Die mit der Sonne bekleidete Frau
von Walter W.E. Dettmann
In seinen Aufsatz "Maria und die Kirche" ("Einsicht", 2. Jahrg., Nr. 6, Sept. 1972) schreibt Pater Sevorin Grill, die Verse 12,1-17 aus der Apokalypse hätten nur dann einen Sinn, wenn wir sie von Maria und der Kirche zugleich auslegen. Er beruft sich auf einen Aufsatz von Prof. J. Kosnetter und meint, das, was im 12. Kapitel der Geheimen Offenbarung über die sonnenbekleidete Frau gesagt sei, nämlich, daß sie Geburtswehen gehabt habe, daß sie in die Einsamkeit geflohen sei und daß der Drache ihr einen Wasserstrom nachgespien habe, könne gar nicht auf Maria sondern nur auf die Kirche bezogen werden.
Dieser Behauptung muß entschieden widersprochen worden.
Schon der hl. Antonius von Padua, der zu den größten Predigern der katholischen Kirche gehört, sagt mit Bezug auf eine Stelle bei Isaias (66,7) über Maria:"Bevor beim Leiden ihres Sohnes die Wehen über Maria kamen, hatte sie zu Weihnachten schon geboren" (aus dem Buch "Lehrer des Evangeliums" - Ausgewählte Texte aus den Predigten des hl. Antonius von Padua, Dietrich Goelde-Verlag, Werl/Westfalen 1954).
Beim Propheten Isaias lautet der Vers 66,7:
"Bevor die Wehen kamen, hat sie geboren; bevor ihr Gebären kam, hat sie in männliches Kind geboren."
Der hl. Antonius von Padua hat mit seinen Worten zwei Dinge ausgesprochen: Er hat erstens ein klares Bekenntnis zur körperlichen Unversehrtheit der jungfräulichen Gottesmutter abgelegt, und zweitens hat er aber der Gottosmutter Geburtswehen in einem höheren Sinn zugeschrieben.
Dabei ist zu beachten, daß Geburtswehen in einem anderen Sinn, nämlich biologischen, auch der Kirche nicht zugeschrieben werden können. Hierin hat sich die moderne Theologie samt und sonders gründlich verrannt.
Ohne dem mit unserer Zeitschrift verbundenen P. Sverin Grill irgendwie nahe treten zu wollen - diese Widerlegnng gilt vielmehr dem Prof.J. Kosnetter und der großen Schar anderer moderner Thoologieprofessoren - muß einmal gesagt worden, daß es kaum ein anderes Kapitel der Hl. Schrift gibt, bei dem die Professoren des 20. Jahrhunderts so versagt und sich so unfähig erwiesen haben wie beim 12. Kapitel der Geheimen des Apostels Johannes.
Dabei gibt es keine Stelle der Hl. Schrift, in der die Mutter des Allerhöchsten so verherrlicht wird wie im 12. Kapitel der Apokalypse. Das 12. Kapitel der Geheimen Offenbarung konnte nur von jenem Manne geschrieben werden, der zusammen mit der Mutter des Herrn unter dem Kreuze des Gottessohnes gestanden hatte. Gerade heute im 20. Jahrhundert, in dem die kleinen Menschenzwerge sich einbilden, kurz vor der Eroberung des Weltalls zu stehen, ist es für die Erneuerung unseres kirchlichen Lebens wichtig, genauestens und allseitig zu erklären, was jene Vision des 12. Kapitels der Geheimen Offenbarung eigentlich bedeutet, in der es heißt: "Ein großes Zeichen erschien am Himmel, eine Frau mit der Sonne bekleidet, den Mond zu Füßen und eine Krone von zwölf Sternen um ihr Haupt. Sie war gesegneten Leibes und schrie in ihren Wehen und Geburtsschmerzen."
Einem aufmerksamen Betrachter mußte es auffallen, daß das sogen. Zweite Vatikanische Konzil andauernd von der Erneuerung unseres Glaubens und des kirchlichen Lebens redete, und daß es dabei gerade diesem großartigen Kapitel der Apokalypse aus dem Weg ging. Die Konzilsbischöfe hatten in überheblicher und in täuschender Weise versprochen, die Schatzkammer des Wortes Gottes weiter als bisher zu öffnen (vgl. Art, 51 der Liturgiekonstitution): Umso auffallender war es, daß sie gerade dem 12. Kapitel der Apokalypse ausgewichen sind. Die Führung des Konzils mit ihren Beratern war in Wirklichkeit unfähig, diesen wichtigen Teil des Wortes Gottes vollwertig zu erklären. Das läßt sich heute bis in kleine Einzelheiten beweisen und belegen.
Das 12. Kapitel der Geheimen Offenbarung wurde von den Bischöfen nicht dazu verwendet, um die Mutter des Allerhöchsten in der Kirche und vor der Welt gebührend zu ehrten, obwohl Papst Pius XII. hierin mit überzeugendem Beispiel vorangegangen war, vgl. seine Bulle über die leibliche Aufnahme Marias in den Himmel.
Aber nicht nur Pius XII. hatte Maria als "mit der Sonne bekleidete Frau" verherrlicht: Das "Zweite Vatikanische Konzil" hätte sich ein Beispiel an den großen Werken der Barockkunst nehmen können, um von früheren großen Zeiten ganz zu schweigen. Paul VI. hat in seinem sonderbaren sog. Meßbuch - es ist alles andere als ein Meßbuch - jenen Introitus des Festes Mariä Himmelfahrt, den Papst Pius XII. festgesetzt hatte ("Ein großes Zeichen erschien am Himmel: Eine Frau mit der Sonne bekleidet ...") dadurch entwertet, daß er den früheren Introitus daneben setzte. Auf diese Weise stellte er jedem einzelnen Priester frei, die Maßnahmen Pius XII. anzuerkennen oder nicht. Ein solcher Schlag gegen die Autorität Papst Pius XII. kann nur auf Paul VI. selbst zurückfallen, der seine Pietätlosigkeit gegen Papst Pius XII. schon auf andere Weise bewiesen hat.
