Tuet Buße!
Von H.H. Dr. Otto Katzer
4. Fortsetzung
Wie oft und von wie vielen Menschen haben wir nur in diesem Jahrhundert die Worte gehört, man müsse sich freimachen von Vorurteilen, verschiedenen Mythen und alles wissenschaftlich auffassen. Dann, aber auch nur dann könne man glücklich werden und andere glücklich machen.
Diese Behauptung entspringt einem stolzen Geiste, der sich und nur sich allein als die letzte Quelle der Wahrheit verkennt und diese anderen aufzwingen will. Wenn er seine Behauptungen mit gewissen Erfolgen für den Augenblick unterstützen kann, vergißt er (und die auf ihn vertrauen),wie verkehrt seine Einstellung ist, daß er sich selbst hiermit zu Gott gemacht hat und, was die Hoffart anbelangt, mit dem Teufel wetteifert.
Solchen Menschen gelten die Worte, die der hl. Cyprianus an die Abtrünnigen richtet, denn nichts anderes als Abtrünnige sind sie: Denn da geschrieben steht: "Die euch glücklich preisen, verführen euch, und zerstören die Pfade eurer Füße" (Is.3,12), so bietet der, welcher den Sünder mit Schmeichelworten liebkost den Zunder zur Sünde und unterdrückt nicht die Vergehen, sondern nährt sie. Wer aber den Bruder mit kräftigern Ratschlägen zugleich widerlegt und unterrichtet, der fördert ihn zum Heile. "Die ich lieb habe" spricht der Herr, "die strafe und züchtige ich." (Apok. 3,19)
So muß ein Priester Gottes nicht durch betrügende Nachgiebigkeit täuschen, sondern mit heilsamen Mitteln vorsorgen. Ungeschickt ist der Arzt, welcher die aufgeschwollenen Wunden mit schonender Hand berührt, und, während er das in den Tiefen des Fleisches verschlossene Gift schont, dieses vermehrt. Öffnen und ausschneiden muß man die Wunde, das in Fäulnis übergegangene wegnehmen, und mit stärkerer Arznei heilen. Mag auch der vor Schmerz ungeduldige Kranke schreien und rufen und klagen; so wird er doch nachher, wenn er Genesung verspürt, danken.
Die Aufgabe des Priesters und seine Verantwortung in dieser Zeit ist größer denn je. Nicht nur, daß er mit verschiedenen Anfeindungen von außen zu kämpfen hat, er muß, wie bereits der Hl. Papst Pius X. gewarnt hat, mit inneren Feinden kämpfen, welche mit einem "neueren und besseren Christentum“ (Teilhard et comp.) die Menschheit beglücken wollen. Da müssen wir die weiteren Worte des hl Cyprian bedenken. „Denn es ist, liebste Brüder, eine neue Art von Unheil ausgebrochen, und, als ob der Sturm der Verfolgung zu wenig gewütet hätte, unter dem Titel der Barmherzigkeit ein täuschendes Übel und schmeichelndes Verderben zu vorigen gekommen. Gegen die Kraft des Evangeliums, gegen des Herrn und Gottes Gesetz wird durch den Frevel einiger Unvorsichtigen der Zutritt erleichtert. (Z.B. Kommunion und Interkommunion; eigene Bemerkung). Ein vergeblicher und falscher Friede ist gefährlich für die Geber, unnütz für die Empfänger. Sie suchen nicht ausdauernde Gesundheit, und nicht die wahre Arznei der Genugtuung. Die Buße ist aus den Herzen verstoßen, die Erinnerung an das schwerste und größte Vergehen ist verschwunden. Bedeckt werden die Wunden der Sterbenden, und der tödliche, weit und tief in das Innere gedrungene Stoß wird mit verhehltem Schmerz verborgen. Die von des Teufels Altären Zurückkehrenden treten mit schmutzigen und vom Opferdampf verunreinigten Händen zum Heiligtum des Herrn. (Wo man von einem solchen überhaupt noch sprechen kann, Bemerkung des Verfassers). Die, welchen fast noch die tödlichen Speisen der Götzen aufsteigen, denen ihr Verbrechen noch den Hals herausdampft, und die von den greulichen Berührungen rieche n, fallen über den Leib dos Herrn her“ (soweit er überhaupt noch vorhanden ist, Bemerk. des Verf.).
