Wurzel, Stamm und Krone
VII.
Von H.H. Dr. theol. Otto Katzer
Es ist nun unsere Aufgabe, dem Gesamtopfer des Christen, welches eine unumgängliche Bedingung für die Wirksamkeit des Erlösungsopfers Christi ist, eingehend unsere Aufmerksamkeit zu widmen. Dabei ist auf das Ausdrücklichste zu betonen die Anteilnahme am Opfer, welches ja nichts anderes ist als die restlose Einordnung in den von Gott bestimmten Sinnbereich das Menschen, wie auch in die von Ihm gesetzte menschliche Eigenartigkeit. Das nennen wir nun Gerechtigkeit, denn die Gerechtigkeit fordert, einem jeden das zu geben, was ihm gebührt, und was gebührt Gott mehr als die Bofolgung seiner Anordnungen durch den Menschen? "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit" mahnt uns der Heiland in der Bergpredigt, "und alles andere wird euch hinzugegeben worden." (Matth. 6,34) Wasserstoffbomben, Giftgase, biologische Waffen, usw. sind sicher nicht Gaben Gottes, aber "Geschenke", mit welchen sich die "jetzt bereits mündigen Übermenschen" gegenseitig beglücken. Es ist nun keine große Kunst zu erkennen, wessen Geistes Kind solche "Geschenke" sind! "An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen" (Matt, 7,16) - die Inspiratoren dieser Werke: Es ist der Teufel und seine Helfershelfer.
Das eine sollte uns klar sein, daß die Welt ein ganz anderes Bild, selbst auf technischen Gebiete darstellen würde, wenn wir mit Hilfe der für uns Mensch gewordenen GERECHTIGKEIT, Gerechtigkeit üben würden. Eine ganze Reihe von Geräten wäre unbekannt, vom Überschallbomber hin zu den ausgeklügelten Formen verschiedenster Tanks; dafür würde uns die Technik andere Sachen bieten, die wirklich für unser Glück bestimmt wären. Dabei ist noch ganz besonders zu betonen, daß das religiöse Leben kein abtrennbarer Überbau ist, der vorhanden sein kann, aber nicht muß, sondern er ist das einzig wahre Fundament, nicht nur für das ewige Wohlsein der Menschen, sondern auch für das zeitliche. Die Definition der Gesundheit, wie wir sie von der Welt-Gesundheitsorganisation her kennen, lautet: "Gesundheit ist der Zustand des körperlichen, seelischen und sozialen Wohlseins" nicht nur ein Freisein von Krankheit und Gebrechen."
Wieviele Gesunde es dem entsprechend in der Welt gibt, können wir leicht erkennen. Vom Wohlsein können wir aber nur dann sprechen, wenn die spezifische Vollkommenheit erreicht wurde. Es ist weiter ein biologischer Satz, daß ein Wesen in seiner Existenz auf das Äußerste gefährdet ist, wem es ihm nicht gelingt, diese Vollkommenheit zu erlangen. Beim Menschen ist dies um so komplizierter, da er Bürger von zwei Welten ist, der natürlichen und der übernatürlichen, d.i. der Welt Gottes. Was für den Körper des Menschen der Sauerstoff ist, das ist ähnlich für die Seele die Gnade Gottes; wenn diese fehlt, verfällt der Mensch einem allmählichen Siechtum, und da er eine leib-seelische Einheit darstellt, muß sich dieses Siechtum auf beiden Gebieten auswirken. Kein Wunder, wenn Alexis Correl, der Nobelpreisträger für Physiologie betonen muß, daß das Beten physiologisch ebenso notwendig ist, wie das Atmen, eine Tatsache, über welche wir uns leichtsinnig hinwegsetzen, weniger leicht aber über die Folgen. Es ist uns auch noch nicht wissenschaftlich klar geworden, daß selbst das leichteste bewußte und gewollte Übertreten eines Gebotes Gottes mehr Schaden anstiften würde, als ein Zusammenprall zweier Himmelskörper, wem die Gerechtigkeit Gottes nicht die volle Auswirkung der unheilvollen Folgen unterbände, indem sie von seiner Barmherzigkeit gehalten wird. Daß das aber nicht ins Unendliche gehen kam, dafür sorgt die ebenso unendliche Gerechtigkeit. Es