Tuet Buße
von Dr. theol. Otto Katzer
5. Fortsetzung
"SO SEI DER ERDBODEN VERFLUCHT UM DEINETWILLEN! Mit Mühsal sollst du dich von ihm nähren alle Tage deines Lebens. Dornen und Disteln wird er dir tragen, und doch mußt du das Gewächs des Feldes essen. Im Schweiße deines Angesichtes wirst du dein Brot verzehren, bis du zur Erde zurückkehrst, von der du ja genommen bist. Denn Staub bist du und zum Staube kehrst du zurück." (Gen. 3,17-19)
Der Mensch lebt im Wahn, daß er immer noch jener Herr der Natur ist, zu dem er vor der Sünde vom Schöpfer bestimmt war. "Seid fruchtbar und mehrt euch! Erfüllt die Erde und macht sie euch untertan! HERRSCHT über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über jedes Lebewesen, das sich auf Erden regt."(Gen. 1,28)
Doch da kam die Schlange, der Versucher, und sprach: "Ihr werdet sein so wie Gott!" und schon langte die Hand nach der verbotenen Frucht. "Ich will hinaufsteigen auf Wolkenhöhen, es gleichtun dem Höchsten!" (Is. 14,14)
"So wie Gott!" hallt immer noch wieder das höhnische Gelächter der höllischen Mächte!
"Zur Hölle wirst du hinabgeschleudert, nach der untersten Grube. Die dich sehen, gaffen dich an, betrachten dich sinnend: das also ist der Mann, der beben machte die Erde, erschütterte Königreiche, der den Erdkreis zur Wüste machte und seine Städte zerstörte. Du aber bist hingestreckt fern deinem Grabmal, wie ein ekliges Aas, bedeckt von Erschlagenen, von Schwertdurchbohrten, wie eine zertretene Leiche... weil du zugrunde gerichtet dein Land, dein Volk gemordet hast... (Is. 14,15-20)
Ja? der Mensch sollte herrschen, da er aber sich nicht Beherrschte, und leider auch weiterhin meistens nicht beherrscht, wurde er vom Tod und Teufel beherrscht, wie er es auch weiter wird, wenn er sich nicht restlos seinem RETTER übergibt.
Die ganze Schöpfung ist ein wunderbares Orchester, bestimmt, den Chorgesang der vernünftigen Wesen beim Loblied an den Schöpfer zu begleiten. Ja, Solisten sind die Engel, Solist war der erste Mensch und nach ihm so mancher, wenn auch alle Ihre Stimme hinzufügen. Ob der Vernunft und des freien Willens können sie, aber auch nur sie, wie sie es leider nicht selten gemacht haben, sagen: "Ich halte mich nicht an die Partitur, ich will nach der meinen singen."
Als im Jahre 1874 Smetana seine „Verkaufte Braut“ im Neustädter Theater in Prag dirigierte, war alles zuerst in bester Ordnung. Jodoch beim p-Fugato der Ouvertüre setzte der erste Geiger Lang zu bald an und riß die anderen Streicher mit sich. Umsonst bemühte sich Smetana, das Orchester ins Gleichgewicht zu bekommen, es wollte ihm nicht gelingen, so mußte er abklopfen und von neuem beginnen. Wenn auch jetzt alles vollkommen war, sagte er doch in der Pause zu seinen Musikern: "Kinder, was habt ihr mir gemacht?"