So "tun sie dem Leibe und Blute des Herrn Gewalt an, und vergehen sich jetzt mit Händen und Mund mehr gegen den Herrn' als da sie den Herrn verleugneten. Ein Friede sei es, meinen sie, was einige mit täuschenden Worten feilbieten. Nicht Friede ist dies, sondern Krieg -und nicht mit der Kirche vereinigt sich, wer sich vom Evangelium trennt. (So aber, wie es das unfehlbare Lehramt der Kirche vorträgt! Bemerk. des Verf.) Warum nennen sie das Unrecht eine Wohltat? Warum bezeichnen sie die Verruchtheit mit dem Worte Frömmigkeit? Warum nehmen sie mit Unterbrechung des Wehklagens der Reue den Schein auf mit denen in Verbindung zu stehen, welche ohne Unterlaß weinen und ihren Herrn bitten sollten? Solchen Abtrünnigen sind sie das, was der Hagel den Früchten, was ein stürmisches Gestirn den Bäumen, was eine verheerende Seuche dem Viehe, was ein tobender Sturm den Schiffen ist. Sie nehmen den Trost der ewigen Hoffnung hinweg, sie reißen den Baum mit der Wurzel aus, sie schleichen mit krank machenden Worten zur tödlichen Verbindung, sie treiben das Schiff an Klippen, damit es nicht in den Hafen gelange. Diese Willfährigkeit gibt nicht, sondern nimmt den Frieden, verleiht nicht die Zulassung, sondern ist hinderlich dem Heile. Eine zweite Verfolgung ist dies, und eine zweite Versuchung, durch welche der scharfsinnige Feind noch mit Bestürmung der Gefallenen heimlich verheert und wütet damit das Klagen aufhöre, damit der Schmerz schweige, damit die Erinnerung an das Verbrechen verschwinde' damit der Seufzer des Herzens unterdrückt werde, die Träne des Auges stocke, und nicht lange und volle Reue den schwer beleidigten Herrn um Verzeihung bitte; da doch geschrieben steht: "Bedenke woraus du gefallen bist, und tue Buße." (Offenb.2,5). Niemand täusche sich, niemand betrüge sich, der Herr allein kann sich erbarmen. Er allein kann Verzeihung der Sünden, die gegen ihn begangen wurden, gewähren, der unsere Sünden getragen, der für uns Schmerz gelitten, den Gott für unsere Sünden hingegeben hat. Der Mensch kann nicht größer als Gott sein, und der Knecht kann nicht durch seine Nachsicht verzeihen und nachlassen, was durch ein schweres Vergehen gegen den Herrn begangen worden ist, damit dem Gefallenen nicht auch noch dieses zum schweren Verbrechen hinzukomme, wenn er nicht weiß, daß geweissagt ist: „Verflucht sei der Mensch, der seine Hoffnung auf einen Menschen setzt." (Jerem. 17,5) Der Herr muß gebeten, der Herr (im allerheiligsten Altarssakrament, eigene Bemerk.) muß durch unsere Genugtuung besänftigt werden, er' welcher sagte, er werde den Verleugner verleugnen, er, welcher allein alles Gericht von dem Vater erhalten hat.“
Wenn vom "aggiornamento“ immer wieder gesprochen wird, dann lasset uns doch die Persönlichkeit Christi in unsere Zeit projizieren, d.h. lasset uns unser Leben aufgrund der Zehn Gebote, der Gebote der Kirche und dem Gebote der Liebe aufbauen. So wird auch ein Umbau der Umwelt zustande kommen, welche den wahren Frieden wird aufweisen können, weil sie im Geiste der Liebe geformt sein wird. Aber unser religiöses Leben entbehrt jeder Tiefe und unsere Oberflächlichkeit ermöglicht uns keine Einsicht wie in uns selbst r so auch in den wirklichen Zustand, in welchem sich die Umwelt befindet. So mancher "Auch-noch-Christ" wenn er überhaupt auf den Gedanken kommt, zur heiligen Beichte zu gehen, wird deshalb in eine große Verlegenheit geraten, denn er wird keine Sünde mehr finden, die er beichten müßte. Diese "Schwierigkeiten" würden sofort aufhören, wenn er sich zu einem Bilde seines eigenen „Ich“ als wirklich christlicher Persönlichkeit innerhalb seiner Umwelt durcharbeiten möchte und ihm zum Bewußtsein käme, daß sein ganzes Leben, d.i. alle seine Lebensäußerungen ein ununterbrochenes Sühnopfer sein muß, wie es auch ob der entsprechenden Hilfe vom Himmel sein soll und kann. Erklingen denn alle unsere Gedanken, Worte und Werke im Dreiklang der Liebe? Sind alle wirklich gut, wahr und schön? Wer könnte das behaupten! Entschuldigen wir uns nicht, daß das eine etwas übertriebene Forderung ist. Wenn wir glauben, den Platz Gottes einnehmen zu können, und