ist einzig und allein, wie bereits der hl. Fulgentius im 5. Jahrhundert bemerkt, auf die Fürbitten der Mutter Gottes zurückzuführen, daß Gott immer noch die von uns verursachten Auswirkungen hemmt. Wem dem nicht so wäre, - längst wäre die Erde ob ihrer enormen Sünden vernichtet. Auch haben sich die "mündigen" Christen noch nicht zum Bewußtsein durchgerungen, daß die geringste Einheit der Gnade Gottes, soweit wir auf eine solche Weise überhaupt von ihr sprechen können, mehr Energie in sich birgt, als das gesamte physikalischer Energie aufweist. Das ist nur zu unserem Glück, denn wem wir bedenken, daß die Geschichte nicht von Politikern, sondern von Heiligen geschrieben wird, dann werden wir uns eines Tages vor dem Gerichte Gottes wundern müssen, wer überhaupt unser Jahrhundert vor dem Zusammenbruch gerettet hat, wenn uns die Gnade zuteil wird, daß es etwa ein altes Mütterlein mit ihrem Rosenkranz war, oder ein Straßenkehrer, der sein Leben in ein Ganzopfer in Verbindung mit dem Opfer Christi umgestaltet hat, und es so nicht die Feder der hochgelehrten Politiker war, die die Seiten der Geschichte positiv geschrieben haben, sondern der Besen in der Hand dieses unbedeutenden Mannes. Das gilt allerdings auch für jene Theologen, die es nicht begreifen wollen, daß wir schon mehr als genug wissen, und daß, wenn wir auch nur einen Bruchteil von dem, was wir im Katechismus finden (natürlich in einem katholischen, nicht etwa im holländischen Nr.I oder II., oder verschiedenen anderen in den verschiedensten Ländern), verwirklichen möchten, die Weit längst schon hier auf Erden glücklicher wäre.
Wir vergessen, daß neben dem körperlichen Bereich, den wir so sehr pflegen, auch noch der seelische da ist, der genauso gewissenhaft gepflegt worden muß, ja noch gewissenhafter. Die Seele hat drei Fähigkeiten: die Vernunft, den Willen und das "Herz", d.i. die höheren Emotionen. Wenn wir an den lieben Leser die Frage stellen würden, wozu er den Magen hat, dann bekämen wir prompt die Antwort, daß er ein Friedhof für Backhühner usw. ist. Fragen wir aber, wovon sich die Vernunft, der Wille, das "Herz" ernähren, so müssen wir auf die Antwort schon etwas warten, Dabei weiß doch ein jeder, daß ein Ding nur dann als wahr erkannt gelten kann, wenn wir von ihm das Wahre erfaßt haben und daß der Wille das von ihm häufig als subjektiv gut bewertete anstrebt, das in Wirklichkeit aber schlecht sein kam, und daß das "Herz" nur von der Schönheit als dem strahlenden Ausdruck der Liebe des Guten zum Wahren und des Wahren zum Guten lebt und leben kam. Also das Gute, Wahre und Schöne, die den Dreiklang der Liebe bilden, ernährt die Seele des Menschen und hiermit auch den Körper. Wenn nun aber eine Hausfrau ihrem Gemahl ein Gericht von solcher Beschaffenheit vorlegen würde, wie etwa die Zeitung, die Zeitschrift oder das Buch, welches er soeben liest, in Bezug auf das Wahre, Gute und Schöne sie aufweist, - er würde ihr den Teller vor die Füße werfen. Mm sicht daran, daß der Magen weniger vertragen kann, als die Seele meistens verdauen muß, denn würde ihm ein solches Gericht präsentiert, müßten wir - man verzeihe mir den etwas derben Ausdruck - alleweil speien wie junge Hunde, wenn wir das überhaupt überleben könnten.
Da nun die Gnade Gottes eine so große positive Lacht darstellt, wie wir soeben angedeutet haben, daß ein einziges Zeichen des hl, Kreuzes, soweit es einem gläubigen Herzen, welches Gott liebt, entspringt, alle Wasserstoffbomben in Schach halten kann, wird es schon einzig und allein aus diesem Grunde von Bedeutung sein, die Gnade Gottes stets zu besitzen und sie aufgrund guter Werke zu vermehren.