Das Orchester und der Chor des Weltalls haben aber einen Dirigenten, der, wie groß auch die Verfehlungen der einzelnen Glieder des Chors sein möchten, wirklich imstande ist, das zu schaffen, was Herakleitos den Geistern zuschreiben möchte, aus "Disharmonien die herrlichste Harmonie zu weben."(1)
Nach dem Fehlschritt des ersten Menschen ließen sich die Worte hören: "Adam' wo bist du?" - Worte des ob des Unglücks seiner Kinder verwundeten Vaterherzens, denn er sah, was alles über sie und die ganze Natur kommen mußte. Schon die alten Sumerer waren sich bewußt, daß durch die Sünde das gesamte Weltall ins Chaos gestürzt wurde, und wem wären die Worte des hl. Paulus nicht bekannt: "Wir wissen ja, daß die ganze Schöpfung bis zur Stunde seufzt und in Wehen liegt." (Römer 8,22)
Von manchen Menschen wird gesagt, ob nun der Wahrheit schon entsprechend oder nicht, sie kennten kein Leid. Sollte dem wirklich so sein, dann sind sie aber die bedauernswertesten Menschen auf der Welt, eingefleischte Egoisten, die nur sich allein kennen, aber auch nur sich allein kennen wollen. Sollten wir schon, was kaum möglich ist, kein Leid haben, immer müssen wir Mit1eid haben, denn es gibt um uns herum so viel Elend, daß nur von der Ichsucht geblendete Augen es nicht sehen können. Und Mitleid tut mehr weh als eigenes Leid. Dieses Mitleid müssen wir in uns immer und immer wieder wachrufen, denn es kommt die Stunde, in welcher auch wir uns nach Mitleid sehnen werden, bis wir in Ängsten vor Gottes Gericht stehen werden. Dann aber werden für uns die Worte unseres Retters gelten: "Selig die Barmherzigen! Sie werden Barmherzigkeit erlangen!" (Matth. 5,7)
Das bezieht sich in erster Linie auf die Armen Seelen im Fegefeuer, ganz besonders aber auf jene Menschen, die soeben irgendwo auf der Welt sterben. Schön und auch für uns nützlich sind die Worte, welche Dostojewski in seinen Brüdern Karamasow dem Greise Zosimus in den Mund legt: "Täglich, so oft du nur kannst, wiederhole die Worte: ‚Herr, erbarme Dich all derer, die heute vor Dich treten!' Denn zu jeder Zeit und in jedem Augenblick legen tausende Menschen hier auf Erden ihr Leben ab und ihre Seelen stehen vor dem Herrn! - wie mancher von ihnen verabschiedete sich von der Erde vereinsamt, ohne daß jemand von ihm wüßte, in Wehmut und Trauer, weil niemand ihn bemitleiden wird, ja von ihm überhaupt nicht wissen wird, ob er lebte oder nicht. Siehe da, es mag sein, erhebt sich vom anderen Ende der Erde dein Gebet um die ewige Ruhe zu Gott empor, wenn du ihn auch und er dich überhaupt nicht kannte. Wie wird da nur seine Seele ergriffen sein, die in Angst vor dem Herrn steht, wenn sie ihn in diesem Augenblicke erlebt, daß für sie ein Beter ist, daß auf der Erde (doch) ein menschliches Wesen geblieben ist, welches sie liebt. Da wird auch Gott gnädiger auf euch beide schauen; denn wenn dir ihrer schon so leid war, wieviel mehr wird sie Ihm leid tun, der unendlich mehr barmherzig und liebevoll ist als du. Und Er wird ihr deinetwegen verzeihen.“ (2)
Wenn schon unseretwegen die Erde von Gott verflucht werden mußte, sollte ihr da nicht aufgrund der Nachfolge Christi unsererseits der Segen zukommen? Die Wiedergutmachung unserer Sünden und des von uns dadurch angestifteten Schadens ist, wie wir zu sehen beginnen, ein unser Leben etwas mehr in Anspruch nehmendes Geschehen. Hier haben wir die wahre Aktivität zu zeigen, so wie sie das wahre und unumgängliche Weiterwirken der hl. Messe, deren höchstes Ziel ja die eben geforderte Wiedergutmachung ist, auf unser Leben fordert. Das geistleere Hersagen gewisser Gebete wirkt betäubend und gaukelt nur eine aktive Teilnahme am Leidenswege des Herrn, wie auch an Seinem Tode vor. Daß dem nicht so sein darf, sollte für einen jeden einsichtig sein, wie auch die Tatsache, daß wir uns versündigen, wenn wir dieser unserer Verpflichtung nicht nachkommen. Diese Forderungen sind ja kein bloßer Rat, sondern Pflicht. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, von den Werken der leiblichen und seelischen Barmherzigkeit zu sprechen, es sei hier in diesem Zusammenhange nur erwähnt, daß die Zehn Gebote Gottes mit den zwei Hauptgeboten Christi, der Liebe zu Gott über alles und des Nächsten wie unser selbst, unendlich mehr fordern, als wir uns bei unseren durch die Selbstliebe beschränkten Beobachtungsfelde vorstellen können.
