Christus, der König
Predigt, gehalten am Christkönigsfest, 29.0ktober 1972,
von einem Priester aus Ecône übersetzt von Klaus Wodsack
Gott regiert - mit Herrlichkeit angetan - thronend auf den Cherubim, umgeben von der ganzen himmlischen Heerschar, die Ihn akklamiert, Ihn anbetet: Gott regiert in der Macht Seiner Majestät.
Gott herrscht über das All, das Er zu Seiner Verherrlichung erschaffen hat.
- Gott herrscht (zunächst) über die Körperwelt. Ihr hat Er die Gesetze ihrer Natur festgesetzt. Gott herrscht über die Sterne, deren Bahnen Er festgelegt hat, Gott herrscht über die Pflanzen, deren Wachsen und deren Vergeben Er bestimmt hat; Gott herrscht über die Tiere, denen Er einen Instinkt gegeben hat, der sie sicher führt.
- Gott herrscht (sodann) über Seine geistigen Geschöpfe, die Engel und die Menschen, aber auf andere Art als über die Körperwelt. Seine geistigen Geschöpfe hat Er zur Freiheit geschaffen: Gott will, daß sie Ihm aus freiem Willen dienen. Über sie herrscht Gott gemäß ihrem freien Entschluß: mit Liebe oder mit Gewalt.
Über die Geister, die Gott als ihren König anerkennen, die sich spontan Seiner Leitung unterstellen und sich freudig hingeben, Ihm zu dienen, - über sie herrscht Gott mit Liebe. Und Gott würde gern nur in Liebe herrschen.
Aber ach! Es gibt andere Geister, die es, indem sie sich selbst Gott vorziehen, abgelehnt haben, Gott als König anzuerkennen und Ihm zu dienen. Über diese rebellierenden Geister kann Gott nicht anders herrschen als durch Gewalt: Er tut es, indem Er ihre Wutausbrüche in enge Schranken faßt, indem Er ihren abscheulichen Unternehmungen Grenzen setzt und indem Er sie dazu zwingt, ihr rebellisches Knie selbst in der Tiefe jener Finsternisse zu beugen, in die Er sie verdammt hat.
Gleich zu Anfang hat Satan, einer der ersten revolutionären Geister, erbitterter Feind der Königsherrschaft Gottes) die Menschheit in den Ungehorsam eingeübt. Durch die Erbsünde haben Adam und Eva die von Gott eingesetzte Ordnung zerbrochen: Die Liebesherrschaft Gottes über die Menschheit war damit beendet, oder vielmehr: Sie wäre beendet gewesen, wenn Gott in Seiner Barmherzigkeit nicht einen Heiland und Retter vorgesehen gehabt hätte.
Gott versprach unseren ersten Vorfahren' daß ein Mensch vom Weibe geboren werden würde, der die ursprünglich und von Ihm als ewig gewollte Ordnung wiederherstellen würde. Dieser Mensch - im Hebräischen "Messias" geheißen - sollte wahrhaft der Retter der Menschheit sein; denn er sollte ihr das Glück bringen, das darin besteht' unter freiwilliger Anerkennung des Reiches Gottes in dieses Reich Gottes einzutreten. Durch die Eingebung des Hl. Geistes haben die Propheten Israels im Voraus das Bild dieses Messias gezeichnet: Er werde die Gottesherrschaft auf Erden errichten, deren Haupt er sein werde. Auch kündete Gott durch den Mund Seines Auserwählten Nathan an, daß Er diesem Messias-König den königlichen Thron für immer festigen würde.
Damit die Menschen das Gottesreich wiederfänden, bräuchten sie in der Tat einen König aus Fleisch und Blut wie sie selbst' der ihre Leitung übernimmt und sie in das Reich führt.
Dieses ist die erste Wahrheit, meine Brüder, die ich an diesem festlichen Morgen eurer Liebe und eurer Betrachtung empfohlen wollte: Die Menschen können nicht glücklich sein, außer sie nehmen freiwillig und aus Liebe das Gottesreich an, und dafür brauchen sie ein Oberhaupt, einen König, der Mensch ist wie sie und ihnen den Weg ins Königreich zeigt.
