WURZEL, STAMM UND KRONE
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
VI.
Die Hände über den länglichen Broten mit dem kleinen Messer beim Segen, welchen der Hausvater ausspricht, ergeben zusammen das Tetragramm, den aus vier Buchstaben bestehenden Eigennamen Gottes. Da aber der Name Gottes stellvertretend für Gott selbst genommen wird, finden wir in dieser Segnung eine geheimnisvolle Vergegenwärtigung des Herrn, einen Vorläufer der hl. Wandlung und der hl. Kommunion. Möchten wir doch lieber den so betonten Mahlcharakter des Gottesdienstes auf unsere Mahlfeiern übertragen, damit wir den Opfercharakter des Gottesdienstes, wie er von unseren Stammeltern gefordert, ihnen jedoch verweigert wurde, besser erfassen und endlich einmal aufhören "uns im Gottesdienste völkisch ausleben zu wollen". Die so hinausposaunierte Diensteifrigkeit bekäme auf diese Weise eine vortreffliche Kraft, die es uns ermöglicht von Reden zu Taten überzugehen. Auf dem religiösen Gebiete ist niemand so unerfahren, daß er in der vorgetäuschten Unkenntnis eine Entschuldigung für sein gänzliches Versagen im Bereiche der Moral finden kann. Oder sollen die rund zweihundert Millionen Toten und ebensoviele Krüppel, wie der moralische Sumpf, das Ergebnis des Einmaleins der christlichen Moral sein? In Wirklichkeit sind es der Bauch und die Genitalien (Philipper 3,19), auf welche sich der Götzendienst der Christen bezieht. Beweis ist die Pille, das Herumhantieren mit der Enzyklika "Humanae Vitae", als ob es keine "Casti connubii" gäbe, wie auch keine fast zweitausendjährige Tradition! Der vorgeheuchelte Opfergeist zergeht wie der Nebel in der glühenden Sonne der Gerechtigkeit Gottes. Es ist höchste Zeit, daß wir es mit unserer Einstellung ernst nehmen, oder aber mit uns wird es ernst genommen werden.
Christus hat sich für uns alle geopfert. Sein Opfer wird aber nur dann wirksam, wenn wir uns mit ihm aufopfern. Erst in der Verbindung mit Seinem Opfer können wir das uns erlösende Uropfer darbringen, denn erst in Verbindung mit Christi Opfer können wir das für unsere Befreiung tatkräftige Lösegeld aufbringen. Christi Opfer ist wirksam nur bei denen, die das Opfer ihres eigenen "Ich" Seinem zugesellen. Wir sehen, "daß das Opfer, welches im Paradiese noch in der symbolischen Darstellung der bloß intentionalen Hingabe an den nach göttlichem Willen verhängbaren und zu verhängenden Tod bestand, dann, als es Erlösungeopfer geworden war, begrifflich und in der Wirklichkeit in eine wirkliche Hingabe an diesen Tod übergehen mußte. War diese wirkliche Hingabe, und in ihr das Erlösungsopfer, von dem Erlöser objektiv gesetzt: so mußte sie nun auch der Mensch subjektiv durch sein Mitsterben mit und in dem Erlöser setzen. Geschieht dieses im Neuen Bunde in wirklicher, so geschah es im Alten Bunde in symbolischer Weise ... Während im Paradiesesopfer das Material unversehrt blieb, so mußte jetzt, um den Tod zu versinnbildlichen, eine wirkliche Zerstörung des Materials, das zur Symbolisierung der Selbsthingabe an den Tod bestimmt war, auf dem Opferaltare eintreten." (1)
"Der Mensch im Paradiese hatte der in dem animalischen Blutleben gegründeten Sinnlichkeit nachgegeben, und sich vom Satan zum Essen der "schönen Frucht" verleiten lassen. Dadurch hatte seine animalische Natur die Todesschuld auf sich geladen. Um diese Todesschuld zu heben, nahm sie der Erlöser auf sich und sühnte sie in seiner menschlichen Natur durch den blutigen Tod, dem er sich unterzog. So konnte also auch die subjektive Sühne der Todesschuld in dem einzelnen Menschen nur dadurch geschehen, daß derselbe sich ebenfalls dem blutigen Tode des Erlösers anschloß." (2)
Im Alten Testament finden wir unblutige und blutige Opfer, das "Sichhingeben", der intentionale Verzicht auf sein "Ich" im Essen, welches gerade durch das "Essen" völlig im Gottesdienste aufgehen sollte, wie auch die Anerkennung der Todesstrafe, welche die Menschheit sich ob der Ursünde zugezogen hatte, in äußeren blutigen Sühnopfern, welche natürlich ohne eine innere Annahme der Strafe bedeutungslos gewesen wären. Im Alten Testament waren beide Opfer, das blutige und das unblutige, voneinander getrennt. Im Neuen Testamente sollten beide so innig miteinander verbunden werden, wie wir es bei der Transsubstantiation sehen, wo es zur völligen Zerstörung des Materials kommt, und dies dennoch unblutig verläuft, - wie für den eigentlichen Opferer Jesus, den Sohn Gottes, so auch für die, welche in dem sie erlösenden Opfer mit Jesus verbunden bleiben als Lob- und Sühnopfer.