so zu handeln, als ob es keinen Gott gäbe, wenn nur der Mensch zuletzt sein eigenes „Ich“ etwas zu sagen hat, dann muß der Mensch ein äußerst bedeutungsvolles Wesen sein, und darf vor einer ebenso äußersten Verantwortlichkeit nicht zurückschrecken. Gerade deshalb, weil wir die Umwelt nach unserer Persönlichkeit, unserem „Ich" gestalten wollen, sind wir weilgehend für den Zustand, in welchem sich die Umwelt befindet7 verantwortlich. Es sage ja niemand, das oder jenes gehe ihn nichts an. Alles beeinflussen wir in der ersten Reihe, was das übernatürliche Gebiet anbelangt. Wie wird unsere Antwort lauten auf die Frage, ob und in welchem Maße wir die heiligmachende Gnade besitzen? Es wurde bereits betont, mit was für einer Macht wir es bei der Gnade zu tun haben! Für den Schein sorgen wir meistens reichlich, jedoch wenig für die Wirklichkeit.
"Es bekenne ein jeder", mahnt der hl. Cyprian in seiner Abhandlung von den Abtrünnigen, aus der wir bereits manches zitiert haben, "ich bitte euch', liebste Brüder, seine Sünde, so lange der Sünder noch auf der Welt ist, solange seine Beicht noch zugelassen worden kann, so lange die Genugtuung und die von den Priestern gewährte Nachlassung bei dem Herrn noch angenehm ist. Wir müssen mit dem ganzen Herzen zu dem Herrn wenden, wir müssen die Reue über das Vergehen mit dem wahren Schmerz ausdrücken, und Gottes Barmherzigkeit anflehen. Vor ihm werfe sich die Seele nieder, ihm leiste die Trauer Genüge, auf ihn stütze sich alle Hoffnung. Wie wir bitten sollen, sagt er selbst "Bekehret auch zu mir, spricht er, aus eurem ganzen Herzen, durch Fasten, Weinen und Trauern; und zerreißet eure Herzen und nicht eure Kleider.“ (Joel2,12-13).
Lasset uns mit ganzem Herzen zum Herrn zurückkehren. Lasset uns seinen Zorn und Unwi1len durch Fasten (welches wir längst schon aufgegeben haben, eigene Bemerk.) Weinen und Trauern, wie er selbst ermahnt, besänftigen. Glauben wir, daß derjenige aus ganzem Herzen klage, und mit Fasten, Weinen und Trauern den Herrn bitte, welcher vom ersten Tage des Verbrechens an täglich mit Weibern Bäder besucht, welcher bei übermäßig besetzten Tafeln gefüttert und mit reichlicher Speise angefüllt, am andern Tage die unverdauten Speise;: von sich gibt; und seine Speisen und Getränke nicht mit der Dürftigkeit der Armen teilt? Wie beweint der seinen Tod, der fröhlich und heiter einhergeht ... der sucht noch jemanden zu gefallen, welcher Gott mißfällt? Seufzet und trauert etwa diejenigen, welche Zeit hat, einen kostbaren Kleiderputz anzuziehen, nicht aber an das Kleid Christi, das sie verloren hat, zu denken, mit einem kostbaren Schmucke und künstlich gearbeiteten Kleinodien sich zu zieren, nicht aber den Verlust des göttlichen und himmlischen Schmuckes (von dem sie meistens mehr oder weniger unverschuldet, nichts weiß, eigene Bemerk.) zu beweinen? Magst du dich mit ausländischen Gewändern bekleiden, so bist du doch nackt. Magst du dich auch mit Gold, Perlen und Edelsteinen schmücken, so bist du ohne Christi Schmuck doch häßlich. Und du, die du deine Haare färbst, unterlasse es doch jetzt in Schmerzen: und du, die du die Linien der Augen mit schwarzem Staube überziehest und malest, wasche doch jetzt deine Augen mit Tränen. Hättest du einen von den Deinigen, der dir teuer war, durch den Tod verloren, so würdest du mit Schmerzen seufzen und weinen, du würdest durch die Unterlassung der Verschönerung deines Gesichtes, durch den Wechsel der Kleidung, durch die Vernachlässigung der (übermäßigen) Pflege deines Haares, durch eine finstere Miene und durch Senkung des Kopfes Zeichen der Trauer an den Tag legen. Deine Seele, Unglückliche, hast du verloren; und geistigerweise gestorben überlebst du dich hier, und trägst selbst herumwandelnd deine Leiche und du trauerst nicht heftig, und du seufzest nicht unablässig, du verbirgst dich nicht entweder aus Scham über das Verbrechen, oder um im Wehklagen nicht gestört zu werden? Sieh da, noch schlimmere Wunden von Sünden; sieh da ~ noch größere Vergehen' Gesündigt haben und nicht Genugtuung leisten; Verbrechen verübt haben, und die Verbrechen nicht beweinen...
