Die Früchte der Reformkirche:
Ethik - ein neues Unterrichtsfach in Bayern für Schüler, die dem Religionsunterricht fern bleiben
von H.H. Wolfgang Eisenhut
Arnold Gehlen (Prof. an der technischen Hochschule in Aachen - Anm. der Red.) schreibt: "Ich bin der Meinung' daß Gott in vielen Herzen allzusehr Mensch geworden ist und daß es eine neuartige Säkularisierung der Religion gibt, die diesmal nicht über die materielle Verweltlichung läuft, sondern über die Moral. Dann wird die Menschheit Subjekt und Objekt ihrer eigenen Verherrlichung, aber im Inkognito der christlichen Liebesreligion... Die dem Weltverkehr des Bewußtseins zugeordnete Intellektuellen-Moral kommt... in beiden Formen vor: einmal in der Folge der Aufklärung als diesseitige, progressiv gemeinte Solidarethik, und zweitens in der soeben genannten neuchristlichen Feier der Menschheit durch sich selbst im Namen Gottes." 1)
An dieses Zitat wird man zweifellos erinnert, als uns aus Bayern die Nachricht erreichte 2), daß es vom nächsten Schuljahr an dort ein neues Unterrichtsfach geben wird: "Ethik". Den Anstoß zur Einführung dieses neuen Faches gaben die sich häufenden Meldungen, daß Schüler dem Religionsunterricht fernbleiben und sich somit jede Woche zwei Schulstunden ersparen. Daß heute in München jeder vierte Schüler das Fach Religion meidet, ist eine bedenkliche Tatsache, die aufhorchen läßt. Eine gewaltige Schuld an dieser Misere trägt die Reformkirche. Es ist bekannt, daß der Religionsunterricht weite Strecken gänzlich darniederliegt. Obwohl gerade in der Zeit nach dem sog. Zweiten Vatikanum eine hektische Betriebsamkeit auf dem Gebiet der Katechese einsetzte und neue "Katechismen" wie Pilse aus der Erde schossen, hat eine katastrophale Entwicklung gerade auch in diesem Bereich eingesetzt. Das Fanal gab wohl der sattsam bekannte holländische "Katechismus" und in seinem Kielwasser segelten dann andere wie zum Beispiel der deutsche "Glauben - Leben - Handeln".
Die neuen Mätzchen, die überall angepriesen wurden, waren aber völlig außerstande, die jungen Leute einigermaßen bei der Stange zu halten. Das Gegenteil war der Fall! Die Abmeldungen vom Religionsunterricht nahmen immer mehr zu und auch der Rest der Schüler sitzt den Religionsunterricht heute nur noch ab. In höheren Schulen wird heute vielfach der von Hräesien strotzende "Holländische Katechismus" als offizielles Lehrbuch benützt.
