VORZEICHEN DER ENDZEIT
von Klaus Wodsack, München
2. Fortsetzung II. Die Juden nehmen die Heilsbotschaft Christi an.
An zwei hervorragenden Stellen des Kirchenjahres betet die rechtgläubige Kirche für die Bekehrung des israelitischen Volkes: In den großen Fürbitten am Karfreitag und im Gebet zur Weihe des Menschengeschlechtes an das heiligste Herz Jesu am Christkönigsfest.
Die achte (vorletzte) der großen Fürbitten am Karfreitag lautet: "Lasset uns auch beten für die ungläubigen *) Juden: Gott, unser Herr, möge den Schleier von ihren Herzen wegnehmen, auf daß auch sie unsern Herrn Jesus Christus erkennen.
Lasset uns beten: (...) Allmächtiger ewiger Gott, Du schließest sogar die ungläubigen*) Juden von Deiner Erbarmung nicht aus; erhöre unsre Gebete, die wir ob der Verblendung jenes Volkes vor Dich bringen: mögen sie das Licht Deiner Wahrheit, das Christus ist, erkennen und ihrer Finsternis entrissen werden. Durch Ihn, Jesus Christus, unsern Herrn, der mit Dir lebt und regiert in der Einheit des Heiligen Geistes Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Die entsrrechende Bitte im Gebet zur Weihe des Menschengeschlechtes an das heiligste Herz Jesu am Christkönigsfest lautet: "O liebster Jesus, Erlöser des Menschengeschlechtes (...) Blicke endlich voll Erbarmen auf die Kinder des Volkes, das ehemals das auserwählte war. Möge das Blut, das einst auf sie herabgerufen wurde, als Bad der Erlösung und des Lebens auch über sie fließen."
Die bloße Tatsache dieser Gebete für das ungläubige Volk der Juden, das in diesem seinem Unglauben zugleich eine Religionsgemeinschaft ist, zeigt zunächst einmal, daß die Kirche davon überzeugt ist, daß über die Juden - entgegen einem möglichen Irrtum in dieser Frage - noch nicht endgültig entschieden worden ist, daß sie also auch noch nicht endgültig von Gott verworfen worden sind: Es ist ein berechtigtes Anliegen der Christenheit, für die Bekehrung der Juden zu beten es gibt eine berechtigte Hoffnung auf die Bekehrung der Juden.
Die Vorstellungen der Kirche hinsichtlich einer möglichen Bekehrung der Juden gehen jedoch weit über diese bloße Hoffnung hinaus - eine Hoffnung, wie sie in auch gegenüber den Irrgläubigen, den Heiden überhaupt und insbesondere dem Islam gegenüber besteht: Nach der Lehre der Kirche und nach den Aussagen der Hl. Schrift ist die tatsächliche Hinwendung Juden zum Evangelium Jesu Christi, das sie solange energisch von sich gewiesen hatten, seitdem Christus unter ihnen auf Erden erschienen war, eine zweite Vorbedingung, die erfüllt sein wird, ehe Christus, der Herr, zum Jüngsten Gericht wiederkommt.
A INHALT DER AUSSAGE
1) Die Lehre von endlichen Bekehrung der Juden geht im wesentlichen auf das 11. Kapitel des Römerbriefs des hl. Apostels Paulus zurück, wo sie ausdrücklich ausgesprochen ist. Wir haben also zuallererst diesen Text zu untersuchen.
a) Der hl. Paulus weist zunächst darauf hin, daß aus dem israelitischen Volke, in dem Jesus Christus seine Sendung zu erfüllen hatte **), ein Teil das Evangelium angenommen hat: Es sind dies die Apostel, darunter er er selbst, Paulus, und eine beträchtliche Anzahl von Jüngern. "So ist ein Rest, den die Gnade sich auserwählt hat, vorhanden." (11,5) Das auserwählte Volk des Alten Testamentes, das seinen Namen von seinem Stammvater Jakob her hatte, den Gott selbst "Israel" nannte, jenes Volke mit dem Gott am Sinai durch Moses einen Bund schloß und aus dem schließlich (aus dem Stamme Juda, aus dem Hause Davids, aus Maria, der Jungfrau) Jesus Christus, der Heiland der Welt, hervorging - , hat wenigstens in einem - wenn auch kleinen - Teil seinem Gott und Herrn die Treue gehalten und Christus als den Sohn Gottes bekannt.