Das sog. Zweite Vatikanische Konzil war zusammengetreten unter der Losung des "Aggiornamento". Damit ist unwiderlegbar kundgetan, daß die Mehrzahl der Konzilsbischöfe und vor allem die Konzilsfühnrng kein Empfinden besaß für die alles überragende Größe unseres katholischen Glaubens von der Menschwerdung Gottes. Es war ein lächerliches Unternehmen, das heilige Meßopfer, wie mon sagte, "den Notwendigkeiten unseres Zeitalters anzupassen" (Vorwort der Liturgiekonstitution) und unseren kaholischen Glauben innerhalb der Kirche zur Diskussion und zum "Dialog" freizugeben, anstatt die heutige Welt aufzufordern, sich gar nichts auf ihre in Wirklichkeit so armselige Technik einzubilden und endlich zu glauben, daß der allmächtige Schöpfer der Welt wirklich von einer Frau, von einer menschlichen Mutter geboren werden wollte. Das sog. Zweite Vatikanische Konzil hat es versäumt, eine der größen Visionen des Apostels Johannes allseitig zu erk1ären, nämlich: "Ein großes Zeichen erschien am Himmel, eine Frau mit der Sonne bekleidet, den Mond zu ihren Füßen und eine Krone von zwölf Sternen über ihrem Haupte. Sie war gesegneten Leibes und schrie in ihren Wehen und Geburtsschmerzen ... "
Die Konzilsbischöfe wollten nur sich selbst und ihre kollegiale Macht groß erscheinen lassen, nicht aber jene Frau, die den Allmächtigen in ihrem Schoß getragen und geboren hatte. Für die großen Visionen des Apostels Johannes hatten die heutigen Konzilsbischöfe so wenig Verständnis, daß es vielen von ihnen völlig gleichgültig und einerlei war, von wem diese Visionen stammten. Ihre Gleichgültigkeit haben viele Bischöfe schon lange vor dem sog. Konzil dadurch bewiesen, daß sie fast jeden Unsinn, der von Theologieprofessoren über das 12. Kapitel der Geheimen Offenbarung geschrieben wurde, die kirchliche Druckerlaubnis gaben.
Wie widerspruchsvoll die Bücher moderner Theologen auf diesem Gebiet sind, soll im Folgenden an einigen Beispielen gezeigt werden, die sich auf jene Dinge beziehen, welche Pater Severin Grill am Anfang genannt hat: Die Geburtswehen der sonnenbekleideten Frau, ihre Flucht in die Einsamkeit, und der Wasserstrom, den der siebenköpfige Drache ihr nachspie.
I. Die falsche Logik der modernen Theologen bei der Deutung der Geburtsschmerzen der sonnenbekleideten Frau.
Ein grundlegender und entscheidender Fehler der modernen Professoren bei der Deutung des 12. Kapitels der Apokalypse ist eine in verschiedenen Formen aufgestellte Schlußfolgerung. Die kleinere Gruppe der Theologen zieht folgenden Schluß: "Maria hatte keine Geburtswehen, die sonnenbekleidete Frau hat Geburtswehen, also kann die sonnenbekleidete Frau nicht Maria sein." (Schluß A)
Während Schluß A nur einen sachlichen Irrtum enthält, als Schlußfolgerung jedoch formal richtig ist, enthält der Schluß B noch zwei formale Fehler. Der sachliche Irrtum der ersten Schlußfolgerung besteht darin, daß die Geburtswehen der sonnenbekleideten Frau als biologisch und als unmittelbar durch die Erbsünde bedingt angesehen werden. So vrsteigt sich Prof. Eduard Schick (heute Weihbischof) zu den Worten: "Gemäß dem Fluche Gottes über die sündige Eva bereitet ihr (gemeint ist die sonnenbekleidete Frau) die Geburt heftige Schmerzen." ("Die Apokalypse", Echter-Verlag, Würzburg 1959, S. 54). Gemäß Weihbischof Dr.Eduard. Schick lautet Schluß A:
"Maria hatte keine erbsündebedingten Geburtsschmerzen; die sonnenbekleidete Frau hat solche Geburtsschmerzen; also kann die sonnenbekleidete Frau nicht Maria sein."
In Wirklichkeit können die Geburtsschmerzen der mit der Sonne bekleideten Frau auf keinen Fall unmittelbar von er Erbsünde bedingt sein. Denn
1. handelt es sich um die Geburt des Sohnes Gottes; 2. zeigt die Frau keine körperliche Schwäche, sondern sie schwebt aufrecht: Es handelt sich also nicht um biologische Geburtswehen; 3. ist die Frau mit der Sonne bekleidet und erstrahlt im höchsten Glanze göttlichen Wohlgefallens.
Der Schluß B enthält außer dem sachlichen Irrtum noch zwei formale Fehler: Nach der ersten allgemeinen Regel der Logik darf eine Schlußfolgerung nicht mehr als drei Begriffe enthalten; beim Schluß A sind tatsächlich nur drei Dinge vorhanden: a) Maria b) Geburtswehen, c) die sonnenbekleidete Frau.
Der Begriff der Geburtswehen ist der sogenannte Mittelbegriff. Beim Schluß B dagegen ist außer den drei genannten Begriffen noch der Begriff Kirche vorhanden.
Auch ohne den Hinweis auf diese erste Regel der Logik ist leicht einzusehen, daß äer Schluß B völlig verkehrt ist; denn wieso sollen bei der Kirche als einer Gemeinschaft biologische Geburtswehen vorhanden sein wie bei einer einzelnen Frau?
Damit ist der zweite formale Fehler des Schlußes B aufgedeckt worden: Die modernen Theologen denken bei dem Ober- und Untersatz ihres Schlusses an physische und biologische Geburtswehen. Im eigentlichen Schlußsatz dagegen, nämlich bei der Kirche, denken sie an geistie Geburtswehen.
Die zweite allgemeine Regel für Schlußfolgerung schreibt jedoch vor, daß die Begriffe immer im gleichen Sinn anzuwenden sind: "Äoque ac praemissae extendat conclusio voces".
Der Schluß B wird von modernen Theologen in verschiedenen Worten ausgesprochen; so sagt Prof. Michael Schmaus (München): "Daß Maria nicht unmittelbar gemeint sein kann, ergibt sich daraus, daß sie nach kirchlichem Glauben ohne Wehen geboren hat" ("Mariologie" S. 78). Das Weib, das von der Sonne umgeben ist, meint unmittelbar die Kirche, mittelbar aber Maria, die Repräsentantin der Kirche" ("Mariologie" S. 48).
Der im Jahre 1945 verstorbene Prof. Josef Sickenberger (ebenfalls München) schrieb: "... die Mitteilungen über die schweren Geburtswehen, die Flucht in die Wüste und die damit zusammenhängende Drachenverfolgung haben im Leben Mariens keinen Platz und keine Analogie ... Wir müssen also das in der Personifikation der Frau Dargestellte auf Erden suchen und, da, wie gesagt, die Mariendeutung nicht in Frage kommen kann, muß es sich um eine Kollektivpersönlichkeit handeln..." ("Die Messiasmutter" in: Tübinger Theologische Quartalschrift, 126. Jahrgang 3/4.Heft, Seite 401 und 404).
