Ein Bischof tritt für die tridentinische Messe ein
Radio-Ansprache des Hochw. Herrn Bischofs von Campos, Antonio Castro Mayer, Brasilien, vom 27. November 1971
Aus dem Englischen übersetzt von G. Mevec
Anmerkung des Übersetzers:
Das Folgende enthält einige formale Hinweise darauf ~ daß die Trident. Messe durch Promulgation der "Neuen Messe" nicht aufgehoben wurde. Die inhaltliche Seite des Problems zu lösen, wäre Aufgabe einer detaillierten Untersuchung der theologischen Grundlage des Novus Ordo. Sie müßte zeigen, aus welchen Gründen der N.O.M. keine katholische Messe ist und daher die Tridentinische Messe gar nicht ablösen kann. Ein solche Untersuchung legte Kardinal Ottaviani 1969 unter dem Titel "Kurze kritische Untersuchung des N.O.M.“ vor. Ein enger Mitarbeiter des Hochw. Bischofs v. Campos hat eine sehr eingehende Studie zu dieser Problematik veröffentlicht: "Theologische und moralische Implikationen des No.O.M.“.
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Geliebte Zuhörer! Die Kirche durchlebt gegenwärtig eine ihrer schlimmsten Krisen. Paul VI. hatte zweifelsohne Rocht, als er die Situation als die der 'Selbstzerstörung' klassifizierte, d.h. eine Zerstörung, die von den Mitgliedern der Kirche selbst vorangetrieben wird. Ein gewisser Vorgang veranlaßt die ganze Welt, ihre Augen auf die Kirche zu richten. Und wie es sich zumeist zuträgt, ergeben sich durch das von den Personen vollzogene Sehen von Problemen gewisse Einzelheiten, die eine angemessene Perspektive jener Tatsache darstellen, die wir zu verstehen trachten.
Was sich bei vielen Anlässen jüngeren Datums in der Kirche ereignete - z.B. bei der Bischofssynode, deren Folgerungen viele in Verwirrung stürzte, ereignet sich im Wesentlichen auch bezüglich der Heiligen Messe. Wir sagen 'im WesentIichen', denn die Messe ist das Zentrum des Christentums, sie gibt ihm das eigentliche Leben und macht es zu einem authentischen. Gerade aus diesem Grunde erachtete es Luther bei seinem Plan, die römische Kirche zu erschüttern, als den ersten Punkt, die Messe anzugreifen. Heute wenden viele Personen ihre Aufmerksamkeit der Messe zu, denn es besteht eine Resolution des Heiligen Stuhls, in Übereinstimmung mit welcher von morgen ab (28. Nov. 1971; Anm. d. Übers.) d.i. der erste Adventssonntag, die traditionelle Messe (Pius V. ) nicht mehr zu feiern ist. Dies ist der päpstliche Erlaß, der von all jenen hervorgehoben wurde, die an der Abschaffung der Messe des hl. Pius V. interessiert sind. Sie betonten das Bestehen dieses Erlasses auf eine Weise, die verhindern sollte, daß die Tatsachen gesehen werden, die den Erlaß selbst fraglich machen.
Aus diesem Grunde und damit Sie, geliebte Zuhörer eine genaue Vorstellung des Sachverhaltes erhalten, möchten Wir, wenn auch nur in einer Deklaration, zeigen, daß das die neue Messe betreffende päpstliche Dokument in keiner Weise die Messe des hl. Pius V. abschafft! und daß dieselbe daher im Rahmen der bestehenden kirchlichen Gesetze sehr wohl weiterhin gefeiert werden darf.
Das erste Dokument zur 'Neuen Messe' stammt vom 30 April 1969. Es ist die sog. 'Constitutio' des 'Römischen Missale', in welchem die neue Meßordnung promulgiert wird. Als Erlaß sollte es zum Advent 1969 in Kraft treten. Doch verschob Paul VI. das Inkrafttreten des Erlasses um zwei Jahr auf den 28. Nov. 1971. Zu diesem Zeitpunkt sollte die ‚Neue Messe' verpflichtend werden. Zur gleichen Zeit erlaubte Paul VI. der Geistlichkeit, fortzufahren, die Messe nach dem Ordo des hl. Pius V. zu feiern. Später als dann die heilige Ritenkongregation den Text der 'Neuen Messe' promulgierte (26.3.1970), wurde der vormals gesetzte Stichtag des 28. Nov. 1971, garnicht mehr erwähnt. Das Einzige, was damals bemerkt wurde, war, daß die Bischofskonferenz; nachdem ihr viele der landessprachlichen Übersetzungen vorgelegt worden waren, die wiederum vom Hl. Stuhl genehmigt werden sollten, dann einen Stichtag festsetzen würde, an dem das neue Missale in kraft treten würde. Danach brachte dieselbe heilige Ritenkongregation ein neues lateinisches Lektionar heraus. Es war mit dem 30. Sept. 1970 datiert. Auch darin wurde der 28. Nov. 1971 nicht mehr erwähnt. Am 60 Juli 1971 veröffentlichte der Osservatore Romano eine Notiz darüber, was festgesetzt worden war. Auch diese Notiz erwähnte den 28. Nov. 1971 nicht mehr. Daraus dürfte klar sein, daß erst, nachdem die landesprachlichen Übersetzungen vom Hl. Stuhl genehmigt worden sind, die Bischofskonferenzen den Tag bestimmen könnten, an dem die liturgischen Texte in kraft treten sollten.