Wie oft nur brachten die Stammeltern Gott ihre Opfer dar, um die Sünde zu sühnen, die Schuld zu tilgen und die verlorene Gunst Gottes wieder zurückzugewinnen, was aus sich allein natürlich ohne Erfolg war. Die Verbindung mit den wirklich erlösenden Opfer, welches Christus bringen sollte, bestand bloß in der Begierde nach einem solchen. Im Kanon wird eigens das Opfer Abels erwähnt, weil gewissermaßen zum erstenmal beide Opfer hier ineinander fließen. "Abel war (auch) der erste Märtyrer der Welt, welcher gleichsam aus Haß gegen den (wahren) Gotteskult getötet wurde, den er andächtig Gott darbrachte, indem er in wahrer Ergebenheit opferte." (3) Bei dieser Gelegenheit müssen wir auch auf etwas sehr Wichtiges aufmerksam machen, nämlich auf den Unterschied zwischen einer Opfergabe und einen Dank-Sühnopfer. Eine Opfergabe (oblatum) kann ganz oder teilweise zum eigenen Gebrauch vom Altar genommen werden, was in unserer Zeit bei denen geschieht, die zwar ein Dankopfer darbringen wollen, keineswegs aber als Sühne ein Brand-Ganzopfer, wie es bei der Hl. Messe geschieht, wenn sie wirklich eine hl. Messe ist! Wie das Opfer Abels ganz und gar Gott geweiht wurde, und der opfernde Abel wegen des Neides seines Bruders, der zuletzt nur an sich und seinen Nutzen dachte, selbst zur Hingabe wurde, so wurde auch Christus geopfert, weil ER es wollte. Wie wenige aber wollen sich selbst mit ihm opfern, und treten zuletzt in die Fußstapfen Kains! Dabei vergessen sie, daß Seelenmord noch eine schrecklichere Form des Hasses ist als Mord des Leibes. Seelenmord wird aber noch kaltblütiger und häufiger begangen, denn hier ruft das Blut nicht sichtbar zu Gott um Rache.
Wir müssen nun Abraham unsere Aufmerksamkeit widmen. Leider haben wir hier nicht die notwendige Zeit, wenigstens alle vier in der Hl. Schrift angeführten Opfer näher zu behandeln, doch das Allernotwendigste soll dennoch geschehen.
Das erste Opfer wird von Abraham nach seinem Auszuge aus dem Vaterland und bei der Ankunft in Kanaan dargebracht. Auch wir sollen unser Vaterland verlassen. Wenn wir zur heiligen Messe gehen, dann müssen wir vergessen, wo wir sind, in Berlin, Prag oder Rom usw., und müssen uns nach Jerusalem versetzen, und zwar in dem Augenblick, da Jesus das Haus des Pilatus verläßt und Seinen Leidensweg beginnt. Das ist unser erstes Opfer, welches wir jedoch immer weniger darzubringen bereit sind. Nicht verlassen wollen wir unsere irdische Heimat, als ob wir zuletzt überhaupt eine von Dauer hätten, da wir ja nur Pilger in der Welt sind, sondern wir wollen eine unseren Sitten (oder vielmehr Unsitten) angepaßte Gedächtnisfeier mit neugierigen Zuschauern haben.