Die falsche Logik in der Deutung der Geburtsschmerzen der sonnenbekleideten Frau ist der Grund, warum sich die modernen Theologen bei der Erklärung des 12. Kapitels der Apokalypse eine Unzahl von Widersprüchen und falschen Erklärungen der Hl. Schrift zuschulden kommen lassen.
II. "Die Frau floh in die Einsamkeit"
Prof. Josef Sickenberger und andere moderne Theologen behaupten, die Flucht in die Einsamkeit (Sickenberger sagt "in die Wüste") habe "im Leben Mariens keinen Platz und keine Analogie" und müsse darum auf die Kirche oder auf Ähnliches bezogen werden. In Wirklichkeit ist es umgekehrt: Die Flucht der sonnenbekleideten Frau in die Einsamkeit paßt nur auf die selige Jungfrau Maria und nicht auf die Kirche. Der erste Fehler, den die modernen Theologen bei der Erklärung dieses Satzes machen, ist der, daß sie das lateinische Wort 'solitudo' und das griechische Wort "éremos" ganz einseitig mit dem eng begrenzten Begriff "Wüste " übersetzen. Das ist eine gezielt falsche Weichenstellung. Was soll die mit der Sonne bekleidete und mit Sternen geschmückte Frau, die "im Himmel" (nicht "am Himmel") erschien, in einer irdischen Wüste tun? Sie hatte außerdem noch den Mond zu Füßen, also wird sie sich wohl kaum auf eine der heute neu entdeckten Mondwüsten zurückgezogen haben.
Das lateinische Wort "solitudo", deutsch "Einsamkeit", ist an dieser Stelle die richtige, und maßgebende Übersetzung des griechischen Wortes "éremos". Die heutigen Theologen sollten doch so ehrlich sein und zugeben, daß sie ohne die Vulgata-Übersetzung des hl. Hieronymus die griechische Sprache der Apostel Paulus und Johannes an vielen Stellen gar nicht mit Sicherheit verstehen und übersetzen könnten!
Zwölf verschiedene katholische Taschenaugaben des Neuen Testamentes in deutscher Sprache (es wurden nur die wichtigeren durchgesehen) sagen heute an dieser Stelle:"Die Frau floh in die Wüste". Damit haben sie den Gläubigen den Weg zum richtigen Verständnis der Geheimen Offenbarung verbaut und versperrt. Das deutsche Wort "Wüste" ist nicht geeignet, um das wiederzugeben, was in der Vision des Apostels Johannes an dieser Stelle gemeint ist. Bei der "Flucht" der sonnenbekleideten Frau ist zu unterscheiden zwischen der Flucht, die Vers 12,6 berichtet wird, und jener, die im Vers 12,14 beschrieben ist. Bei der zweiten Flucht hatte der siebenköpfige Drache die Frau eigens gesucht und verfolgt, während er bei der ersten Begegnung mit ihr nur auf ihr Kind gelauert hatte. Die Person der sonnenbekleideten Frau war dem siebenköpfigen Drachen ganz am Anfang völlig Nebensache.
Schon aus diesem Grunde war die zuerst beschriebene "Flucht" der sonnenbekleideten Frau keine Flucht aus irgendwelcher Angst um ihr eigenes Leben. Die Frau blieb ja aufrecht schweben, obwohl der scheußliche Drache ihr ganz nahe gegenübergetreten war. Welche Frau kann sich in Erwartung eines Kindes noch aufrecht halten, wenn ein wildes Tier auf sie zukommt? Es war auch deshalb keine Flucht aus irgendwelcher Angst, weil die Frau nicht kopflos davonlief, sondern sich an jenen Platz begab,"den Gott vorbereitet hatte." In welcher Christenverfolgung der Weltgeschichte sollte dieses Wort auf die Kirche angewendet werden können? Die mit der Sonne bekleidete Frau wußte, wer ihr Kind war, und sie wußte, was der siebenköpfige Drache damit tun wollte. Schon die bloße Gestalt des roten Drachens mußte der Frau klar gemacht haben, daß es mit diesem Wesen auf keine Fall einen "Dialog" geben konnte. Jeder Bekehrungsversuch gigenüber dem Drachen wäre verlorene Zeit und ganz und gar gegen die Würde dieser Frau gewesen. Der einzige Grund für die Flucht der sonnenbekleideten Frau lag in ihrem Abscheu und Entsetzen über den Frevel, den der Drache gegenüber Gott begehen wollte, und in der Erkenntnis, daß sie schleunigst Platz machen mußte für das Strafgericht, das über das Untier kommen mußte. Von diesem Abscheu und Entsetzen der Frau über den Frevel Luzifers ist in den Erklärungen der modernen Theologen nirgends die Rede, und schon deshalb mußte alles Gerede von einer Erneuerung des krichlichen Lebens auf dem sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzil in den Wind gehen. Die Tatsache, daß es der siebenköpfige Drache anfangs gar nicht auf die Frau, sondern nur auf das von ihr getragene Kind abgesehen hatte, wird von den modernen Theologen völlig übergangen. Es ist kein Buch bekannt, worin dieser Umstand gewürdigt wird. Die anfängliche Verschonung der Frau durch den Drachen beweist aber neben zahlreichen anderen Dingen, daß es sich bei diesem Teil der Vision um eine Begebenheit handelt, die sich ganz und gar außerhalb der Erde abspielte. Man kann nicht sagen, wie es mache der alten Erklärer taten, der Vorgang beziehe sich auf den Mordplan des Herodes und auf die Flucht der heiligen Familie nach Ägypten. Denn in der Vision wurde das neugeborene Kind vor den Augen des erstaunten Drachen plötzlich nach oben zu Gott entrückt, und die Frau floh ganz allein in die Einsamkeit.