Daraus ist ersichtlich, daß der 'Heilige Stuhl', nachdem er den 28. Nov. 1971 notiert hatte, es doch verzog, nicht auf dieses Datum zu insistieren, sondern den Stichtag, an dem die 'neue Messe' verpflichtend eingeführt werden sollte, unentschieden zu lassen. Außerdem wurde die Verpflichtung zum Novus Ordo von der Fertigstellung der landessprachlichen Übersetzungen der 'Messtexte' und von deren Anerkennung durch Rom abhängig gemacht.
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben wir hier in Brasilien:
1. Nur die vorläufigen Übersetzungen,
2. die Gegenstand heftiger Kritik seitens der Bischöfe, der Priester und Laien gewesen sind;
3. weswegen eine offizielle Kommission von Übersetzern die erste Version überarbeiten wird, um Fehler zu korrigieren und die durch die Kritik vorgebrachten guten Vorschläge in die Übersetzung einzuarbeiten,
4. in ihrer Mitteilung vom Sept. 1971 wies die brasilianische Bischofskonferenz darauf hin, daß die Überarbeitungen der ersten Übersetzung das ganze Jahr 1972 in Anspruch nehmen würden.
Daraus ergibt sich, daß es der Bischofskonferenz erst nach Ablauf des Jahres 1972 möglich sein wird, einen Tag festzusetzen, an dem die 'Neue Messe' in Kraft treten soll. Auf der anderen Seite kann es dennoch nicht als selbstverständlich angesehen werden, daß die Konferenz, bezüglich sakraler Angelegenheiten, einen Text vorschreiben will, dessen Fehler und Mängel erkannt sind.
Wir können jedoch darauf hinweisen, daß der 28. Nov. dieses Jahres (gemeint ist 1971) Anm. d. Übers.) endgültig nicht in Frage kommt. Daher kann jeder Priester innerhalb der rechtsgültigen Regelung beruhigt fortfahren, die Messe des hl. Pius V. zu zelebrieren.
Betrachten wir die positive Seite der zur 'Neuen Messe' vorliegenden offiziellen Texte, so ergibt sich folgende Sachlage: Zunächst erhebt sich die Frage, ob diese Dokumente (zum Novus Ordo) die Messe des hl. Pius V. abschaffen. Verbieten sie das Zelebrieren der traditionellen Messe? Letzteres wäre die negative Seite der mit dem Novus Ordo ergangenen offiziellen Akte.
Auf den ersten Blick scheint es tatsächlich, als sei die Messe des hl. Pius V. aufgehoben. Diese Tatsache wird besonders von jenen hervorgehoben, denen daran gelegen ist, die traditionelle Messe ein für alle Mal zu begraben. Aus diesem Grunde wird ein Aspekt der Sachlage in einer Weise betont, als ob eine bindende Entscheidung in dieser Angelegenheit schon ergangen sei.
Die richtige Antwort auf die von uns formulierten Fragen erfordert jedoch, daß das gültige kanonische Recht in Betracht gezogen werde. In Übereinstimmung mit diesem Recht kann ein Brauch, der entweder hundert Jahre alt ist, oder seit Gedenken in der Kirche gepflegt wurde, nicht als abgeschafft angesehen werden, es sei denn, er wurde expressis verbis untersagt (vgl. Can. 30).
Nun ist der Gebrauch der traditionellen Messe des Hl. Pius V. viel älter als hundert Jahre. Er ist sogar älter als ein Millennium. Denn schon im 6. Jahrhundert wurde! die hl. Messe in einer Weise zelebriert, wie sie in Übereinstimmung mit dem :Ordo Pius V. heute noch zelebriert wird.
Außerdem hat kein offizielles Dokument bezüglich der "Neuen Messe" die tridentinische Messe ausdrücklich untersagt. Daher ist die Zelebration dieser Messe weiterhin erlaubt. Niemand kann daher einen Priester rügen, weil er fortfährt, die Messe nach dem Ordo des Hl. Pius V. zu zelebrieren.
