Das Studium der Liturgie
Von Walter W.E. Dettmann
Die Liturgiekonstitution des sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzils redete seitenlang überaus viel von der Wichtigkeit neuer liturgischer Studien; sie schlug sogar vor, daß altgediente Pfarrer und Seelsorger Nachholkurse machen müßten, vgl. Art.18. Heute, keine zehn Jahre nach dem Erscheinen der Liturgiekonstitution, sieht man aber genau, daß dieses weitschweifige Gerede nur auf die glaubensfeindliche "ökumenische" Umschulung der Priester zielte.
In der Liturgiekonstitution des sog. Zweiten Vatikan. Konzils steckt eine ungeheure Unaufrichtigkeit. Es ist klar, daß dies keinen von den Bischöfen, die das Dokument unterschrieben haben, zugeben und eingestehen will. Die Bischöfe des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils waren unfähig, ein wirkliches liturgisches Studium im römisch-katholischen Sinne zu fördern. Dies kann man an der Art und Weise erkennen, wie der Berater des sogenannten Konzils, nämlich Prof. J.A. Jungmann SJ, unter den Augen der Bischöfe die liturgische Quellenforschung betrieben hat.
In seinem Buch über die Feier der hl. Messe ("Missarum Sollemnia") macht es Prof. Jungmann so wie einer, der am Fuße und an der Wurzeln einer tausendjährigen Eiche zu graben anfängt, um angeblich noch etwas von jenem kleinen Samen zu finden, aus dem der Baum vor über tausend Jahren entstanden ist.
Anstatt die gleichbleibenden jährlichen Früchte der gewaltigen Eiche zu betrachten und zu sagen: Aus einem solchen Samen muß der Baum entstanden sein, wühlen die progressistischen Forscher von heute im Boden, um zu sehen, ob sie vielleicht statt der Eichel eine andere Entstehungsursache für den Eichbaum entdecken.
In dem Kapitel „Die Messe in der Urkirche" vermischt Professor Jungmann die Feier der hl. Messe mit der Feier des jüdischen Osterlammes und schreibt, die "Darreichung des eucharistischen Kelches und die Darreichung des sakramentalen Leibes" scheine beim Letzten Abendmahle voneinander getrennt gewesen und erst in der liturgischen Praxis der Urkirche unmittelbar aneinandergefügt worden zu sein.
Jungmann stellt die Sache so dar und nimmt an, die Konsekration des Brotes habe sich an den jüdischen Tischsegen vor dem Genuß des jüdischen Osterlammes angeschlossen und habe den damit verbundenen Ritus des Brotbrechens übernommen. Das Brot, das der jüdische Hausvater in einer vorauegehenden Ansprache gemäß einer alten "Deuteformel" mit den Worten zeigen mußte: "Siehe, das ist das Elendsbrot, das unsere Väter gegessen haben, die aus Ägypten auszogen", dieses gleiche Brot habe der Herr den Seinen jetzt mit den Worten gereicht: „Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird“. Die Konsekration des Kelches habe sich dann später an die Danksagung für das ganze Mahl angeschlossen. (Vgl. „Miss. Soll.", Band 1, S.12f)
Es ist unbegreiflich, wie die Bischöfe einen Professor, der solche Dinge schrieb, als Berater für das Konzil vorschlagen konnten. Die Bischöfe haben bereits Jahrzehnte vor dem Konzil ihre geistliche Amtsichtspflicht schwer vernachlässigt. Im übrigen wird noch an den Tag kommen, wie die Vorbereitungen für das sog. Zweite Vatikanische Konzil eigentlich gelaufen sind.
Die katholische Kirche hatte es immer als einen Frevel betrachtet, zwischen die Konsekration des Brotes und jene des Weines noch andere Gebete einzuschieben. Eine solche Auffassung der Kirche wäre nicht möglich, wenn Jesus Christus selbst Brot und Wein in einem größeren zeitlichen Abstand nacheinander konsekriert hätte.
Es ist geradezu ein Unsinn, anzunehmen, Jesus Christus habe das Brot vor dem Essen des Osterlammes konsekriert.
Der Ursprung, aus dem die tausendjährige Eiche hervorgegangen ist, kann nicht anders gewesen sein als dic Früchte, die in regelmäßiger Folge von dieser Eiche hervorgebracht werden.
In Bezug auf die Zusammengehörigkeit der Konsekrationsworte, die Prof. Jungmann ganz falsch darstellt, schrieb lange vor ihm Prof. Dr. Nikolaus Gihr (Freiburg im Breisgau) unter Berufung auf den heiligen Kirchenlehrer Chrysostomus etwas viel Schöneres. Er behandelte die Worte "Deegleichen nahm Er nach dem Mahle" (simili modo postquam coenatum est ...), mit denen im römischen Meßkanon die Konsekration dos Weines eingeleitet wird, und sagt: "In gleicher Weise nahm Er nach dem Mahle auch diesen herrlichen Kelch in Seine Hände. Dabei ergreift und erhebt der Priester den Kelch mit seinen Händen. Sobald das alttestamentliche Passahmahl vorüber war, verwandelte der Herr das Brot und unmittelbar darauf erfolgte die Konsekration des Kelches. Nachdem sie das vorbildliche Osterlamm gegessen hatten, bereitete der Herr seinen Jüngern ein überaus wunderbares, ganz einziges Mahl, ein neues und göttliches Opfermahl".
