OFFENER BRIEF
von Dr. Georg Handrick, Pfarrer.
"Offertenzeitung" Nr.5, Mai 1972, Beilage "Theologisches", Spalte 433 ff. : "Alarm! - Das neue Einheitsgesangbuch" "Anzeiger", August '72, Nr.8 Seite 290 ff. "Höllenlärm".
Hochwürdiger Herr Wilhelm Schamoni!
Zunächst begrüße ich Sie zu dem oben genannten Artikel: "Alarm! - Das neue Einheitsgesangbuch." Das war ein Wagnis von Ihnen, gegen das neue Einheitsgesangbuch Alarm zu schlagen. Aber Sie haben mit Mut versucht, ein alarmierendes Wort zu diesem "Machwerk" des neuen EGB zu schreiben. Daß die Herren Progressisten zu diesem Wagnis nicht schweigen würden, war vorauszusehen. Und so hat sich ein Herr "NK" - warum hat er nicht mit seinem vollen Namen unterzeichnet? - in der Zeitschrift "Anzeiger" bereit gefunden, Ihnen, wie er natürlich meint, eine kräftige Antwort zu geben, freilich in einer Form, wie man sie ja bei den Progressisten gewöhnt ist. Diese haben es von Anfang an verstanden, als es um die sog. Reform im Bereich der Liturgie ging, sich mit Lautstärke und Ellbogengewalt durchzusetzen. Warum nicht auch jetzt? Denn nur so glauben diese Reformer etwas zu erreichen. Und nun sind diese "Konstrukteure" daran, einen neuen gewaltigen Schlag zu führen. Angefangen hat es ja mit der Gestaltung des "Ordo novus" der heiligen Messe, der ziemlich deutlich evangelische Züge trägt. (Es kann hier nicht weiter dargelegt werden.) Die Fortsetzung war dann das protestantische "Vater unser" und der Texte, die dann daran anschließen: "Denn dein ist das Reich..." Auch die protestantische Segensformel aus 4.Mos. 6,25 "Der Herr segne dich und behüte dich... hat mm in die katholische Liturgie bereits aufgenommen, um sich recht ökumenisch zu zeigen. - Neuerdings kamen noch die sog. "neuen ökumenischen Meßgebete hinzu: "Ehre sei dem Vater... Gloria, beide Credo, Sanctus-Benedictus, Agnus Dei", wie sie nunmehr sogar vorgeschrieben wurden. Ein anderer Beweis, wie progressistisch gearbeitet wird, ist die Herausgabe des Neuen Testamentes in der Stuttgarter Ausgabe "Die gute Nochricht". 1) Hier wird versucht, dieses Machwerk auch in den katholischen Bereich einzuschleusen, bzw. die katholischen Ausgaben auszuschalten.
Nun soll durch das EGB ein weiterer Schritt zur Auflösung der katholischen Kirche getan worden. Grundsätzlich sei hier einmal bemerkt: Was haben denn protestantische Persönlichkeiten, gleich ob sie Gelehrte sind, bei der Neugestaltung der katholischen Liturgie und was damit zusammenhängt, zu schaffen. Das geht diese Personen oder Gremien doch gar nichts an! Es ist ganz unverständlich, daß man katholischerseits diese Gremien oder Personen oder Institute von Protestanten mit heranzieht, wo es sich um Angelegenheiten handelt, über die die katholische Kirche bzw. ihre Vertreter doch speziell allein beraten können. Diese merkwürdige Anbiederung an den Protestantismus ist doch einerseits beschämend und andererseits ein trauriges Armutszeugnis, das uns wohl kaum die Achtung der "Anderen" einträgt bzw, eintragen kann und wird. Aber leider, die Ehrfurcht vor dem Heiligtum - mysterium fidei - "Katholische Kirche" scheint diesen Progressisten schon längst verloren gegangen zu sein. Das beweisen der Ordo novus als hl. Messe, (die es anscheinend in dieser Bezeichnung nicht mehr gibt). Jetzt heißt es ja nur noch "Eucharistiefeier". Diese Bezeichnung ist wohl richtig, aber man hat damit bewußt die bisherige Bezeichnung "Heilige Messe" beiseite geschoben.