In der Vision des Apostels Johannes kommt klar zum Ausdruck, daß das Kind nicht von seiner Kutter oder von deinem Pflegevater gerettet wird, wie bei der Flucht nach Ägypten, sondern von einer höheren Macht, die der Drache erst nachträglich zu fühlen bekommt. Die sonnenbekleidete Frau wurde vom siebenköpfigen Drachen nicht persönlich angegriffen, obwohl er klar wußte, daß sie die Mutter des Gottmenschen war. So etwas läßt sich nur verstehen, wenn man diesen Teil der Vision als ein außerirdisches und vorgeschichtliches Ereignis auffaßt. Außerirdisch war das Ereignis: Denn wo auf Erden stand der Drache der Gottesmutter - oder, wie die modernen Theologen meinen der Kirche - derartig Aug in Aug gegenüber, ohne sie anzugreifen? "Vorgeschichtlich" muß das Ereignis genannt werden; denn schon am Anfang der Heilsgeschichte steht das Wort: "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und, dem Weibe, zwischen deinem Samen und ihrem Samen. Sie wird dir den Kopf zertreten, du aber wirst ihrer Ferse nachstellen" (Gen. 3,15)
Die Flucht der Frau in die Einsamkeit darf somit auf keinen Fall als eine Flucht in eine irdische Wüste dargestellt werden. Der Versuch der modernen Theologen, die fliehende Frau als die Kirche zu deuten, ist eine Fälschung der Kirchegeschichte und eine Verzerrung des Wortes Gottes in der Geheimen Offenbarung des Apostels Johannes.
Johannes schrieb von der Insel Patmos aus "an die sieben Gemeinden, die in Asien sind." (1,4). Gemeint war die römische Provinz Asia auf dem Boden der heutigen Türkei. Die christlichen Gemeinden "sind" in Asien: Sie sind vorher und nachher niemals von dort geflohen. Der Herr sagt zwar einmal: "Wenn sie euch in der einen Stadt verfolgen, so fliehet in eine andere" (Matth. 10,23). Er sagt jedoch nicht: "Fliehet in die Einsamkeit", sondern: "Fliehet in eine andere Stadt!" Die sieben Gemeinden werden vom Geiste niemals zum Fliehen, sondern zum Aushalten, zur Geduld, ja sogar zum "Siegen" ermuntert. Johannes nennt Christus den "Fürsten der Könige der Erde", der "uns zu einem Reich gemacht hat" (Apokal. 1,5-6). Es gibt darum keine Flucht. Dem Engel der Gemeinde von Smyrna wird gesagt: "Der Satan wird einige von euch in den Kerker werfen." Dabei wird nicht gesagt, daß die anderen in die Einsamkeit fliehen sollen, sondern: "Sei treu bis in den Tod, und ich will dir die Krone des Lebens geben."
Einige der sieben Gemeinden werden in bestimmten Punkten empfindlich getadelt: Die getadelten Misstände stellen keineswegs eine Flucht vor dem Drachen dar, sondern sind eher eine Zusammenarbeit mit ihm. Dem Bischof von Pergamum muß Johannes schreiben: "...ich habe gegen dich, daß du einige Leute hast, die die Lehre des Balaam vertreten, der dem Balak sagte, er solle die Israeliten dazu verführen, Götzenopfer zu essen und Unkeuschheit zu treiben .." (2,12).
Diese und noch viele andere Dinge aus den Briefen an die sieben Gemeinden haben mit einer Flucht vor dem Drachen gar nichts zu tun. Die Christen flohen zwar oft vor ihren menschlichen Verfolgern. Damit waren sie aber noch nicht dem Drachen entflohen. Es ist nicht richtig, die menschlichen Verfolger immer mit dem Drachen gleichzusetzen.
Wer die fliehende Frau als. Kirche deutet, übersieht auch, daß der Apostel Johannes nicht vom Ort seiner Flucht, sondern vom Ort seiner Verbannung an die sieben Gemeinden geschrieben hat.
An diesem Satz "Die Frau floh in die Einsamkeit" scheitern alle Versuche, die sonnenbekleidete Frau giindsätzlich als Kirche zu deuten. Dieser Satz paßt nicht auf eine Gemeinschaft, die von Gott den Auftrag bekam "Gehet hin und lehret alle Völker" (Matth 28,19) Der göttlche Auftrag gilt ohne Pause fur alle Zeiten, auch fur das sogenannte Zweite Vatikanische Konzil, das nicht mehr unfehlbar lehren, sondern nur unfruchtbare "Dialoge" halten möchte.
Die ersten dreißig Päpste der Kirchengeschichte sind ausnahmslos eines gewaltsamen Tode gestorben. Man kann daher nicht sagen, die mit der Sonne bekleidete Frau, die in die Einsamkeit floh, bedeute die Kirche. Auch wenn es die modernen Theologen nicht wahrhaben wollen, paßt die Flucht der sonnenbekleideten Frau dennoch sehr gut auf die seligste Jungfrau Maria. Sie hat sich schon in ihrer Jugend wie niemand anderer fluchtartig von einer in der Sünde lebenden Welt zurückgezogen, indem sie sich mit einem Manne verlobte und trotzdem mit reinstem Gewissen zum Abgesandten Gottes sagen konnte: "Wie soll das geschehen, da ich keinen Mann erkenne"? Nachdem ihr göttliches Kind vor dem Drachen gerettet und glorreich von den Toten auferstanden und in den Himmel aufgefahren war, zog sie sich erst recht in die Einsamkeit zurück: Nach der Herabkunft des Heiligen Geistes am ersten Pfingstfest lebte Maria in solcher Einsamheit, daß trotz größter Anstrengungen niemand mit Sicherheit zu sagen vermag, wo sie sich aufhielt und wo und wann sie ihr irdisches Leben beschloß.
Aus der Geheimen Offenbarung geht klar hvor, daß die sonnenbekleidete Frau wußte, wer ihr Kind war. Es heißt: "Sie gebar ein männliches Kind, das alle Völker der Erde mit eisernem Zepter regieren wird" (12,5). Das ist eine Anspielunng auf den Psalm 2, worin Gott der Herr zum Messias spricht: "Fordere von mir, und ich will dir die Völker zum Erbteil geben und die Grenzen der Erde als deinen Besitz, Du wirst sie mit eisernem Zepter regieren und zerbrechen wie Töpfergeschirr". (Ps. 2,8-9)
Die mit der Sonne bekleidete Frau floh somit nicht nur aus Abscheu und Entsetzen über das, was der Drache getan hatte, sondern sie zog sich auch deshalb zurück, weil sie ihre Aufgabe erfüllt hatte und nicht mehr im Wege sein wollte, wenn ihr göttlicher Sohn seine Herrschermacht über die Völker kraftvoll auszuüben begann. Ganz dasselbe kann und muß man ohne Einschränkung von der seligsten Jungfrau Maria sagen, ohne daß die Kirche als eine Gemeinschaft fähig wäre, in diesem Punkte einen Vergleich mit Maria auszuhalten. Schon in ihrer Jugend hatte Maria im Magnificat gesagt: "Die Gewaltigen stürzt er vom Throne und er erhöht die Niedrigen". Nach dem Erlebnis des Karfreitags muß die Mutter Christi von einer beklemmenden Angst über das Schicksal ihres eigenen Volkes und der Menschen im allgemeinen erfüllt gewesen sein, sodaß ihr gar keine andere Wahl blieb, als in der Einsamkeit für jene zu beten, die den Sohn Gottes gekreuzigt hatten und deren Macht wie Töpfergeschirr zerbrochen werden sollte. Sehr gut paßt auch jener Umstand in das Leben Marias, daß die Sonnenbekleidete Frau nach Erfüllung ihrer mütterlichen Aufgabe 1260 Tage lang in der Einsamkeit "ernährt" wird, ohne daß sie in diesem Zustandé wieder irgend einem Kinde das Leben zu schenken hatte.
