Die hll. Perpetua, Felicitas und Gefährten - Zum Fest am 6. März -
von Heinrich Storm
Von der großen Schar der Martyrer der ersten nachchristlichen Jahrhunderte ist oft nur mehr der Name überliefert, um ganz zu schweigen von den Tausenden und Abertausenden, deren Blutzeugnis keine schriftliche Quelle dem Andenken der Nachwelt aufbewahrt. In anderen, schon weitaus selteneren Fällen, berichtet uns eine - leider oft erst Jahrhunderte nach dem Martyrium entstandene und daher selbst auf mündlicher oder schriftlicher Uberlieferung beruhende - Martyrerakte wenigstens über die wichtigsten Umstände im Leben und Sterben eines christlichen Blutzeugen. Im Falle der hll. Perpetua und Felicitas aber befinden wir uns in der überaus glücklichen Lage, auf eine unmittelbare Aufzeichnung ihres Martyriwns zurückgreifen zu können, der vor allem deshalb eine außerordentliche, ja einmalige Bedeutung zukommt, weil hier der Verfasser und Herausgeber Berichte einfügt, die, wie er glaubwürdig bezeugt, von Perpetuas eigener Hand stammen: "Wir geben den Bericht genau so wieder, wie sie ihn mit eigener Hand und in ihrer Art aufgeschrieben und hinterlassen hat." In der Vereinigung des unmittelbaren Selbstzeugnisses einer Martyrerin, so wie sie es im Angesicht der bevorstehenden Passion verfaßt hat, mit dem Bericht eines christlichen Augenzeugen ihres Martyrimns, besitzen wir eines der schönsten, aber auch erschütternsten Dokumente der jungen Kirche und gleichzeitig ein wichtiges Zeugnis der Tradítion nicht ihres gelehrten, sondern ihres unmittelbar gelebten Glaubens.
Perpetua und Felicitas wurden während der Christenverfolgung zu Beginn des 3. Jahrhunderts, zur Regierungszeit des Kaisers Geta, zusammen mit einigen anderen junger Katechumenen (= Taufanwärtern) verhaftet. Von Perpetua, über die uns die Martyrerakte ungleich ausführlicher als über Felicitas berichtet, heißt es, daß sie "aus gutem Hause, von vorzüglicher Bildung, wie es einer Freien geziemt, und ehrenvoll verheiratet" war. Von ihrer Familie war ihr Vater Heide, einer ihrer Brüder aber Katechumene wie sie. Zum Zeitpunkt ihrer Verhaflung war sie ungefähr 22 Jahre alt, so daß wir ihr Geturtsdatum etwa in das Jahr 180 zurückdatieren können. Sie hatte gerade erst einem Sohn das Leben geschenkt, den sie noch an ihrer Brust nährte.
Die Verhaftung einer solch angesehenen Frau hatte in der Stadt Karthago sicher viel Aufsehen erregt. Jedoch war es nicht Perpetua selbst, die dieses Ereignis am meisten betroffen hatte, sondern ihr Vater, der um das Leben der Tochter bangte und daher mit aller Kraft der Liebe, so wie sie blutsmäßige Bindung überhaupt zu geben vermag, um ihre Freiheit und irdische Rettung kämpfte. Die Heilige litt in der ersten Zeit ihrer Gefangenschaft so sehr unter seinen dauernden Besuchen, während derer er unter Aufbietung all seiner Überredungskünste versuchte, sie vom öffentlichen Bekenntnis des christlichen Glaubens abzuhalten, daß sie schreibt: "Als ich dann einige Zeit den Vater nicht sah, dankte ich dem Herrn und erholte mich in seiner Abwesenheit." Die Ruhe war jedoch nur vorübergehend, denn bald darauf setzte der Vater seine Bemühungen in immer dringlicherer Form fort. Nicht selten arteten seine Überredungsversuche aus in Drohungen oder gar in Schläge. Es half auch nichts, daß Perpetua mit aller Geduld versuchte, ihm ihre Haltung zu erklären. So fragte sie ihn eines Tages: "Vater, siehst du zum Beispiel das Gefäß hier. Es kann nicht mit einem anderen Namen genannt werden als demjenigen, der ausdrückt, was es ist.“ Und auf die zustimmende Antwort des Vaters fuhr sie fort: „Also kann auch ich mir nur einen Namen geben, der sagt, was ich bin: Christin.“ Der einzige Trost Perpetuas in diesen Tagen war die Taufe, die sie zusammen mit ihren Leidensgenossen empfing und von der sie keine andere Gnade als die "Geduld des "Fleisches" erbat.