Nun zu Ihrem Artikel: "Alarm! - Das neue Einheitsgesangbuch" bzw. zu der Antwort des Herrn "NK" "Höllenlärm".
Der Herr NK scheint außerordentlich empört zu sein über Ihren Artikel "Alarm!- Das neue Einheitsgesangbuch", sonst hätte er nicht von einem "Höllenlärm" geschrieben. Und gleich zu Anfang schreibt er: "Diesen Aufsatz kann mm nur als vorantwortungslos bezeichnen!" Und NK fährt dann fort: "Die Überschrift "Alarm" ist wohl nicht zutreffend. Es paßt nicht einmal der Titel "Fehlalarm". Mm müßte das, was vorgebracht wurde, mit "Höllenlärm" (sinnloser Lärm) bezeichnen." Hätte freilich der Herr NK den Anfang des Artikels von Wilhelm Schamoni gut und verständnisvoll durchgelesen und bedacht, dann müßte er zu einer anderen Stellungnahme gekommen sein.
Dazu sei nun dargelegt: es ist bezeichnend, wie sich Herr NK eifrigst bemüht, die "Ökumene" besonders für die Gestaltung des neuen EGBs hervorzuheben. Was soll es besagen, wenn Herr NK schreibt: "In der Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut haben auf evangelischer Seite mitgearbeitet: Abt D.Dr.Mahrenholz, Prof.Dr. Söhngen, Oberkirchenrat Gundert, Dozent Dr. Jenny, um nur einige Mitarbeiter von evangelischer Seite zu nennen." Daß die "ökumenischen Lieder von Rat der EKD und von der Deutschen Bischofskonferenz geprüft und akzeptiert sind", beweist nur zu deutlich, wie sehr die Gestalter des neuen EGBs schon unheilbar ökumenisiert sind, d.h. den Boden der katholischen Kirche verlassen haben. Mm wende nicht ein, wie oben erwähnt, daß das ökumenische Liedgut von der Deutschen Bischofskonferenz gebilligt seien. Damit rechtfertigt man nicht die irrtümliche Einstellung. Es gilt die Frage: Wozu braucht die katholische Kirche im deutschen Sprachraum überhaupt ökumenische Lieder oder Liedgut? Ökumenisch heißt doch richtig übersetzt und gedeutet: halb katholisch und halb evangelisch, und was ist oben nicht mehr katholisch. Wie sehr Herr NK schon von Ökumenismus beeinflußt ist, erkennt man, wenn er schreibt: "Sch. schreibt aus einem begrenzten Horizont. Die Einheit im Liedgut wird durch das EGB nicht zerstört, sondern vergrößert (hieße es nicht besser: vergröbert) und vertieft. Alle Diözesen des deutschsprachigen Raumes legen sich auf eine Liedersammlung fest. Wenn zusätzlich eine Reihe von Liedern mit Evangelischen abgesprochen ist, dann kann diese noch größere Reinheit dem Singen (gemeint ist wohl die neue "ökumenische Kirche"), dem echten Ökumenismus und der Frömmigkeit dienlich sein."
