Der hl. Ambrosius
Von Heinrich Storm
"Seht, das ist der Hohepriester, der in seinen Tagen Gott gefiel. Keiner fand sich, der gleich ihm gehütet das Gesetz des Allerhöchsten." (Ekkli. 44,46 u. 20)
Mit diesen erhabenen Worten preist die Liturgie der Kirche am 7.-Dezemberteinen der größten unter ihren Vätern und Lehrern? den hl. Ambrosius.
Als Ältester der großen lateinischen Kirchenlehrer wurde er im Jahre 339 zu Trier geboren. Sein Vater, Aurelius Ambrosius, der einem alten und angesehenen stadtrömischen Adelsgeschlecht entstammte, bekleidete als Praefectus praetorio für Gallien eine der höchsten Beamtenstellen des römischen Reiches. Die Familie war seit langem christlich und zählte sogar mit Stolz eine Märtyrerin, die hl. Sotheris, zu ihren Vorfahren.
Nach dem frühen Tod des Vaters zog Ambrosius' Mutter mit ihren drei Kindern - neben dem späteren Heiligen noch ein Knabe, Satyrus, und ein Mädchen, Marcellina - zurück nach Rom. Sobald er das entsprechende Alter erreicht hatte, wandte Ambrosius sich dort dem rethorischen und juristischen Studium zu und erlernte die griechische Sprache, um danach, wie es seiner Ausbildung, der Tradition seiner Familie und seinem Interesse entsprach, die Staatslaufbahn einzuschlagen. Dem Ansehen des väterlichen Namens, aber wohl ebensosehr seinen großen Fähigkeiten hatte er es zu verdanken, daß er sehr rasch in höhere Ämter aufstieg. Schon 370 wurde ihm die Konsularwürde verliehen, und 374 zog Ambrosius als Statthalter von Ligurien und der Emilia in Mailand ein. Da er sich auch dort schon bald einen Namen machte ob seiner Unparteilichkeit, unbestechlichen Gerechtigkeit und untadeligen Lebensführung, schien ihm eine weitere glänzende weltliche Lautbahn gewiß.
Doch schon dasselbe Jahr 374, das den Amtsantritt Ambrosius in Mailand sah, brachte die große Wende in seinem Leben. Man kann zwar nicht wie etwa beim hl. Augustinus, von einer Bekehrung des hl. Ambrosius sprechen, denn schon seit seiner Kindheit und Jugend bekannte er sich zum Christentum, wenn er auch, einem damals verbreiteten falschen Verständnis dieses Sakramentes zufolge, noch nicht getauft war. Wohl aber änderte sich die Richtung seines Lebensweges durch ein Ereignis, indem man wohl unmittelbares göttliches Eingreifen sehen darf, vollkommen:
Der Arianer Auxentius, der den Mailänder Bischofsstuhl usurpierte, war gestorben und um seine Nachfolge stritten sich Rechtgläubige und Arianer erbittert. Als es deswegen in einer Versammlung zu Gewalttätigkeiten zu kommen drohte, und Ambrosius, um den Aufruhr zu schlichten, als Vertreter der öffentlichen Gewalt eine Ansprache an das Volk richtete, rief plötzlich eine Kinderstimme: "Ambrosius Bisohof!" Daraufhin bekundete die versammelte Menge, Katholiken wie Häretiker, in einer plötzlichen Erleuchtung einmütig ihren Willen, den Statthalter zum Bischof zu machen. Dieser schrak zunächst vor der Annahme des hohen Amtes zurück und versuchte mit drastischen Mitteln, der ihm angetragenen Bürde zu entgehen. Nachdem es ihm mißlungen war, durch einige ungerechte Urteile und das Einladen übel beleumdeter Frauen in sein Haus seine Unwürdigkeit herauszustreichen, unternahm er zwei Fluchtversuche, die aber ebenso scheiterten. Erst jetzt war Ambrosius bereit, in der Unausweichlichkeit seiner Lage die göttliche Berufung zu erkennen: Innerhalb von acht Tagen empfing er die Taufe, Priester- und Bischofsweihe und wandte von nun an die gleiche oder noch mehr Willensentschlossenheit dem neuen Amte zu, die er vorher auf dessen Ablehnung gerichtet hatte.