Bald wurden die Christen aus ihrem ersten Gewahrsam in härteste Kerkerhaft überführt. Die Schrecken dieses Tages beschreibt Perpatua mit den bewegten Worten: "Grauenhafter Tag! Drückende Hitze infolge der Menschenmenge! Bedrängnisse durch die schikanösen Erpressungsversuche der Soldaten." Mehr als all das aber quälte sie der Gedanke an ihr unversorgtes Kind. Erst als man ihr die Erlaubnis erteilte, es wieder zu sich zu nehmen, fielen alle anderen Sorgen von ihr ab: "Alsbald wurde mir der Kerker zum Palast, so daß ich dort lieber war als irgendwo anders."
Der immer näher heranrückende Tag der Gerichtsverhandlung gegen die Christen und damit ihrer Verurteilung veranlaßte den Vater Perpetuas zu erneuten, verzweifelten Bitten an seine Tochter, doch von dem, was er ihren „Starrsinn“ nannte, abzulassen. Bei all seinen väterlichen Verdiensten flehte er sie an, ihm und ihrer Familie doch keine "Schande vor den Menschen" zu machen. Perpetua stand aber bereits so fest im Glauben, daß weder Bitten noch Drohungen, ja, nicht einmal der Hinweis auf das Schicksal ihres Kindes, imstande waren, sie wendend zu machen. Im Gegenteil, sie, die den sicheren Tod, der ihr kurz vorher in einer Traumvision enthüllt worden war, bereits vor Augen hatte, brachte die seelische Größe auf, ihrem Vater mitleidvollen Trost zuzusprechen: "Auf jenem Schaugerüst wird nur das geschehen, was Gott will! Du mußt nämlich wissen, daß wir nicht in unserer Gewalt sind, sondern in der Macht Gottes stehen." Am nächsten Tag verweigerte sie, zusammen mit den Gefährten, standhaft das Opfer für den Kaiser und bekannte sich vor dem Richter offen als Christin. Und nachdem sie und ihre Mitchristen die Verurteilung zum Kampf mit wilden Tieren entgegengenommen hatten, stiegen sie alle unbewegten Gemütes, ja sogar fröhlich, in ihren Kerker zurück. Für das Kind Perpetuas aber, das ihr der nun völlig verzweifelte Vater fortan verweigerte, sorgte der Herr selber, indem Er fügte, daß es vom selben Tag an nicht mehr der Brust der Mutter bedurfte.
Felicitas, über deren Alter und Lebensumstände uns die Martyrerakte keinen näheren Aufschluß gibt, war Sklavin. Da sie gesegneten Leibes war und sich während ihrer Gefangenschaft bereits im 8. Monat befand, quälte sie die Sorge, (denn es bestand ein Verbot, Schwangere hinzurichten) "daß sie vielleicht erst später mit anderen, etwa mit Verbrechern, ihr heiliges und unschuldiges Blut vergießen würde". Zwei Tage vor dem Kampf flehten daher alle Christen in einmütigem Gebet, ihre Gefährtin nicht allein zurücklassen zu müssen. Ihr Vertrauen erlangte auch hier wunderbare Hilfe: Bald nach dem Gebet wurde Felicitas von den Wehen ergriffen und gebar ein gesundes Mädchen, dessen eine Mitchristin sich annahm und es aufzog.
Als Felicitas sich während der Geburt in großen Schmerzen abquälte, meinten die Wärter: "Wenn du jetzt schon so schreist, was willst du dann tun, wenn du den Bestien vorgeworfen wirst?" Die Antwort, die die einfache Sklavin darauf gab, enthüllt in großartiger Weise ihren Starkmut und ihr heiligmäßiges Gottvertrauen: "Wes ich jetzt leide, das leide ich; dort aber wird ein anderer in mir sein, der für mich leiden wird, denn ich werde ja auch für ihn leiden."
Von einer solchen Haltung war selbst der Gefängniswärter so beeindruckt, daß er begann, seine Opfer zu beglückwünschen! weil er, wie es in dem Bericht heißt, "merkte' daß eine große Kraft in ihnen war". Welch hohen Stand der Gnade die Martyrer bereits erreicht hatten, kann man auch an den Visionen ermessen, deren einige von ihnen während der Kerkerhaft gewürdigt wurden. So schaute Perpetua in Traumbildern sowohl ihre bevorstehende Passion als auch ihren Sieg und ihre ewige Rettung. In einer anderen Vision wurden ihr die Qualen offenbar, die ihr verstorbener Bruder Dinokrates im Fegefeuer erlitt, so daß sie sofort begann, "Tag und Nacht unter Seufzern und Tränen" um seine Rettung zu beten. Noch vor ihrem Martyrium werde ihr die Gewißheit geschenkt, daß er durch ihre Gebete Anteil an den Freuden des Paradieses erlangt hatte. Ein anderer unter den gefangenen Christen, Saturus mit Namen, sah sich und Perpetua im Traum bereits in das Paradies versetzt, wo sie der Anschauung Christi und seiner Heiligen teilheftig wurden.