Das zweite Opfer war nach Abrahams Rückkehr aus Ägypten. Im Gotteshause sind wir Kinder Gottes zu Hause. Wie sollten wir uns da freuen, wenn wir wieder aus dem Ägypten der Welt in unser trautes Heim zurückkehren dürfen. Das Gotteshaus ist die Gesandschaft des himmlischen Reiches, welches es vertreten soll. Nicht für Menschen ist dieses Haus erbaut, aber für Gott und für Gottes Kinder. Selbst das kleinste irdische Reich fordert für seine Gesandschaft die Exterritorialität und bekommt sie auch. Auf diesem Gebiete gelten nicht die Gesetze des Staates, in welchem sich die Gemeinschaft befindet, sondern die Gesetze und Gewohnheiten des Staates, welcher vertreten wird, in der Kirche sonach die des himmlischen Reiches. Welche es sind, sollte uns klar sein. Geben wir sie freiwillig preis, so entehren wir unseren König und sind die, die am Schwersten geschädigt sind. Beides wollen jedoch die ewigen "Neuerer" nicht einsehen. Mit welcher Freude sollten aber wir das kleine Stück himmlischer Heimat samt unseren Gaben für den König, betreten!
Das dritte Opfer ist Abrahams Bundesopfer ob des Bundes, den Gott mit ihm geschlossen hatte. Nach dem Sieg über die Amorrhiter und dem Beweis des Gottvertrauens von seiten Abrahams in der Angelegenheit seiner Nachkommenschaft fordert Gott von Ihm das Opfer einer dreijährigen Kuh, einer dreijährigen Ziege, eines dreijährigen Widders, einer Turteltaube und einer jungen Taube (Gen. 15,9). Abraham legte alles auf einen Altar. Raubvögel stürzten sich aber über sein Opfer und nur mühevoll konnte er sie verscheuchen, bis ihn ein tiefer Schlaf überkam. Zugleich überfielen ihn Schrecken und große Finsternis. Gott tröstete ihn aber und versprach ihm seine Hilfe. "Und als die Sonne untergegangen war und tiefe Dunkelheit eingetreten war, fuhr plötzlich ein rauchender Ofen und eine brennende Fackel zwischen jene Opferstücke hindurch. Damals schloß der Herr mit Abraham einen Bund." (Gen. 15,17, 18)
Wie die Raubvögel sich auf das Opfer Abrahams stürzten, so stürzen sich fremde Gedanken, ja Versuchungen an unser Opfer heran, welches wir in das Gotteshaus gebracht haben. Wie schauen nur manchmal unsere Gebete aus! Beinahe möchten wir das Gotteshaus verlassen, wie wir nicht selten ganz verzweifelt von allem Streben nach der Vollkommenheit ablassen möchten. Auch bei uns wird der geistige Schlaf ob der Ermüdung eintreten, um uns zu zeigen, wie dies bei Abraham war, damit wir, nachdem wir das Unsere getan haben, auf Gottes Vorsehung vertrauen müssen. Tun wir das, dann wird Gott auch mit uns seinen Bund schließen. Im stillen Gottvertrauen werden wir unsere Umwelt beherrschen.