Ganz besonders heute, da der Opfergedanke, der dazu noch von den meisten Menschen falsch verstanden wird, vertrieben wird, und überall ein Freikartensystem für den Himmel angenommen wird, werden die Leser hoffentlich nicht ungeduldig werden, wenn wir, ganz im Rahmen unserer Arbeit, uns etwas eingehender mit dem Opfer, soweit es in Verbindung mit dem Opfer Christi auch uns betrifft, befassen werden.
Bedenken wir nur welche und wieviele Opfer die Menschen täglich nicht nur bringen müssen, meistens aber freiwillig bringen, und daß sie davon nicht einen winzigen Bruchteil für Gott bringen!
Was wird da vom Abendmahl herumgeredet, an dem alle gerne teilnehmen möchten, wenige aber nehmen sich die Warnung des hl. Cyprian zu Herzen, "daß das Opfer des Herrn nicht mit der gebührenden Heiligung dargebracht wird, wenn nicht die Darbringung und unser Opfer dem Leiden Christi entspricht."
Es dürfte wohl allen bekannt sein, daß niemand, der nicht in Christus inkorporiert ist, das ewige Heil erreichen kann. Weniger bekannt ist, was jedoch selbstverständlich sein sollte, daß unsere Einkörperung in Christus eine Teilnahme an seinem Leben und Sterben sein soll, eine Verbundenheit in Arbeit und Leid; mit dem wir unser eigenes verbinden sollen. Die Verweigerung des Uropfers von seiten unserer Stammeltern bedeutet eine Aberkennung der Herrschaft Gottes über Leben und Tod. Durch unser mit dem Opfer Christi verbundenes Opfer wollen wir jetzt die Anerkennung dieser Herrschaft zum Ausdruck bringen. Dieses Opfer ist keine Angelegenheit der Vernunft allein, wie auch nur des Willens, sondern vor allem des Herzens, welches in Gott für immer verankert bleiben will. Es ist aber weh keine Sache allein des Gefühls, denn gerade dieses Verankertsein fordert die Anknüpfung aller Lebensäußerungen an Gott. Da es nun absolut unmöglich ist, bei einer jeden dies zu tun, kann es ein für allemal geschehen, nur ist es empfehlenswert, diesen Entschluß von Zeit zu Zeit zu erneuern.
Das wäre sehr einfach, wenn mit der bloßen Teilnahme am eucharistischen Mahl, soweit es unter solchen Umständen überhaupt eines wäre, die Verbundenheit mit Christus in Leben und Tod zustande käme, Cl. de Sainotes betont: "Proprie ergo memoria recolitur et monimentum excitatur FACTO ET NON VERBIS". ("Das Andenken wird ins Gedächtnis gerufen und die Erinnerung erweckt durch die TAT und nicht mit Worten allein"), wozu sich unsere aktive Teilnahme an seinem Leiden zugesellen muß. "Wer also etwas opfern will, was Gott gefällig ist, nicht früher bringe er es, als nachdem er sich selbst gebracht hat. O Mensch, so wie du dem Kaiser sein Bildnis zurückgibst, gebe Gott sein Bildnis in dir zurück!" 3) Beim Offertorium soll sich der Christ, wem auch symbolisch, so doch nicht weniger real mit seinen Mitbrüdern in Christus und mit Christus restlos Gott übergeben.
Bei der Präfation singt der Priester: "Gratias agimus Domino Deo nostro". Das heißt, so lesen wir bei Biel "Lasset uns Gott Dank erweisen, womit der Priester sich mit dem gläubigen Volk verbindet, da sie ja alle Teile sind des einen Opfers, nämlich des Leibes und des Blutes des Herrn, indem sie in einem mystischen Leib vereint sind!" 4) Was muß aber Christus sagen, wenn er die Gesinnung so mancher sieht, die zwar ihre Gaben vorlegen, sich selber abr nicht. "Wahrer Kult ist der", mahnt Lactantius, "bei welchem der Geist des Huldigendem sich selbst zum Opfer darbietet." 5)
Wegen unserer Verbundenheit mit der Kirche Christi müssen wir bedenken "daß die Kirche selbst es ist, welche in der Person ihres Dieners das Opfer darbringt." 6) Leider glauben viele, wenn nicht gar die meisten, daß sie hiermit ihre Pflicht getan haben, wenn sie etwas von dem, was sie reichlich besitzen und was nicht einmal einen Bruchteil ihres Gesamteigentums bildet, gnädigst zum Altar als Gabe bringen. Sie vergessen, daß diese ja selbst Gottes Gabe ist, und daß sie dazu noch das legen sollten, wozu es ihnen verliehen wurde, sich selbst natürlich nicht ausgeschlossen. Solch eine falsche Einstellung ähnelt zu sehr einem Bestechungsakt.
