DIE EINLEITUNG ZUR VISION DER SIEBEN POSAUNEN
von H.H. W.W.E. Dettmann
"Als das Lamm das siebente Siegel öffnete, entstand im Himmel eine Stille, etwa eine halbe Stunde lang. Und ich sah die sieben Engel vor dem Angesichte Gottes stehen, und es wurden ihnen sieben Posaunen gegeben. Und ein anderer Engel kam und stellte sich mit dem goldenen Rauchfaß vor den Altar. Ihm wurde viel Räucherwerk gegeben. Er mußte es über die Gebete aller Heiligen auf den goldenen Altar streuen ("geben"), der vor dem Throne Gottes steht. Und der Weihrauch von den Gebeten der Heiligen stieg aus der Hand des Engels vor Gott empor. Dann nahm der Engel das Rauchfaß und füllte es mit Feuer vom Altare und schleuderte es auf die Erde und es entstanden Donnerschläge, Stimmen und Blitze und ein großes Erdbeben. Und die sieben Engel bereiteten sich vor, die Posaunen zu blasen." (Apokal. 8, 1-6)
Das göttliche Lamm hatte ein Siegel nach dem anderen geöffnet, bis zum sechsten, und es kamen immer schwerere Schläge über die Menschen; schließlich wurde nach der Öffnung des sechsten Siegels einem Teil der Menschen, nämlich den Israeliten - aber auch nicht allen - ein Zeichen auf die Stirne gemacht, um zu bekunden, daß sie auserwählt seien.
Von einem anderen, bedeutend größeren Teil der Menschen wurde gesagt, daß sie ihre Kleider im Blute des Lammes gewaschen hatten. Aber auch dies waren beiweitem nicht alle Menschen. Es war nur eine unzählbar große Schar aus allen Völkern und Nationen. Die vollzählige Schar aller Völker war es jedoch nicht.
Es ist also offenkundig, daß sämtliche Himmelsbewohner sofort begreifen mußten, was bei der Öffnung des siebten und letzten Siegels auf jene Menschen wartete, die kein Zeichen der Auserwählung auf die Stirne bekommen und die ihre Kleider nicht im Blute des Lammes gewaschen hatten.
Alle Himmelbewohner hatten erkannt, was das siebenfach versiegelte Buch enthielt und darstellte, nämlich das zeitliche und ewige Schicksal sämtlicher Menschen.
Deshalb entstand bei der Öffnung des siebten Siegels eine Stille im Himmel, wie sie vorher noch nicht dagewesen war. Es war eine halbstündige Stille des Erschreckens und Zitterns.
Das Erschrecken und Zittern der Himmelsbewohner war derart, daß sogar der Gesang des dreimaligen "Sanctus, Sanctus, Sanctus" für eine halbe Stunde lang verstummte.
Man kann sich nur schwer vorstellen, wie Johannes diese Szene schaute und erlebte. Millionen von großen geheimnisvollen Wesen wie die Engel blickten eine halbe Stunde lang stumm auf einen einzigen Punkt hin, nämlich auf das Lamm Gottes, und erwarten aus seinem Munde einen Blitzstrahl der Verdammung wie aus einer Gewitterwolke. Aber dieser Blitzstrahl kommt nicht sofort.
Johannes sieht auf einmal sieben Engel vor dem Throne Gottes stehen, von denen jeder eine Posaune bekommt. Zweifellos sind es dieselben sieben Engel, zu denen sich einst der Erzengel Raphael zählte (Tobias 12,15) und zu denen auch der Erzengel Gabriel gehört (Luk. 1,19).
Diese sieben Gottesboten hatten ganz außergewöhnliche Aufgaben zu erfüllen und Botschaften an die Menschen zu überbringen. Jetzt sind sie dazu bestimmt den Abschluß des "Geheimnisses Gottes" (Apokal. 10, 7), nämlich den Abschluß der Menschheitsgeschichte, anzuzeigen und anzukündigen.
Bei den ersten sechs Siegelöffnungen handelte es sich um Heimsuchungen und Katastrophen ganz allgemeiner Art, die über die gesamte Menschheitsgeschichte hin verteilt sind.
Die sieben Posaunenstöße aber zeigen solche Ereignisse an, die einzeln für sich jeweils eine besondere Stufe zum Ende hin bedeuten.
Bevor der erste Engel die Posaune ertönen läßt, geschieht noch zusätzlich etwas Besonderes, das ebenfalls auf das bevorstehende Ende hinweist:
Außer den Sieben erschien noch ein anderer Engel, der sich mit einem goldenen Rauchfaß so vor den Altar stellte, wie wenn er das Rauchfaß in der Liturgie zur Anbetung der göttlichen Majestät verwenden wollte.
