BRIEF EINES VERTRIEBENEN PRIESTERS AN EINEN SEINER FREUNDE
von Abbé Henri Suchet (Itinnraires Nr. 164)
Abbé Henri Suchet betätigte sich in Fécamp als Amonier (Anstaltsgeistlichor) der Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul und eines Waisenhauses. As dem folgenden Brief wird man ersehen, wie der Klerus des Ortes, unterstützt vom Hilfsbischof von Rouen, Mgr. Bardonne, diesen Priester behandelt hat.
Lieber Herr Chanoine,
Sie werden sich fragen, was aus mir geworden ist, und wie es mit den Versprechen steht, die ich Ihnen gegenüber, M.J. Suchet betreffend, gemacht habe. Ich will es Ihnen ganz einfach sagen: Ich habe diesen Sommer von Viverais eine ganze Dokumentation und Photos mitgebracht, in der Hoffnung, in meinem Geburtshause noch andere Dokumente zu finden. Ich wollte in Ruhe und Einsamkeit arbeiten, als meine Haushälterin plötzlich schwer erkrankte. Mm mußte sie ins Spital von Aubernas überführen, wo sie drei Wochen verblieb. Darauf war es an mir, krank zu werden, und man mußte uns wieder hierher zurückbringen, und zwar auf dem Straßenwege (850 km, ohne Unterbrechung). Hier erwartete mich schwerer Kummer. Ich muß Ihnen erklären, daß ich in der Eigenschaft als Priester "pied noir" immer verdächtig blieb, umsomehr, da ich mich nie geschämt habe, die Wahrheit zu sagen.
Dann ist zu hinzuzufügen, daß ich Traditionalist bin, und daß ich stets die Messe von Pius V. lese - ein unverzeihliches Verbrechen! Seit 18 Monaten wohnen die Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul meiner Messe nicht mehr bei. Ich habe es mit dem Pfarrer der Pfarrei zu tun, den die Kapelle mißtrauisch machte, mit dem progressistischen Klerus, der meinen Untergang geschworen hat. Deswegen kam Mgr. Bardonne, Hilfsbischof von Rouen, zu mir in meine Wohnung, noch vor Weihnachten, und bedeutete mir, die Kapelle auf den 1. Januar 1972 zu schließen. Er benahm sich äußerst agressiv, um nicht zu sagen frech. Er war in Zivil gekleidet. Er wagte mir zu sagen, daß er mir, um mir zu helfen und mich zu verteidigen, Priester des Dialoges und des Austausches schicken würde.
Auf solche Beleidigung hin, setzte ich ihn ganz energisch vor die Türe und sagte ihm: "Es ist der Feldprediger, der zu Euch spricht." Er schäumte vor Wut. Vierhundert Jahre früher hätte man mich auf den Scheiterhaufen geschickt. Rouen ist ja nicht weit entfernt! Es ist klar: nach meiner sechsjährigen Gegenwart hier war es mir gelungen, viele Vorurteile zu entfernen, und zu beweisen, daß die Priester von Französisch-Algerien nicht ausgedient haben, im Gegenteil, daß sie zum Eckpfeiler der Garde gehören, die, wenn es nottut, das Leben hergeben, um die hl. Kirche zu verteidigen, welche andere morden.
Meine Kapelle enthielt 150 Plätze. Die Schwestern, die es nicht fertigbrachten, mich zu entfernen, beschlossen, den Ort zu verlassen. Sie kauften ein Hotel gegenüber, wo sie sich auf den 1. Januar 1972 einrichten sollten. Und trotzdem sind sie noch da und beeilen sich nicht, fortzugehen, nachdem es ihnen gelungen ist, mich durch Bischof und Klerus fortzujagen.
Ich sang meine letzte Messe am 31.Dezembor abends um 18 Uhr, vor einer sehr bewegten Menge. Diese Messe galt der Seelenruhe des Stifters, Mr. André Pierre Le Grand, meinem Wohltäter, und ebenso großen Wohltäter der Schwestern. Nun gut, sie weigerten sich, der Messe beizuwohnen! Zum großen Ärgernis aller. Zur Kommunion konsumierte ich die heiligen Reste, im Bewußtsein, daß der Pfarrer bald nach der hl. Messe im Geheimen kommen würde, um die hl. Hostien wegzunehmen. Ich hatte im Chor eine Fahne zur Schau gestellt, mit schwarzem Bande, eine wunderbare Reliquie, die stolz auf meiner Kirche des hl. Louis während des Algerienkrieges geflattert hatte.
Vor dem leeren Tabernakel sangen wir das "Miserere" und "Parce Domine". Nachdem die Menge die Kapelle verlassen hatte, drang der Pfarrer, der sich mit den Schwestern in einem dunklen Gang versteckt hatte, in die Kapelle. Er trug Chorkleider, die Schwestern folgten prozessionsweise. Er reichte mir ein Papier, das ich zurückwies, und wandte sich dem Tabernakel zu... "Zu spät" sagte ich, "der Herr hat nicht auf euch gewartet. Er hat sich entfernt." Ich werde den Ausdruck seines Gesichtes nie vergessen.
Es blieb der Altarstein. "Was du tun willst, das tue bald". Er wurde bei dieser Erwähnung der Worte Jesu an Judas leichenblaß.
Und ich zog ab, in der einen Hand meinen Kelch, in der deren meine Fahne.
Seither lese ich die hl. Messe bei mir zu Hause. Alle Tage zehn bis fünfzehn Kommunionen; an den Samstagabenden kann ich nicht mehr als vierzig Personen annehmen, ebenso an Sonntagen. Sie befinden sich überall im Gemeinschessaal und in der Küche, wo ich einen mobilen Beichtstuhl installierte, in Gängen und auf Stiegen. Man betet und singt gut. Die Reaktion der Gläubigen ist herrlich. Eine Petition an den apostolischen Nuntius unter der Verantwortlichkeit von zwei bekannten Doktoren hat ungefähr 200 Unterschriften erbracht. Fünftausend Traktate befinden sich im Druck, etc... Das macht Lärm, auf welchen ich verzichten kann. Weder mein Name noch meine Funktionen werden noch im Ordo von 1972 erwähnt. Immerhin, den Jurisdiktionstitel hat man mir noch nicht entzogen. Wenn die Ruhe wieder hergestellt werden wird, werde ich mich mit dem beschäftigen, um das Sie mich geboten haben. Unterdessen übermittle ich Ihnen meine christlichen Wünsche, für Sie selber, für Ihre Equipe und für den Erfolg des "Embleme", das ich immer mit großem Vergnügen lese. In treuer Freundschaft.
Ihr Henri Suchet, Aumonier
(übersetzt von Dr. Ambros Kocher, Solothurn)
|