Gott hatte versprochen, diesen Menschen zu senden: Dies gerade war der Messias-König.
Der Messias war schon seit vielen Jahrhunderten in Israel erwartet worden, als eines Tages ein Engel von Gott gesandt wurde zu einer Jungfrau mit Namen Maria:
"Du wirst einen Sohn gebären", sagte er ihr, "dem sollst du den Namen Jesus geben. Er wird groß sein' und man wird ihn Sohn des Allerhöchsten nennen. Der Herrgott wird ihm den Thron seines Vaters David geben. Er wird auf immer über das Haus Jacob herrschen, und seines Reiches wird kein Ende sein."
Dieses Kind war offiziell ein Nachkomme Davids, da Maria, seine Mutter, dem Rechte nach unmittelbar darauf einen Mann aus dem Hause Davids mit Namen Joseph heiratete.
Das Leben dieses Kindes - und wie Er im Alter von 30 Jahren überall in Palästina zu predigen begann ..., ihr kennt das alles, meine Brüder. Und was predigte Er? Das Königreich Gottes, d.h. die tatsächliche Verwirklichung der Liebes-Herrschaft Gottes. Sicher, seit dem Beginn der Menschheit hat es nie an bahnbrechenden Menschen gemangelt, die Gott als ihren König anerkannten und eine Art Vorahnung Seiner Königsherrschaft darstellten. Aber Jesus kam, das Königtum Seines Vaters in seiner nunmehr geschichtlich definitiven Gestalt zu begründen, und zwar dadurch, daß Er mit den Menschen eine Neuen und Ewigen Bund schloß.
Durch Seine unzähligen Wunder und durch die präzise Erfüllung der messianischen Prophezeiungen hat Jesus den I4enschen auf herrliche Art und Weise bewiesen, daß Er de angekündigte Messias sei. Und deswegen nennen wir ja Jesus auch "Christus"; denn "Christus" ist die griechische Übersetzung von "Messias". Jesus ist Christus, Jesus ist der Messias, Jesus ist also der König, dessen die Menschen bedurften, der sichtbare König eines Reiches, dessen unsichtbarer König Gott-Vater ist.
Jedoch hat es Jesus Christus immer von sich gewiesen, daß Er ein zeitliches Reich errichten wolle. Niemals hat Er beansprucht, direkt auch nur die geringste staatliche Macht auszuüben. Sein Königtum ist nicht von dieser Welt, oder mit anderen Worten: es ist nicht natürlichen Ursprungs wie die anderen menschlichen Institutionen. Das Königtum Christi ist übernatürlichen Ursprungs. Dennoch ist es in dieser Welt. Und daran erkennen wir, was Jesus uns erkennen lassen wollte: Das Königreich, dessen Prophet, Hoher Priester und König Er ist, hat zwei Dimensionen: - eine irdische und historische Dimension, - eine himmlische und ewige Dimension. Sein Königreich ist weder rein zeitlich, wie es so viele Juden Seiner Zeit gewollt hatten, noch rein geistig, wie es liberale Protestanten und Modernisten vorgegeben haben.
Aber, so werdet ihr sagen, wie konnte der Messias daran denken, auf der Erde Sein Königreich zu errichten, ohne auf gewisse irdisch-menschliche Mittel zurückzugreifen? Jesus Christus hat tatsächlich menschliche Mittel ergriffen - jedoch nicht die, welche man erwartet hatte. Er wählte 12 Apostel aus. Er hat eine Kirche gegründet, deren Leitung Er einem der Zwölf, Petrus, als Seinem Stellvertreter anvertraute. Diese Kirche, die von allen politischen Strukturen frei ist, erhielt - dank ihrer Freiheit und Universalität - die Aufgabe, das Evangelium zu verbreiten, alle staatlichen Regierungen dazu zu bringen, dem Gesetz Christi zu gehorchen, und jegliche menschliche Gesellschaft anzuleiten, sich der Herrschaft Gottes durch Christus zu beugen. Dies ist in der Tat das Instrument der geistlichen Herrschaft des Messias über alle Nationen: die Kirche.