Ich bitte euch, Brüder, seid zufrieden mit der heilsamen Arznei, gehorche" besseren Ratschlägen, verbindet mit unseren Tränen eure Tränen, vereiniget mit unserer Betrübnis eurer Betrübnis. Wir bitten euch, um für euch Gott bitten zu können, eben die Bitten, durch welche wir Gott für euch um Erbarmung anflehen, richten wir zuerst an euch. Tut volle Buße, leget die Traurigkeit eire betrübten und wehklagenden Herzens an den Tag. Der unvorsichtige Irrtum oder die eitle Gefühllosigkeit einiger, welche, obwohl sie mit einem so großen Verbrechen behaftet sind, doch so sehr in ihrem Sinne verblendet sind, daß sie die Vergehen weder einsehen noch beklagen, soll auf euch keinen Eindruck machen. Dieses ist eine größere Strafe des zürnenden Gottes, wie geschrieben steht „Und Gott gab ihnen einen geblendeten Geist.“ (Is.29, 10). Und wiederum: “Sie haben die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen, daß sie selig geworden waren und darum wird ihnen Gott einen mächtigen Irrtum senden, daß sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, welche der Wahrheit nicht geglaubt haben, sondern in der Ungerechtigkeit sich gefallen. (2 Thossal. 2,10)
Indem sie sich mit Unrecht gefallen und durch die Verrückung ihres geblendeten Verstandes wahnsinnig sind, verachten sie die Gebote des Herrn, vernachlässigen die Heilung der Wunde und wollen nicht Buße tun. Vor der Begehung der Sünde waren sie unvorsichtig, nach dem Verbrechen sind sie verstockt; zuvor waren sie nicht standhaft und nun wellen sie nicht demütig bitten. Als sie hätten stehen sollten, lagen sie, da sie nun vor Gott sich niederwerfen und liegen sollten, glauben sie zu stehen. Sie haben sich den Frieden, ohne daß jemand ihnen denselben gewährte, von selbst genommen, durch ein falsches Versprechen verleitet, und mit Abtrünnigen und Treulosen verbunden' ergreifen sie den Irrtum anstatt der Wahrheit. Die Zulassung zur Kirche, welche solche erteilen, die selbst keinen Zutritt zu derselben hab~ halten sie für gültig; den Menschen glauben sie gegen Gott, welche gegen die Menschen Gott nicht geglaubt haben. Fliehet solche Menschen, so viel als möglich und meidet mit heilsamer Vorsicht die, welche an verderblichen Verbindungen hängen. Ihre Rede frißt wie ein Krebs um sich.“ (2 Tim 2,17), ihr Gespräch teilt sich schnell wie eine ansteckende Krankheit mit, die schädliche und giftige Überredung tötet ärger, als selbst die Verfolgung. Dort ist nur die Buße noch übrig um Genugtuung zu leisten. Diejenigen aber, welche die Buße für das Verbrechen aufheben, verschließen den Weg zur Genugtuung. So geschieht es, daß, während durch den Frevel einiger falsches Heil entweder verheißen oder geglaubt wird, die Hoffnung auf das wahre Heil weggenommen wird.“ 1)
Der Vergleich mit unserer Zeit wird dem Leser selbst überlassen, er wird leicht sehen, daß wir seit dem dritten Jahrhundert schon einen Schritt nach vorwärts gemacht haben, allerdings in Sachen, die nicht einmal genannt werden sollten. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, wie ernst wir es mit unseren Verfehlungen zu nehmen haben, welche viel zahlreicher sind' als wir geneigt sind anzunehmen. Wir haben es gelernt, das, was vor ihnen groß ist, als klein zu betrachten' auf das Kleine halten wir überhaupt nichts, da wir es nicht sehen wollen, mit der Bemerkung, Gott wird doch nicht so kleinlich sein. Wir vergessen aber, daß die Bakterien, und noch mehr die Viren' auch klein sind, und doch kann der gottähnliche Übermensch in kürzester Zeit von ihnen überwunden werden. Der bekannte Politiker