Damit ist gesagt, daß die Frau in der Einsamkeit solange ernährt wird, wie, die Zeit der streitenden Kirche auf Erden dauert, Denn die 1260 Tage oder 42 Monate oder dreieinhalb Jahre bedeuten in der Geheimen Offenbarung immer die Zeit der irdischen Trübsal der Kirche. Der Apostel Johannes konnte ja nicht schreiben, daß die Kirche bis zum Jahre soundsoviel dauern werde.
Es handelt sich bei der Flucht der sonnenbekleideten Frau in die Einsamkeit somit nicht nur um die eilige Entfernung vom Ort des Strafgerichts über den Drachen und seine Verbündeten, sondern es handelt sich zugleich um den geheimnisvollen Weg der Frau zu ihrer außerordentlichen Belohnung, ohne daß diese Belohnung gleich genannt wird.
Diese Tatsachen sind bisher voi keinem einzigen der modernen Theologen gewürdigt worden. Wie oberflächlich die Erklärungen der modernen Theologen sind, sieht man z.B. an dem, was Prof. Peter Ketter geschrieben hat: "Es gelingt der Fau, in die Wüste zu fliehen, Sie ist also aus der Vorklärung am Himmel in die rauhe Wirklichkeit des Erdendaseins zurückversetzt, aber nach wie vor steht sie in Gottes besonderer Hut" ("Apokalypse", Seite 180).
Ohne jede Grundlage in der Apokalypse behauptet Peter Ketter, daß die sonnenbekleidete Frau "in die rauhe Wirklichkeit des Erdendaseins zurückversetzt" sei, als ob sie vor ihrer Erscheinung im Himmel (nicht "am Himmel"!) schon auf der Erde gewesen wäre! Außerdem schreibt Peter Ketter:"Es gelingt der Frau, in die Wüste zu fliehen", als ob dieses Gelingen ein besonderes Kunststück für eine so außerordentliche Himmelserscheinung gewesen sei, aus der höchsten Herrlichkeit in die Verbannung zu gelangen. Otto Karrer (Luzern), der seine Übersetzung des Neuen Testamentes als die sprachlich schönste Wiedergabe rühmen ließ, behauptet in Bezug auf die Flucht der sonnenbekleideten Frau:
"Flucht und Rettung der Sionstochter" (d.h. des Volkes Israel) seien "nach Michäas 4,10 geschildert". Wie oberflächlich und verkehrt dies ist, sieht man sofort, wenn man die Stelle nachschlägt. Der Prophet Michäas lebte vor der Babylonischen Gefangenschaft als Zeitgenosse des Propheten Isaias. Es sagt: "Traure und seufze, Tochter Sian, wie eine Gebärende. Denn du mußt die Stadt verlassen; du mußt auf dem Felde wohnen; du kommst nach Babylon. Dort aber wirst du befreit werden, dort wird dich der Herr aus der Hand deiner Feinde erretten".
Die Erklärung Otto Karrers stimmt auch deshalb nicht, weil der Weg der Tochter Sion in die Gefangenschaft verdient war. Die mit der Sonne bekleidete Frau aber ist ohne Sünde. Sie hat sogar den Sohn Gottes geboren, und sie erlebt das Strafgericht nicht über sich selbst, sondern über den Drachen.
Der Oberstudienrat Alfred Läpple in München schrieb im Jahre 1966: "Die Frau floh in die Wüste..." Konnte man wegen der Geburt des Messias zunächst noch an Maria, die Mutter Jesu, denken, so erlaubt dieser Vers keine mariologische Deutung mehr... " Mit keinem einzigen Wort ist Alfred Läpple auf das tatsächliche und eigentliche Leben der Mutter Christi eingegangen. Er übernimmt einfach die oberflächlichen Behauptungen des Professors Sickenberger, und damit ist die Sache abgetan.
III. Wie die Verfolgung der sonnenbekleideten Frau durch den Drachen im Leben der seligsten Jungfrau Maria erkennbar wird.
Die modernen Theologen (Prof. J. Sickenberger, Prof. Kosnetter und andere) behaupten, eine Verfolgung durch den Drachen und besonders eine Bedrohung mit dem Wasserstrom aus dem Maul des Drachen sei im irdischen Leben der Mutter Christi nicht vorhanden gewesen.
Bei dieser Frage ist es aber wie bei den Geburtswehen der sonnenbekleideten Frau: Wenn es unmöglich ist, der Mutter des Herrn körperliche Geburtswehen zuzuschreiben, dann darf dies bei der Kirche erst recht nicht geschehen. Denn die Kirche ist keine Einzelperson, sondern eine Gemeinschaft. Kann man aber der Kirche Geburtswehen im höheren Sinne zuschreiben, dann kann men dies bei jeder einzelnen Person ebenso - der Apostel Paulus z.B. spricht davon, daß er (als Mann!) wegen der ihm anvertrauten Gemeinden "Geburtswehen" erleide (Gal. 4,19).Genau so verhält es sich in Bezug auf den Wasserstrom aus dem Maul des Drachen. Wenn der Drache die Kirche verfolgen kann, dann konnte er auch die seligste Jungfrau Maria verfolgen, und er hat es in reichlichem Maße getan.
Bereits im Paradiese sprach Gott, der Herr, zur Schlange:
"Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe, zwischen deinem Samen und ihrem Samen" (Gen. 3,15).