Aber es kommt noch schlimmer mit dem "echten Ökumenismus" des EGBs, wenn NK ausführt: "Die ökumenischen Fassungen kommen nicht nur ins EGB und in die Liederschulbücher; sie werden auch in das evangelische Kirchengesangbuch aufgenommen, sobald dieses überarbeitet wird. Sollte mm meinen, die Katholiken brächten bei Übernahme des ökumenischen Liedgutes ein unzumutbares Opfer, dann tun das die Evangelischen auf ihrer Seite genauso", vorausgesetzt, daß sie überhaupt in dieser Hinsicht einverstanden sind. (Bei 250 "Kirchen", die z.Z. im Weltkirchenrat in Utrecht versammelt sind, ist es wohl schwerlich anzunehmen, daß diese 250 'Kirchen’ das Opfer bringen.) Also! Dann hat Sch. schon recht. "Man wird also in Zukunft mit dem evangelischen Gesangbuch den katholischen Gottesdienst besuchen können und umgekehrt. Und die katholischen und evangelischen Schüler können sich ja das Einheitsschulliederbuch kaufen und die Ökumene ist bei den Schülern hergestellt, d.h. der ökumenische Religionsunterricht in der Schule tut das übrige. Wenn NK bemerkt: "Wegen der theologischen Formulierungen braucht sich Sch. keine Sorgen zu machen, Theologen haben die Texte geprüft und werden das auh in Zukunft tun." (S.o. die "Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut.") (Dann weiß man, wer prüft und wie geprüft wird.) Was dann von dieser Prüfung zu halten ist, braucht hier nicht mehr näher ausgeführt zu werden. Das spricht für sich. "Das ökumonische Liedgut ist für Schulliederbücher und ökumenische Gottesdienste gedacht. Sch. dürfte wissen, daß es bereits verschiedene ökumenische Schulliederbücher gibt, die von den Bischöfen gebilligt werden. Um auch diese Lieder im deutschen Sprachraum einheitlich zu singen, hat sich die "Arbeitsgemeinschaft für ökumenisches Liedgut" ihrer Arbeit unterzogen. Da ökumenische Gottesdienste gestattet sind, dürfte es gestattet sein, gemeinsame Lieder vorzulegen, ohne daß gemeinsame eucharistische Gottesdienste geplant und durch Interkommunion besiegelt werden."
Wenn das ökumenische Liedgut für Schulliederbücher und ökumenische Gottesdienste gedacht ist, beweist das nur zu deutlich, wieviel Unheil der Progressismus schon angerichtet hat. Was sollen überhaupt ökumenische Gottesdienste bedeuten? Man hat sie freilich schon praktiziert, leider! Für den gläubigen Katholiken kann es doch nur einen gültigen und wahren Gottesdienst geben: die hl. Messe, die auch die Schüler besuchen, wenn es sich um eindeutigen Gottesdienst handelt. Und in dieser hl. Messe worden dann ausschließlich Lieder verwendet, die keine ökumenischen Lieder sind. Ein ökumenisches EGB ist für die Feier der hl. Messe ein Widersinn. Meint NK etwa mit ökumenischen Gottesdiensten die sog. Wortgottesdienste, dann befindet sich NK ebenfalls auf einem Irrwege. Welchen Sinn sollen diese Wortgottesdienste haben, besonders, wenn noch Jugendliche (z.B. Schüler) teilnehmen sollen? Wo sollen sie stattfinden? Wer soll sie leiten? Diese Ökumene ist eine Zumutung für beide Seiten. Das kann nicht gut gehen! Das trägt nur zur Verwirrung bei. Oder meint Herr NK, daß auf diesem Wege die Einheit der Kirchen gefördert wird oder hergestellt worden könnte? Dann täuscht er sich sehr. Sagt doch die Hl. Schrift ganz klar: "Ich kenne deine Werke, ich weiß, du bist weder kalt noch warm! Wärest du doch kalt oder warm! Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, so will ich dich ausspeien aus meinem Mund." Off.3,15-16.) Und wenn dann Jugendliche an solchen "Gottesdiensten" teilnehmen mit einem ökumenischen EGB oder Schulliederbuch, wird die Verwirrung nur noch schlimmer - und der Schaden nicht abzusehen, weil der Jugendliche noch nicht die Erkenntnis besitzt, was es mit diesem Ökumenismus sein soll. Das sei hier nur angedeutet.
Die Bemerkung von Sch. über Ökumenismus ist nur zu berechtigt. Ebenso was NK zu H. Osterhuis sagt. Wer am Heiligtum der katholischen Kirche maßgebend mitwirkt und beteiligt wird, wenn auch wie hier, indirekt, muß theologisch einwandfrei sein. Darüber gibt es gar keine Diskussion.