Mit dem erzbischöflichen Stuhl von Mailand war Ambrosius eine große Verantwortung nicht nur für sein Bistum, sondern darüber hinaus für das Wohl der Gesamtkirche zugefallen. Mailand war als Kaiserresidenz politisch die bedeutendste Stadt im Westen des römischen Reiches, und die rechtgläubige oder aber häretische Einstellung seines Bischofs mußte daher Auswirkungen auf die Religionspolitik der Kaiser und damit auf das ganze Reich haben. Ambrosius nun ließ von Anfang an keinen Zweifel an seiner Haltung: entgegen den Hoffnungen der an seiner Wahl beteiligten Arianer verlangte er, von einem katholischen Bischof geweiht zu werden, und trat in der Folgezeit in aller Entschiedenheit für die Alleinberechtigung des in Nicaea definierten, einzig wahren katholischen Glaubens ein. In diesem Sinne richtete er an das weltliche Oberhaupt den Aufruf: "Obwohl alle Menschen, die unter römischer Herrschaft stehen, euch Kaisern und Fürsten der Welt dienen, so dient ihr selbst dem allmächtigen Gott und dem hl. Glauben. Denn es gibt nur ein dauerhaftes Glück, wenn jeder den wahren Gott, d.h. den Gott der Christen aufrichtig verehrt. Er allein ist der wahre Gott, der aus tiefstem Herzen verehrt wird. Denn die Götter der Heiden sind Dämonen, wie die Schrift sagt."
Zweier Gegner hatte sich Ambrosius in seinem Kampf für den katholischen Glauben und dessen unabdingbaren Wahrheitsanspruch zu erwehren: Der Anhänger des arianischen Irrglaubens und der letzten einflußreichen Vertreter des aussterbenden Heidentums. Das letztere fand in Symmachus, dem Haupt der heidnischen Senatspartei einen beredten Fürsprecher. Zweimal versuchte dieser, mit einschmeichelnden Worten den Kaiser zu einer weiteren staatlichen Förderung oder zumindest Duldung des heidnischen Götterkultes zu bewegen: "Friede für die Götter unserer Väter, unsere angestammten Gottheiten, ist die einzige Gnade, um die wir bitten ... Wir betrachten dieselben Sterne, denselben Himmel, der über uns auegespannt ist, dasselbe Weltall, das uns umschließt. Was verschlägt es doch, mit welchen Gedankengängen ein jeder die Wahrheit sucht? Nicht ein Weg allein führt zum großen Geheimnis der Natur."
Das heidnische Ansinnen scheiterte, nicht zuletzt deshalb, weil Ambrosius in unbeirrbarer Schärfe und Deutlichkeit den Kaiser an seine Pflichten gemahnte: "Die Götter der Heiden sind Dämonen, wer dem wahren Gott dient, darf weder heucheln noch falsche Rücksicht üben, sondern muß ihm all seinen Eifer und mit Ergebenheit beweisen. Ist er von diesem Gefühle nicht beseelt, so darf er dem Kult der Idole und ihren Zeremonien zum Mindesten äußerlich nicht zustimmen, denn Gott, vor dem das Innere der Herzen offen liegt, vermag niemand zu täuschen."
Die Auseinandersetzung mit der arianischen Sekte erreichte ihren Höhepunkt, als die arianisch gesinnte Mutter zweier Kaiser, Justina, von Ambrosius die Herausgabe einer Basilika für den Kult der Häretiker verlangte. Dem widersetzte sich der heilige Bischof mit der aüßersten Entschlossenheit. Der ungerechten Forderung hielt er entgegen: "Keineswegs steht dir (Justina) die Befugnis zu, auch nur das Haus eines Privatmannes anzutasten, wie kannst du dann wähnen, du dürftest ein Gotteshaus wegnehmen?" Auf die Gewaltandrohung der Kaiserin antwortete er mit der freudigen Bereitschaft, für den Altar das Leben hinzuopferen."
Das großartige Beispiel des Bischofs fand begeisterten Widerhall in seiner treuen Gemeinde, deren Standhaftigkeit, wie der Geschichteschreiber Rufin von Aquileja schreibt, "so groß war, daß sie lieber ihr Leben als ihren Bischof verlieren wollte." Die Macht der Kaiserin zerbrach an der moralischen Kraft der Gläubigen, voran ihres Bischofs, und die von ihr ausgesandten Soldaten traten zwar in das Gotteshaus, das sie beschlagnahmen sollten, ein, aber nicht, um ihre Waffen gegen die dort versammelten Katholiken zu erheben, sondern um sich mit ihnen im Gebet zu einen.
