TUET BUSSE
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
3. Fortsetzung
Was wäre denn, wenn eines schönen Tages sich kranke Menschen zum Krankenhaus begeben würden, und, während der Primarius sie vom Balkon aus besichtigen wurde, einstimmig rufen würden: "Wir sind krank, wir sind krank, wir sind sehr schwer krank." Wären sie da beglückt, wenn sie als Antwort seine Worte hören würden: "Geht nur ruhig heim, ihr seid alle wieder gesund!" ? Ein Unsinn! Gibt der Priester den Beichtstuhl preis, dann ist es eine noch größere Torheit, als wenn der Arzt auf sein Ordinationszimmer oder der Chirurge auf den Operationssaal verzichten würde! Es ist tatsächlich eine unbeschreibliche Torheit und gröbste Pflichtvergessenheit des Priesters, wenn er dem Beichtstuhl ausweicht, eine nicht geringere Borniertheit ist es aber, wenn der Sünder - und wer von den Menschen ist es nicht - dem Beichtstuhl ausweicht. Vergessen wir ja nicht, der hl. Pfarrer von Ars hat Frankreich zu Gott zurückgebracht mit Hilfe der Kanzel, des Beichtstuhles und des Altares, der drei Dinge, welche der "moderne Klerus" radikal beiseite schiebt. Wer darf sich dann aber wundern, wenn der Priester von des Volkes Gnaden nun Präsident des Gottesvolkes und Regisseur des Gottesdienstes, soweit man dieses Geschehen überhaupt noch Gottesdienst nennen darf, und Kirchensteuereinnehmer wird, der solange geduldet wird, als er pariert.
Wer darf sich wundern, wenn Pädagogen, Sozialarbeiter und Mediziner oft mehr als 80% des ehemaligen Wirkungsfeldes der Priester übernehmen mußten, weil niemand sich darum gekümmert hat, einige wenige Ausnahmen, die wahrlich Großes geleistet haben, ausgenommen. Man fragt sich nun, worin die eigentliche Arbeit des Priesters besteht.
Der hl. Paulus gibt uns klar die Antwort: "Wir predigen Christus, den Gekreuzigten." (1 Kor.1,23) Nicht von Christus, das könnte, wenn er wollte, selbst der Teufel, sondern Christus, wozu es notwendig ist, soweit es die menschliche Schwachheit gestattet, in Christus Christus zu werden. Das gelingt nur einigermaßen annähernd bei Heiligen, in allen anderen Fällen wird es eine besondere Gnade sein, welche das allzu Menschliche in uns ergänzen muß, wenn der Heiland sein Ziel mit uns erreichen will.
Vor Jahren kannte ich einen ausgezeichneten Arzt für Tuberkulose, welcher aber leider selbst tuberkulös war und an der Krankheit auch starb, nicht weil er sich bei der Behandlung seiner Patienten de Krankheit zugezogen hätte, sondern weil er sich später, als er bereits selbst krank war, nicht nach dem Rate, den er anderen geben mußte, richtete. Das alles aber hinderte ihn nicht daran, ein ausgezeichneter Arzt zu sein.
Nicht so ist es jedoch mit dem Erzieher! Kein charakterloser Erzieher kann Charakter bauen, wie groß auch seine theoretischen Kenntnisse auf dem Bereich der Pädagogik wären. Und hier sind wir an die eigentliche Aufgabe des Priesters herangekommen. Wieder ist es der hl. Paulus, welcher uns hierin belehrt: "Meine Kinder, so schreibt er an die Galater, noch einmal leide ich Geburtswehen um euch, bis Christus in euch Gestalt gewinnt." (4,19) Längst haben wir vergessen, was der Titel 'Pater' zu sagen hat, als auch 'Mater', bei Ordensschwestern mit feierlichen Gelübden. Nicht ein jeder, der einem Kinde das Leben geschenkt hat, ist schon durch diese Tat Vater oder Mutter. Sie sind nur Erzeuger oder Gebärerin. Sie brachten eine Person, aber noch keine Persönlichkeit zur Welt. Person verhält sich zur Persönlichkeit wie etwa ein Apfelkern zum blühenden und früchtetragenden Apfelbaum. Vater und Mutter wird man dann erst, wenn man einer Person dazu verhilft Persönlichkeit zu werden. Die neun Monate der Schwangerschaft der hl. Monika, als sie unter ihrem Herzen den werdenden Augustinus trug, waren sicher nicht mit wenigen Beschwerden begleitet, doch was war dies alles, als sie jahrelang daraufhinarbeitete und opferte um ihren Augustinus zu verhelfen ein heiliger Augustinus zu werden. Wenn wir in die Gassen schauen und die Kinderwelt betrachten, dann müssen wir leider meistens konstatieren, daß es Waisenkinder von lebenden Eltern sind. Und so kommen wir zu einer Tatsache, daß es nicht wenige gibt, die Vater und Mutter sind, ohne jedoch einem Kinde je das Leben geschenkt zu haben, während sehr viele, wenn nicht gar am Ende die meisten, bloß Gebärer sind, nicht aber das Anrecht auf den Titel Vater oder Mutter haben, weil sie ihren Verpflichtungen, der Person des Kindes es zu ermöglichen eine Persönlichkeit zu werden, nicht nachkommen. Gar manche erfüllen diese Pflicht aber ohne je einem Kinde das Leben geschenkt zu haben.