Noch ein Wart zum "Krawall". Wenn ein Pfarrer in voller Klarheit über das neue EGB in seiner Gemeinde spricht und es darlegt, was dieses EGB bedeutet und wie es zustande gekommen ist, dann braucht mm kein Prophet zu sein. Dann muß es zum "Krawall" kommen. Man frage nur in katholischen Gemeinden an, wo nach dem Krieg neue katholische Gesang- und Gebetbücher eingeführt wurden. Welche Schwierigkeiten das verursachte! Welche gläubige katholische Gemeinde wird es sich bieten lassen, wenn ihr das neue ökumenische EGB aufoktruiert wird, weil es letzten Endes gar kein eigentliches katholisches EGB ist, sondern ein Konglomerat, d.h. ein katholisch- evangelisches EGB darstellt. Meint etwa Herr NK, die gläubigen katholischen Kirchenbesucher werden sich bereit finden, protestantische Lieder zu singen, mögen sie auch noch so fromm formuliert sein. Aus einem solchen EGB weht kein katholischer Geist, weil viele evangelische Lieder spezifisch "evangelisches" Glaubensgut enthalten oder in diesem Sinne gebraucht werden.
Noch ein Wort zum sog. "Proprium" zum EGB. Was soll das Proprium für einen Nutzen haben und wechem Zweck soll es dienen? Wenn dann jede Diözese diesem EGB ihr Proprium anfügt, wird doch die Verwirrung nur noch vermehrt. Welchen Liedern dann der Vorzug gegeben werden?
Herr NK hat mit seiner Überschrift "Höllenlärm" nicht ganz unrecht, d.h. es muß noch mehr als "Höllenlärm" geschlagen werden, damit dieses Machwerk gar nicht erst unter die Gläubigen kommt. Und was nützt denn dem katholischen Volk ein EGB, das nur von "Gelehrten" und sog. Fachleuten geschaffen wurde oder wird. Ein wirkliches gutes, brauchbares Gesang- und Gebetsbuch (auch das EGB muß ein wirkliches Gesang- und Gebetbuch sein, das zu Gott und zur Kirche hinführt und das die Gläubigen nicht schon von vorn herein verärgert (Anm. d. Red.: Dieser Satz ist selbstverständlich als bloße Hypothese zu verstehen)) ist es, was wir brauchen. Mit diesem geplanten EGB dagegen ist es wie mit den modernen Kirchenbauten. In ihnen kann mm auch kein andächtiges Vaterunser vor dem Tabernakel oder dem Kreuz oder vor dem Bild der Muttergottes mehr beten, weil die modernsten Kirchen, auch katholische Kirchen, oft keine Kirchen mehr sind, sondern Allzweckräume, die keine Gotteshäuser mehr sind. Das wirklich gute katholische neue Gesang- und Gebetbuch muß reinen katholischen Glauben ausstrahlen und nicht noch verwirren. Das neue EGB soll helfen, die durch die vielen Neuerungen in die Kirche gekommene Unruhe und Verwirrung wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Die gegenwärtige katholische Kirche, auch im deutschsprachigen Raum braucht reinen Glauben, keine Ökumene, damit wir die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche wieder bekennen und ihr folgen. Christus hat nur sie gegründet, damit sie uns zum ewigen Leben führe.
Hier sei noch auf folgende Artikel hingewiesen: "Offertenzeitung" Nr./72, S.5 "Jesusbewegung - Kirche - Liturgie". Ebendort: Nr. 24:72, S. 402: Verwirrung im Glauben. Nr. 6/72, S.5. "So warten wir vergeblich auf mehr Priesterberufe". "Anzeiger" Nr. 4,72, S.121 "Liturgie als Heimat". Nr. 5/72. S, 162: "Zur notwendigen Einheit der Kirche". Nr. 6/72, S. 203: Eine Erwiderung auf Nr. 172 "Liturgie als Heimat." Die Erwiderung kann nur ein Mißverständnis sein.
Anmerkung: 1) Vorgleiche hierzu den Artikel in der Zeitschrift "Katholischer Diges" 2/72, Seite 29: In moderner Sprache: Einheitsbibel für Katholiken und Protestanten". Dazu auch der Artikel in der selben Zeitschrift, Seite 12 f: "Gelebte Ökumene am Ort" und Prof. Dr. A. Brandenburg: "Was verbindet und was trennt uns?", Seite 27, "Ein Beitrag zur Ökumene in unseren Tagen: Wollen wir glauben, was wir glauben," Seite 30, "Glaubt der Pfarrer, was er sagt", Seite 31.
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