Die Erzählung aus dem Paradies am Anfang der Menschheitsgeschichte ist für die modernen Theologen und Bischöfe eine bloße Erfindung von jüdischen Priestern. Aber die Verfluchung der Schlange durch Gott trägt wirklich die Merkmale einer göttlichen Offenbarung an sich. Sie ist kein Menschenwerk. Denn es heißt: "Sie (oder, wenn man unbedingt will, "Er") wird dir den Kopf zertreten, Du aber wirst ihrer Ferse nachstellen". Wie kann eine Schlange noch der Ferse eines Menschen nachstellen, wenn ihr bereits der Kopf zertreten ist? Die Verfluchung der Schlange durch Gott kann somit keine von Menschen erfundene Geschichte sein. Das nach dem Sündenfall ausgesprochene Wort "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe" bedeutet: Zusätzlich zu dem ohnehin schon vorhandenen Haß der Schlange gegen das Menschengeschlecht wird die Hölle einen besonderen Haß gegen die Mutter des Erlösers zeigen. Der Teufel wird nach der Überlistung des ersten Menschpaares noch zusätzlich der Ferse einer bestimmten Frau nachstellen. Mit dem Satz "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe" ist nicht gesagt, daß bloß eine Feindschaft zwischen der Schlange und Eva bestehen soll. Denn zu Eva sprach Gott: "Ich werde deine Beschwerden und deine Befruchtung vermehren: In Schmerzen sollst du deine Kinder gebären, und du sollst unter der Gewalt des Mannes stehen. Er wird über dich herrschen." Eva wird somit jenem untertan sein, zu dem Gott sprach: "Verflucht sei die Erde um deinetwillen". Eva wird nicht mehr jene Kraft besitzen, die nötig ist, um als "Feindin" der Schlange aufzutreten. Außerdem sagt der hl. Ambrosius: "Das Urteil über die verworfene Schlange lautet: 'Die Erde soll dir Speise sein!' - Welche Erde?.- Selbstverständlich jene Erde, von der gesagt ist: 'Du bist Erde und wirst zur Erde gehen' (d.h. 'du bist Staub und wirst zum Staube zurückkehren') (Ambr. De Poenitentia c. XIII - Ambrosius benützte noch nicht die "Vulgata", sondern die altlateinische Übersetzung). Mit dem Wort "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe" kann also keinesfalls die verführte Eva gemeint sein. Denn die von Gott bewirkte besondere Feindschaft kann unmöglich so enden, daß die Schlange ihre zu Staub gewordene Feindin fressen muß. Der heilige Ambrosius wußte genau, was Gott mit seinem Wort über die Schlange meinte, Denn der Schöpfer hatte die verschiedenen Arten von giftigen und ungiftigen Schlangen von Natur aus nicht zum Fressen des Staubes, sondern zum Verzehren anderer Tiere bestimmt, je nach Größe und Art der Schlange. Gott wollte vielmehr den Teufel selbst verhöhnen, indem er ihm sagte: "Du wirst dich niemals mehr zur Höhe erheben können, sondern du wirst auf dem Bauche kriechen und jenen Staub fressen, den du zur Sünde verführt hast!" Der Satz "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe": besagt also, daß die Schlange Jenes Weib, auf das es hauptsächlich ankommt, noch lange nicht überwunden hat und auch nicht überwinden wird. Die eigentliche Auseinandersetzung zwischen Schlange und "Weib" folgt erst noch und wird ein ganz anderes Ende nehmen. Gott fordert die Schlange zu einem neuen Zweikampf heraus mit einem "Weibe", das erst kommen und das für diesen Kampf eigens vorbereitet sein wird. Deshalb ist es von vornherein falsch, wenn Prof. Sickenberger und andere moderne Theologen sagen, die Verfolgung durch den Drachen habe "im Leben Marias keinen Platz".
Es ist viel zu wenig, daß das sog. Zweite Vatikanische Konzil über das Wort "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe" n u r sagte, die Mutter des Erlösers sei darin "schattenhaft angedeutet" (Dogmatische Konstitution über die Kirche, Nr. 55). Eine Schande ist es, daß das sog. Zweite Vatikanische Konzil die Vorzüge der Gottesmutter in keiner Weise aus diesem Satz "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe" abgeleitet hat, wie es in der römisch-katholischen Kirche früher üblich war. Das sog. Zweite Vatikanische Konzil hat zwar in täuschender Weise die Gottesmutter als "überragendes und völlig einzigartiges Glied der Kirche bezeichnet (Dogmat. Konst. über die Kirche, Nr. 53). Aber die zweitausend Bischöfe haben es in beschämendem Schweigen vermieden, die Gottesmutter als eigentliche Siegerin über die höllische Schlange zu feiern. Gott der Herr sagte: "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe", und das sog. Zweite Vatikanische Konzil redete nur von einer "untergeordneten Aufgabe Marias" (Dogm. Konst, über die Kirche, Nr. 62). Das war wahrlich keine "Erneuerung" des kirchlichen Lebens, die von den Bischöfen und Kirchenzeitungen so laut versprochen worden war, sondern das war ein "Aggiornamento" an die ökumenischen Feinde der seligsten Jungfrau Maria. Die Konzilsbichöfe haben denen einen Gefallen erwiesen, die auch heute noch so wie früher nur "die Maria" sagen. Notabene: Gott der Allmächtige sagte: "Feindschaft will ich setzen zwischen dir und dem Weibe, zwischen deinem Samen und ihrem Samen", und die Bischöfe des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils tun so, als ob es unter den Menschen gar keinen "Samen" des Teufels gäbe, und sie sagen bei den infolgedessen ungültigen Wandlungsworten: "für alle" anstatt sich an die Worte des Herrn zu halten, der nur von vielen sprach. Die von Gott gesetzte Feindschaft von Schlange und Weib läßt deutlich erkennen, daß die neue Gegnerin der Schlange nicht wie die Stammeltern dem Staube verfallen wird. Zugleich ist aber klar, daß die Schlange auf kein anderes Ziel hinarbeiten wird als darauf, auch ihre neue Feindin in Staub zu verwandeln. Dieses Ziel hatte die Schlange bei niemandem mehr im Auge als bei der Mutter des Gottmenschen Jesus Christus. Deshalb sollten die modernen Theologen sehr zurückhaltend sein mit ihrer Behauptung, die Verfolgung der sonnenbekleideten Frau durch den Drachen habe im Leben Marias "keinon Platz". Die Worte "Als der Drache sah, daß er auf die Erde geworfen war, verfolgte er die Frau, die den Knaben geboren hatte", passen auf nichts besser, als auf die Absicht des Drachen, die Mutter des auferstandenen Gottmenschen in Staub zu verwandeln. Dies ergibt sich aus dem, was im Text der Geheimen Offenbarung unmittelbar folgt, nämlich: "Der Frau wurden die Flügel des großen Adlers gegeben, damit sie in die Einsamkeit an ihren Platz fliege, wo sie durch eine Zeit und durch Zeiten und durch eine halbe Zeit ernährt wird, fern von der Schlange". Die Frau entfernt sich auf Adlerflügeln derartig von ihrem irdischen Aufenthaltsort, daß der Drache trotz seiner ungeheueren Stärke ihr gar nicht mehr zu folgen vermag. Die sonnenbekleidete Frau wird sich dreieinhalb "Zeiten", das heißt dreieinhalb Jahre (= 42 Monate = 1260 Tage) dort aufhalten, wo sie von der Schlange nicht mehr erreicht werden kann. Von der Kirche auf Erden wird man einen derartigen Adlerflug niemals und unter keinen Umständen aussagen können. Die Kirche auf Erden, besonders die Kirche des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils, wird niemals "fern von der Schlange" sein. Die Bischöfe des sog. Zweiten Vat, Konzils haben ebenso wie Eva auf die Einflüsterungen der Schlange gehört ("ihr werdet sein wie kollegiale Götter").