Nicht weniger ernst müssen wir unsere "nur leichtent“ Sünden im Auge behalten, denn nicht nur, daß der Heiland auch für sie sehr viel hat leiden müssen, auch die gesamte Schöpfung muß den negativen Einfluß verspüren. Haben wir doch schon früher betont, daß, wenn Gott die auch in dem geringsten bewußten und gewollten moralischen Fehltritt verborgene zerstörende Kraft sich auswirken ließe, es zu einem größeren Schaden käme als der wäre, der sich bei einem Zusammenprall von zwei Himmelskörpern zeigen möchte. Ab und zu verspüren wir zwar Mitleid selbst mit den armen Tieren, wie wir sagen, etwa einem Reh oder Häschen, werden aber bereits im Fegefeuer, sollte uns durch Gottes Barmherzigkeit die Hölle erspart bleiben, sehen müssen, daß nicht selten wir an ihrem Leiden schuldig waren. Oder sind wir schon derartig von unserer Selbstsucht betäubt, daß wir glauben, daß die negativen Auswirkungen unserer bösen Taten austreiben werden, ja ob der angenommenen Geringfügigkeit überhaupt nicht zu beobachten seien? Vergessen wir ja nicht, daß wir „von jedom unnützen (umsomehr von auch nur „leicht" sündhaften) Worte... am Tagc des Gerichtes worden Rechenschaft ablegen müssen". (Matth. 12,36)
Erforschen wir nur ein wenig unser Gewissen, wie weit wir in dieser Sache unseren Verpf1ichtungen nachgegangen sind' fragen wir uns, wie oft wir in unserem Leben der Sterbenden- mit einem wenn auch nur Stoßgebet, gedachten, wie viele Vaterunser wir für die armen Seelen gebetet haben, und wie oft wir einen lieblosen Gedanken, ein liebloses Wort, eine lieblose Tat zurückgehalten haben! Und dies alles gehört nur zum Einmaleins der Moral! Jedenfalls sagen wir ja nie, wir hätten keine Sünden! Wenn nun aber bedenken, wieviel Leid selbst eine "leichte" Sünde schafft' dann werden wir auch die unumgängliche Pflicht der Wiedergutmachung begreifen und wie viel wir da auf diesem Gebiete noch zu leisten haben! Von dieser Sache werden wir aber noch später sprechen müssen.
Die Folgen der ersten Sünde waren katastrophal. Da aber mit auch wahren Worten nur so herumgeworfen wird, ohne daß man sich der Tragweite der aus der Sache entspringenden Folgen bewußt wird, müssen wir uns einwenig bei gewissen Tatsachen aufhalten.
Die schlimmste Folge der ersten Sünde war der Verlust der Urgerechtigkeit, der heiligmachenden Gnade. Es ist gar nicht übertrieben, wenn wir betonen, daß alle Folgen sich im seelisch-körperlichen Sein al1er Nachkommen Adam und Evas zeigen mußten. "Hochwürden“ flehte mich in ihrer Verzweiflung einst ein junges, sonst kerngesundes Mädchen an, welches plötzlich nach einer Hirnoperation erblindete, "nur einon einzigen Strahl, nur etwas von dem, was alle haben".Wie schauerlich mußte aber die übernatürliche Blindheit sein, der der Mensch verfallen war, wie schockierend und zersetzend mußte sich dieser Verlust im ganzen Seinsbereich der gesamten Menschheit auswirken! Dabei plappern wir, wenn überhaupt, nur so her, "sie verloren die heiligmachende Gnade"! Na und?!
Von den Folgen der persönlichen Sünde der Stammeltern sagt das Konzil von Trient? "daß Adam sofort seine Hei1igkeit und Gerechtigkeit verloren, sich Gottes Zorn und Unwillen zugezogen habe und zur Strafe dem Tode und der Herrschaft Satans verfallen sei, überhaupt nach Leib und Seele eine Verschlechterung erlitten habe. (3) Die Verwundung ihrer Natur erweist sich einleuchtend. Die Vernunft des Menschen wurde getrübt, sein Wille geschwächt und zum Bösen geneigt, sein Herz mit Selbstliebe erfüllt; das Leiden, die Krankheit, so viele Gebrechen und zuletzt der Tod feierten ihren düsteren Einzug in das Leben des Menschen und führten ihn dem gähnenden Rachen der Hölle zu. Bei diesen traurigen Tatsachen müssen wir jedoch meditierend verbleiben, wenn sie uns überhaupt etwas sagen sollen. Dringen wir aber tiefer in dieses schaudererregende Ereignis hinein, dann werden wir die Ursache unseres ganzen zeitlichen und ewigen Elends vor Augen haben.