b) Von der übergroßen Mehrheit des auserwählten Volkes aber sagt der Apostel: "Was Israel anstrebte, das hat es nicht erreicht. Die Auserwählten haben es erreicht, die übrigen aber sind verstockt worden. Wie geschrieben steht: Gott hat ihnen einen Geist der Betäubung gegeben: Augen, damit sie es nicht sehen, Ohren, damit sie nicht hören, bis auf den heutigen Tag. Und David sagt: Ihr Tisch werde ihnen zum Fallstrick, zum Fange, zum Anstoß und zur Vergeltung. Ihre Augen sollen finster werden, daß sie nicht sehen, und den Rücken beuge ihnen allezeit." (11, 7-10)
Das auserwählte Volk des Alten Testamentes, auf dem die messianische Verheißung Gottes an Abraham lag, das durch die Lehre der Patriarchen und Propheten auf den Messias vorbereitet war, erkannte in der überwältigenden Mehrheit seinen Heiland nicht. Es kannte wohl die Lehren der Schrift und beherzigte sie, doch nicht die ernste Warnung des 94. Psalms: "Heute, wenn ihr Seine Stimme hört, verhärtet nicht euer Herz, wie in der Verbitterung am Tage der Versuchung in der Wüste: da haben Mich eure Väter versucht und wollten Mich auf die Probe stellen, und sie hatten doch Meine Werke gesehen. Vierzig Jahre war Ich diesem Geschlechte nahe und sprach: Immer irren ihre Herzen, Meine Wege haben sie nicht erkannt. So habe Ich geschworen in Meinem Zorn: Sie sollen nicht in Meine Ruhe eingehen."
Im Gegenteil - die aus dein Bund an Sinai hervorgegangene theokratische Führung des Volkes, vereint mit einem beträchtlichen Teil der geistigen Elite (den Schriftgelehrten und Pharisäern): die Hohenpriester und der Hohe Rat, lieferten Christus zur Kreuzigung aus: "Einer von ihnen, Kaiphas, der Hohepriester in jenem Jahre war, sagte zu ihnen: Ihr versteht nichts und bedenkt nicht, daß es besser für euch ist, wenn ein Mensch für das Volk stirbt, und nicht das ganze Volk zugrunde geht. Dies sagte er aber nicht aus sich heraus, sondern als Hoherpriester weissagte er, daß Jesus für das Volk sterben solle, (...)." (Joh. 11,49 ff.) "Am selben Tage faßten sie den Beschluß, ihn zu töten." (Joh. 11,53) Und vor dem römischen Statthalter Pilatus ereignet sich die denkwürdige Szene, in der das Volk selbst in beschwörender Form. dem Beschluß des Hohen Rates akklamiert: "Das ganze Volk antwortete und schrie: Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder." (Mt. 27,25)
c) Von dieser überwältigenden Mehrheit des israelitischen Volkes, die Jesus Christus schuldhaft dem Tod am Kreuz auslieferte, handelt nun der Apostel Paulus, wenn er im Römerbrief (11,11) weiter schreibt: "Ich frage nun: Strauchelten sie so, um endgültig zu Fall zu kommen? Und er antwortet sich selbst: "Das sei ferne!"
Schon die erste Mühe des h. Apostels Petrus nach dem Pfingstfeste in Jerusalem war ja die Bemühung um das israelitische Volk durch die Predigt: "Ihr Israeliten!", so spricht er sie an, "Der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, der Gott unserer Väter, hat seinen Knecht Jesus verherrlicht. Diesen habt ihr ausgeliefert und verleugnet vor Pilatus, der ihn freilassen wollte. Ihr aber habt den Heiligen und Gerechten verleugnet und die Freigabe des Mörders verlangt, den Urheber des Lebens getötet, aber Gott hat ihn von den Toten auferweckt. Des sind wir Zeugen (...) Ich weiß wohl, meine Brüder, daß ihr aus Unwissenheit gehandelt habt, wie auch eure Obern. Gott aber hat also erfüllt, was er durch den Mund aller Propheten vorher verkündigte, nämlich, daß sein Gesalbter leiden werde. So tut nun Buße und bekehret euch, damit eure Sünden getilgt werden. (Apg. 3,13 ff.)