Dem Vorlegen der Opfergaben müßte, wenn es wirklich ein mit und in Christus identisches Opfer sein sollte, eine Gewissenserforschung vorausgehen, inwieweit die Lebensäußerungen, und zwar alle auf Gott hingerichtet sind. Wäre die hl. Messe ein bloßes Dankopfer, wie die meisten sog. Christen es meinen, vielleicht auch noch ein Lobeslied, dann wäre dies alles nicht notwendig. Das hl. Meßopfer ist aber ein Sühnopfer, und wenn etwas gesühnt werden soll, dann muß man wissen, was! Es wird wohl niemand so hoffärtig sein zu behaupten, er habe nichts zu sühnen, er habe immer und in allen Äußerungen nach dem Willen Gottes gehandelt. Daß mm sich dabei auch über nur "leichte" Sünden nicht so leicht hinwegsetzen darf, wurde bereits früher bemerkt. Was aber ganz besonders hervorgehoben worden muß ist, daß wir uns nicht nur als ein Früchte vorsprechender Feigenbaum erweisen sollen, sondern als ein Früchte tragender. Daß unter den Früchten in der ersten Reihe die vermehrte heiligmachende Gnade zu verstehen ist, dürfte einleuchtend sein.
Gott nun ist es allein, dem alles anzupassen ist, wobei wir das Wort "alles" dem Nachdenken eines jeden überlassen, daher wird das Gewissenserforschen nicht gerade leicht sein. Religion wird definiert: Relatio totius hominis ad Deum, das wörtlich übertragen lautet: Das Zurücktragen des ganzen Menschen zu Gott. Dessen sollen wir uns ganz besonders im Augenblick des Offertoriums bewußt werden, wie auch unser ganzes Leben ein dauerndes Offertorium sein soll. "Damit nun das Opfer jene Eigenart aufweisen könne, daß es ganz allein Gott gehöre, muß das ganze Sein des Menschen auf den Gehorsam gegenüber Gott eingestellt sein ... Also, das innere Opfer, welches durchdas äußere angedeutet wird, darin bestehen, daß der ganze Mensch sich der Dienstbarkeit Gott gegenüber widme." 7) Hiermit dient dieses Opfer für jeden einzelnen in Verbindung mit dem Opfer Christi zur Wiedergutmachung in der ersten Reihe der ersten Sünde. Daß ein Anhänger des Holländischen Katechismus bereits das Opfer weder darbringen kann noch will, umsoweniger ein Anhänger des Teilhard da Chardin ist klar.
"Wir können Gott nicht lieben, wie es sich gebührt, solange wir uns nicht sterben und so die Begierde überwinden und alles, was dem göttlichen Willen widerspricht; nur dann, wenn wir es vernichten, abtöten , siegen wir in unserer Aufopferung." 8)
Das ist natürlich ein großes Geheimnis, wie es selbst bei unserm besten Willen zustande kommen kann, dann ohne Gott können wir nichts machen. Mit vollem Recht wird Christus bei der hl. Messe im entscheidenden Augenblick "Mysterium fidei" genannt, "Geheimnis des Glaubens", denn auch dem, der glaubt durch sein Blut erlöst zu sein, und dar Nachfolger seines Leidens wird, gereicht es zum Heile und zum ewigen Loben. Deshalb sagtja der Herr: "Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esset und sein Blut nicht trinket, habt ihr das ewige Loben nicht in euch." (Joh. 6,53) Das heißt: Wann ihr nicht teilnahmen werdet an meinem Leiden, und nicht glaubet, daß ich für euer Heil gestorben bin, werdet ihr nicht des Leben in auch besitzen." 9) Hiermit wird angedeutet, was der Heiland schon den Söhnen des Zebedäus klar vor Augen gestellt hat, und also auch uns, die wir so gerne umsonst, d.h. kostenlos am himmlischen Mahl teilnehmen möchten. Auch an uns werden durch die Predigt des Herrn die Worte gerichtet: "Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde?" Und wenn der Herr unsere Antwort vernimmt: "Wir können es, dann werden wir auch seine Worte hören: "Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken. Aber den Platz zu meiner Rechten oder Linken habe nicht ich zu verleihen; der gebührt denen, für die er von meinem Vater bereitet ist." (Matt.20,20 ff)