Schade, daß wir das Gespräch, welches der hl. Paulus und natürlich alle anderen Apostel bis oft spät in die Nacht hineinführten, nicht am Tonband haben. Worüber werden sie wohl gesprochen haben, über Politik, über Sport? Das sicher nicht! Aber wie ein Bildhauer sich bemüht, seine Ideen und Vorstellungen in den harten, Widerstand leistenden Stein zu bringen, so versuchten sie ihre ihnen anvertrauten Seelen in Christo umzubilden, wie durch ihre Predigt, so durch die Spendung der Sakramente, aber auch durch ein höchst individuelles Behandeln eines jeden Charakters - eine Arbeit, die sicher viel Mühe und Zeit erforderte.
In unserer Zeit, wo alles auf die Massen eingestellt ist, will man mit Massenmedien die Massen bearbeiten, vergißt dabei aber, daß die individuelle Erziehung eines jeden Menschen absolut unumgänglich ist. Ich will dabei lieber nicht nach dem Pastoreneinmaleins fragen, ich möchte bloß an den Leser eine Frage stellen. Wie oft in Ihrem Leben kam ein Pfarrgeistlicher zu Ihnen auf Besuch und worüber wurde, wenn es dazu gekommen ist, gesprochen? Leicht wird man wohl die Entschuldigung hören, der anvertrauten Seelen seien zu viele, um dies zu verwirklichen. Fragen wir aber die Ärzte, wieviele Patienten sie täglich in der Ordination haben, trotzdem ihrer bedeutend mehrere sind als Priester. Man schaue nur nach, wieviele Ärzte es im Pfarrsprengel gibt, das Krankenhaus mitinbegriffen! Hat ein Priester so viele Beichtkinder im Beichtstuhl wie ein Arzt im Ordinationszimmer während des Tages?
Nie dürfen wir vergessen, daß der Priester im Beichtstuhl nicht nur als Richter wirken soll, sondern auch als Lehrer und Arzt. Die Seelenführung im Beichtstuhl ist ein Werk, welches pädagogische Höchstleistungen vom Priester fordert, welche er einzig und allein, selbst bei gewissenhaftester Vorbereitung in den Studienjahren und aszetisch-mystischer Vorbereitung vor dem Beichthören, nur auf Grund der Fürbitten, Gebete und Opfer so mancher frommen Seele imstande ist zu bringen. Und diese Arbeit, eine höchst individuelle, muß geschehen und kann nicht umgangen werden. Die Kirche ist keine politische Partei für die man Massenwerbungen machen könnte, wenn auch, aber auf charismatischer Grundlage, es zu Massenbekehrungen gekommen war. Nachträglich war jedoch das individuelle Wirken ebenso notwendig wie immer.
Wir sehen, daß es ein Verbrechen ist, welches unheimliche Folgen tragen muß und wird, für welches sich manche Priester einmal vor Gottes Gericht zu verantworten haben werden. Wievielen Sünden hätte man mit Hilfe des Beichtstuhles vorbeugen können, wieviel Jammer und Elend verhindern! Wir werden noch an einigen Stellen zu diesen Tatsachen zurückkehren müssen.