Nur die tiefe Versenkung der Gedanken in göttliche Dinge macht es erklärlich, daß die Verurteilten nicht nur ohne jegliche Furcht, sondern geradezu mit Sehnsucht ihrem Leiden und Sterben entgegensahen. Ja, sie begnügten sich nicht einmal damit, im Angesicht des Todes die eigene Selbstheiligung zu vervollkommenen, sondern beimühten sich darüber hinaus, wo es nur möglich war, um die Bekehrung ihrer heidnischen Verfolger, indem sie so nach Kräften das Gebot der Feindesliebe erfüllten. Am Tage vor ihrem Leiden bezeugten sie beim sogenannten „Freimahl" (der letzten Mahlzeit der zum Tode Verurteilten) das Glück ihres Leidens, drohten den Menschen aber gleichzeitig mit dem göttlichen Strafgericht ob ihrer Verblendung: "Genügt euch der morgige Tag nicht? Seht ihr so gern, was ihr haßt? (...) Merkt euch nur unsere Gesichter gut, damit ihr uns an jenem Tage wiedererkennt.“ Viele Menschen wurden von diesen Worten erschüttert oder sogar bekehrt.
Am Tag des Martyriums - es war der 7 März des Jahres 202 oder 203, der Geburtstag des Kaisers Geta - "schritten die Martyrer aus dem Kerker zum Amphitheater wie in den Himmel, froh und strahlenden Antlitzes“. Von Perpetua heißt es, daß sie leuchtenden Antlitzes und ruhigen Schrittes folgte", während alle Zuschauer "vor ihren strahlenden Augen den Blick zu Boden senken mußten." Aber auch Felicitas war nach dem Bericht der Martyrerakte "voll Freude, weil sie glücklich geboren hatte und nun mit den Bestien kämpfen durfte." Bis zum letzten Augenblick verweigerten die Martyrer jede Gemeinsamkeit mit dem heidnischen Götzenkult. Als man sie nämlich zwingen wollte, liturgische Gewänder eben dieses Kultes anzulegen, wehrte sich Ferpetua mit den entschiedenen Worten: „Gerade deshalb sind wir freiwillig hierhergekommen, damit unsere Freiheit nicht geschmälert werde. Wir haben unser Leben preisgegeben, damit wir so etwas nicht zu tun brauchten, in dieser Sache sind wir doch mit euch übereingekommen." Der entschlossene Widerstand hatte Erfolg, und die Martyrer durften so, wie sie gekleidet waren, in die Arena eintreten. Und während die Männer unter den Verurteilten das darob aufgebrachte Volk und den Statthalter noch einmal an Gottes Zorngericht erinnerten, betrat Perpetua psalmensingend den Ort ihres Martyriums.
In ihrer erfinderischen Grausamkeit hatten die heidnischen Behörden für die beiden Frauen ein besonderes Martyrium ersonnen: Sie wurden nicht wie die Männer Leoparden und Bären, sondern, zur besonderen Verhöhnung ihres weiblichen Geschlechts, einer wilden Kuh vorgeworfen. Als sie jedoch entkleidet und mit Netzen angetan, um sie so umso besser den Angriffen der Bestie auszusetzen, in die Arena traten, entsetzte sich bei ihrem Anblick selbst das an Grausamkeiten sattsam gewöhnte Volk, "als es sah, daß die eine noch ein zartes Mädchen, die andere aber eben erst niedergekommen war". So wurden die Martyrinnen zuerst mit langen Gewändern versehen, bevor man sie zum Kampf mit der Bestie in die Arena zurückschickte. Die Kuh warf nun zuerst Perpetua nieder, die sich sofort nach ihrem Sturz wieder erhob und versuchte, ihr aufgerissenes Gewand zusammenzuraffen, denn "sie achtete mehr auf ihre Sittsamkeit als auf ihre Schmerzen“. Hierauf half sie der ebenfalls niedergeworfenen Felicitas auf, und beide Martyrinnen erwarteten aufrecht ihre weiteren Leiden. Die unglaubliche Haltung der beiden Frauen hatte das Volk aber dermaßen erschüttert, daß man den Tierkampf abbrach und die Martyrer zum Tod durch das Schwert begnadigte.