Da wir nun glauben, "wollen wir uns selbst immer aufopfern, sooft wir Christi als des Opferers gedenken und Ihn vergegenwärtigen." 10) Diese Worte gelten zwar in der ersten Reihe vom Priester, aber in ihm und durch ihn für alle Gläubigen, da ja die hl. Messe im Namen aller Gläubigen und für alle Gläubigen dargebracht wird. Allerdings können wir die ersten Worte des Kanons, mit welchen wir dem himmlischen Vater durch Jesus-Christus, Seinen Sohn bitten, er möge gnädigst "haec dona, haec munera, haec sancta sacrificia illibata" annehmen, nur mit Rücksicht auf das Opfer Christi auch auf unser Opfer beziehen, denn Christus allein hat als Mensch unversehrt das zurückgegeben, was Ihm als Mensch von Gott zuteil wurde, nur Er allein hat mit den anvertrauten leiblichen und seelischen, natürlichen und übernatürlichen Gaben so zusammengearbeitet, wie er konnte und sollte, und nur er hat darüber hinaus etwas dazu getan, so daß nur er von einem sacrificium im vollen Sinne des Wortes sprechen kann. Wir alle anderen, die Mutter Gottes ausgenommen, können höchstens, wenn, (aber nur wenn), wir alles getan haben, was uns von Gott aufgetragen wurde, sagen: "Wir sind geringe Knechte, wir haben unsere Schuldigkeit getan." (Luk, 17,10) Wer ist aber so vermessen, daß er wagen dieses zu sagen? Niemand von uns hat die uns von Gott anvertrauten Gaben so unversehrt bewahrt, wie er sie bekommen hat, niemand hat sie so ausgenützt, wie er es sollte und konnte; und wer kann es wagen zu behaupten, er habe darüber hinaus noch etwas hinzu getan! Schauen wir zurück auf unser Leben, denken wir auch über das, was wir hätten tun sollen und können, dann überkommt uns ein unangenehmes Gefühl. Unserem Erlöser sei Dank, daß wir unsere Unvollkommenheiten mit Seinen Vollkommenheiten zudecken können, der mit Seinen Überschwenglichen Lebensopfer unsere so großen Mängel ersetzt hat.
"Das Sakrament des am Kreuze dargebrachten Sakrifiziums," betont. Hosius, bezugnehmend auf die Worte des hl. Augustinus, ist das tägliche Sakrifizium der Kirche, da Christus Haupt Seines Leibes ist, und die Kirche der Leib des Hauptes; so pflegt die Kirche durch Ihn und Er durch sie zu opfern.... und, wenn sie nicht mit ihrem Haupte in Glauben und Liebe verbunden bliebe, könnte sie von jenem Opfer, welches am Altare vergegenwärtigt wird, keine Früchte beziehen... Auch erklärt der hl. Thomas ganz offen, so bemerkt Hosius, daß das Opfer Christi nur bei denen wirksam ist, die im Glauben und in der Liebe an Christi Leiden teilnehmen." 11) Immer und immer wieder kommen wir auf die Formel zurück: compati + commori = conglorificari, d.i. "mitleiden + mitsterben = mitverherrlicht werden! " Es ist nicht möglich, ein Glied aus dieser Gleichung auszulassen. Ohne die "ad-unatio", griech. "henosis", dem Einswerden mit Christus im Leben und Leiden, kam unsere Erlösung nicht aktuell werden. Diese Vereinigung fordert der Heiland ganz offen: "Wer mir dienen will, der folge mir. WO ICH BIN, SOLL AUCH MEIN DIENER SEIN, Wer mir dient, den wird auch mein Vater verherrlichen." (Joh. 12,26-27). Das heißt nun: Wenn der Heiland sich auf dem Kreuzweg befindet, so müssen auch wir daran teilnehmen, nicht als dankbare Zuschauer, sondern in der so von der Neuzeit betonten Aktivität. Ist Er am Kreuz, dann müssen wir auch mit Ihm gekreuzigt sein. Was das zu bedeuten hat; darüber belehrt uns unsere vorgetäuschte Unwissenheit auf dem moralischen Gebiet, da wir ja "wirklich" keine Sünden haben, und "alles" so verrichten, wie wir es können und sollen. Wem wir wirklich aufrichtig sein wollen, dann müssen wir zugeben, wie oft während des Tages wir unsern verkehrten Willen hätten kreuzigen müssen und es nicht getan haben. Eine Gewissenserforschung diesbezüglich ist bitter notwendig bei allen!