Jedermann weiß, wie der wachsende Haß der jüdischen Oberen dem öffentlichen Leben unseres vielgeliebten Herrn überaus schnell ein Ende setzte. Trotz so vieler offensichtlicher Wunderzeichen, die Jesus wirkte, lehnten es die Ältesten, Pharisäer und Hohen Priester ab, in Ihm den Messias anzuerkennen - was doch ihre allererste Pflicht gewesen wäre. Aber in ihrem Stolz konnten sie es eben nicht ertragen, sich einem armen und demütigen König unterwerfen zu sollen, der ihnen den Versicht predigte.
Im dritten Jahr Seines öffentlichen Auftretens wurde Jesus gefangengesetzt, als Er kaum das Fundament Seiner Kirche gelegt hatte. Seht, wie Er gedemütigt und öffentlich verhöhnt dem römischen Landpfleger übergeben wird. Das Evangelium, das ihr soeben gehört habt*), gibt die Szene wieder: Jesus, nachdem Er vom (jüdischen) Synhedrion zum Tode verurteilt worden war, erscheint vor dem Gerichtshof des Kaisers.
Oh, erschütternder Augenblick, da der souveräne Richter der ganzen Welt an Verbrecher ausgeliefert ist, da der König der Könige von den ersten Seiner Untergebenen verworfen, da der Schöpfer durch Seine Geschöpfe verurteilt wird! Das ungeheure Ausmaß dieses Verbrechens läßt uns erfassen' wie weit die monströse Tyrannei des Satans zu gehen vermag.
Wenig später ist Jesus, der Heiland der Menschen gekreuzigt! Und als Er gestorben ist, legt man Ihn in eine Grabhöhle, deren Verschlußstein die jüdischen Oberen einsiegeln lassen: Die göttliche Herrschaft auf Erden scheint für allezeit beendet!
Jedoch - o göttliches Wunder, - durch eine unerhörte Umkehrung markiert gerade der Todesstoß, den der Fürst dieser Welt dem Königreich Christi gegeben zu haben glaubte, den Fall des Satans und den Anfangspunkt der Kirche. Das Königreich Christi konnte nicht verschwinden, denn es ist göttlich!
Durch Seine Auferstehung zerbricht Jesus die Siegel und wie der weiße Reiter der Apokalypse erobert Er die Erde durch Seine Kirche. Menschen aus allen Nationen erfassen die Tiefe der Liebe Gottes, sammeln sich unter dem Banner des Christ-Königs und unterwerfen sich der Herrschaft Gottes. Das Imperium des Kaisers bekehrt sich.
Seht! Brüder, eine weitere Wahrheit, die ich euch zu erwägen einlade: Weil jener Mensch Jesus, Jesus Christus, der einzige und wahrhaftige Messias, der von den Propheten vorherverkündet war, durch Seinen Tod und Seine Auferstehung alle Menschen losgekauft hat: deswegen hat Er jegliches Recht, über alle Menschen zu herrschen. Er soll herrschen über jede Rasse, jede Sprache und jede Nation. Er soll herrschen in allen Kontinenten und im Herzen einer jeglichen Zivilisation. Er soll herrschen in den Bereichen des öffentlichen Lebens, der Künste und der Wissenschaften, der Literatur und der Theater. Er soll herrschen überall und in allem - durch Seine Kirche.
Dem Rechte nach hat Christus, das Lamm Gottes, der Heiland, seit Seiner Auferstehung die Königsherrschaft erworben. Jedoch, wie steht es in Wirklichkeit mit diesem Reich? Die geschichtliche Zukunft der Herrschaft Jesu wurde dem heiligen Johannes in der Apokalypse geoffenbart. Nun, nachdem das erste Siegel gebrochen war - was hat er gesehen, der Apostel Johannes? Hat er wohl auf Erden eine idyllische Epoche ablaufen sehen, in der Wahrheit und in der Gerechtigkeit leben: eine Art allumfassende Harmonie um Christus herum?
Weh, dreimal Weh! Er hat vor seinen Augen nichts anderes ablaufen sehen als eine Folge von Bildern) eines schrecklicher als das andere: Eine Anhäufung von Vernichtung und Strafe1 von Kriegen, Pestepedemien und Leichenzügen und zum Schluß: die Herrschaft der Bestie? Den - freilich vergänglichen - Triumph des Antichrists!