Der Sieg Ambrosius über Justina bedeutete nicht nur die erfolgreiche Abwehr der arianischen Sekte, sondern war zugleich ein gewonnener Streit für die Freiheit der Kirche, ihre Unabhängigkeit von jeder weltlichen Macht, um die sich der Heilige damit über Jahrhunderte hinweg verdient machte. Er war es, der den Satz prägte, der Kaiser, der Inhaber der höchsten weltlichen Macht, stehe "innerhalb der Kirche, nicht über ihre", und der mutig bekannte: "Sollen wir in einer Art knechtischer Verehrung vor dem Thron solche Bücklinge machen, daß wir auf unser bischöfliches Recht vergessen und anderen überlassen, was Gott uns anvertraut hat?" Ambrosius sah die Kirche nicht als Dienerin der weltlichen Macht, sondern als ihr strenges unüberhörbares Gewissen an. Beispiel gebend war sein Verhalten gegenüber Kaiser Theodosius: :
Als einem im Zorn übereilt gefaßten Fehlurteil dieses Kaisers, der sonst ein eifriger und frommer Förderer des katholischen Glaubens war, 390 in Thessaloniki mehrere Tausend Menschen zum Opfer fielen, brach Ambrosius sofort die kirchliche Gemeinschaft mit ihm ab und forderte ihn auf, als öffentlicher Sünder Buße zu tun: "Wenn der Priester zu dem Fehlenden nicht spricht: du hast gefehlt, so wird der Fehlende in seiner Sünde sterben und der Priester die Schuld der Strafe tragen müssen, weil er den Fehlenden nicht zurechtgewiesen hat. (...) Du bist Mensch, und als Mensch stehst du unter der Sunde... Die Sünde läßt sich nicht tilgen als durch Tränen und Buße." Das klare und harte Wort des Bischofs hatte Erfolg: Theodosius leistete in tiefer Reue die von der Kirche vorgeschriebene Buße für seine Tat.
395, nach dem Tode des Kaisers, konnte Ambrosius in seinem Nachruf mit rühmenden Worten auf dieses denkwürdige Ereignis hinweisen: "Ich habe den Mann geliebt, der mehr dem Tadler als dem Schmeichler beipflichtete: er legte allen königlichen Schmuck ab, den er zu tragen pflegte, beweinte öffentlich in der Kirche seine Sünde, die ihn auf das trügerische Zureden anderer übermannt hatte, und flehte unter Seufzern und Tränen um Vergebung. Wessen gewöhnliche Leute sich schämen, dessen schämte sich der Kaiser nicht: öffentliche Buße zu tun."
Die Auseinandersetzung mit Theodosius zeigt bei allem Verantwortungsbewußtsein, das er für die öffentlichen Belange empfand, sehr deutlich, was Ambrosius in erster Linie war und sein wollte: Hirte, Lehrer und Seelenführer der ihm anvertrauten Menschen. Das geeigneteste Mittel dazu war ihm das gesprochene Wort. So versuchte er in seinen Predigten, mit machtvoller Stimme in den Menschen das Bewußtsein ihrer Würde, aber auch ihrer Verpflichtung zu wecken: "Bild also bist du, o Mensch, ein Bild aus der Hand deines Gottes. Einen guten Künstler und Bildner hast du. Zerstöre das schöne Bild nicht, das nicht von Schein, sondern von Wahrheit strahlt, nicht von Wachs, sondern von der Gnade geprägt ist."
Der Ruhm des heiligen Ambrosius als Prediger drang bald über die Grenzen seiner Diözese hinaus, von weither kamen die Menschen, um ihn zu hören, wie er wahrhaft vom Hl. Geist erleuchtet, die Schrift erklärte und die Geheimnisse des Glaubens aufschloß. Wer könnte besser Zeugnis für Ambrosius' Größe als Prediger ablegen als der hl. Augustinus' der durch seine Reden bekehrt wurde: "Oft vernahm ich mit Freude, wie Ambrosius auf’s angelegentlichste als Richtschnur den Satz empfahl: 'Der Buchstabe tötet, der Geist aber macht lebendig.' (2. Kor. 3,6) Wenn er von einer Stelle, die dem Buchstaben nach nur Verkehrtes zu lehren schien, den Schleier des Geheimnisses hinwegzog und ihren geistigen Inhalt aufschloß, so lag in seinen Worten nichts, woran ich mich hätte stoßen können, obgleich er doch Dinge sagte, deren Wahrheit mir noch gar nicht einleuchtete."
Mit besonderer Begeisterung warb der heilige Bischof für das Leben der gottgeweihten Jungfräulichkeit: "Wer wollte denn leugnen, daß dieses Leben dem Himmel entströmte? Schwerlich finden wir es auf Erden, bevor nicht Gott in diesem Erdenleib sich niederließ. Da empfing die Jungfrau im Schoße und das Wort ward Fleisch, auf daß das Fleisch Gott wurde."
Harte Worte des Tadels fand er deshalb für die Eltern, die ihren Kindern um einer Heirat willen das Gelöbnis der Jungfräulichkeit verwehren wollten: "Wenn eure Töchter einem Menschen ihre Liebe schenken wollen, so können sie kraft des Gesetzes nach ihrem Belieben einen erwählen. Wenn sie aber einen Menschen erwählen dürfen, sollten sie Gott nicht erwählen dürfen?"
Durch die Predigt des hl. Ambrosius entstanden in Mailand als erster Stadt im Westen des Römischen Reiches klosterähnliche Zusammenschlüsse von Jungfrauen; der Heilige ist daher unter die großen Förderer und Wegbereiter des lateinischen Mönchtums zu rechnen.