Zu dem, dem Offertorium vorausgehenden "Domims vobiscum", bemerkt Gabriel Biel: "Deshalb wird es gesagt, daß wir uns mit dem dargebotenen Opfer einverleiben. Denn der Herr ist mit uns vereint, insoweit Er uns, die wir uns Ihm angeboten haben, annimmt: wenn Er uns mit Seinem Opfer in Beziehung bringt, und wenn Er uns mit sich selbst voreint."12) Das kommt auch zum Ausdruck in dem Augenblick, wenn in den Wein ein Tropfen Wasser gegessen wird. "Wasser mit Wein vermischt bedeutet Christenvolk, das im, Leiden mit Christus verbunden ist." 13) "Wenn jemand Gott Gaben schenken will", so bemerkt der hl. Augustinus, "der opfere sich selbst; nicht im Wortgeschwall soll unser Opfer bestehen, denn Gott richtet nicht nach der Stimme, lauscht aber das Herz ab." 14) "Denn", so betont der hl. Augustinus, "das unsichtbare Sakrifizium müssen wir selbst in unsern Herzen sein." 15) Für die hl. Messe gilt, was bei Stöckl angeführt wird: "Es muß vor allem bemerkt werden, daß in diesem Opfer die Opfergabe von dem Opfernden selbst nicht real verschieden sein könne, Christi Opfer besteht im Gegensatz zu den alten Opfern ein für allemal darin, daß er sich selbst zum Opfer bringt." "Hoc enim fecit semel" sagt der Apostel, "seipsum offerendo. " (Hebr. 7,27) 16) Ob unserer adunatio (Vereinigung) mit Christus im Opfer, müssen diese Worte aber auch von uns gelten!
"Da die Jansenisten das Wesen des Opfers in die Kommunion setzten, und die (wenigstens geistige) Kommunion der Laien für notwendig zum Opfer hielten, so mußten sie den Gläubigen das Munus offerendi (das Amt des Opferns) in der nämlichen Weise zuteilen, wie dem Priester. Das ist gegen die Lehre der Kirche." 17) Das Volk opfert sich selbst vermittelst seiner Gaben durch den Priester als dem Stellvertreter Christi. Hiermit ist ganz klar gezeigt, daß das Wesen des Opfers nicht in die Kommunion gesetzt werden darf und kann. Nicht im Essen besteht das Wehen des Opfers, sondern in der restlosen Entsagung des Geopferten, in der Lossagung vom eigenen "Ich", welches in Christus und mit Christus ans Kreuz geheftet werden soll. Gerade die erneute Darbringung des Opfers, diesmal auch subjektiv von Seiten des Gläubigen ist es, welche die Applikation der Verdienste des blutigen Opfers ermöglicht. Wegen des überhohen Sühnegeldes, welches Christus durch seinen Tod am Kreuz verdient hat, ist Gott bereit, allen, die Ihm mit der entsprechenden inneren Haltung darum bitten, die Verdienste Seines Sohnes auch zukommen zu lassen, ohne welche es kein Heil gibt.
In der heiligen Taufe wurde uns das Leben wiedergeschenkt, damit wir es "per Ipsum, et cum Ipso, et in ipso" (durch Ihn und mit Ihm und in Ihm) als Opfer darbringen können und so Gott jene Ehre erweisen, welche Ihm unsere Stammeltern nicht erwiesen haben, Hiermit können wir das im Paradies geforderte Ganzopfer darbringen und so das ewige Leben gewinnen. Auf dieses wurde bereits einige Male hingewiesen. Ohne sich hinzugeben, kannn der Mensch nichts erreichen. Dieses Sichhingeben ist ein auf das ganze Leben und alle seine Äußerungen sich beziehender Akt. Je intensiver dies zustande kommt, umso mehr verliert die Seele, vom Feuer der Liebe entbrannt, die weltliche Begierlichkeit und wird von dem Entschluß, Gott allein zu dienen, beseelt.