Wie aber paßt der Wasserstrom, den der Drache aus seinem Munde spie, nur in das Leben der Mutter des Herrn und nicht auch in das Leben der Kirche? Die sonnenbekleidete Frau war ja bereits auf Adlerflügeln in ihren Platz geflogen, "fern von der Schlange"? - Der Wasserstrom, den der Drache ausspie, wurde von der Erde aufgenommen, ohne die sonnenbekleidete Frau. im geringsten zu belästigen oder zu berühren. Dies läßt sich nur von einem Unternehmen Satans gegen die Gottesmutter sagen, nicht aber von irgendeiner Christenverfolgung, die die Kirche im Laufe der Geschichte zu erleiden hatte. Die Kirche wurde von jeder Verfolgung getroffen, von der einen mehr von der anderen weniger. Am meisten wurde die Kirche vom Abfall der Gläubigen zu irgendeiner Sekte getroffen, wenn sich die Getauften dem zuwandten, was der Drache ausgespien hatte. Man kann von keinem ähnlichen Ereignis der Geschichte sagen, daß es im Sande verlief, ohne daß die Kirche davon berührt wurde. Der Wasserstrom aber, den der Drache gegen die sonnenbekleidete Frau ausspie, ist dadurch gekennzeichnet, daß er die Frau gar nicht im mindesten erreichte und berührte.
Wie schwach die Erklärung der modernen Theologen für das Bild vom Wasserstrom ist, möge an einer kleinen Auswahl aus sehr vielen ähnlichen Beispielen vorgeführt werden: Prof. Alfred Läpple in München schreibt: "Es ist möglich, daß in diesem Bericht (nämlich vom Wasserstrom) letzte Spuren babylonischer Vorstellungen von Drachen enthalten sind, die als Meerungheuer (Leviathan: Job 3,8 26,13 40,18 Psalm 74, 13; 89,10; 104,26 Habakuk 3,8; Isaias 27,1;) Unheil und Verderben über die Schöpfung gebracht haben." ("Die Apokalypse nach Johannes" 1966, Seite 132).
Was sollen diese mageren Worte zur Erklärung der Vision des Apostels Johannes besagen? Alfred Läpple behauptet damit nur, ohne es zu beweisen, daß es sich in allen von ihm genannten Schriftstellen um "letzte Spuren babylonischer Vorstellungen von Drachen" handelt, als ob einzig und allein die Babylonier Kenntnis von großen Meerestieren wie Walen und Haien gehabt hätten! Im übrigen ist an den genannten Stellen nicht davon die Rede, daß die erwähnten großen Meerestiere "Unheil und Verderben über die Schöpfung gebracht haben", wie Alfred Läpple behauptet. Der Benediktiner Altfried Kassing schreibt: "Man mag auch an den Durchzug durchs Rote Meer denken oder an den Heereszug, den Ägypten dem alten Israel nachspie." (Altfrid Kassing: "Das Weib, das den Mann gebar", in Benediktinische Monatszeitschrift, Beuron 1958 Heft 11/12). Der Benediktiner Plazidus Häring äußert sich ähnlich: "Satan tritt hier, wie auch zuweilen im Mythos, als Wasserungeheuer auf, das die Frau zu vernichten sucht, ehe sie die schützende Stätte in der Wüste erreicht. Ähnlich sucht schon Pharao, nachdem er notgedrungen die Israeliten aus der Knechtschaft entlassen hatte, das auserwählte Volk Gottes noch am Roten Meer zu verderben." (Die Botschaft der Offenbarung des hl. Johannes", Verlag Pfeiffer München 1953). Aber was hat das Rote Meer mit dem Wasserstrom aus dem Munde des Drachen zu tun? Die alten Kirchenväter verwendeten den Durchzug durch das Rote Meer, um etwas über die Taufe zu sagen, aber nicht über den Wasserstrom aus dem Munde des Drachen! Der Jesuit Otto Cohausz sagte: "Den ersten Wutanprall entlud Satan unter Nero. Er spie 'dem Weibe Wasser nach wie einen Strom, um es durch die Flut wegzuschwemmem', das heißt, er erregte eine Geistes- und Zeitströmung, die dem Christentum feindlich wurde und es von der Erde wegzuschwemmen drohte. Doch Gott kam seiner Kirche zu Hilfe. Zunächst führte er sie in die Wüste, d.h. er entrückte sie wie in eine unwegaame Einöde, sodaß sie selbst, mochten auch manche ihrer Kinder bluten, der Zerstörungswut ihrer Gegner unerreichbar blieb. Sodann ließ er durch die Erde den Strom aufsaugen. Nero und seine Verfolgung wurden wie ein Sturzwasser von der Erde wieder verschlungen. Er selbst kehrte als Staub zur Erde zurück, und die von ihm angezettelte Verfolgung verlief im Sande." ("Seherblicke auf Patmos", 1927, S.169/170).