Zur Bekräftigung dieser Worte erwähnt Prof. Nikolaus Gihr den hl. Kirchenlehrer Chrysostomus, der in seiner 1.Predigt über den Verrat des Judas gesagt hat: "Gleichwie Maler auf einem Blatt Linien ziehen und anfangs bloß Umrisse und nur den Schatten eines Bildes darauf zeichnen, so machte es auch Christus. An einem und demselben Tisch feierte er zuerst das vorbildliche Osterlamm als Unterlage und setzte nachher zugleich auch das wahre Osterlamm ein" (Nikolaus Gihr: Das heilige Meßopfer, 17.-19.Auflage, Herder 1922, S. 565).
Dem hl. Chrysostomus, der seine Studien in der berühmten Schule von Antiochien gemacht hatte, standen zweifellos bessere Quellen zur Verfügung als dem heutigen Professor J.A. Jungmann und seinen protestantischen Gewährsmännern (J. Jeremias!). Obwohl das sog. Zweite Vatikanische Konzil so ungeheuer viel von neuen liturgischen Studien redete und schrieb, hat man seither noch kein einziges Wort über das gehört, was Nikolaus Gihr vom hl. Chrysostomus berichtet. Die wichtigsten Dinge im Studium der Liturgie werden heute außer acht gelassen.
Die schlimmste Entgleisung Professor Jungmanns ist aber nicht die Ansicht, daß Jesus Christus die Konsekration des Brotes von jener des Weines getrennt habe, sondern seine Darstellung, als ob die Konsekration des Brotes - und selbstverständlich auch jene des Weines - weiter nichts als eine " Deuteformel" sei, ähnlich wie die erwähnte Deuteformel aus dem Ritus des Ostermahles, bei der der Hausvater auf das Brot hinzudeuten und zu sprechen hatte: „Das ist das Elendsbrot, das unsere Väter gegessen haben, die aus Ägypten auszogen.“
Wenn die Eucharistie nur eine "Deuteformel" ist, dann ist das heiligste Altarssakrament vernichtet und selbstverständlich auch das heilige Meßopfer. Die "Deuteformel" besagt, daß von Anfang an keine wirkliche Verwandlung des Brotes in den Leib Christi stattfinden sollte, sondern daß das Brot den Leib Christi nur andeuten sollte. Professor Jungmann schreibt kein einziges Wort gegen die sogenannte Deuteformel.
Es ist nun ganz klar: wenn die Wandlungsworte nur eine "Deuteformel" sind, dann muß der Geistliche dem Volk das Gesicht zuwenden, und dann kann man nicht schnell genug die Kommunionbänke aus den Kirchen entfernen und man kann nicht rasch genug zur Handkommunion und zur Selbstbedienung übergehen. Ganz klar ist nun auch, daß die sogenannten "Wortgottesdienste" gefördert werden müssen, von denen die Liturgiekonstitution des sog. Zweiten Vatikan. Konzils schreibt: "Zu fördern sind eigene Wortgottesdienste an den Vorabenden der höheren Feste, an Wochentagen im Advent oder in der Quadragesima, sowie an Sonn- und Feiertagen, bes. da, wo kein Priester zur Verfügung steht; in diesem Fall soll ein Diakon oder ein anderer Beauftragter des Bischofs die Feier leiten.“ (Art.35, Absatz 4).
Wozu muß man die Wortgottesdienste mit ihren sattsam bekannten glaubensfeindlichen Predigten noch eigens fördern? Warum heißt es nicht: "Der Glaube an das heiligste Altarssakrament ist zu fördern?" Davon steht aber in der ganzen Liturgiekonstitution kein Wort.
Wozu sollen eigentlich die alten Pfarrer und Seelsorger die Nachholkurse in den liturgischen Studien machen, wenn die Wortgottesdienste gefördert werden sollen? Und wozu soll die ganze Gemeinde der Gläubigen tätigen Anteil an der Liturgie nehmen, wenn die Wortgottesdienste gefördert werden sollen, bei denen - laut Würzburger Synode - die Laien das Wort führen werden? In wenigen Jahren, auf jeden Fall noch vor dem Jahre 2000, wird niemand mehr wissen, was für einen Sinn die neue Liturgie noch trat. Es wird nur noch Wortgottesdienste geben, die von verheirateten Diakonen und von Laien geführt werden.
Paul VI. scheint schon heute nicht mehr zu wissen, wozu er eigentlich Liturgie feiert. Er tut es offenbar nur pro forma für das Fernsehen, damit die älteren Generationen unter den Gläubigen nicht zu sehr schockiert werden.
"Förderung der Wortgottesdienste" heißt heute, erst sieben Jahre nach dem Konzil: Unterlassung des täglichen hl. Meßopfers wegen der Gleichgültigkeit vieler Geistlicher. "Förderung der Wortgottesdienste" heißt heute: Unterdrückung und langsame Ausrottung des hl. Meßopfers.
Jesus Christus hat aber „ach dem Mahle" keinen "Frühschoppen" und keinen sogenannten Wortgottesdienst eingesetzt, sondern er hat das heiligste Altarssakrament eingesetzt; er hat das hochheilige Meßopfer eingesetzt. - Wer das nicht zu glauben vermag und nicht verstehen will, der sollte sich nicht zum Priester und erst recht nicht zum Bischof weihen lassen, und ein solcher sollte sich auch nicht zum Professor für Liturgie ernennen lassen, und erst recht sollte sich ein solcher nicht zum Papst wählen lassen.
Wer die Liturgie nicht im römisch-katholischen Sinne studieren und vortragen will, der möge auch den Mund halten und nicht trügerisch über "Einheit im Glauben" daherplaudern.
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