"Die Väter reden häufig von einem allgemeinen Sündenbekenntnisse im Gebet vor Gott, wodurch ein Volk oder ein Mensch sich als Sünder anklagt, sich dazu würdig bekennt, was Gott über ihn verhängt, um ihn so in der allgemeinen oder besonderen Not zum Mitleiden zu bewegen und Gottes Gnade zu verdienen." So bekennt Gregor von Nazianz als Haupt seiner Gemeinde nach einem fürchterlichen Hagel die verschiedenen Sünden, deren sich der eine oder der andere seiner Zuhörer schuldig gemacht hat. Origenes verlangt, daß in allen Versammlungen zum gemeinschaftlichen Gebet nach der Doxologie und der Danksagung für die empfangenen Wohltaten eine allgemeine bittere Selbstanklage vor Gott und das Eingeständnis der Schuld mit Bitte um Verzeihung und Heilung folge. Johannes von. Damaskus nennt unter den verschiedenen Arten der proskynesis (Gottesverehrung) das Gott abgelegte Sündenbekenntnis. Auch haben alle Liturgien ein Bekenntnis, wodurch sich Priester und Meßdiener in allgemeinen Ausdrücken sagen, daß sie in vielem gesündigt haben. Später wollten sich einige englische Priester mit diesem allgemeinen Bekenntnisse vor "der Messe begnügen" in der Meinung, ihre Todsünden würden dadurch ausgelöscht, wofür sie (const. Walterii Raipold. A.E. Cantuar.1322) gezüchtigt wurden. ...
Außer dieser öffentlichen, allgemeinen Selbstanklage vor Gott verlangen die Väter noch eine spezielle geheime, worin sich der Mensch mit allen und jeden Sünden, deren er sich bewußt werden kann, vor dem Allwissenden niederwirft, sie alle vorzeigt und Heilung von ihm fordert. Als ein ganz vorzügliches Mittel zur Demut, Dankbarkeit gegen Gott, als beste Vorbereitung zum Gebet und Entwaffnung des göttlichen Zornes wird solches geschildert. Ohne Scheu soll jeder zu dem Erlöser, dem Arzte, seine Zuflucht nehmen, der so sanft heilt und nur das Opfer des Gebetes und der Tränen verlangt, denn dieser himmlische Arzt heilt, da er so gut ist, durch Tränen und Seufzer die Wunden. Geh zu ihm, Sünder, zu diesem guten Arzte. (Ephraem) Was fürchte ich mich zu bekennen, was fürchte ich meine Sünden zu sagen! Was scheue ich mich, von meiner Schande bei dem Erwägung zu tun, dessen Urteile süß sind! Was bei anderen bitter, ist in Christo lieblich, ist in Christo süß, weil er selbst süß ist. Süß ist das Urteil dem Bekennenden, süß das Urteil dem, der Buße tut. Bei Erklärung der Worte des verlorenen Sohnes: Vater, ich habe wider den Himmel und vor dir gesündigt, (Komm. in Lk 15) sagt Ambrosius: "Das ist die erste Beichte bei dem Urheber der Natur, dem Hohepriester der Barmherzigkeit, dem Richter der Schuld. Wiewohl Gott alles weiß, so erwartet er doch die Stimme deines Bekenntnisses .... Umsonst möchtest du dem etwas verbergen, dem du in nichts verborgen bist, und ohne Gefahr magst du das offenbaren, das, wie du weißt, bekannt ist." Auf dieses Bekenntnis dringen Hilarius, Augustinus und viele andere Kirchenschriftsteller, aus denen hier Stellen angeführt werden könnten. Keiner hat aber nachdrücklicher und häufiger diese Beichte empfohlen, und die Genauigkeit, die in der Erforschung und im Bekenntnisse der einzelnen Sünden liegen soll, sorgfältiger entwickelt als Chrysostomos, so daß manche, ihn mißverstehend, dafür hielten, er kenne nur diese einzige Art des Sündenbekenntnisses. Hier von den vielen nur einige Stellen: "Wir sollen uns nicht nur Sünder nennen, sondern auch die Sünden hersagen und die einzelnen alle aufzählen. Ich sage nicht, stell dich zur öffentlichen Schau hin, noch, daß du dich bei den anderen anklagest, sondern ich rate dir, dem Propheten zu folgen, wenn er sagt: 'Enthülle dem Herrn deinen Weg', (Ps. 36,5), bekenne sie vor Gott, vor dem Richter gestehe deine Sünden, betend, wenn auch nicht mit der Zunge, doch mit dem Gedanken, und verlange so Erbarmung ... Entfalte dein Gewissen vor Gott, und zeige ihm die Wunden und verlange Heilmittel für sie, zeige sie dem, welcher dich nicht schilt, sondern heilt; denn wenn du auch schweigst, so weiß er alles, sage es demnach, damit es dir fromme."