Da sich der Geist des Menschen gegen den Geist Gottes empört hatte, empörte sich sein Körper gegen seinen Geist. Da er nicht mehr in Gott als der ersten Ursache und dem letzten Ziel verankert war, wurde er Sklave seines eigenen "Ich"! hin und hergezerrt von der entfesselten Begierde, die sofort alles beansprucht, was ihr an Angenehmen von den Sinnen zugetragen wird. "Wenn der Mensch das Gebot (Gottes) eingehalten hätte“ bemerkt der hl. Gregor (4) „so wäre er auch dem Fleische nach geistig geworden, Nachdem er aber gesündigt hatte, wurde er auch dem Geiste nach fleischlich, so daß er nur (an das) denkt, was zu seinem Geiste durch die Sinne dringt." Hiermit wurde sein Geist zum Knechte der Sinne, da war es dem Teufel leicht, seine Herrschaft, der er verfallen war, durchzusetzen.
Durch Gottes Barmherzigkeit war der Erlöser gekommen und ermöglichte es dem Menschen, sich durch IHN mit IHM und in IHM als ein gottgefälliges Opfer darzubringen, die ihn rechtfertigende Gnade wieder zurückzugewinnen und so sein ewiges Ziel zu erreichen. Er, der durch die Sünde die Herrschaft verloren hatte, sollte wenigstens sich wieder zu beherrschen lernen, wenn es auch nur im beschränkten Maße möglich war. Das Mittel ist die Buße!
Wenn schon das kleinste Vergehen die Wiedergutmachung fordert, ohne welche man von einer wahren Buße nicht sprechen kann, wie sehr wird erst die Wiedergutmachung die herrschende, sündhafte liturgische Verirrung fordern, deren unheilvolle Folgen niemanden in Unkenntnis belassen. Das Werk der Erlösung, das Opfer Christi am Kreuze und dessen Vergegenwärtigung die hl. Messe, welche die Zuteilung der Verdienste Christi ermöglicht, ist sicher das Höchste, was überhaupt denkbar ist. Nicht nur, daß ohne die Wiedergutmachung die Gnadenquelle versperrt bleibt, der ganze Gottesdienst gestaltet sich trotz seiner nach außen scheinenden Frömmigkeit zur Gotteslästerung, wenn auch hiermit noch keineswegs gesagt sein sol1, daß alle, die sich an solchem Gottesdienst beteiligen, gottlos sind. Scheuten sich nun die Reformatoren nicht, und wir wissen, daß sie sich auch weiter nicht scheuen, die katholische Messe als Gotteslästerung zu bezeichnen, wer darf es uns verbieten,das als Gotteslästerung zu bezeichnen, was im wahren Sinne es auch ist! Ein jeder Verzicht auf die Wiedergutmachung und Sühne, welche von ihr nicht zu trennen ist, kann nichts anderes als Gotteslästerung sein, wenn wir erwägen, das Gott selbst es war, der beides dargebracht hatte, und uns durch die hl. Messe als Vergegenwärtigung Seines Opfers es ermöglicht durch IHN, mit IHM und in IHM auch unserseits die Wiedergutmachung und Sühne darzubringen. Was kann ein bewußter und gewollter Verzicht auf die Nachfolge unseres Erlösers anderes sein als Gotteslästerung?
Es wird heute wieder mehr von Buße gesprochen, von einer Umkehr sehen wir aber nicht den leisesten Anschein, ja man treibt es je länger um so toller. Dabei ist alles nur eine Wiederholung alter Verirrungen, bei welchen nicht einmal das wahrheitsgemäß gesagt werden kann, daß sie „modern“ sind, denn "modern" stand immer auf den Schildchen aller Neuerer. Wir übergeben jetzt für eine Weile das Wort dem "Doctor praestantissimus", Thomas Netter, OCarm., dem theologischen Hauptgegner des Wicliff. Da er (1377) in Saffron-Waldon geboren wurde, trägt er den Namen Thomas Waledensis, unter welchem auch seine Werke herausgegeben wurden. Wir werden sehen, daß es auch auf dem Gebiete der Liturgie nichts Neues unter der Sonne gibt.