Es ist eine Tatsache, daß der äußern Akt des Menschen, wenn er vernünftig sein soll sich auf den inneren Akt stützen und in ihm seine Wurzel haben muß. jeder nach außen gesetzten Tat muß als Bestimmungsgrund eine der äußeren entsprechende innere Erkenntnis und Willenstat vorausgehen und sie begleiten. Das Verhältnis zwischen beiden ist aber von der Art, daß die äußere Tat nur die in die Sinnlichkeit eingehende und in ihr sich verkörpernde innere Tat ist. Da aber eben in dieser Verkörperung der inneren Gedanken- und Willenstat in einem sinnlich wahrnehmbaren Bilde das Wesen der Symbolik besteht: so ist jede äußere Tat wesentlich Symbol der inneren Tat, und das ganze äußere Leben des Menschen ein großes Symbol seines inneren Lebens." 18)
Die subjektive Anteilnahme am Opfer Christi ist nicht genug zu betonen. "Die Erlösung des Menschen sollte nicht eine mechanische sein, sondern der Mensch sollte mit vollem Bewußtsein und mit voller Freiheit sich der Erlösung in Christus anschließen, und so aus dem Tod der Sünde zum Leben der Gnade gelangen! Natürlich kam dabei die Gnade Gottes dem Menschen in Form einer aktuellen Gnade zu Hilfe, welche dem Menschen helfen sollte, daß er bewußt und frei die objektive Erlösung sich subjektiv zu eigen machte; anders konnte und sollte ihm diese nicht nützen."
Worin muß nun dieses "Subjektiv machen" der Erlösung bestehen? Offenbar darin, daß der Mensch sich selbst bewußt und frei an den Erlöser in der Darbringung des Erlösungsopfers anschloß, es in ihm und mit ihn zugleich darbrachte und so an der 0pferrestitution tätigen Anteil nahm. Dieses aber konnte nur dadurch geschehen, daß sich der Mensch bewußt und frei mit der menschlichen Natur Christi in Seiner göttlichen Person vereinigte, und in dieser seiner menschlichen Natur sich dem Opfertode, zu dem sie von Seiner Person hingegeben ward, ebenfalls hingab. Es muß also dem Gesagten zufolge ein doppeltes Erlösungsopfer unterschieden werden: ein objektives, welches der Erlöser am Kreuz darbrachte, und ein subjektives, das der Mensch (und durch ihn die Natur) durch sein Anschließen an Christus darbringt.
Wir sehen, daß dieses Opfer zwar für alle dargebracht wurde, nicht aber von allen bewußt und frei angeeignet wurde, seine Wirkungskraft sich also nicht bei allen fruchtbringend auswirken konnte. In einem gewissen Sinne konnte von Christus allein ein Genugtuungsopfer dargebracht werden, dem der Mensch subjektiv nichts beigetragen hätte, auf keinen Fall aber ein Sühneopfer, welches ohne die aktive subjektive Teilnahme dessen, der die Sühne darbringen sollte, von einem anderen allein nicht zu verwirklichen ist. Wäre dies möglich, dann könnte selbst Satan eine Freikarte in den Himmel bekommen.