Welchen Wert ihm dieses Gott abgelegte Bekenntnis hat, erhellt auch daraus, daß er es den ersten Stammeltern von Gott abgefordert werden läßt. "Hätte ich nicht gewußt", so führt er Gott redend ein, "daß sie böser würden, wenn sie die vorigen Sünden nicht eingestehen, so würde ich solches nicht verlangt haben. Da ich aber weiß, daß das Geschlecht der Menschen immer mehr zum Bösen sich neigt, darum will ich, daß sie die ersten Sünden bekennen, damit das Bekenntnis sie vom Rückfall abhalte."... Auch bei den Alten, besonders den Aszeten, finden sich nicht nur Ermunterungen zu dieser Art Bekenntnis, sondern auch zum Behufe solcher Andachtsübungen eigens abgefaßte Gebetsformeln, wie die des Prosper Aquitanus (geb. ca. 390): "Ich Sündiger und Armer bekenne dir, dem ewigen, lebendigen und wahren Gott, und dir, heilige Maria, Mutter Gottes, und auch allen Engeln und Heiligen, Thronen, Kräften und Herrschaften, Fürstentümern und Mächten, Cherubim und Seraphim, Patriarchen, Propheten, Aposteln, Jüngern, Märtyrern, Bekennern, Jungfrauen, und euch, allen Heiligen, euch bekenne ich meine Sünden, zusammengestürzt in den Vergehen; in allen Gliedern habe ich das Maß der Natur überschritten, und bösen Taten mich hingegeben. Ich habe gesündigt in Stolz, Eitelkeit, Neid, Ruhmredigkeit, Anmaßung, Unwissenheit, Nachlässigkeit, Schläfrigkeit, Haß, Zorn, Ungeduld, Traurigkeit, Trägheit, Geiz; Eßgier, Trunkenheit, Begierlichkeit, Wollust usw. Derohalben flehe ich zu euch allen, Heilige Gottes, daß ihr mir unglücklichen ärmsten Sünder mit den Gebeten und Verdiensten der heiligen und herrlichen Jungfrau Maria und aller Heiligen zur Seite stehen wolltet. Es erbarme sich meiner der allmächtige Gott, und erlasse mir der Herr alle meine Sünden, und befreie mich von allem Übel, und bewahre mich in jeglichem guten Werke, und führe mich der Herr zum ewigen Leben." Ein ähnliches Sündenbekenntnis hat auch Alcuin für den Kaiser Karl festgesetzt. Ein vorzüglich schönes Muster einer solchen Beichte vor Gott findet sich auch unter den von Anselm abgefaßten Gebeten. Jeden Tag soll man nach der Vorschrift des Theodulf ein oder mehrmals Gott im Gebete seine Sünden bekennen mit Seufzen und Tränen, und das Bekenntnis mit einem Bußpsalm schließen. Auch für die öffentlich büßenden Mönche oder andere Sünder hat Alcuin solche Gebete zu Gott mit einer Beichte geschaffen. Dieses Bekenntnis vor Gott soll aber für sich nicht genügen, sondern mit jenem vor dem Priester verbunden werden. "Gott und Priester" bekennen, ist eine dem Ambrosius geläufige Formel. In der Exh. ad Poen. ermahnt er zur Erhaltung der Seelenreinheit, weil man nicht wisse, ob man Buße wirken, und Gott und dem Priester bekennen könne. Eine Fastenrede beginnt er mit folgenden Worten: "Sieh! Nun ist die angenehme Zeit .... Sieh! Nun ist die Zeit, in welcher ihr eure Sünden Gott und den Priester bekennen müßt." Im Mittelalter ist diese Form ganz stereotyp. Obwohl Gott alles weiß, erwartet er die Stimme unseres Bekenntnisses. Ambrosius verweist den Sünder an die Kirche: "Stehe also auf, laufe zur Kirche, hier ist der Vater, hier ist der Sohn, hier ist der Heilige Geist." Vielleicht heißt also deshalb die priesterliche Buße unter anderem auch 'die zweite', weil ihr die erste vor Gott abgelegte Beichte vorausgehen muß." (1)