Unter anderem spricht er in seiner Auseinandersetzung mit den Wicliffiten und Hussiten von der 21. verdammten Thesis Wicliffs: "Es wäre für die Kirche gut, wenn sie die ehemalige Freiheit wieder genießen könnte. So würden die der Messe hinzugefügten Feierlichkeiten aufhören, wie auch die mit den Kanonischen Horen erfundenen Gebete. Wenn auch diese drei menschlichen Erfindungen zufällig (per accidens) der Kirche von Nutzen sein können, so doch keinesfalls soviel, wie der Teufelsspuk an Schaden bringt! („peccatum Diaboli“ werden hier die Feierlichkeiten benannt; Anm.d.Autors). Bei der Gestaltung ihres Gottesdienstes beriefen sich die Wicliffiten auf Christus und höchstens noch auf die Apostel. So wie man auch heute wieder "an die Quellen“ zurück will, wobei auch den heutigen Reformatoren jene Worte gelten, welche Netter an die Wicliffiten richtete: "die jene Art, auf welche die hl. Messe auf der ganzen Welt dargebracht wird, (weil sie von ihr nichts in den Evangelien oder bei den Aposteln finden) verwerfen' UND SICH HERAUSNEHMEN, EINE NEUE EINZUFÜHREN, WELCHE WEDER VON DEN APOSTELN NOCH VON DEN APOSTOLISCHEN VÄTERN GEBRAUCHT WURDE, ALS OB SIE VOM HEILANDE STAMME... Blindheit überfiel Israel von seiten der Wicliffiten, da sie so entschlossen die bei der hl. Messe eingeführten Anordnungen verachten und ändern, welche die Kirche in der ganzen Welt gebraucht. Oh die hoffärtige Häresie, welche zugleich tausende Vorgesetzte und Gläubige beiseite schiebt, um Christus allein und seine Jünger zu ehren! - obgleich das Haupt der Kirche selbst sagt: Wer euch verachtet, verachtet mich, und wer den Gesandten ehrt, von dem weiß man, daß er auch den ehrt, der ihn gesandt hat; größer ist die Ehre, die nicht allein dem Herrn an sich erwiesen wird, sondern auch mit Freuden seinem Diener. Doch ihr unermeßlicher Hochmut birgt in sich auch noch die große Gefahr, daß INDEM MAN JENE VORGESETZTEN UND OBERSTE HIRTEN DER KIRCHE, VON WELCHEN ANGENOMMEN WIRD, DASS SIE DIE RITEN DER FEIERN EINGEFÜHRT HABEN, VERACHTET, IN DER TAT AUCH MIT IHNEN DIE APOSTEL SELBST UND DIE APOSTOLISCHEN VÄTER VERACHTET, die die Riten den Kirchen (Diözesen) zugewiesen haben, NÄMLICH PETRUS, PAULUS, JAKOBUS UND IHRE NACHFOLGER."(5)
Netter betont, daß die Anordnungen nicht nur schriftlich mitgeteilt und erhalten wurden; sondern wegen der Gefahren, die die Verfolgungsjahre mit sich brachten, auch nur mündlich allein. Schon der hl. Augustinus begründet die Uniformität im Wesentlichen, welche von keiner Verschiedenheit der Sitten geändert wird.(6)
Stets haben die Päpste in ihrem Krönungseid geschworen, die hl. Riten zu beachten und zu bewahren, sie haben die fürchterlichsten Verwünschungen auf sich herabgeschworen, sollten sie diese verletzen lassen oder selbst verletzen. Ja sie sprachen die Exkommunikation über sich selbst aus, sollten sie all dies nicht einhalten. (Der Text des Krönungseides wurde in EINSICHT Nr. I/4 abgedruckt.)