Die Worte von Otto Cohausz sind eine leere Phantasterei. Die erste Kirchenverfolgung fand nichte unter Nero, sondern bereits unter Saulus statt. Außerdem sind alle dreißig ersten Päpste gewaltsam ums Leben gekommen: Von einer "Entrückung der Kirche in die Wüste" ist keine Spur zu finden. Jakob Schäfers Nikolaus Adler und Pius Parsch (!) schreiben: "Wohl wurde die Kirche auf den Befehl und auf das Anstiften wieder und wieder stromweise von Wassern der Trübsal und der Verfolgung heimgesucht. Aber da kam die Erde der Frau zu Hilfe ... die Sonne trocknet den Strom aus; die Erde absorbiert ihn; die Frau ist gerettet. So vermochte und vermag auch keine Verfolgung die Kirche zu vernichten." Gegenüber allen diesen sonderbaren Ansichten ist zu betonen, daß der Wasserstrom, den der Drache der auf Adlerflügeln enteilenden Frau nachspeit, etwas ganz anderes ist als materielle Verfolgungen, wie es sich die modernen Theologen vorstellen. Der Wasserstrom berührt die Frau gar nicht mehr, während die Kirche von den Verfolgungen berührt wird. Wenn mit dem Wasserstrom brutale äußere Verfolgungen gemeint wären, hätte es der Drache doch leicht gehabt, auch die "übrigen Kinder" der sonnenbekleideten Frau einzeln oder alle hinwegzuspülen. Aber diesen gegenüber heißt es gleich anchließend: "Er ging hin, um Krieg zu führen gegen die übrigen Kinder ihrer Nachkommenschaft". Beim Wasserstrom handelt es sich nicht um äußere Verfolgungen, sondern um eine besondere persönliche Aktion Satans gegen die mit der Sonne bekleidete Frau, die ihm auf Adlerflügeln für immer entgangen war. Man kann darunter nichts anderes verstehen als die unübersehbare Flut jener Verleumdungen, die gegen die wunderbare Menschwerdung des Gottmenschen aus der Jungfrau Maria gerichtet waren. Wenn man die Oberflächlichkeit moderner Theologieprofessoren und Religionslehrer kennenlernen will, muß man sich ansehen, was Alfred Läpple in München über die Erscheinung der sonnenbekleideten Frau geschrieben hat: "Vorgeformtes alttestamentliches und spätjüdisches Material, dem selbst sehr alte mythologische Überlieferungen aus dem babylonisch-iranisch-phrygischen Bereich ("Geburt des göttlichen Kindes") zugrundeliegen scheinen, ist in der heutigen Fassung des 12. Kapitels aufgehoben" ("Die Apokalypse nach Johannes", 1966, S. 127).
Diesen Satz hat Alfred Läpple nach dem sog. Zweiten Vat. Konzil geschrieben. Man sieht schon an diesen wenigen Worten, die die Druckerlaubnis des Erzbischöflichen Ordinariates München bekommen haben, wie erbärmlich und wie hohl das ganze Erneuerungsgerede des sog. Zweiten Vat, Konzils war. Als ob irgendein unbekannter Johannes irgendwelche uralten mythologischen Überlieferungen über die Geburt des göttlichen Kindes aus Babylon, aus dem Iran, aus Phrygien zusammengesucht und daraus die Geheime Offenbarung gemacht habe, und die katholische Kirche habe dann diese sonderbare Dichtung irgendwann einmal als "Wort Gottes" angenommen. Alfred Läpple spricht ferner von der, wie er sagt, "heutigen Fassung des 12.Kapitels". - Aber wann soll es jemals einen anderen Text gegeben haben? Von einer solchen Kirche, die die Phantastereien von unbekannten Personen als "Wort Gottes" ausgibt, läßt sich Alfred Läpple als Religionslehrer anstellen, und von einer solchen Kirche erbittet er die kirchliche Druckerlaubnis, die aus geschäftlichen Gründen so wichtig ist! Alfred Läpplo schreibt zwar nur, daß der Inhalt des 12. Kapitels aus Babylon, aus dem Iran und aus Phrygien zu kommen scheine. Aber er schreibt kein einziges Wort, um diesen von ihm bekanntgegebenen Schein zu verwischen. Obendrein behauptet er, das 12. Kapitel der Apokalypse habe "Ähnlichkeit" mit einem erst vor wenigen Jahren gefundenen Text von Qumran am Toten Meer. Aber Läpple hätte sehen müssen, daß dies nicht der Wahrheit entspricht. Denn in dem gefundenen Text ist an keiner Stelle die Rede von einer Frau, die mit der Sonne bekleidet und mit zwölf Sternen geschmückt war, und um diesen Tatbestand geht es in der Geheimen Offenbarung. Fast alle modernen Theologen würdigen nur im allerschnellsten Vorübergehen und mit einem ganz flüchtigen Seitenblick den außergewöhnlichen und überirdischen Schmuck der Frau im 12. Kapitel der Apokalypse. Dies ist ein Zeichen, wie gering sie das Wort Gottes schätzen. Die modernen Theologen tun so, als ob die großen Künstler früherer Jahrhunderte, die die Gottesmutter im Schmuck der Gestirne darstellten, nicht vom richtigen Geist geführt worden seien: Der Prälat Rupert Storr von Rottenburg, der Mitarbeiter an der sog. Rießler-Storr-Bibel, schrieb in den Anmerkungen zum 12. Kapitel der Apokalypse: "Das Weib ist nicht Maria, wenn es auch in der Malerei noch so oft dargestellt wird, sondern die Kirche." So schrieb er in seinen Ausgaben des Neuen Testamentes vom Jahre 1934 bis 1940. Als die Hitlerzeit vorüber war und als man wieder positiv über die Juden schreiben durfte, änderte Rupert Storr seine Anmerkung und schrieb: "Das Weib ist zunächst nicht Maria, wenn es auch in der Malerei noch so oft dargestellt wird, sondern das alte Israel und dann die Kirche." Rupert Storr hat noch niemals bemerkt, daß die großen Künstler seit der Zeit Karls des Großen, wenn sie die Kirche als Frauenfigur ("Ecciesia") darzustellen hatten, wie z.B. an den großen alten Kathedralen, niemals Sonne, Mond und Sterne als Schmuck der "Ecclesia" verwendeten, sondern immer nur Kreuz und Kelch oder ähnliche Dinge. Es war ein ungeschriebenes Gesetz der christlichen Kunst des Abendlandes der "Ecclesia" als Schmuck Kreuz und Kelch zu geben, während die Mutter des Herrn, falls sie nicht schon anderweitig gekennzeichnet war, mit Sonne, Mond und Sternen geschmückt wurde. Abgesehen von den künstlerischen Mißgeburten der heutigen Zeit gibt es keine namhaften Werke der Kunst, bei denen die "Ecciesia" mit Sonne, Mond und Sternen zu sehen ist. Das scheinen die modernen Theologieprofessoren noch nicht erkannt zu haben. Die modernen Theologen haben noch lange nicht erkannt, was in dem Wort enthalten ist: "Foindschafi will ich setzen zwischen dir und dem Weibe." Die modernen Theologen sind nicht fähig, den Glanz der mit der Sonne bekleideten Frau zu betrachten.
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