Disraeli bemerkte einmal: „Mir sind immer die unauffälligen Dinge auffällig wegen ihrer Unauffälligkeit“, so sollte es auch bei uns sein, denn wenn wir uns über so manches mit der Bemerkung „Das ist ja nichts“ hinwegsetzen, ist sicher etwas dahinter, was sich erst viel später zeigt. Gerade solche "Nichtse" sollten dem Seelenführer bekannt gemacht werden. Wir betonen das Wort Seelenführer, denn wie wir noch später klarstellen werden, ist für eine erfolgreiche Erziehung ein Seelenführer unumgänglich, die heilige Beichte bei verschiedenen Beichtvätern genügt nicht für diesen Zweck.
Nicht daß erst unsere Zeit, die auf die Psychologie so eingestellt ist, darauf gekommen wäre, daß die Aufmerksamkeit auch kleinen Vergehen und Unvollkommenheiten zu widmen ist! So sagt Isidor von Sevilla, daß viele bei der Beichte aus großen Fehlern kleine machen, demgegenüber aber "auserlesene Männer“ wenn sie sich selbst ob ihrer kleinsten Fehler anklagen, diese nicht als klein, jedoch als groß angeben." 2) Peter von Blois (12. Jhdt.) "hat in seinem Buche sehr genau und gelehrt von der Beichte gehandelt, und seine Behauptungen auf die Überlieferung der Väter gestützt." Ein frommes Bekenntnis ist ein starker Trank, welcher Herz und Nieren durchforscht, bis zur Scheidung der Seele und des Geistes reicht, und die schädlichen Leidenschaften aus dem Marke saugt... Das wahre Bekenntnis ist genau und aufrichtig. „Derjenige, welcher beichtet, enthülle aber alle Umstände der Sünde: die Ursache, den Ort, die Zeit, die Weise und was immer das Maß der Schuld vergrößert. Kehre also dein Gewissen in emsiger Durchforschung um, durchspähe alle seine Winkel, und nichts bleibe in ihm undurchsucht. Durchbohre die Mauer, und die mit dem Inneren vertraut gewordene Durchsuchung wird die ungeheuren Abscheulichkeiten des Gewissens dir offenbaren... Wenn aber die Offenbarung der Todsünde so streng gefordert wird, so soll dadurch gegen die läßlichen Sünden keine Gleichgültigkeit erweckt werden. "Die läßlichen Fehler vernachlässige nicht, denn wer das Kleinste verachtet, sinkt allmählich, und fällt in Größeres. Was ist aber so läßlich. daß es nicht Furcht einflößen könnte, da wir von unnützen Worten und Gedanken Rechenschaft geben müssen.“ 3) Leider haben wir nicht mehr die Gewohnheit, über das Leiden Christi zu meditieren, ganz besonders über das, was er am Ölberg gelitten hat. Wer aber wenigstens die Gewohnheit hat, den Rosenkranz zu beten, oder ab und zu den Kreuzweg, der wird ganz bestimmt nicht von kleinen Sünden sprechen, denn er wird sich wohl bewußt sein, wie sehr der Heiland auch wegen dieser "kleinen" Sünden hat leiden müssen. Arzt und Priester waren und sind auch meistens noch bei Naturvölkern dieselbe Person. Im Laufe der Zeit erweiterte sich mit fortschreitender Fachkenntnis das Arbeitsfeld derartig, daß es nicht mehr möglich war, auf beiden Gebieten das zu leisten, was geleistet werden mußte. Infolgedessen trennten sich beide Berufe voneinander, wenn auch, da sich das Objekt und das Arbeitsfeld im wesentlichen deckt, gar manches nicht selten von beiden behandelt werden muß. Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, über die Pastoralmedizin zu sprechen, es muß aber betont werden, daß der Priester im vollen Sinn des Wortes Seelenarzt ist; und er sich schwer gegen seine Amtspflicht versündigt, wenn er seinen Verpflichtungen auf diesem Felde nicht nachkommt. Daß bei einer allgemeinen Beichte, den Notfall ausgenommen, der Priester sich unheimlich viel zu schulden kommen läßt, sollte für ihn eine bedenkliche Tatsache sein.