Es blieb leider dem "mündigen Christen" behalten in wenigen Jahren das zu zerstören, woran zwei Jahrtausende gebaut haben. Wenn auch heute im Krönungseid des Papstos sich solche Verwünschungen nicht befinden sollten, schon der Antimodernisteneid allein genügt, wo zuletzt betont wird, daß man sich nicht nach dem richten darf, was das Kulturleben jedweder Zeit als besser und geeigneter betrachtet, sondern daß man an dem festhalten soll, was der Glaube an den unveränderlichen und absoluten Wahrheiten seit den Zeiten der Apostel bietet. Daß nun der Gottesdienst miteinzurechnen ist, darüber wird doch niemand ernstlich zweifeln.
Um dies aber dennoch etwas klarer auszudrücken, dazu möge folgende Betrachtung dienen.
Zuerst wollen wir uns zwei Fragen stellen: 1) Warum geht der K a t h o 1 i k zur hl. Messe? 2) Weshalb beteiligt sich der Protestant am Gottesdienst?
Der Katholik geht zur hl. Messe, um sich mit seinem HERRN mystisch, aber dennoch real im Leiden und Sterben zu verbinden. Deshalb ist ja der Heiland vom Himmel gekommen, deshalb hat ER sich ans Kreuz schlagen lassen, um es uns zu ermöglichen, an der Erneuerung und Vergegenwärtigung SEINES Opfers aktiv teilzunehmen. Wir werden bald etwas näher diese Tat der wahren Nachfolge Christi erwägen müssen.
Der Protestant beteiligt sich am Gottesdienste, um den HERRN zu loben, IHM zu danken und sich selbst zu belehren. Der Schwerpunkt liegt beim Katholiken im Offertorium, wenn wir seinen Anteil ins Auge nehmen, beim Protestanten in der Predigt.
Es sei mir ein einfacher Vergleich erlaubt. Ein Junge spielt trotz des Verbotes seines Vaters im Zimmer mit dem Ball. Beim Spiel wird das Fenster zerschlagen. Hiermit wurde 1) Die Liebe des Vaters außer Acht gelassen, 2) sein Verbot übertreten, 3) ein Schaden angestiftet. Ein jeder sieht nun ein, daß mit dem bloßen Schadenersatz die Sache nicht gut gemacht wurde, um so weniger, wenn jemand anderer alles bezahlen möchte.
Aus erzieherischen Gründon kann der Vater ruhig darauf bestehen, daß der Junge allein aus seinen Ersparnissen die Rechnung zu begleichen habe, oder wenigstens einen Teil, je nach dem Gutachten des Vaters. Dann aber muß noch die Abbitte geleistet und die verletzte Liebe durch ein erhöhtes Maß von Liebe gesühnt werden.
Es ist völlig wahr, daß die Verdienste des Sühnopfers Jesu Christi unendlich die Höhe der Verschuldung übersteigen, doch besteht der himmlische Vater aus pädagogischen Gründen eben deshalb, weil Er uns liebt und unsere Gebrechlichkeit nur zu gut kennt, darauf, daß auch wir unser Scherflein beitragen. Sollten wir da nicht mit dem hl. Apostel Paulus sagen: "Nun freue ich mich der Leiden, die ich für euch erdulde, und ergänze an meinem Fleische, was von den Leiden mit Christus noch aussteht, zugunsten seines Leibes, der Kirche." (Kol. 1,24)
Nicht nur allein als Anerkennungsgebühr ist diese unsere aktive Teilnahme am Opfer Christi zu betrachten, sie ist zugleich die Darbringung des von unseren Stammeltern im Paradies verweigerten Opfers des eigenen "Ich", welches uns aufgrund der Verdienste des Opfers Christi zurückerstattet wurde. Nur deshalb besitzen wir es, weil Christus es der Hölle entrissen hat. Nur durch die Aufopferung unseres "Ich" können wir den Himmel zurückgewinnen, nur in der restlosen Aufopferung des eigenen "Ich" können wir jene Sühne leisten, die gottgefällig ist, können Seine überschwengliche Liebe mit unserer armseligen Liebe vergelten.
"Es ist anderswo gezeigt worden", so sagen wir mit Stöckl, "daß das Opfer im All gemeinen Binom vierfachen Zweck dienen d.i. zu einem vierfachen Zwecke dargebracht werden könne. Es kann nämlich entrichtet werden zur Anbetung, zum Lobe und zur Verherrlichung Gottes; dann zur Danksagung für die genossenen Wohltaten, ferner zur Bitte um weitere Gnade und um weiteren göttlichen Segen im allgemeinen oder besonderen Anliegen, und endlich zur Sühne für begangene Sünden. Je nach diesen vier verschiedenen Zwecken unterscheidet man dann zwischen 1. latreutischem 2. eucharistischem 3. impetratorischem und 4. propitiatorischem Opfer.