Man könnte uns fragen, warum wir so beharrlich der traditionellen Messe anhangen? Dies möchten wir, wie folgt, erklären:
Pius V. setzte den Messritus fest, bewahrte aber den bis dahin überlieferten Ritus. Er verbot Hinzufügungen und Abstriche (wie sie manchmal vorgenommen worden waren), um der Verbreitung eigenmächtiger Änderungen Einhalt zu gebieten. Denn diese Änderungen erweiterten den Spielraum, durch welchen lutherische Neuerungen in die Kirche eingeschleust wurden, die den heiligen Ritus auf eine Weise verfälschten, daß er seinen Charakter als Sühneopfer verlieren und dadurch ungültig würde. Es ist also sicher, daß die Messe des Hl. Pius V. eine Barriere gegen die Häresie ist.
Die Protestanten haben behauptet und behaupten noch, daß allen Gläubigren priesterliche Funktion zukommt und der Priester somit keine besondere priesterliche Mission habe.
Die Messe des Hl. Pius V. bestimmt in einfacher Weise den Unterschied zwischen dem zelebrierenden Priester, der das Opfer vollzieht und den Laien, die sich mit dem Priester, jedoch in einer untergeordneten Stellung, vereinigen, um an dem Opfer teilzuhaben.
Die Protestanten haben geleugnet, daß die Messe ein wahres Opfer sei. Für sie war es ein einfaches Mahl. Die Messe des HI. Pius VO besteht jedoch entschieden darauf, daß sie ein wahres Opfer darstellt.
Auch haben die Protestanten geleugnet und leugnen es noch, daß die Messe ein Sühneopfer ist. Als Maximum akzeptieren sie, daß es sich bei der Messe um eine opfernde und gnadenvolle Handlung dreht.
Da die Messe des Hl. Pius VO den unveränderlichen Sühnecharakter der Messe betont, stellt sie schon dadurch einen Schutzwall gegen die Häresie dar. Darin liegt der verständliche Grund für das Festhalten an der wahren Messe aller Gläubigen, die die Kirche und Jesus Christus lieben; denn die Liebe und das Festhalten an der Lehre und der Offenbarung Jesu Christi ist das wahre Zeichen der Liebe für Christus, der uns sagte: "Wer mich liebt, wird mein Wort halten." (Jo. 14,23). 1)
In diesem Sinne verstehen wir die Frage des französischen Schriftstellers Louis Salleron, die er in der Zeitschrift 'Carrefour' am 14.7.71 stellte: "Sollte es möglich sein, die jenige Messe zu verbieten, die seit Anbeginn die traditionelle Messe war und die im 16. Jhdt. in voller Übereinstimmung mit dem tridentinischen Konzi1 festgesetzt wurde und dessen jahrelange Bemühungen mit der Festsetzung des Dogmas bezüglich der Eucharistie abgeschlossen wurden?"
Uns scheint das Verbot dieser Messe unmöglich. Der 'Heilige Stuhl' hat sie bislang auch nicht verboten. Aus diesem Grunde ist es allen Priestern in voller Übereinstimmung mit der Kirche erlaubt, weiterhin die traditionelle Messe des Hl. Pius V. zu zelebrieren.2)
Anmerkungen: 1) Durch die wahre Messe und den Empfang der Heilsfrucht, die uns darin geschenkt wird, erfüllt sich das Wort des Herrn. "Wer mein Blut trinkt und mein Fleisch ißt, der hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am jüngsten Tag." Mit der Messe halten wir also am ewigen Leben fest. Um uns in diesem Festhalten zu unterstützen, sollten wir' soweit das dem Einzelnen möglich ist, auch die Gründe kennen, warum wir die Neuerungen nicht annehmen wollen und können.
2) Wir möchten darauf hinweisen' daß wir mit der Bezeichnung ‚Hl. Stuhl' und einer legitimen Autoritätsausübung durch Paul VI. als Inhaber dieses Stuhles, wie der H.H. Bischof sie in seiner Ansprache voraussetzt, nicht übereinstimmen. Denn spätestens die Promulgation, Einführung der neuen 'Messe' in der Diözese Rom und ihre Anwendung durch Paul VI. haben klar gemacht, daß eine legitime Autoritätsausübung durch ihn aufgehört hat.
Die hier in Übersetzung abgedruckte Ansprache des H.H. Bischofs C. Mayer von Campos steht, soweit wir wissen, ganz allein. Denn außer Kardinal Ottaviani, der in seiner Studie 'Kurze kritische Untersuchung ...' die Einwände gegen die gravierenden Gefahren des N.O. vorbrachte' hat kein anderer Oberhirte öffentlich darauf hingewiesen, daß die tridentinische Messe durch die Promulgation des N.O. nicht aufgehoben wurde.
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