von Mailand als ein Heiliger verehrt, und es dauerte nicht lange, bis die ersten Wunder an seinem Grab ein deutlich sichtbares übernatürliches Zeugnis für die Berechtigung dieser Verehrung ablegten. Schon am 1. November 1610 erfolgte die feierliche Heiligsprechung Karl Borromeos durch Papst Paul V.
Hl. Karl Borromeo, bitte für uns und laß uns in dir das leuchtende Vorbild für jede wahre Erneuerung der Kirche aus dem Geist unseres Herrn Jesus Christus erkennen!
Literatur: Cesare Orsenigo, Der hl. Karl Borromäus (Freiburg 1937)
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