Unsre Aufgabe ist es nicht, hier über die hl. Beichte als solche zu sprechen. Diesbezüglich müssen wir auf entsprechende Fachwerke verweisen. Das eine ist aber mit dem Konzil zu Trient zu betonen: "Wenn jemand leugnen würde, daß die sakramentale Beichte göttlichen Rechts eingesetzt oder zum Heile notwendig sei, oder sagen möchte, daß die Art, welche die Kirche von Anfang an befolgte und befolgt (dem Priester allein geheim zu beichten) nicht von Christus eingesetzt und beauftragt wurde, und eine menschliche Erfindung sei, der sei im Banne." ... "Wenn jemand sagen sollte, daß das Bekenntnis aller Sünden, so wie die Kirche es fordert, unmöglich sei, und rein menschliche Tradition und deshalb von den Frommen abzuschaffen sei; oder daß nicht alle Christgläubigen beiderlei Geschlechts an sie gebunden seien, wie das das große Lateranische Konzil es fordert, einmal im Jahr zu beichten, und den Christgläubigen anraten würde, es nicht in der Fastenzeit zu tun, der sei im Banne." (2)
Pflicht ist es, ein genaues Bekenntnis der Sünden abzulegen, ob dies nun öffentlich oder geheim geschieht, jedenfalls muß es geschehen. Der sakramentale Charakter der heiligen Beichte liegt nicht an der Heimlichkeit, sondern an der Genauigkeit. Ohne ein genaues Bekenntnis der Sünden kann es keine Lossprechung geben. Dazu bemerkt Klee: "Wer heutzutage die Ohrenbeichte nicht wollte, dem würde vielleicht die Freiheit, öffentlich zu beichten gegönnt werden." (3)
Wenn auch manches nicht direkt die sündhafte und infolgedessen zu beichtende Tat beeinflußt, ist es dennoch zu bekennen, wenn auch durch das Nichtbekennen die hl. Beichte nicht ungültig wäre, weil der Priester, wie wir schon bemerkten, im Beichtstuhl nicht nur als Richter auftritt, sondern auch als Lehrer und Arzt. Denn gerade aus solchen "Kleinigkeiten" kann man künftige, bevorstehende Gefahren herauslesen und oft nicht geringen Übeln ausweichen. Daß die Umstände zu bekennen sind, welche direkt die Tat beeinflussen, dürfte allen klar sein. Als Erzieher, als geschulter Pädagoge, der er sein soll, wird der Seelenführer eine eingehende Beschreibung der zu beichtenden Tat nur begrüßen, wenn auch andererseits unnütze Weitschweifigkeit zu vermeiden ist. Das Bekenntnis zu ordnen ist Pflicht, nicht nur des Beichtkindes, welches in erster Linie darauf achten muß, aber auch des Beichtvaters, der sicher keine überflüssige Zeit hat, wobei aber gar manches, welches oft im ersten Moment unbedeutend zu sein scheint, von großer Bedeutung sein kann. Darüber hat aber, von ganz klaren Fällen abgesehen, der Beichtvater das Urteil zu sprechen.
Scotus folgt dem Naturgesetz: "Ein jeder, der sich etwas hat zuschulden kommen lassen, muß gerichtet werden; aber auch: niemand darf Richter in seiner eigenen Angelegenheit sein. Also muß der, der etwas verschuldet hat, von einem Anderen gerichtet werden: er kann aber nicht von einem Anderen gerichtet werden, wenn er bei ihm nicht angeklagt ist. Auch kann er von keinem Anderen als von sich selbst angeklagt werden, wenn sein Vergehen geheim ist, also muß er sich selbst beim Anderen anklagen, von dem er gerichtet werden soll. Der Vernunft entspricht es nunmehr, daß dies im Geheimen geschehe, wenn das Vergehen geheim ist .... also schon rein aus dem Naturgesetz ist dieses geheime Bekenntnis einem Anderen abzulegen, wozu niemand geeigneter ist als der Priester." (4)
Auch dürfen wir nicht die Tatsache übergehen, daß von dem Augenblick an, als es zum Vergehen gekommen ist, die entsprechende Instanz der Gesetzgeber ist, dessen Gesetz übertreten wurde, in unserem Falle Gott, welcher Richter über unsere Taten ist, der Priester ist sein amtlicher Vertreter.