Das vierte Opfer ist das, welches uns eigentlich am meisten angebt. Auf dem Berge Moria, d.i. "Der Herr sieht!", sollte Abraham das schwerste Opfer darbringen. Es muß sicher eine geheimnisvoll Stunde gewesen sein. Aus der Tradition lernen wir, daß Abraham hier über das Opfer des Gottessohnes belehrt wurde, welches er im Geiste schauen durfte. So lesen wir beim hl. Augustinus (Sermo 71 de tempore): "Sehet den heiligen Kampf Gottes mit den Menschen. Abraham opfert Gott seinen sterblichen Sohn, der jedoch nicht sterben sollte; Gott überläßt den Menschen seinen unsterblichen Sohn um ihn zu töten. Man kann vom seligen Isaak und vom Widder folgendes verstehen: Der selige Isaak versinnbildlicht uns die Gottheit, der Widder die Menschheit Christi, und da bei der Passion nicht die Göttlichkeit gekreuzigt wurde, so wurde auch nicht Isaak, aber der Widder geopfert." (4) Ganz besonders wichtig ist aber das Opfer des Propheten und Priesterkönigs Melchisedech. Einfach und schlicht, zugleich aber majestätisch, berichtet die Heilige Schrift vom Treffen Melchisedechs mit Abraham nach dem Siege über Chodorlahomor und die mit ihm verbündeten Könige: "Melchisedech, der König von Salem, brachte Brot und Wein herbei, - er war nämlich ein Priester des höchsten Gottes - und segnete ihn mit den Worten: "Gesegnet seist du, Abraham, vom höchsten Gott, dem Schöpfer Himmels und der Erde! Gepriesen sei der höchste Gott, der dir deine Feinde in die Hand geliefert hat! (Gen. 14,18-20) Im Hebräerbrief lesen wir von diesem König: "Sein Name bedeutet zunächst König der Gerechtigkeit, dann aber auch König von Salem, das heißt König des Friedens. Er steht da ohne Vater, ohne Mutter, ohne Stammbaum, ohne Anfang der Tage und ohne Ende des Lebens. So ist er dem Sohne Gottes ähnlich und bleibt ein Priester in Ewigkeit." (7, 2-3)
Die irdische Abstammung ist beim Priester und um so mehr beim Propheten völlig bedeutungslos, weil er als Seher, wie Melchisedech, überirdischen Welten angehört. Nie könnte ihm die Erde jene Würde und Kraft erteilen, welche er besitzt. Wenn ihn auch diese Erde geboren hat, so ist er doch nicht von dieser Welt und auch nicht für diese Welt als solche, sondern Gesandter des Reiches Gottes, der die in der Welt ob der Erbsünde verstreuten Gottessöhne zu sammeln hat. Auch den heutigen Pharisäern der "Wissenschaft", die gerne alles auf eine "wissenschaftliche" Basis herabsetzen möchten, gelten die Worte des Heilandes: "Ihr stammt von unten, ich stamme von oben; ihr seid von dieser Welt, ich bin nicht von dieser Welt!" (Jo. 8,23)
Melchisedech ist diesen Menschen nicht genug "wissenschaftlich" begründet. So muß er aus dem Canon Missae verschwinden, wenn auch gerade er als Prototyp des Priestertums Christi vor den Augen des Glaubens und der wahren Wissenschaft steht.
Als Kinder Gottes, die wiedergeboren wurden aus dem Wasser und dem Heiligen Geiste gehören auch wir nicht zu dieser Welt, weshalb auch an uns die Worte des Heilandes gerichtet sind: "Wenn die Welt euch haßt, so wisset: mich hat sie vor euch gehaßt. Wäret ihr von der Welt, so würde die Welt das Ihrige lieben. Weil ihr aber nicht von dieser Welt seid, sondern ich euch von dieser Welt auserwählt habe, deshalb haßt euch die Welt." (Jo. 15,18-19)
Auch bei uns kommt es also nicht auf die irdische Abstammung an, um so weniger bei einem Propheten wie Melchisedech. Denn von den Kindern Gottes gilt, daß sie "nicht" aus dem Blut, nicht aus dem Wollen des Fleisches und nicht aus dem Wollen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind."! (Jo. 1,13-14) Wenn es auch uns "christlichen", mündigen Übermenschen nicht klar genug sein will, so müssen wir betonen, daß es den "unmündigen und ungebildeten" Sumerern, wie auch den heidnischen Völkern des alten Orients, erst recht aber den wahren Israeliten, völlig klar war.
"Bedenke", mahnt der hl. Thomas v. Aq. (5) "die drei Salbungen im Alten Testamente. So wurde Aaron zum Priester gesalbt (Levit.VIII,11) Saul von Samuel zum König gesalbt (1.Reg. X,1) und David (1. Reg. XVI,13). Gesalbt wurde Eliseus zum Propheten (III Reg. c. XIX,16). Da nun Christus wahrer Priester war, wie im Psalm CIX,4 angeführt: "Du bist der Priester ewiglich nach der Ordnung Melchisedechs", als auch König und Prophet, wird Er mit Recht der Gesalbte genannt, weil Er auch diese drei Ämter ausübte". Alle drei Würden sind Gaben aus einer anderen Welt, wenn auch die irdische Abstammung als diesseitige Disposition oder Bestimmung Gottes, wie beim Erlöser, berücksichtigt werden muß. Der Erlöser ist Sohn Davids, Sohn Abrahams, aus dem Stamme Juda, dem Urenkel Abrahams.