Diesem Engel wurde viel Weihrauch gegeben. Er mußte damit die vereinigten Gebete aller Heiligen auf dem goldenen Altar vor dem Angesichte Gottes bestreuen.
Es ist wichtig, genau zu betrachten, wie verschieden sich die heutigen Erklärer der Apokalypse diesen Vorgang vorstellen:
1.) Dr. Eduard Schick (Fulda) schreibt von diesem Engel: "Ihm wurde viel Räucherwerk gegeben, daß er es für die Gebete aller Heiligen auf dem goldenen Altar vor dem Throne darbringe" (1959, Echter-Verlag).
2.) Dr. Peter Ketter (1953, Herder) schreibt wörtlich dasselbe. Anmerkung: Bei der Erklärung der halbstündigen Stille im Himmel (Apokal. 8,1) hatte Dr. Peter Ketter vergleichsweise hingewiesen auf die drei Minuten dauernde Stille (Sendepause) im Rundfunk, als Adolf Hitler mit Frankreich in Compiègne bei Paris den Waffenstillstand abschloß. Dieser eine Hinweis machte das ganze Buch Peter Ketters wertlos.
3.) Fritz Tillmann (Bonn, Buchgemeinde 1927) übersetzt: "Ihm wurde viel Räucherwerk gegeben, daß er es zu den Gebeten aller Heiligen auf den goldenen Altar vor dem Thron tue."
4.) Richard Gutzwiller ("Herr der Herrscher", 1951, Benzinger) sagt: "Ihm wurde viel Räucherwerk gegeben, damit er es zu den Gebeten aller Heiligen auf den goldenen Altar vor dem Throne lege."
5.) Alfred Wikenhauser ("Offenbarung des Johannes", 1949, Pustet, Regensburg) liest: "Ihm wurde viel Räucherwerk gegeben, daß er es zu den Gebeten aller Heiligen auf dem goldenen Altare vor dem Throne darbringe."
Gemäß Wikenhauser hat der Weihrauch den Zweck, die "mit Irdisch-Selbstischem" vermischten Gebete der Gläubigen zu läutern und zu reinigen. Ähnlich sprechen Peter Ketter und Eduard Schick. Der goldene Altar sei das himmlische Gegenstück des Rauchopferaltars im Heiligtum zu Jerusalem und habe "daneben auch z. T. den Charakter und die Funktion des Brandopferaltares, da auf ihm die Seelen der Märtyrer als Gott dargebracht gelten."
Aber warum spricht Alfred Wikenhauser kein Wort davon, daß der Rauchopferaltar und der Brandopferaltar in Jerusalem gar nicht mehr existierten, als der Apostel Johannes die Geheime Offenbarung bekam?
Anstatt den Brandopferaltar zu erwähnen, hätte Wikenhauser sagen müssen, daß die Gläubigen und die Märtyrer sich vor jenem Altar Gott zum Opfer darbrachten, der gemäß der Ordnung des Melchisedech bestand.
Richard Gutzwiller bringt das Weihrauchopfer in Zusammenhang damit, daß im alten jüdischen Tempel die Priester im Augenblick des Rauchopfers die silbernen Posaunen erschallen ließen, damit das Volk, das den opfernden Priester nicht sehen konnte, Kenntnis vom Zeitpunkt des Opfers bekam.
Aber dieser Zusammenhang besteht in der Apokalypse nicht. Denn die sieben Engel blasen die Posaunen nicht im Augenblick des Weihrauchopfers, sondern erst nachher. Außerdem bläst jeder von ihnen einzeln für sich, einer nach dem anderen, um die verschiedenen Merkmale des herannahenden Endes hervorzuheben.
Die Gebete der Gläubigen auf dem goldenen Altar gelten ganz und gar dem hochheiligen Opfer nach der Ordnung des Melchisedech. Denn sie liegen bereits auf dem Altar, bevor der Engel den Weihrauch hinzufügt, und sie sind schon "gereinigt" infolge der Berührung mit dem goldenen Altar. Einen anderen Altar als den gemäß der Ordnung des Melchisedech kennt das Neue Testament nicht.
Im Text der Geheimen Offenbarung heißt es hierauf: "Und der Weihrauch von den Gebeten der Heiligen stieg aus der Hand des Engels zu Gott empor". Diese Szene ist so zu verstehen, daß sie sich nicht nur in jenem Augenblick abspielte, als sie von Johannes geschaut wurde, sondern daß es immer schon so war, solange die Kirche mit ihrem Altar bestand.