Ist es nicht das? was wir gegenwärtig zu sehen bekommen? Zu Beginn des Jahrhunderts fragte sich bereits der große heilige Papst Pius X., ob die modernistische Verdrehung der Wahrheit nicht das Zeichen dafür sei, daß die Bedrängnisse des Weltendes nahe sind. Er sah in allen den Verdrehungen seiner Zeit - und was würde er wohl heute sagen? - den Beginn der Herrschaft des Antichrists auf Erden.
Und warum auch jetzt dieser Triumph der Bestie? dieser Abfal1 des christlichen Westens? dieser sittliche und geistige Niedergang? Weil die Menschen Christus, den König, verworfen haben. Und warum verwerfen die Menschen den Christ-König? Die Apostasie hat ihre Ursachen außerhalb der Kirche: Da ist die Wühlarbeit der Freimaurerei und die List des atheistischen Kommunismus - gewiß! Aber da sind auch unsere eigenen Sünden. Da ist die Treulosigkeit? die Lauheit' der Verrat im Innern der Kirche! Da sind unsere eigenen Sünden? unser Mangel an Glaube und an brennender Liebe ... Schon weniges würde genügen; es würde genügen, daß eine Handvoll von Gläubigen' von Priestern? von Bischöfen sich bekehrten und Heilige würden - und Christus würde erneut über die ganze Welt regieren!
Und Er wird wieder über die ganze menschliche Gesellschaft, über die Gesetze, die Sitten und über die ganze Zivilisation regieren! Wir sollen das hoffen. Warum aber sollte das liebevolle und allumfassende Reich des Christ-Königs Seine herrliche Wiederherstellung erst am Ende der Welt zu erwarten haben? Die Gnade? das Christ-Königs-Fest am letzten Sonntag des Rosenkranz-Monats Oktober zu feiern, soll doch zeigen, daß dieses Reich von neuem einen herrlichen und allumfassenden Triumph vor der Wiederkunft Christi haben kann. Wenn man es jedoch auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres, der an die Wiederkunft Christi erinnert, verlegt, so scheint man damit sagen zu wollen, daß die liebevolle und allumfassende Herrschaft Christi auf Erden sich nur noch nach dem Ende der Welt verwirklichen wird, wenn Christus in Seiner Herrlichkeit wiederkommen wird!
Was also sollen wir tun, meine Brüder, um das Reich Christi voranzutreiben? Das ist sehr einfach! Laßt uns damit beginnen? Heilige zu werden! Denn vergessen wir nicht: Das Reich Gottes ist nicht nur eine soziale, kollektive Realität, es ist auch eine persönliche Realität, die im Herzen eines jeden Individuums leben soll.
Christus will durch die Liebe herrschen. Das ist auch der Grund, warum Er seit drei Jahrhunderten so oft erscheint? indem Er Sein Heiligstes Herz zeigt. Er will unsere Liebe: eine totale Liebe.
Es genügt nicht$ den Glauben zu haben und der Heiligen Messe beizuwohnen, damit die Herrschaft des Christ-Königs verwirklicht ist. Freilich ist der Glaube der Anfang des Reiches$ jedoch soll das Reich Christi zur Vollendung gelangen: Unser gesamtes Leben bis in die intimsten Verzweigungen hinein soll unter dem Zepter der Liebe stehen.
Dies ist es genau, meine Brüder, um was wir im Vaterunser bitten, wann wir sagen: "Zu uns komme Dein Reich!“
Laßt uns also Heilige werden! Dann kann Christus, der König? durch Seine erneuerte Kirche Seine Königs-Herrschaft über alle Völker errichten... "ein Reich der Wahrheit und des Lobens, ein Reich der Heiligkeit und der Gnade, ein Reich der Gerechtigkeit? der Liebe und des Friedens."
Dies erbitten wir durch die Fürsprache derjenigen? die die Königin dieses Reiches ist: Maria.
Amen.
Anmerkung: *) Das Evangelium des Christ-Königs-Festes: Joh. 18, 33-37.
|