Auch die lateinische Liturgie verdankt seinem Wirken eine Verschönerung und Bereicherung. Als nämlich auf dem Höhepunkt des Streites mit Justina das Volk tagelang mit seinem Oberhirten in der Basilika ausharrte, lehrte es Ambrosius, Hymnen und Psalmen nach orientalischem Vorbild zu singen, "darmit es", wie Augustinus berichtet, "nicht in überlanger Trauer sich verzehre." Auf diese Weise hielt der Kirchengesang Einzug in die westliche Liturgie. Der hl. Ambrosius selbst hat der Kirche einige herrliche Hymnen geschenkt, von denen vor allem das "Te Deum" das Andenken seines Namens durch seine Bezeichnung als "Ambrosianischer Lobgesang" ehrt.
Der Heilige war aber nicht nur ein Mann des tröstenden, belehrenden und ermahnenden Wortes, sondern in hohem Maße auch der helfenden Tat. "Mit allen teilt der Priester die Gefahren, mit allen Schuldbeladenen die Sorge. Was andere leiden, trägt er mit, und zweimal fühlt er sich von Gefahren frei, wenn andere, die darin schmachteten, davon frei werden." Diesem priesterlichen Ideal lebte er mit aller Kraft. Seine Türe stand Armen und Reichen ohne Unterschied offen. Wie sehr er von Bittstellern und Ratsuchendon in Anspruch genommen wurde, davon gibt uns wiederum Augustinus eine Vorstellung, wenn er die Unmöglichkeit schildert, zu einem längeren Gespräch mit dem Bischof zugelangen: "Ich konnte ihn ja nicht fragen, da Scharen geschäftiger Menschen, denen er in ihrer Schwachheit aufhelfen wollte, mich von seinem Ohr und seinem Munde trennten. Die Augenblicke, in denen er allein war, nahm er entweder die notwendige Nahrung zu sich oder er erholte sich durch Lesung."
In reichem Maße übte Ambrosius auch materielle Werke der Nächstenliebe. Gleich bei seinem Amtsantritt verkaufte er die väterlichen Besitzungen und verschenkte den Erlös an die Armen. Später scheute er sich nicht, zum Loskauf christlicher Gefangener aus den Händen der Barbaren und zur Linderung ärgster Not sogar kirchliches Gerät einzuschmelzen. Gegen seine Kritiker wehrte er sich mit den Worten, "es sei zweckdienlicher gewesen, die Seelen als das Gold dem Herrn zu bewahren." Die Fruchtbarkeit von Ambrosius' äußerem Wirken ist nicht zu erklären ohne ein reiches inneres Leben, ein Leben der Abtötung und der Versenkung in Gott. "Tag und Nacht oblag er ohne Unterlag dem Gebet", heißt es bei Paulinus, dem ersten Biographen des Heiligen. So löste sich, obwohl er bis zum Ende seinen Leib aufarbeitete im Kampf um das leibliche und seelische Wohl seiner Gläubigen, sein Geist mehr und mehr von den Sorgen dieser Erde, um von der Sehnsucht nach der Ewigen Heimat erfüllt zu werden. Seinem irdischen Ende, das er um Monate voraussah, ging er daher mit großer Gelassenheit entgegen. Als er schon auf dem Sterbebett lag, antwortete er einer Abordnung, die ihn darum bat, den Herrn um eine Verlängerung seines Lebens anzugehen: "Ich habe nicht so unter euch gelebt, daß ich mich zu leben schäme, noch auch fürchte ich den Tod, denn wir haben einen gütigen Herrn." Fünf Stunden lang lag er an seinem Todestag mit ausgebreiteten Armen betend auf seinem Lager, indem er so das Kreuz des Erlösers nachahmte. In der Morgendämmerung des Karsamstags des Jahres 397 konnte er seinem geliebten Herrn, mit Dessen heilbringender Passion er seinen Todeskampf vereinigt hatte, entgegengehen in die österliche Herrlichkeit der Auferstehung. So arm, wie er gelebt hatte, starb er auch, und er hinterließ nichts, was er in dieser Welt sein eigen nennen konnte, so daß er als armer Soldat dem Herrn Jesus Christus entgegengehen konnte, Ihm, der um unseretwillen arm geworden ist, damit wir durch Seine Armut reich würden." (2 Kor. 8/9)
Literatur:
"Der hl. Ambrosius in: "Heilige der ungeteilten Christenheit" (Düsseldorf 1967) Franziskus M. Stratmann: "Die Heiligen und der Staat III", (Frankfurt 1950)
"Des hl. Kirchenlehrers Ambrosius ausgewählte Schriften" in Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 17,21 und 32 (Kempten und München 1914, 1915, 1917)
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