Auf diese Tatsache macht bereits Papst Innozenz I. (gest. 417) aufmerksam, wenn er sagt: "Was die Pönitenten betrifft, welche entweder wegen großer oder kleinerer Vergehen Buße tun, so ist denselben nach dem Gebrauch der Römischen Kirche am Donnerstag vor Ostern, falls keine Krankheit dazwischen tritt, die Lossprechung zu erteilen.
Übrigens ist es Sache des Priesters, daß er die Schwere der Sünden beurteile, daß er auf das Bekenntnis des Büßenden acht habe, und auf das Flehen und Weinen des sich Bessernden, daß er dann seine Entlassung gebiete, wenn er hinreichende Genugtuung gesehen hat. Wenn jemand an einer Krankheit niederliegt und alle Hoffnung verloren hat, ist ihm freilich vor der österlichen Zeit Nachlassung zu erteilen, damit er nicht ohne Kommunion aus diesem Leben trete." (In dieser Zeit geschah nämlich die gewöhnliche feierliche Rekonziliation öffentlicher Büßender) (5)
Da es sich um eine der Sache nach göttliche Anordnung handelt, wobei der Kirche als stellvertretender Autorität die Durchführungsbestimmungen überlassen wurden, kann an der Forderung der persönlichen genauen Anklage, Fall für Fall, vor dem amtlich bestellten Richter, d. i. dem Priester, selbst vom Papste nichts geändert werden.
Nicht nur deshalb muß der, der wirklich Buße tun will, den Priester im Beichtstuhl aufsuchen, um sich, wie es seine Pflicht ist, bei ihm anzuklagen, sondern um deshalb, weil es seine Pflicht ist, für die Erreichung seiner spezifischen Vollkommenheit Sorge zu tragen: Er soll das ihm von Gott anvertraute Gut, was Leib und Seele anbelangt und ihre natürliche und übernatürliche Ausstattung nicht nur unbeschadet zu erhalten suchen (wie etwa der, der sein Talent vergraben hat, wie uns der Heiland in dem Gleichnis von den fünf Talenten erzählt), sondern auch es benützen, um mit seiner Hilfe jenes zu erreichen suchen, wozu es ihm anvertraut wurde. Wir haben schon darüber gesprochen, wie ungenügend wir von diesen uns anvertrauten Gaben Gebrauch machen. Man sieht, es mangelt am heiligen Ernst! Und der Richter ist nicht nur Richter, sondern auch Lehrer und Arzt. Auch aus diesem Grunde ist eine Aussprache über unsere Fehlleistungen notwendig. Je weniger die Menschen nun dieses pflegen werden - wir lassen die Ursache dieser Erscheinung beiseite - umso häufiger werden sie in die Hände verschiedener Psychoanalytiker, Ärzte Sozialarbeiter, häufiger aber noch Kurpfuscher kommen, weil sie mit sich selbst nicht mehr Rat wissen. Nie dürfen wir vergessen, daß ein großer Teil späterer organischer Erkrankungen psychisch bedingt ist und bei gewissenhafter Beobachtung der aus der Person entwachsenen Verpflichtungen nicht eintreten würde. Darüber könnte uns die psychosomatische Medizin gar manches erzählen.