Ob der positiven Anordnung Gottes, welche darin ein untrügliches Zeichen des wahren Erlösers der Menschheit geben wollte, ist die Genealogie Jesu mütterlicherseits, wie von seiten seines gesetzlichen Vaters von Bedeutung, und wir müssen die Auffassung von J. Heuschen, wie im Bibellexikon angegeben, entschieden ablehnen. (6) Der Autor sieht den Wert des Stammbaums Jesu wie bei Matthäus und Lukas angegeben. als äußerst problematisch an, und als kein authentisches Dokument für die Davidische Abstammung Jesu. Der hl. Thomas bemerkt darüber, daß nach der Tradition "die Apostel und Evangelisten von den nächsten Verwandten Christi über die Genealogie Christi belehrt wurden, welche sie teilweise im Gedächtnis, teilweise aus den Büchern Paralipom anführten". (7) Die Stammbücher wurden von den Juden auf das Genaueste geführt, (8) besonders die Priestergenealogien. (9) Priester, Richter, Leviten forderten eine Ahnenprobe. (10) Daß man es bei der fieberhaften Erwartung des kommenden Erlösers besonders genau nahm, ist nicht zu übersehen. Väterlicherseits war Jesus wegen Seiner Geburt aus Seiner jungfräulichen Mutter ohne Stammbaum, wenn auch die Adoption von seiten Josephs ihm diesen rechtmäßig zuweisen mußte. Doch deckt sich dieser mit dem Seiner jungfräulichen Mutter, wenn es auch heute nicht gut möglich ist, zu sagen, wo es zur Abzweigung gekommen ist. Eines ist aber sicher, daß Christi Leib von beiden Geschlechtern abstammte, wie dem königlichen, so auch dem levitischen, was wir bereits klar auch bei Salomo sehen, der väterlicherseits dem königlichen Geschlechte abstammte, mütterlicherseits dem levitischen. (11) Hiermit erweist eine uralte Tradition nicht gerade so phantastisch, wie es klingen mag , daß Jesus einer von den Hohenpriestern werden sollte. (12) Bei der Beurteilung darf aber nie vergessen werden, daß Christus kein Aaronitischer Priester war, wie auch nicht aus dem Geschlechte Aarons, sondern Priester nach der Ordnung des Melchisedech, aus dem königlichen Geschlechte Juda und David. Eingehender über die Frage zu sprechen, ist hier nicht am Platze.
Dies alles war notwendig mit Rücksicht auf die Eigenart des für die Sünden der Ureltern und der ganzen Welt darzubringenden Sühnopfers. So lesen wir bei Vigilius: "Das Heilmittel der Versöhnung erforderte ein unbeflecktes Opfer. Ein solches mußte man suchen, welches sich so in der Mitte zwischen Gott und den Menschen befand, daß es wie dem Tode unterworfen war, ob des Menschlichen, so auch den Tod besiegen sollte ob des Göttlichen," (welche beiden Eigenschaften es aufweisen mußte. - eigene Bemerkung). "Er war Gott, weil die Vernichtung des Todes Gott allein angehört; er war Mensch, weil er an der Stelle der im Tode erstarrten Menschheit Gott die Sühne darbrachte." (13)
So wurde Christus Restitutor des von den Ureltern verweigerten Opfers, und mit ihm auch wir. Dieses unsere, mit dem Seinigen verbundene Opfer ist es erst, welches unsere Erlösung erwirkt. Bei unmündigen kleinen Kindern wird das Opfer stellvertretend von den Paten dargebracht, Erwachsene aber müssen schon direkt oder indirekt ihre Anteilnahme am Opfer zum Ausdruck bringen. Dieses kommt symbolisch, zum Ausdruck beim Offortorium, sakral bei der hl. Wandlung, um eine fortgesetzte Realität bei der hl. Kommunion zu schaffen, da ja die hl. Kommunion auch als Mahl, ja gerade als Mahl zum Ausdruck der Diensteinsetzung zu nehmen ist, wie dem Sinn des Essens überhaupt zu entnehmen ist: Die im Dicnste Gottes verbrauchte Energie soll durch die in der Speise erhaltene Energie Gottes für weiteren Gottesdienst ersetzt werden. Doch darüber wurde bereits gesprochen.