Es hat sich nun die Häresie dazu verstanden, die Eucharistie als latreutisches und eucharistisches Opfer gelten zu lassen, die beiden letztern Momente dagegen, das impetratorische und propitiatorische, hat sie ihm abgesprochen'(den Bitte- und Sühnecharakter; Bemerk. d.Verf.) Doch ist hierbei wiederum zu bemerken, daß die Eucharistie auch in latreutischer und eucharistischer Beziehung von der Häresie nur als Opfer im uneigentlichen Sinne gefaßt wird. Sie nimmt nämlich an, daß das Austeilen und Genießen der Eucharistie zur Ehre Gottes und zum Danke für die empfangene Wohltat der Erlösung geschehe und daß man in dieser Beziehung, aber auch nur in dieser Beziehung dieses Austeilen und Genießen der Eucharistie als eine Art Opfer auffassen könne. Da ist natürlich von einem Opfer im kirchlichen Sinne gar nicht die Rede; und es ist somit diese Ansicht der Häresie schon dadurch widerlegt, daß der Beweis für den wahren und eigentlichen Opfercharakter der Eucharistie in dem von uns entwickeltem Sinne erbracht worden ist."(8)
Wie wir uns soeben gezeigt haben, ist die aktive Teilnahme am Opfer Christi eine positive Anordnung des himmlischen Vaters, wie auch ein sühnendes Liebeszeichen unsererseits gerade ob des unendlichen Wertes des Opfers Christi. Nach dem Gesagten dürfte es klar sein, daß es ohne Opfer überhaupt keine Eucharistie geben kann, wie auch ein Priester, der zwar konsekrieren, nicht aber opfern wollte, in der Tat nicht konsekriert. Ebenso entspricht auch unsere Teilnahme an den Früchten des Opfers Christi dem Ausmaße, mit welchem wir aktiv an Seinem Opfer teilnehmen. Mit der Vernebelung und zuletzt Streichung des Opfercharakters will Satan die EUCHARISTIE, d.i. den im allerheiligsten Altarsakrament unter uns wohnenden Christus vertreiben, ja, wie wir gleich sehen werden, die Religion als solche selbst vernichten.
Wenn wir die Religion als „relatio totius hominis ad Deum" - wörtlich übersetzt "das Zurücktragen des ganzen Menschen zu Gott" - definieren, dann ist es klar' daß dort, wo dieses "Zurücktragen", wie es beim Offertorium geschieht' ausgelassen wird, von einer Religion überhaupt nicht gesprochen werden kann. Das Auslassen des Opfers auch der eigenen Person, wie erhaben das Opfer Christi, welches er für die ganze Menschheit gebracht hat, sein mag, kann schon rein nach dem Naturgesetz nicht entfallen. Ob der restlosen Abhängigkeit des Menschen von seinem Schöpfer ist das liebevolle, gehorsame, ehrfurchtsvolle Verankertsein in IHM Gesetz der Natur des Menschen als eines mit Vernunft und freiem Willen begabten Wesen, für welches die absolute Einordnung auf Gott unumgänglich ist, wenn es seine zeitliche, um so mehr ewige Vollkommenheit erlangen und behalten will. Diese Hinordnung, wie es ja einleuchtend sein muß, ist weiterhin aufgrund der Gerechtigkeit eine unumgehbare Pflicht dem Schöpfer gegenüber, dessen ausschließliches Eigentum wir selbst und alles' was uns gehört. ist. für welches wir eines Tages werden Rechenschaft ablegen müssen.
Wenn der innere Entschlu8, das Lebensopfer zu bringen, wirklich sein will, was er soll, so muß er nach außen wirken als Versicht auf das eigene "Ich“, insofern es selbstisch genommen ist. Er muß die Hinordnung der ganzen Person auf das letzte Ziel, um dessentwillen sie geschaffen wurde, restlos durchführen, wie in Gedanken, so auch in Wort und Tat.