Nun aber kommt bei der Öffnung des siebten Siegels die Zeit, in der auch die Anbetung Gottes durch die Kirche auf Erden zu Ende geht. Denn als Vorspiel der sieben Posaunenstöße wirft der Engel das Rauchfaß zur Erde hinab. Diese Szene bedeutet nicht nur die allgemeine Bestrafung der Sünder infolge des Gebetes der Heiligen, wie die oben genannten Erklärer sagen, sondern der Vorgang weist auf viel ernstere Dinge hin, die sich in der Kirche am Ende der Zeiten abspielen.
Wenn es nur im üblichen Sinne um die Bestrafung der Sünder infolge des Gebetes der Heiligen ginge, hätte es genügt, wenn der Engel das bloße Feuer vom Altar auf die Erde warf. Aber er warf ja das ganze kostbare goldene Rauchfaß in die Tiefe. Also ist damit gesagt, daß er das liturgische Gerät zur Anbetung Gottes nicht mehr brauchte.
Ein Engel wird doch nicht ein heiliges Gerät der himmlischen Liturgie wegwerfen, wenn die Anbetung Gottes auf Erden in regelmäßiger Weise weitergeht!
Moses hat die steinernen Tafeln mit den zehn Geboten auch nur deshalb im Zorn zerschmettert, weil er sah, wie das Volk um das goldene Kalb herumtanzte und weil er meinte, jetzt sei alles aus und vorbei. Er kannte die erhabene Majestät Gottes, die sich so etwas nicht gefallen lassen konnte.
Die Zeit der Anbetung Gottes auf Erden durch die Kirche steht heute in zweifacher Weise vor ihrem Ende: Der Abschnitt der sieben Posaunen hat begonnen, und die Kirchenführung selbst ist vom Glauben abgefallen und hat einen großen Teil des Volkes mit sich gerissen. Deshalb wird das goldene Rauchfaß, von dem auch im Hebräerbrief die Rede ist, und das für alle Apostel ohne Ausnahme das Sinnbild der feierlichsten Anbetung Gottes war, plötzlich mit dem Ausdruck des Zornes zur Erde geworfen. Auf alten Bildern der christlichen Kunst (z.B. in der Apokalypsenhandschrift von S. Sevèr in Paris) ist dargestellt, wie der Engel nur das Feuer aus dem Rauchfaß auf die Erde schüttet. Aber das entspricht nicht ganz der Vision des Apostels. Das goldene Rauchfaß selbst wurde zur Erde geschleudert.
Daß die Anbetung Gottes auf Erden ein solches Ende nehmen werde, ist dem Christen des zwanzigsten Jahrhunderts bisher noch nicht gesagt worden. Aber wir haben es tatsächlich erlebt.
Die hoheitsvolle, einheitliche Anbetung der göttlichen Majestät durch die Kirche ist heute im Vergleich zu der Zeit von Paul VI. beendet. Das ist eine unleugbare Tatsache. Was die Würdenträger, an ihrer Spitze Paul VI., heute noch tun, ist ein leeres Zeremoniell ohne Kern, und was der niedere Klerus tut, ist großenteils ein würdeloses und regelloses Durcheinander.
Dort, wo man die sogenannte Meßordnung Pauls VI. praktiziert, kann nicht mehr von jenem Opfer nach der Ordnung des Melchisedech gesprochen werden, das Christus gewollt und befohlen hatte, und das der Himmel von der Kirche erwartet.
Der Engel schleudert das Rauchfaß deshalb im Zorn zur Erde, weil es keine belanglose Sache sein kann, daß das sog. Zweite Vatikanische Konzil die Ehrung des hl. Altarssakramentes durch Weihrauch abgeschafft hat.
In der sog. neuen Liturgie wird der Weihrauch nur noch zur Ehrung des Evangelienbuches verwendet, aber nicht mehr zur Anbetung des hl. Altarssakramentes.
Die Irreführung der Gläubigen durch die Bischöfe bestand unter anderem auch darin, daß man die Abschaffung des Weihrauches bei der hl. Wandlung als eine "Erneuerung" bezeichnete.
Der Gebrauch des Weihrauches bei der hl. Wandlung war ein überaus feierliches Zeichen zur Anbetung Christi. In diesem Augenblick galt die Ehre einzig und allein der emporgehobenen Hostie und nicht dem Bischof oder Priester.