Nie kann ein Geschöpf jenen Opfertod der Seele erbringen, wie ihn der Gottessohn erbracht hatte, wenn dieser auch von uns hätte erbracht werden sollen. Eines aber müssen wir uns bei einem jeden Mahle zu Herzen nehmen, daß die Speiseeinnahme in der ersten Linie eine Betonung des "Dein Wille geschehe" sein soll. Erst recht innig kommt dies zum Ausdruck beim eucharistischen Mahl, welches zugleich Frucht und Same unseres in Christo dargebrachten und darzubringenden Opfers ist. Daran müssen wir denken, wenn wir den Mahlcharakter der hl. Messe schon unterstreichen wollen. Daß Christus unendlich mehr geopfert hat als wir, wie gerne wir auch die Größe unseres Opfers hinausposaunen möchten, wird hier wohl nicht betont werden müssen.
"Der eucharistische Gottmensch bekennt sich täglich (bei der hl. Messe) als Stellvertreter der Menschheit aller ihrer Sünden und insbesondere derer, die den Altar umgeben und sich dem Opfer anschließen, vor Gott schuldig, um sie durch das erneuerte Opfer zu tilgen .... Aber damit ist für das einzelne Individuum noch nicht alles getan. Die Sünde wird dadurch von ihm nur in potentia hinweggenommen; damit dieses wirklich und in der Tat geschehe, ist es erforderlich, daß das Individuum selbst bewußt und frei den Prozeß des Erlösungsopfers subjektiv geradeso, wie er objektiv vor sich gegangen, in Christo durchlaufe." (14) Hiermit ist evident, daß die Erlösung kein Freikartensystem darstellt, wobei der Spender noch höchst beglückt sein kann, wenn diese Freikarte gnädigst angenommen wird. Daß dem aber nicht so ist, darüber belehrt uns das Gleichnis vom großen Gastmahl. (Luk. 14,15-24) Nur die, die ihre Kleider gewaschen und weiß gemacht haben in dem Blute des Lammes (Apok. 7,14) können am ewigen himmlischen Mahl teilnehmen.
"Wie der Israelite das Paschalamm als geopfertes aus der Hand des Priesters erhielt, um es mit den Seinigen zu essen, so wird auch die eucharistische Opferspeise als das "Lamm Gottes" von dem Priester den Gläubigen vorgestellt, und dadurch der Genuß desselben als Nachbild des Essens des alttestamentlichen Paschalammes bezeichnet." Auch wir sollen dieses Osterlamm nur nach ernstlicher Vorbereitung (1 Kor. 11, 28) mit ungesäuertem Herzen, in Einfalt und Aufrichtigkeit (2 Kor. 1, 12), umgürtet die Lenden (Ex. 12, 11; Luk. 12, 35) in reiner Gesinnung (1 Petr. 1, 13, 22), gerüstet zur Abreise (Ex. 12, 11),als Fremilinge und W Wanderer (1 Petr. 1,11), deren Bleiben nicht hienieden ist (Ephes. 2, 19), empfangen." (15) Mehr etwas später.
Wir sehen, daß das erlösende Blut Christi nicht automatisch wirkt und ohne Ausnahme, sondern, wie durch das alttestamentliches Opferblut angedeutet, Bundesblut ist, welches nur dann unfehlbar seine segensreichen Früchte zeigt, wenn der Vertrag auch eingehalten wurde. Eine bedingungslose Aufnahme in den Himmel, wie auch ein bedingungsloser Ausschluß, ist mit dem Erlösungsprozess unvereinbar.