In Anbetracht dessen, was wir uns soeben gesagt haben, kehren wir zur Wiedergutmachung zurück. Dem ersten Anscheine nach glauben wir, überhaupt nichts wiedergutzumachen zu haben. Schauen wir aber nur in unser Leben zurück, wie unser Offertorium der Wirklichkeit nach aussiebt, wie es um die in unseren Zeiten so betonte aktive Tei1nahme bestellt ist! Wollten wir unsere Lebensäußerungen mit Blättern vergleichen, dann bekämen wir ein Bild ähnlich dem, welches uns der Herbst bietet. Tausende fliegen umher in einem wirren Durcheinander, stoßen einander an. So sieht es in unserem eigenen Leben aus, so auch in der ganzen menschlichen Gesellschaft, allerdings mit etwas schwerwiegenderen Folgen, an denen wir alle genug zu leiden haben. Wie viele von unseren Lebensäußerungen sind in Gott als der ersten Ursache und dem letzten Ziel verankert?? Ist in Anbetracht dessen unser trostloser Zustand, über den wir soviel klagen, nicht bereits von der Barmherzigkeit Gottes gelindert worden? Man bedenke nur, was wir darüber schon gesagt haben. Würden wir es mit dem Offertorium ernst nehmen? längst wäre unser eigenes Leben, wie auch das Leben der Gesellschaft in ein kleines Paradies verwandelt. Wir aber sehnen uns allzusehr nach Dornen und Disteln.
Wir dürfen ja nicht vergessen, daß das Opfer (es dürfte woh1 genug betont worden sein, daß das Opfer Christi ohne unser Opfer unwirksam bleiben muß!) nicht in Worten, sondern im geopferten Gegenstand besteht. Opfern heißt nicht reden, umsoweniger plappern, sondern handeln, wobei noch weiter zu berücksichtigen ist, daß dieses unser Opfer wirkliches Opfer nur in Verbindung mit der, Opfer Christi und aller seiner Glieder, soweit sie mitopfern wollen' sein kann. Daß zuletzt in unseren Opfergaben unser eigenes "Ich" enthalten sein muß, darauf haben wir schon öfter aufmerksam gemacht.
Die aus dem Geiste der wahren Buße entspringende Wiedergutmachung fordert also unbedingt unserseits ein wahres, aufrichtiges, tatkräftiges Offertorium. "Es entspricht der Gerechtigkeit, die Schulden zu bezahlen. Nichts von dem, was wir haben, besitzen wir, ohne es von Gott bekommen zu haben, ohne daß es Gottes Eigentum bliebe. Wir schulden also Gott alles, was wir sind. Nun können wir aber Gott nicht zurückgeben, was wir sind, ohne mit IHM in Liebe verbunden zu bleiben, sonst würden wir etwas verschweigen, was Gottes ist, nämlich unser Herz. Das erste Opfer, welches wir also Gott schuldig sind, ist unser Herz, daß wir IHM von ganzem Herzen treulich anhängen: so geben wir Gott zurück, was wir von IHM empfangen haben. Wir geben Gott, was sein ist. (Daß dies nur dann stattfindet, wenn wir, soweit es die menschliche Schwäche erlaubt, alle Lebensäußerungen in IHM verankert haben, dürfte klar sein; Anm. d. Verf.) Nur so erweisen wir uns für Seine Gaben dankbar. (9)
"Herr, unser Gott, wir bitten Dich, heilige diese Opfergabe durch die Anrufung Deines heiligen Namens und mache durch sie uns selber zur vollendeten ewigen Opfergabe für Dich. Durch unsern Herrn, Jesus Christus der mit Dir lebt und regiert für alle Ewigkeit, Amen.“ (Stillgebet am Fest der allerheiligsten Dreifaltigkeit)
Schluß folgt.
Literatur: 1) Herakleitos, fragm. 8 2) Dostojewski, Brüder Karamasow; Buch VI,III 3) Denz. 788 sq. 4) S. Gregorii Lib. V. in cap. IV, Job. cap. XXXIII, 61 5) Thomae Waldensis Doctrinale antiquitatum fidei Catholicae Ecclesiae, Tom. III, De Sacramentalibus c.28, Venedig 1759 6) ebendort 7) Denz. 2147 8) Stöckl, Lehre vom Opfer. S. 517 9) Pouget, Institutiones Catholicae in modum Catecheseos, Pars III, sect. II, Venetiis 1782
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