Über Eklesiastes Kap. 10,11 (si momorderit serpens in silentio, non est amplius habenti linguam) macht Hieronymus folgende Bemerkungen: "Wenn einen die Schlange, der Teufel heimlich gebissen, und ohne daß jemand darum weiß, ihn mit dem Gifte der Sünde erfüllt, so wird, wenn der Verwundete geschwiegen und nicht Buße gewirkt, und seinem Bruder und Meister seine Wunde zu bekennen unterlassen, der Meister, der eine Zunge zum Heilen hat, ihm nicht leicht nützen können. Denn wenn der Kranke sich schämt, seine Wunde dem Arzt zu bekennen, so heilt die Medizin nicht, was sie nicht kennt." Offenbar ist hier gesagt, daß ohne das Bekenntnis vor dem Priester (oder wie Hieronymus dies häufig nennt, Meister) die heimlich begangenen Sünden den Tod bringen. Beliebt ist auch als: Beispiel ein Geschwür. So lesen wir beim hl. Geminianus (IV. Jahrh.): "Die Beichte ist notwendig um dem ewigen Tode zu entkommen. Ein Geschwür, welches sich nicht nach außen ergießt, wenn dies nach innen geschieht, wird zur Ursache des Todes. So wird auch eine verborgene Sünde zur Ursache des ewigen Todes." Nicht aber der chirurgische Eingriff wird in den meisten Fällen notwendig sein, sondern es wird notwendig sein, die Ursache des Geschwüres ausfindig zu machen, was sich nicht immer als leicht erweisen wird. Wenn wir heute auf dem medizinischen Gebiet so viel von Komplexen und ihren oft heimlichen Folgen sprechen, so ist es deshalb, weil das Leben der Menschen immer weniger nach dem Plane Gottes verläuft, und weil die, die für die Veredelung der Triebe und rechtmäßige Ausnützung der leib-seelischen Fähigkeiten Sorge zu tragen haben, sich einfach darum nicht mehr kümmern. Was weiß denn der durchschnittliche Gläubige überhaupt noch z. B. von Emotionen und Tugenden, von verschiedenen Gefühlsreaktionen und von dem, wie sie zu beherrschen sind, von der übernatürlichen Hilfe, welche ihm so reichlich durch die Sakramente, Sakramentalien, Gebet und Opfer der Kirche als solcher, wie auch einzelner ihrer Glieder zukommt!
Die Juden lehren, daß kein Opfer, keine Strafe, keine Restitutionen oder Genugtuung ohne genaues Sündenbekenntnis die Sühnung zu bewirken vermöge, weil so ihre erste Bedingung fehlt. Was nun in der Natur Wahres, in der Überlieferung der Völker Ehrwürdiges vorkommt, muß sich im Christentum veredelt wiederfinden.
Wahre Reue und Bekehrung können des Bekenntnisses als ihren Ausdrucks nicht entbehren. Wie der im Herzen lebende Glaube, so strebt auch der lebhafte Schmerz über das Begangene sich im Bekenntnis des Mundes zu ergießen. Jeder edlere, feiner fühlende Mensch empfindet ordentlicher Weise den Drang, sich vermittelst dieses äußeren Eingeständnisses von der Gewißheit und Aufrichtigkeit der innerlichen Erkenntnis und Verabscheuung seiner Vergehen zu überzeugen, und zugleich in dem Urteile eines anderen eine Bestätigung und Beruhigung zu finden. Ungemein viel Trost und Erquickung gewährt ihm dieses, wie es ihm sonst alles angenehme Reden der Menschen nicht kann geben. Auch das ist eine schon öfters bemerkte, in der Tiefe der menschlichen Natur gegründete Erscheinung, daß es für manche großen Sünder, die zur Besinnung gekommen sind, ein wahres Bedürfnis ist, alles das zu bekennen, was sie bisher in den geheimsten und verborgensten Tiefen ihrer Seelen mit Angst bewahrt hatten, sie ertragen das wie ein geheimes Feuer in ihrer Brust rasende Geheimnis nicht mehr, und erledigen sich seiner durch clas Bekenntnis:
"Nun ist's gut! die Flamme brach mit dem Worte, das ich sprach, an das Tageslicht heraus; nun ist,s Friede!"
Aus dem bereits Gesagten ist ersichtlich, wie unbesonnen es ist, wenn jemand mit der Umkehr zögert, oder überhaupt nicht umkehren will. "Unvernünftig ist die Scham," bemerkt dazu der hl. Bonaventura, "welche dich zwingt nicht umzukehren, genau so wie es unvernünftig und dumm wäre, wenn jemand in eine Kloake fiele und lieber verkommen möchte als um Hilfe zu rufen." Und an einer anderen Stelle sagt der Heilige: "Der Sünder soll sein Elend nicht verstecken, damit der Erlöser nicht seine Barmherzigkeit versteckt."