Durch die Einsetzung des Abendmahles wollte Christus einen neuen Bund einrichten. Hiermit aber konnte und sollte die Eucharistie nach Seiner Intention auch wesentlich Opfer sein. Denn ein Bund kann nur mit Lebenden geschlossen werden, das Leben aber, welches durch die Erbsünde verlorengegangen war, konnte ohne Opfer nicht zurückgewonnen werden. Doshalb ist Jesus Mittler des Neuen Bundes. So sollten aufgrund seines Todes, den er zur Sühne für die Verfehlungen im Alten Bund erduldete, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen. Bei einem Testamente muß zuvor der Tod des Erblassers nachgewiesen werden. Erst mit dessen Tod wird es rechtskräftig; solange der Erblasser noch lebt, hat es keine Gültigkeit. "Deshalb wurde auch der erste Bund nicht ohne Blut eingeweiht." (Hebr. 9, 15-19) Ohne Opfer keine Seligkeit, weil ohne Opfer kein Leben. Christi Opfer ermöglicht unser Opfer, ohne welches wir in die ewige Seligkeit nicht eintreten können, um unsere himmlische Erbschaft zuübernehmen. "Der Geist selbst bezeugt es unserem Geiste, daß wir Kinder Gottes sind. Wenn aber Kinder, dann auch Erben: Erben Gottes und Miterben Christi. Nur müssen wir mit ihm leiden, um mit ihm auch verherrlicht zu werden." (Röm. 8, 16-17)
Schön ist der Gedanke im ersten Responsorium des röm. Breviers vom Weißen Samstag ausgedrückt: "Mortuus est semel propter delicta nostra - einmal ist Er gestorben wegen unserer Sünden, auferstanden wegen unserer Rechtfertigung." Diese kann aber nur durch das am Altar erneuerte Kreuzesopfer zustande kommen, natürlich bei direkter oder indirekter Verbindung mit ihm. Es muß unsere Sorge sein, die einem jeden angebotene ausreichende Gnade (gratia sufficiens) auszunützen und in treuer Mitarbeit sie aufgrund der göttlichen Barmherzigkeit und Liebe in eine sicher wirksame umzubauen (gratia efficax).
Der hl. Thomas v. Aq. betont, daß die Eucharistie nicht nur ein Sakrament ist, sondern auch ein Opfer (sacrificium). Auch müssen wir in diesem Zusammenhang betonen, daß ohne das sacrificium, d. i. das Opfer, kein Sakrament zustande kommen kann. Würde ein Priester, wie es die Protestanten wollten, konsekrieren, ohne hiermit ein Opfer darzubringen, so wäre die Konsekration, auch wenn alles andere sonst in Ordnung wäre, ungültig. Wer aber, so bemerkt der hl. Thomas, ein Opfer darbringt, muß am Opfer teilnehmen, denn ein äußeres Opfer, welches dargebracht wird, ist ein Zeichen des inneren Opfers, durch welches ein jeder sich selbst aufopfert. (16) Nun aber gelten hier die Worte des hl. Augustinus: "Hoc est sacrificium Christianorum: multi unum corpus in Christo - das ist das Opfer der Christen: viele sind ein Leib in Christ." (17)
Wenn heute immer wieder die aktive Teilnahme am Gottesdienst betont wird, dann ist die aktive Teilnahme am Opfer mehr denn je zu betonen, wodurch ein jeder sich und das Seinige in Dienstbeflissenheit darbietet. (18) "Sind wir mit Ihm (uns selbst) gestorben, so werden wir auch mit ihm leben." (2 Tim. 2, 11) Darauf sind wir aber schon einigemale zu sprechen gekommen. Die Auferstehung wird "automatisch" auch zur Himmelfahrt nur für jene, die auch mit ihrem Erlöser das Kreuz bestiegen haben!
Es wurde schon darauf hingewiesen, daß es bei Gott mit bloßen Geschenken nicht getan ist. Diese Gaben müssen unbedingt stellvertretende Gaben sein. So auch, wenn wir unsere Arbeit und unser Leid darbieten, nicht etwa nur, was ihr Erfolg ist, sondern wir bieten in ihnen uns selbst dar, sodaß uns nach dem Offertorium überhaupt nichts mehr übrig bleiben soll, da wir ja eigentlich überhaupt nicht mehr im alten Sinne "sind". Das Einzig sollte uns bleiben: die Ursache, uns zu freuen. Wer also nach dem Offertorium der hl. Messe noch einen "Grund" zum Zorne, zur Trauer bei sich findet, der ist entweder ein Narr, oder ein Lügner oder ein Dieb. Ein Narr, weil er etwas sagt, und nicht weiß, was er sagt: nämlich, daß er alles gibt und dabei in Wirklichkeit doch nichts gibt. Oder er ist ein Lügner, so wie Ananias und Saphira, die sagten, daß sie alles gäben, in der Tat aber nur einen Teil gegeben haben. Oder er ist ein Dieb, der zwar alles gegeben hat, unterdessen jedoch etwas von der Gabe wieder entwendete. Die Auferstehung erfolgt erst nach dem Tode, wer vor der Wandlung "auferstanden" ist, ist nicht, wie er sollte, mit Christus gestorben. Er lebt ein Leben, welches kein Leben ist, da er mit dem Leben nicht verbunden ist.