Da heute alles aufgelöst wird und Begriffe wie "Ordnung, Staat, Nation, Volk, Heimat" systematisch lächerlich gemacht werden, nachdem Freiheit, Demokratie und Mündigkeit mißbraucht und manipuliert worden sind, fürchtet man einen immer weiter gehenden Fortschritt der Systemüberwindung durch die radikale Linke. Daß sich darum ein Staat Sorgen über die ethischen Vorstellungen seiner Staatsbürger, die den Staat tragen sollen, machen müßte, liegt auf der Hand. Diese Sorge hat ihm die Kirche in den vergangenen Zeiten weitgehend durch den Religionsunterricht abgenommen. Die Überzeugungsgrundlage der prinzipiellen Verpflichtungen des Staatsbürgers bot die Kirche mit ihrer Verkündigung des geoffenbarten, vom Glauben vorgeschriebenen Sittengesetzes. Nach dem sog. Zweiten Vat. Konzil setzte eine bewußte Öffnung der Kirche zur Welt hin ein, die einen beredten Ausdruck in der Konzilskonstitution "Gaudium et Spes" ("Freude und Hoffnung") fand. Es war aber in der Tat eitle Freude und verführerische Hoffnung. Die Öffnung geschah auf eine Kultur hin, in der in hohem Maße die Normen der Sittlichkeit im allgemeinen und die Theorie der Moral selbst total ins Wanken geraten sind. Huizinga schreibt: "Was aber freilich in hohem Maße angetastet ist, sind die Normen der Sittlichkeit im allgemeinen, die Theorie der Moral selbst... Während allem Anschein nach der durchschnittliche Mensch sich weder schlechter noch besser verhält als seine Vorgänger, ist für alle, welche sich nicht an ein geoffenbartes, vom Glauben vorgeschriebenes Sittengesetz gebunden fühlen, die Überzeugungsgrundlage ihrer prinzipiellen sittlichen Verpflichtung äußerst schwankend geworden."3) Wie ist nun der Ethikunterricht, der in Bayern eingeführt werden soll, auf diesem Hintergrund zu beurteilen? Was soll hier überhaupt vermittelt werden? Nachdem im philosophischen Bereich der Existentialismus, in der Gesellschaftsordnung der Pluralismus Alleinrecht beanspruchen, kann man sich die obige Frage allen Ernstes stellen. Im neuen Ethikunterricht sollen nach dem Bericht FAZ Themen wie Rücksicht, Rücksichtslosigkeit, Gleichgültigkeit, Verläßlichkeit, Unzuverlässigkeit usw. vorkommen. Hier sehen wir die Gefahr einer reinen Zweckmoral auf uns zukommen. Die Wahrheitsfrage scheint diesem neuen Lehrsystem völlig zu fehlen. Der progressistische Wahrheitssucher wandelt bequem auf Heideggers "Holzwegen". Hier liegt die große Gefahr des Mißbrauchs des Ethikunterrichts.
Vor dem sog. Zweiten Vat. Konzil vermittelte der Religionsunterricht in der Regel ein abgerundetes Bild unseres heiligen katholischen Glaubens und gab Antwort auf die großen Fragen des Lebens. Heute aber wird alles hinterfragt und nichts mehr stehen gelassen. Ein "zeitaufgeschlossener und moderner" Religionsunterricht, wie er landauf landab praktiziert wird, kann in der Tat nichts mehr bieten.
Huizinga stellt darum die berechtigte Frage, "ob man wirklich glaubt, die Zeit stehe bevor, da die Menschen von durchschnittlichen geistigem Niveau sich wieder von Vorstellungen wie dom Kreuzestod und der Auferstehung, der Auserwählung und dem Jüngsten Gericht werden durchdringen lassen ... Die Annahme, daß eine solche Wendung bevorstehe scheint mir vermessen... Bei Leuten solcher Art wird eine Bindung an eine Kirche 4) bestenfalls die Arbeitsamkeit und andere soziale Tugenden ein wenig fördern, aber sie wird außerstande sein, jene metaphysisch bestimmte Lebensrichtung zu begünstigen, welche die Grundbedingung einer wirklichen Wiederbelebung des christlichen Glaubens wäre und auch für eine dauerhafte Wiederherstellung von Rechtsordnung und Kultur unentbehrlich ist.
Weil die Kinder einen solchen Allerweltsunterricht nicht mehr besuchen dürfen, und die Hirten völlig versagen, ist es Pflicht rechtgläubiger Eltern, ihnen selbst nach einem alten unverfälschten Katechismus Religionsunterricht zu erteilen.
Fußnoten: 1) Arnold Gehlen, Das Engagement der Intellektuellen gegenüber dem Staat, Merkur 1964, Seite 407. 2) Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 9.8.72. 3) "Im Schatten von Morgen", Gotthelf-Verlag, Bern und Leipzig 1935, S.106. 4) Huizinga ist Protestant. 5) "Schriften zur Zeitkritik", Occident-Verlag/ Pantheon-Verlag, Zürich-Bruxelles 1948, Seite 276.
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