Hiermit ist bereits betont, daß wie die Gewissenserforschung so auch daß Bekenntnis eingehend sein muß, wenn die ersehnte Ruhe und Freude eintreten soll. "Man soll, sagt der hl. Gregor der Große, "weil die Gedanken am Gerichtstage durchforscht werden, sein Inneres genau durchforschen und den Priestern vor Gott seine Sünden und Neigungen durch das Bekenntnis offenbaren; indem Gott dieselben mit solcher Gewalt ausgerüstet hat. Die Beicht aber muß aufrichtig sein, man muß sich schonungslos anklagen. Beichte aber ohne Schmerz ist nichts; das Bekenntnis soll nichts sein, als der Erguß des Schreckens vor dem göttlichen Gericht und des Schmerzes über die Sünde. Drei Stücke müssen in jedem wahrhaftig Büßenden betrachtet werden, nämlich die Bekehrung des Geistes, das Bekenntnis des Mundes und die Strafe der Sünden; denn wer im Herzen sich nicht ändert, was nützt es dem, wenn er seine Sünden bekennt? Die Sünde, die geliebt wird, wird durch die Beichte keineswegs getilgt. Es gibt zwar einige, welche durch die Beicht die Sünde bekennen, aber indem sie sich nicht bekehren, sie keineswegs verabscheuen. Diese tun durch die Beichte wahrlich nichts, indem sie, was sie als durch das Reden ausstoßen, durch ihre Neigung wiedereinführen (einlassen). ... Das dritte, nämlich die Rache (vindicta), ist wie ein Heilmittel notwendig, damit das Geschwür der Schuld, was durch die Umänderung (conversio) zerknirscht, durch die Beichte gereinigt, und durch das Heilmittel der Trauer (afflictionis) geheilt werde."
Nach dein wenigen bereits Gesagten, ist es leicht ersichtlich, welch ein wichtiges Heilmittel die hl. Beichte ist. Bereits das sich aussprechen bringt eine große Erleichterung mit sich, wie wir noch später zeigen werden, wie es auch notwendig ist, "damit die in uns verborgen gehaltene Sünde uns nicht in ihrem Gifte ersticke; wir sollen uns ihrer durch das Bekenntnis entledigen, wie die, welche ihren Körper durch einen unverdaulichen Stoff oder sonst etwas Bösartigem beschwert fühlen, sich durch emetische Mittel davon befreien: Wenn er aber selbst ein Ankläger sein wird, so speit er, indem er sich selbst beschuldigt und bekennt, zugleich sein Vergehen aus, und entdeckt die ganze Ursache der Krankheit. Nur sieh dich fleißig um, wenn du deine Sünden bekennen sollst; prüfe zuerst den Arzt, dem du die Ursache deiner Krankheit bekennen mußt; der es versteht, mit den Schwachen schwach zu werden, zu weinen mit den Weinenden, der des Mitleidens und des Mitfühlens Regel kennt; damit, wenn dieser, der sich vorerst als ein mitleidiger und gelehrter Arzt gezeigt hat, dir etwas sagt, wenn er dir etwas anrät, du es dann tuest und befolgest. Wenn er wahrnimmt und voraussieht, daß deine Krankheit von der Art ist, daß sie in der Versammlung der ganzen Gemeinde geoffenbart und geheilt werden muß, daß dadurch die übrigen erbaut werden können, und du selbst leicht geheilt wirst, so muß dieses nach langer Überlegung und nach dem weisen Rat jenes Arztes bewerkstelligt werden." (7) Wenn dies bei der heiligen Beichte nicht geschehen sollte, dann wird es nicht selten bei Leuten und unter Umständen zustande kommen, welche weniger erbaulich und nützlich sind. Eine solche nicht heilige Beichte trägt auch einen weniger sakralen Namen: spiritual vomiting, geistiges Erbrechen.
Fortsetzung folgt.
Anmerkungen: (1)Die Beichte, eine historisch-kritische Untersuchung von Heinrich Klee, Frankfurt/M. 1828, S. 50-56. (2. Denz. 916, 918. (3) Klee, op. cit. 61. (4) Duns Scoti in Lb. IV. Sentent. Tom. IX, Dist. XVII qu. unica. Scholium. (5) Klee, op. cit. 123. (6) op. cit. 111 ff. (7) op. cit. 79.
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