Opfern und Darbringung von Gaben sind nicht ein und dieselbe Sache. Mit einem bloßen Darbieten von Gaben ist uns auch gar nicht geholfen, was nach dem, was wir bereits gesagt haben, ganz klar sein sollte. Golgotha muß auch für uns die Todesstätte werden, für unser "Ich", sodaß von uns die Worte des hl. Paulus gelten können: "Ihr seid ja gestorben, euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott." (Kol. 3,3) "So ertötet denn das irdische Gelüsten der Glieder: Unzucht, Unkeuschheit, Leidenschaft, böse Lust und Habsucht, die ja Götzendienst ist. Um solcher Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Auch ihr habt euch ihnen überlassen, als ihr noch unter ihnen lebtet. Jetzt aber legt das alles ab: Zorn, Erbitterung, Bosheit, Lästerung und schändliche Reden aus eurem Munde. Belügt einander nicht. Habt ihr doch den alten Menschen samt seinen Werken ausgezogen und den neuen Menschen angezogen, der nach dem Bilde seines Schöpfers umgestaltet wird zur vollen Erkenntnis." (Kol. 3, 5-10) Erst wenn dies alles geschehen ist, haben wir einen sicheren Beweis, daß wir uns selbst wirklich aufgeopfert haben. Dann, aber auch nur dann, können wir nach der hl. Wandlung und hl. Kommunion sagen: "Mit Christus bin ich gekreuzigt. Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir." (Gal. 2, 19-20)
"Du kannst das Heil nicht erlangen", läßt der hl. Johannes Chrysostomus den Erlöser zu Petrus sagen, hiermit aber auch zu uns, "wenn du selbst nicht immer zum Sterben bereit bist." (19) Deshalb auch die Pflicht aller Gläubigen, an einem solchen Opfer teilzunehmen. Der Altar endet nicht mit den etwa 2 m der Mensa, aber die ganze Lebensbühne ist seine Extension, ganz besonders der Arbeitsplatz, welchem Beruf wir auch nachgeben mögen. Das christliche Opfer muß stets ein Ganzopfer sein, in welchem der Mensch sich dem Leibe und der Seele nach Gott zum Opfer darbringt. Das gilt für alle Äußerungen seines Lebens. Das "Suscipe Sancte Pater" - das "Empfange, Heiliger Vater", sollte nie aufhören, sodaß an einem jeden Ort zu jeder Zeit und unter allen nur denkbaren Zuständen sich in Verbindung mit dem sakralen Opfer drei Dinge wiederholen: das Offertorium, die hl. Wandlung und die hl. Kommunion, d. i. die immer innigere Verbindung mit Gott, unserem Leben.
(Fortsetzung folgt)
Anmerkungen:
(1) Stöckl, Liturgie und dogmatische Bedeutung der alttestamentlichen Opfer, pg. 183-184. (2) op. cit. 182. (3) J. Clerivato, De venerabili Eucharistiae Sacramento, De Sacrificio Missae Decisio XV. (4) op. cit. Decisio XVII. (5) S. Thom. Aq., Super Matth. 19. (6) Bibel Lexikon, Haag, Benziger, 1968, Kol. 1633, Stammbaum Jesu. (7) S. Thom. Aq., Super Matth. 88. (8) Cornelii a Lapide Commentaria in Matth. 47 A. (9) Jüdisches Lexikon II, Genealogie, Kol. 1008. (10) op. cit. Geschlechtereinheit, Kol. 1093. (11) Clericato, De Sacrificio Missae, Dec. VII. (12) op. cit. Decisio XXIII. (13) Stöckl, op. cit. 123. (14) op. cit. 193. (15) op. cit. 287. (16) Summa, S. Thom. Aq. III, 82, 4, c. (17) S. Augustini, De Civitate Dei X, 6. (18) S. Thom. Aq., Super epistolas S. Pauli, Ad Rom. 957. (19) S. J. Chrysostom. PG 58, 539 sq, Hom. in Matth.
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