Von unbeherrschten Blicken
von Theol. Prof. P. Dr. Severin Grill
Die Heilige Schrift mahnt uns, die Blicke im Zaum zu halten und nicht umherschweifen zu lassen. Besonders gewarnt wird vor dem Anschauen schöner Gesichter und zierlicher Schuhe, weil das die Erregung böser Begierden nach sich ziehen könnte.
Im Buche Jesus Sirach lesen wir: "Nicht jedem Menschen wolle in das Angesicht schauen". Man soll keine vorwitzigen Blicke auf schöne Menschen werfen, um nicht in Versuchung zu geraten. Der Cisterzienser Alan von Lille (+1202) bemerkt zu dieser Stelle: "Hier belehrt uns der Autor, die Reinheit des Körpers und des Herzens zu bewahren. Denn gefährlich kann dir werden, dessen Angesicht du häufig anschaust. Schamlose Augen kennen nicht die Schönheit der Seele, sondern nur die Schönheit des Körpers. 1) Im 1 Kor-11,10 schreibt Paulus vor: "Die Frau ist verpflichtet, einen Schleier auf dem Haupte zu tragen wegen der Engel" Die rätselhaften Ausdrücke "exusia" und "potestas" im griechischen und lateinischen Text erklären sich, wenn wir das äquivalente syrische "schultono" oder "schiltono" einsetzen, das "Kopfputz der Frau, Kopftuch und Schleier" bedeutet. G. Kittel schreibt: "Exusia bedeutet Hülle und Schleier. Es entspricht dem talmudischen "schultonaja" 2) "... wegen der Engel" wird verschieden erklärt, entweder wegen der Schutzengel, welche die Frauen begleiten oder Engel meint hier Boten des kirchlichen Dienstes, die Priester und Diakone. Es können aber die bösen Engel gemeint sein, welche unreine Begierden erregen. Ephräm sagt: "Auch in der Kirche sind die Dämonen gegenwärtig und machen uns auf schöne Gesichter von Knaben und Frauen aufmerksam." 3)
Die Heldin Judith gesteht in ihrem Jubellied über den gelungenen Sieg:" Die Sandalen berückten sein (Holofernes) Auge und ihre Schönheit fesselte sein Gemüt (Jud. 16,9)
Wenn schon das Anschauen von schönen Gesichtern, ja sogar von Schuhen in Versuchung führen kann, wie vielmehr der Anblick von entblößten Beinen. Das braucht nicht einmal gewollt zu sein, aber die Schenkel lenken die Blicke unwillkürlich auf sich. Im Buche Levitikus heiat es: "Die Scham deines Vaters oder deiner Mutter sollst du nicht aufheben" (18,6). Es folgen die Einzelfälle von Schwestern, Töchtern (von Nebenfrauen des Vaters), Onkel und Tante. In dem Gesetz ist freilich zunächst der eheliche Umgang oder die geschlechtliche Befriedigung mit solchen Verwandten verboten. Wir müssen aber die Warnungen auch im weiteren Sinn nehmen von allen unkeuschen Blicken, die durch das Anstarren entblößter Glieder entstehen können. Was soll sich ein Knabe oder Jüngling von seiner Mutter denken, wenn sie ihm in diesem Aufzug entgegentritt? Unsere gegenwärtige Unsitte der Entblößung der Glieder wäre im Orient undenkbar. Was sollen wir dazu sagen, wenn ein Papst oder Bischöfe und Priester so mangelhaft gekleidete Frauen und Mädchen empfangen, sich mit ihnen unterhalten und ihnen ohne Bedenken die Kommunion spenden? Soll ein Priester da etwa nicht das Recht haben, solche Frauen und Mädchen bei der Kommunionspendung zu übergehen? Unsere Generation soll sich nicht beklagen, wenn sich die Folgen der Schamlosigkeit einstellen: Überfälle und Vergewaltigungen, Krankheiten und Störungen der Gesundheit nehmen überhand. Was soll man vom Jenseits sagen, wenn dort Verführende und Verführte hören müssen: "Die Ungläubigen, Greulichen und Unkeuschen sollen ihren Teil haben im Pfuhl, der von Feuer und Schwefel brennt." Es ist tief bedauerlich, daß selbst christliche Frauen und Mädchen, die sonst dem König Christus folgen, hier aus Angst für unmodern gehalten zu werden, dem Modekönig folgen. Man sollte eine Liga von Frauen gründen, die sich bewußt und gewollt an das biblische Schamgesetz hält.
Fußnoten: 1) Sententiae PL210, 258 2) Thwb II, 571 3) Contra daemones, Paris 1842, S. 473: mares = Knaben cf. Ovid Metam. 10,84
Anmerkung: Zu obigem Artikel vergleiche die wichtige Stelle aus Ex 20,26: "Steige nicht auf Stufen zu meinem Altar hinauf, damit nicht deine Blöße sich vor ihm enthüllt".
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