Aufgabe eines Erziehers ist es nicht, „sich Vergehende" zu bestrafen, aber beim Werden einer sittlichen Person behilflich zu sein, wie wir bereits früher angegeben haben. Es ist seine Pflicht, daß Christus in den Herzen der Anvertrauten gebildet werde, d.h., daß sie, soweit die menschliche Gebrechlichkeit es überhaupt gestattet, so zu denken, wie Christus denken würde, so sprechen, wie er sprechen möchte, das allein tun, was er tun würde. Ein Nichtfachmann kann sich gar keine Vorstellung machen von der Kompliziertheit dieser Aufgabe.
In der ersten Reihe wird es notwendig sein, die ganze Person in Gott als der ersten Ursache und dem letzten Ziele zu verankern. Nicht allein die Vernunft oder den Willen, sondern auch das "Herz“, besonders das Gefühlsleben, die Emotionen oder beinahe wörtlich übersetzt, die Gemütsbewegungen. Wir können uns hier nicht bei den verschiedenen Einteilungen aufhalten, die Klassifizierung ist überaus schwer, wir müssen uns mit der des hl. Thomas von Aquin begnügen, welcher ihrer elf zählt, auf welche die vielen anderen spezifisch verschiedenen zurückzuführen sind, und zwar: Liebe - Haß, Verlangen – Abneigung, Freude - Traurigkeit, Hoffnung - Hoffnungslosigkeit, Wagnis – Angst, Zorn. Das alles sind Kräfte, die unsere Gedanken Worte und Werke stark beeinflussen, welche von verschiedenen Reizen in Bewegung gesetzt werden. Wie schwer es ist, hierin das richtige Maß zu finden, es zu einer harmonischen Reaktion kommen zu lassen, alles Negative auszuschalten, davon überzeugen wir uns täglich. Nun ist aber die Beherrschung dieser Gemütsbewegungen nicht das Ergebnis der letzten Tage, sondern fordert eine langjährige Übung, welche in der ersten Kindheit beginnen muß, und bis zum letzten Augenblicke überwacht werden muß. Wie oft "Nichtse" unbeherrschbare Lagen hervorrufen können, sehen wir leider nur zu oft, und gar nicht selten kann es bis zu einer Katastrophe kommen. Welchen Erzieher überkommt nicht ein unheimliches Gefühl, wenn er in sein Leben zurückschaut und das bedenkt, was hätte geschehen sollen, und nicht geschah, und wie vieles geschah, was nie hätte geschehen sollen. Hieraus ist nun ersichtlich, wie wir es förmlich mit Verbrechen zu tun haben, wenn der Beichtstuhl vernachlässigt wird, und daß gerade das Gegenteil erstrebt werden muß, wenn überhaupt noch mit einer Wendung zum Besseren gerechnet werden soll. Dies gilt natürlich wie für den Beichtvater, so auch für die Beichtkinder. Wehe, wenn wir dem Beichtstuhl aus dem Wege gehen, wir fliehen vor der Werkstätte des Heiligen Geistes, denn hier ist nicht nur rein menschlicher Verstand an der Arbeit, sondern in der ersten Reihe der Heilige Geist. Wenn ein Beichtvater sich dessen nicht bewußt ist, nicht alles tut, was als entferntere und augenblickliche Vorbereitung notwendig ist, dann begeht er eine Sünde gegen den Heiligren Geist. Was das zu bedeuten hat, wird er meistens nicht mehr fähig sein zu erfassen; die tragischen Folgen werden sich eher sehr bald zeigen. Es ist aber auch eine Mahnung an die Beichtkinder, wie schon Alknin (gestorben 804) warnt: "Was löset die priesterliche Macht, wenn sie die Bande des Gebundenen nicht schaut? Das Wirken des Arztes muß aufhören, wenn die Kranken die Wunden nicht zeigen." 