BÜRGER DES GOTTESSTAATES
von H.H. Prof. Severin M. Grill SOCist
Es gibt Lehren in der Bibel, die von uns oft nicht oder zu wenig beachtet werden. Hierher rechne ich u. a. auch die Offenbarung über die Völkerengel und den Gottesstaat. Die Führung der Weltvölker überläßt Gott den Engeln, die Leitung des auserwählten Volkes behält er sich selbst vor.
Dt 32,8 lesen wir: "Als der Allerhöchste die Völker verteilte und die Menschenkinder trennte, da setzte er die Grenzen der Völker fest nach der Zahl der Söhne Gottes*). Des Herrn Anteil aber blieb sein Volk, und Jakob wurde sein Erbe." Die Söhne Gottes sind die Engel. Sie werden, jeweils ein guter und ein böser den Völkern als Führer (oder Verführer) vorgesetzt. Aber Israel, das alt- und neutestamentliche hat sich Gott zur unmittelbaren Leitung vorbehalten. Die Vielzahl der Völker wird durch die Symbolzahl 70 ausgedrückt oder 72. Die "Siebzigvölker" sind demnach die Heidenvölker außerhalb Israels**). Im Hohenlied wird die Zahl 70 verdoppelt zu 140, aber in die Teilzahlen 60 und 80 zerlegt: "Sechzig sind der Nebenköniginnen und achtzig der Nebenfrauen und Mädchen ohne Zahl. Aber eine einzige ist meine Taube, eine einzige die (Liebste) ihrer Mutter, die Töchter preisen sie selig." Diese Einzige ist das auserwählte Volk, ihre Mutter das Gesetz. Weil Israel sich an das Gesetz hält, ist es die liebste Gattin des Herrn. Im Neuen Testament hat sich der Begriff "Auserwähltes Volk" vergeistigt zu einem "Volk aus allen Völkern (populis, ochlos ek pantos ethnous, amme mein amme), d. i. die Gesamtheit der Rechtgläubigen aus allen Nationen". Da heißt es nicht mehr Heiden und Juden ..., Barbaren und Skythen, sondern alles in allem ist Christus (Kol 3,11). Es ist sehr wahrscheinlich, daß Paulus mit seiner Warnung Kol 2,18 den Nationalismus meinte: "Niemand soll euch in Knechtschaft bringen, daß ihr unterworfen werdet dem Dienste der Engel." Es ist wohl sicher, daß Paulus hier die bösen Völkerengel meint, d. h. die Dämonen, welche die Völker aufreizen und zur Sünde verführen, besonders zu der, welche sie selbst beständig begehen: Stolz und Überheblichkeit. Dieser falsche Nationalismus wirkt sich dann darin aus, daß man die anderen Völker verachtet, Minderheiten sozial unterdrückt, mehrsprachliche Aufschriften und Wegweiser nicht duldet, ja schließlich auf Kriege sinnt.
Wenn dieser Geist auch in die Kirche eindringt und sich beim Gottesdienst durchzusetzen sucht, so ist das Verrat am Wesen des katholischen Glaubens und eine Verleugnung Christi. Dies besonders beim Meßopfer, von dem der Herrn vorausgesagt hat: "Wenn ich auf der Erde erhöht sein werde, werde ich alle an mich ziehen." (Joh 12,32) Wenn ein Priester die Messe nur in der Volkssprache halten wollte, so liegt die Gefahr nahe, daß der Satan sich einschleicht und das Opfer nicht dem Weltengott, sondern dem Nationalengel dargebracht wird. Dann haben wir erfüllt, was in 1 Kor 10,20 steht: "Was die Heiden opfern, das opfern sie den bösen Geistern und nicht Gott." Es kann geschehen, daß der Nationalismus sich sogar weigert, fremdsprachlichen Katholiken die hl. Kommunion zu reichen. Dann ist eine solche Messe nicht mehr Versöhnungsopfer und Einigung, sondern Zwietracht erregend und Trennung. Wenn dann die Fremden hinziehen wollen zum geistigen Sion (Is 2,2-4) und an der Pforte der Batrabbim (Hl 7,4) stehen und Einlaß begehren, dann werden sie nicht eingelassen, sondern abgewiesen. Das sollten alle Priester bedenken, die heute so leichten Herzens das Latein in der Liturgie aufgeben und die Volkssprache verwenden. Sie müssen sich den Weheruf Christi gefallen lassen: "Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer! Ihr Heuchler! Ihr verschließt das Himmelreich vor den Menschen. Ihr geht selbst nicht hinein und laßt die nicht hinein, die hinein wollen." (Mt 23,13) ***) "Es geziemt sich für uns, mit besorgtem Herzen zu wachen und die Schliche des listigen Feindes zu erkennen und zu scheuen... Leichter ist es vorsichtig zu sein bei offener Bedrohung, als einen Feind zu scheuen, der im Verborgenen schleicht und durch den Schein des Friedens täuscht." (Cyprian. Von der Einheit der Kirche. Nr. 1)
Anmerkungen: *) Nur die Lesart "Söhne Gottes" (bne Elohim), so die LXX und Vet. Lat., gibt einen Sinn.
**) Diese Zahlensymbolik erscheint öfter auch in den Apokryphen (Testament der 12 Patriarchen PKap. 10, Syrische Schatzhöhle Kap. 24.) und im Torgun und ii Talmund.
***) Nach der Zerreißung Tirols verlangten die italienischen Faschisten, daß in Südtirol auch der Religionsunterricht in italienischer Sprache zu erteilen sei... In Westungarn mußte der Pfarrer magyarisch predigen und hie und da gab er dem Drängen der Leute nach und predigte auch deutsch. - In Südkärnten wollten die nationalen Fanatiker nicht dulden, daß die Straßentafeln und Wegweiser zweisprachlich abgefaßt würden.
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