"Die Wiederherstellung muß eine subjektive werden." Der Mensch muß sich bewußt und frei dem Erlöser auf seinem priesterlichen Lebensgange anschließen wollen, und in der Voraussetzung, daß der Mensch diesen Willen mit sich bringt, und jenem Mittel sich hingibt, durch das jener Anschluß nach dem Willen des Erlösers zu geschehen hat." 20) Dies aber ist das sakramentale Opfer. Wie jedoch das Opfer Christi sich nicht auf den Kreuzigungsakt allein beschränkte, sondern sein ganzes Loben ein andauerndes, dabei einziges, Opfer darstellte, ist mit einer bloßen Darbietung von Gaben beim Gottesdienste nichts geschehen. "Der Christ muß das Leben Christi in seinem Leben erneuern und wiederholen, sowohl nach seinem inneren Gehalte, als auch nach dem äußeren Verlauf...- Das Leben Christi war als Opferleben wesentlich ein der Verherrlichung Gottes, geweihtes, es bildete eine fortlaufende Kette von Werken, welche mittelbar oder unmittelbar die Ehre Gottes zum Zwecke hatten. Darum mußte auch das Leben der ihm geeinigten Menschen diese Eigenschaft erhalten." 21) Ohne Opfer kann keine Orthopraxie zustandekommen, von welcher heute so viel gesprochen wird, aber auch ohne wenigstens das Bestreben nach Orthopraxie kein für den Menschen fruchttragendes Opfer, da dieses an seinen guten und tatkräftigen Willen gebunden ist. Wir sehen hier von einem anderen Standpunkt wieder, daß mit dem Kirchenbesuch allein nicht geholfen ist, wir bemerkten bereits, daß die Mensa des Altars sich auf die ganze Lebensbühne erstreckt, wie dem Raume so auch der Zeit nach. Wie das Opferleben Christi am Kalvarienberg gipfelt, so erreicht für die, die wiedergeboren wurden aus der Taufe, ihr Opferleben den Gipfel bei der hl. Wandlung, an der sie ob ihres Offertoriums teilnehmen können. Natürlich ist diese Teilnahme an den Priester gebunden, der vor dem Altare in Doppolvortretung steht, nämlich Christi, wie auch des Volkes. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß infolge dieser Vertretung ein jeder, der, sich durch ihn in Christus mitopfert unter beiden Gestalten in ihm die heilige Kommunion empfängt, also keineswegs gekürzt ist, wenn er nur die hl. Hostie empfängt.
Zusammenfassend müssen wir mit Scheeben sagen: "Nach katholischer Lehre übt ferner Christus im Himmel, respektive vom Himmel aus sein melchisedechisches Priestertum insbesondere dadurch aus, daß er durch seine priesterlichen Organe auf Erden im Schoße seiner Kirche wahrhaft konsekratorische und sakrifikale Akte setzt, wodurch er sich selbst zum Opfer der Kirche macht und die Kirche in das Opfer seiner selbst einschließt. Diese Opferhandlung ist zu gleicher Zeit einerseits die sichtbare symbolisch-reale Vergegenwärtigung des im himmlischen Opfer fortlebenden Kreuzesopfers in der irdischen Kirche zur Applikation der ihm einwohnenden sühneverdienstlichen Kraft - und andererseits die vollendete, Betätigung des Strebens der Kirche, - das Opfer Christi als das Opfer ihres Hauptes und Erstlings auch ihrerseits darzubringen und in die Gemeinschaft mit demselben und Kraft desselben ebenfalls ein vollkommenes latreutisch- eucharistischos Opfer zu werden."22)
Fortsetzung folgt
Fußnoten: 1) Brief (65) des hl. Cyprianus an Cäcilius über das Geheimnis des Kelches des Herrn. 2) Cl.De Sainctes, De Rebus Eucharistiae, decima repetitio. 3) PL65, S.Fulgentius, Sermo X. 4) Scopus Biblicus Alberti Novocampiani, Antverpiae 1555, Biel, Canonis explic. abbrev. 5) PS 6 De vero cultu. Lactantii Divin.instit.Iiber VI.c.2. 6) De Sacrificio Missae, Tractatus asc.Bona, §1. 7) Pasqualigo. Qaestiones Teologicae, Morales, Iuridicae de Sacrificio Novae Legis, Tract.I, Qu.VI. 8) Pouget, Institutiones Catholicae, Pars II.sec.V. Venetiis 1782. 9) PL 105 Symphosii Alamrii epistolae, IV. 1334 C. 10) De Coena et Calice Domini a Gaspare Casalio, pg.223; Veretiis 1563. 11) Hosius, De Sacramonto Acharistiao, C.41. 12) Gabrielis Biel, Sacri Canonis expositio, Lectio XVI. 13) 13) S.Thom.Aq. Super I. ad Corinthios 684. 14) PL 105, Amaleriua, De ecclesiasticis Officiis, 1137/37, 15) S. Augustini, De civitate Dei,L.10.o.19 16) Stöckl, Lehre vom Opfer, 447, 17) op.cit. 508. 18) Stöckl, Liturgie und dogmatische Bedeutung der alttestamentlichen Opfer,112. 19) op.cit. 127-129. 20) op.cit, 206. 21) op.cit. 220. 22) Scheeben, Handbuch der katholischen Dogmatik V/21 Erlösungslehre, pg. 302.
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