4) Das vierte Lateranische Konzil regelt die Beichtpraxis eingehend, nicht daß es hierin etwas neues einführen würde, sondern faßt nur bereits Bestehendes zusammen, und ermahnt den Priester, daß er „verständig und vorsichtig sei, und nach der Weise eines erfahrenen Arztes Wein und Öl in die Wunden des Verletzten gieße: fleißig sowohl des Sünders als auch der Sünde Umstände erforschend, wodurch er vernünftig einsehen kann, welchen Rat er ihm und was für ein Mittel er anwenden müsse, indem er verschiedenes zur Heilung des Kranken versuchen kann. Er hüte sich aber gänzlich, daß er nicht durch ein Wort, ein Zeichen oder auf was immer für eine Art den Sünder, inwiefern es immerhin geschehen mag, verrate: sondern, wenn er eines klugen Rates bedürftig, so suche er diesen, ohne irgendeine Bezeichnung der Person mit Vorsicht, denn wer sich unterfangen sollte, eine im Bußgerichte ihm entdeckte Sünde zu offenbaren, so beschließen wir“ - bemerkt das Konzil -, daß er nicht nur abgesetzt, sondern auch zur ewigen Bußtuung in ein enges Kloster verstoßen werden soll." 5)
Das Beichtgeheimnis kennt keine Ausnahmefälle und wurde nicht erst allmählich in das Leben der Kirche eingeführt, sondern bestand seit jeher. So fordert der 20. Kanon des Konzils von Dovin in Armenien das Anathema für den Priester, der das Beichtgeheimnis verletzen würde. 6) Dies sei hier nur deshalb betont, daß niemand sich fürchte seine Seele dem Priester zu öffnen. Auch denke niemand, daß er einer Belehrung in der heiligen Beichte nicht bedürfe. Die meisten heute, auch die sonst sehr Gebildeten, sind in Sachen des Heils sehr schlecht unterrichtet ~ und manchem ist das Urteil in Bezug auf gewisse Gegenstände durch irgend eine besondere Ansicht oder Leidenschaft korrumpiert. Wenn es der Einsicht eines jeden anheimgestellt würde, ob er noch der Belehrung bedarf, so würden gerade diejenigen wegbleiben, welche ihrer am meisten bedürfen. Wer keine eigentliche Belehrung nötig hat, kann doch der Erinnerung oder Ermahnung sehr bedürfen, hier kann nicht zu viel geschehen. Wäre die Beichte in einer Beziehung für ihn nicht notwendig, so ist sie es in einer anderen. Jeder bedarf der Übung der Selbstkenntnis, der Demut etc.“ 7) Es gilt aber als sicher, daß niemand so leicht auf den Gedanken käme, er bedürfe der Buße und Belehrung nicht, wenn heiligmäßige Priester, etwa wie ein hl. Pfarrer Vianney im Beichtstuhle sitzen würden. Denn bei welchem Menschen treten keine Probleme auf dem moralischen Gebiete ein! Von der Verpflichtung des Beichtvaters, sich eingehend über den Zustand des Beichtkindes zu informieren, haben wir bereits gesprochen.