Die Beseitigung dieser Zeremonie vor der ganzen Welt zeigt neben vielen anderen liturgischen Mißgriffen, wie gering die kirchlichen Würdenträger heute das heiligste Altarssakrament einschätzen. Prof. Josef Andreas Jungmann, der einer der liturgischen Berater des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils war, tat so, als hätte die Kirche bisher etwas ganz und gar überflüssiges getrieben, wenn sie beim feierlichen heiligen Meßopfer im Augenblick der Wandlung das Altarssakrament mit Weihrauch ehrte und anbetete.
Jungmann, bezeichnet den Weihrauch als "eine Ehrung, wie sie einst den römischen Kaisern und den höchsten Staatsbeamten gewidmet worden war." (I. 87).
Er sagt ferner, der Gebrauch des Räucherwerkes habe eine große Rolle im heidnischen Kult gespielt, was für die Christen ein Grund gewesen sei, den Weihrauch dem Gottesdienst fernzuhalten (I. 393).
An einer anderen Stelle schreibt Jungmann: der Gebrauch des Weihrauches sei "eine Frucht k a r o l i n g i s c h e r Liturgieentwicklung" (II. 85) (Die Hervorhebung des Wortes "karolingisch" stammt von Jungmann). - Prof. Jungmann verschweigt hier die wichtige Tatsache, daß in den politischen Wirren des Mittelalters der Hof der fränkischen Könige und besonders Kaiser Karls des Großen immer wieder die letzte Zuflucht der Päpste war, und daß jene sog. "Liturgieentwicklung", von der Jungmann spricht, nicht so sehr "karolingisch" als vielmehr ganz und gar päpstlich war. Neben vielem anderen übersieht Prof. Jungmann auch das, daß die Kirche in den ersten Jahrhunderten der Verfolgung gar keinen Weihrauch beim heiligen Meßopfer verwenden konnte, und daß es naturgemäß eine längere Zeitspanne dauern mußte, bis die Kirche in verhältnismäßiger Ruhe die Feier des heiligen Opfers so ausgestalten konnte, wie es ihrer Vorstellung von der Heiligkeit der Sache entsprach.
Die größte bisherige Versammlung katholischer Bischöfe in der Kirchengeschichte hat den Weihrauch bei der hl. Wandlung gerade in der Zeit abgeschafft, als Hagel und Feuer und Blut vom Himmel fielen und immer noch fallen wie beim ersten Posaunenstoß: Der Hagel von Eisen und der kilomoterbreite Regen von Feuer ist heute vermischt mit dem Blut der abgeschossenen Flieger: Das ist die Zeit, in der die katholischen Bischöfe den Gebrauch des Weihrauches bei der hl. Wandlung für überflüssig erklären.
Genau,u betrachtet, hat Prof. Jungmann seine Pläne zur Abschaffung. des Weihrauches bei der hl. Wandlung bereits entwickelt, bevor der Feuerhagel des zweiten Weltkrieges begann. Wer will also darin eine bloß zufällige Ähnlichkeit sehen, daß der Engel der Apokalypse das Rauchfaß als überflüssiges Gerät zur Anbetung Gottes unmittelbar vor dem Feuerhagel des ersten Posaunenstoßes zur Erde schleudert?
Das Rauchfaß ist in der sog. neuen Liturgie auch insofern überflüssig, als die heute verwendeten Evangelienbücher großenteils aus entstellten Übersetzungen bestehen.
Vor dem sog. Zweiten Vatikanischen Konzil war die Beräucherung des Wortes Gottes im feierlichen Hochamt eine heilige Sache. Heute aber lassen die Bischöfe nicht mehr das wahre Wort Gottes, sondern fast nur noch entstellte und irrgläubige Übersetzungen beweihräuchern.
Solange Papst Pius XII. lebte, war in allen katholischen Schulbibeln die Begebenheit vom Opfer des Melchisedech enthalten. Seit dem sog. Zweiten Vatikanischen Konzil haben die Bischöfe den früheren Text des Wortes Gottes verleugnet. Das hochheilige Opfer des Melchisedech wird der Ehre des Weihrauches nicht mehr für würdig befunden, wohl aber die verdrehte und verfälschte Bibelübersetzung!
Es ist somit sehr verständlich, daß der Engel der Geheimen Offenbarung als Einleitung zu den sieben Posaunenstößen das goldene Rauchfaß mit Feuer gefüllt zur Erde schleudert.
Moses bekam von Gott wieder neue Gesetzestafeln, als er die ersten zerschmettert hatte. Aber wer will den heutigen kirchlichen Würdenträgern wieder die richtige Anbetung des heiligsten Altarssakramentes beibringen?
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