Perpetua und Felicitas waren schon während des Kampfes so entrück in Christus, daß sie sich nur schwer davon überzeugen ließen, ihn bereits überstanden zu haben. Als sie nun sahen, daß die Vollendung ihrer Leiden ihnen unmittelbar bevorstand, verabschiedeten sie sich von den Ihren mit den Worten: "Steht fest im Glauben, liebet einander und nehmet an unseren Leiden keinen Anstoß." Darauf begaben sie und die anderen Martyrer sich trotz ihrer Verwundungen selbst an den Ort ihrer Hinrichtung, die auf den Wunsch des immer noch blutdürstigen Volkes hin in der Mitte der Arena stattfand, und gaben dort als letztes irdisches Zeichen der gegenseitigen Liebe einander den Friedenskuß. Die meisten von ihnen empfingen den Todesstreich ohne einen Laut der Klage. Nur Perpetua, die vom ersten Streich nicht tödlich getroffen wurde, schrie in ihrem Schmerz laut auf. Dann jedoch gab sie ein letztes Zeichen ihrer ungebrochenen Stärke, indem sie die unsichere Hand des Henkers selbst an ihre Kehle führte.
Der Verfasser der Martyrerakte schließt seinen ergreifenden Bericht mit den Worten: "Vielleicht konnte eine solche Frau, die von dem unreinen Geist gefürchtet wurde, nicht anders getötet werden, als wenn sie selbst es wollte."
"Wenn jemand zu mir kommt, aber Vater und Mutter, Weib und Kinder, Brüder und Schwestern, ja auch sein eigenes Leben nicht haßt, so kann er mein Jünger nicht sein." (Luk. 14,26) Dieses Gebot des Herrn erscheint uns vielleicht manchmal als eine zu harte Forderung, die alle menschlichen Kräfte übersteigt. Und doch muß es, wie uns neben vielen anderen die hll. Martyrinnen Perpetua und Felicitas zeigen, buchstäblich ernst genommen werden. Das Martyrium der beiden Heiligen zeigt aber auch, und insofern können wir daran Trost und Stütze finden, daß niemand über seine Kräfte versucht wird und daß da, wo unsere natürlichen Hilfen und Kräfte am Ende sind, die übernatürlichen eingreifen. Was aber in jedem Falle von uns gefordert ist, ist die Bereitschaft in jeder noch so schweren Lage gemäß der Schrift zuerst das Reich Gottes zu suchen, ihm alle irdischen Güter hintanzusetzen und darüber hinaus das unbedingte Vertrauen auf die Hilfe des Herrn, der das Flehen seiner Gerechten nicht unerhört lassen wird.
Wenn man die Berichte der Martyrerakten liest, so wird angesichts der dort geschilderten Grausamkeiten die erste Reaktion oft Zorn und Empörung gegen die Verfolger des Glaubens sein. Diese erste Reaktion der Bitterkeit des Christen angesichts einer Welt, in der bis zum heutigen Tage die Macht das Recht beugt, der Haß die Liebe verfolgt und mordet, kurzum' in der der Satan allenthalben triumphiert, hat sicherlich ihre Berechtigung, aber sie darf niemals das letzte Wort bleiben. Zeigt doch gerade die Geschichte der Martyrer, ihre geistige Ungebrochenheit, und ihre sieghafte Freude bis in den bittersten Tod, daß die Liebe letztlich doch stärker ist. Sie kann auf dieser Erde niedergetrampelt und verfolgt werden, sie ist aller irdischen Machtmittel entblößt. Aber die ihr innewohnende Herrlichkeit, die nur der wahrhaft Liebende kennt, ist unbesiegbar, und so offenbart sie ihre Größe gerade im Versuch ihrer Unterdrückung. Deshalb enthüllt niemand mehr als die Martyrer in der Macht der Welt ihre Ohnmacht: in ihrer Stärke ihre Schwäche, in ihrem höchsten Triumph ihre größte Niederlage. Denn "was die Welt als schwach bezeichnet, hat Gott erwählt, um die Starken zu beschämen." (1 Kor. 1,27) Daher kann der Christ trotz aller Bedrängnis und Ungerechtigkeit der Welt mit unerschütterlicher und freudiger Zuversicht rufen: CHRISTUS VINCIT, CHRISTUS REGNAT, CHRISTUS IMPERAT! (Christus siegt Christus regiert, Christus herrscht!)
Literatur: Wilhelm Schamoni: Perpetua und Felicitas, Martyrerakte, in:"Heilige Frauen des Altertums" Düsseldorf 1963.
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