Zu Beginn des neunten Jahrhunderts betont Nicephorus Chartophylax die aszetisch-wissenschaftliche Vorbereitung des Beichtvaters, über welche wir bereits gesprochen haben, und sagt, dieses Amt sei jenen Mönchen übertragen,... welche geprüft sind, und anderen nützlich sein können: denn Unerfahrenen und Ungelehrten haben sie nichts dergleichen gestattet. So wie man aber bei den Ärzten des Leibes den Geschicktesten wählt, so soll man bei denen der Seele ein Gleiches zu tun nicht versäumen, zwar nicht als heilten sie allein in Kraft ihrer Wissenschaft, indem gesagt ist, daß sie es Kraft der von Gott (Matth.16~18) verliehenen Macht tun, sondern weil neben dem opus operatum des Sakramentes, das Benehmen des Beichtvaters, wie jenes des Sünders (das zwiefache opus operantis) von Wichtigkeit ist, inwiefern nämlich der Sünder alle Hindernisse der Gnade aus dem Wege zu räunen sich vorbereiten und ein verständiger erfahrener Mann der Vorbereitung und Disposition des Sünders nachhelfen, und die geeignete Buße und Verwahrungsmittel wider die Sünde vorschreiben kann. Darum soll man sich einen Mönch von vieler Erfahrung und großer Kenntnis der Canones' der aber nebst diesem die Priesterwürde hat, aufsuchen." 8)
Aus all dem bereits Gesagten geht untrüglich hervor, um welch wichtige Einrichtung es sich bei der hl. Beichte handelt. Ja wir müssen sagen, wenn von diesem natürlichen und übernatürlichen Heilmittel öfters und besser Gebrauch gemacht worden wäre, würde auch die Welt anders ausschauen, selten konnten wir jene Zerrbilder vom entstellten Menschentum sehen, wie sie leider heute - beinahe alltäglich geworden sind. Doch darf uns diese Tatsache nicht überraschen. Der Heiland selbst und der hl. Apostel Paulus im besonderen mahnt: "Wisse, daß für die letzten Tage schwere Zeiten bevorstehen. Da werden die Menschen selbstsüchtig sein, geldgierig, prahlerisch, hochmütig, schmähsüchtig, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos; lieblos, treulos, verleumderisch, zügellos, grausam, gemein, verräterisch, frech, aufgeblasen, sie werden die Lust mehr lieben als Gott, sich den Schein der Frömmigkeit geben, aber deren Kraft vermissen lassen." (2Tim. 3,1-5) - - - aber „Sünden werden sie keine haben“, so daß ihnen ein allgemeines Bekenntnis und eine allgemeine Lossprechung genügen wird!
Der hl. Theodor von Studion (8.-9.Jhdt.) ist besser belehrt als die „mündigen Christen“, wenn er fordert: "Häufig wollen wir uns des Bekenntnisses bedienen, weil die häufige Beichte zügelt, daß man nicht sündige." 9) Wer von den Lesern hat nicht an einem Konzert teilgenommen! Wie häufig mußte da der Künstler bei seinem Auftreten seine Geige stimmen. Ähnlich ist es mit uns, so leicht sind wir verstimmt! Wenn wir unsere Gedanken, Worte und Werke überprüfen, und als Kriterium den Dreiklang des Wahren, Guten und Schönen nehmen, wie werden wir da nur unsere Lebensäußerungen werten müssen! Sind wir stets aufrichtig gewesen? Um aufrichtig zu sein, ist es nicht notwendig, jede Wahrheit allen zu sagen, wohl aber denen, die wirklich ein Anrecht darauf haben, sie zu wissen, wie z.B. Eltern oder Vorgesetzte. Sind wir gut gewesen, d.h. haben wir in allem die spezifische Vollkommenheit vor Augen gehabt und nach den, wenn auch schwachen menschlichen Kräften alles getan um diese bei uns und bei den anderen zu erreichen? Sind wir edel gewesen in unserem Benehmen, haben wir dieses oder jenes nicht unter der Würde eines Kindes Gottes gesehen? Wenn wir Kinder eines irdischen Königs wären, so würden unsere Erzieher an uns herantreten und sagen: „Das darfst du nicht tun, das schickt sich nicht für ein Königskind.“ Nun sind wir Kinder eines Königs, des Königs des Himmels und der Erde, vor dem alle irdischen Könige nichts sind, und wie benehmen wir uns! Ein jeder von uns denke nur an den vergangenen Tag! Wenn wir uns so schlampig waschen würden, wie wir unser Gewissen erforschen und unsere Sünden bekennen, wie möchten wir da ausschauen! Benützen wir doch, so lange wir noch Zeit haben, den Beichtspiegel!
ADAM, WO BIST DU?
Fußnoten:
1. Die Kirchenväter, Kempten 1832, Band 6, Von den Abtrünnigen S.84 f. 2. Klee, Die Beichte, S. 128. 3. op. Cit. 178-179 4. op. cit. 144 5. op. cit. 189 6. Hefele-Leclerq' Histoire des conciles, II-2, 1079. 7. Klee, op.cit. 29. 8. op. cit. 154 9. op. cit. 159
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