Und dem hl Apostel Paulus wird selbst die Annahme der Heilsbotschaft durch die Heiden zum Mittel, das Herz der ungläubigen Juden zu rühren: "Durch ihre Sünde ist das Heil zu den Heiden gekommen, um sie eifersüchtig auf diese zu machen." (Röm. 11,11)
d) Und es setzt ein das ungeheure Ringen des Apostels um das verstockte Herz des Volkes, aus dem er selbst hervorgegangen ist, dem er in seinem eigenen Urteil über Christus bis zu seiner Bekehrung in Damaskus gefolgt war - und das er nun von sich getrennt in der Geistesblindheit verharren sieht, er, der selbst aus dieser Geistesblindheit gerettet wurde, "Euch Heiden sage ich: Solange ich Apostel der Heiden bin, will ich meinem Amte Ehre machen. Ich möchte so meine Volksgenossen zum Nacheifern anspornen und wenigstens einige von ihnen retten." (Röm. 11,13-14)
Und welch eine große Sache ist es doch, dies zu tun! "Denn wenn schon ihre Verwerfung die Versöhnung der Welt bedeutet, was wird dann ihre Aufnahme anderes bedeuten als Leben aus den Toten?" (11,15) Die Heiden (= die "wilden Ölzweige") wuden ja - durch ihren Glauben an Christus - dem gläubigen Rest Israels und seiner rechtgläubigen Tradition (= dem "edlen Ölbaum") eingepflanzt, sie haben Israels Verdienst zu würdigen: "Wenn einige Zweige ausgebrochen wurden und dafür du, der wilde Ölzweig, zwischen ihnen eingesetzt wurdest und nun an der fetten Wurzel des edlen Ölbaumes Anteil erhalten hast, so überhebe dich nicht über die anderen Zweige. Überhebst du dich aber, so bedenke: Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich." (11,17-13) Ausgebrochen wurden die verstockten Juden, eingesetzt die gläubigen Heiden: "Infolge ihres Unglaubens wurden sie ausgebrochen, du hingegen stehst fest um des Glaubens willen." (11,20) "Erkenne also", so schreibt der Apostel weiter, "Gottes Güte und Strenge: die Strenge gegen die Gefallenen, die Güte Gottes gegen dich, vorausgesetzt, daß du bei der Güte verbleibst, sonst wirst auch du ausgehauen werden." (11,21-22) (Wer sähe hier nicht die Warnung des Apostels, ausgesprochen gerade an die Adresse der von Christus abgefallenen Neuheiden unserer Zeit!) "Aber auch jene (= die Juden) werden wieder eingesetzt werden, wenn sie nicht im Unglauben verharren; denn Gott vermag sie wieder einzusetzen. Wenn du aus dem von Natur wilden Ölbaum ausgeschnitten und wider die Natur in den edlen Ölbaum eingesetzt wurdest, um wieviel leichter werden dann die natürlichen Zweige in den eigenen Ölbaum wieder eingesetzt werden!" (11,23-24)
Soweit bleibt es noch bei der bloßen Möglichkeit der Bekehrung des verstockten Teils der Juden.
e) Nun aber geht der Apostel weiter: Er, der in ganz besonderer Weise mit dem Schicksal seines Volkes verbunden war, verfügt über ein Wissen (das er ein "Geheimnis" nennt), das über die bloße Hoffnung auf die Bekehrung hinausgeht. Der hl. Paulus setzt seinen Brief neu an und schreibt: "Brüder! Ich will ouch über folgendes Geheimnis nicht im unklaren lassen, daß ihr euch nicht selbst für weise haltet: Die Verstocktheit ist über einen Teil von Israel gekommen, bis die Vollzahl der Heiden eingetreten ist. Und dann wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht: 'Es wird der Retter aus Sion kommen, und hinwegschaffen die Gottlosigkeit von Jakob. Das ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünde weggenommen.'" (11, 25-27)
Ganz Israel ist es, das gerettet wird ***): omnis Israel. Nicht also nur mehr der Teil, der Christus zur Zeit seines Lebens auf Erden und bis zum Augenblick, da der Apostel schreibt, als Herrn anerkennt. Auch die bisher verstockte Mehrheit (und um diese geht es dem Apostel ja in diesem Text!) ist in die Bekehrung eingeschlossen. Gerade das im alttestamentlichen Glauben (und d. h. im Unglauben gegen Christus) verharrende Volk Israels wird sich zu Christus bekehren. Diejenigen, die ihrerseits Christus am Alten Bund festhalten, werden schließlich, am Ende der Zeiten, wenn "die Vollzahl der Heiden eingetreten ist", d.h. wenn aus den Heidenvölkern niemand mehr übrig bleibt, gerettet zu werden, zur Erkenntnis Christi kommen:
"Wegen des Evangeliums sind sie (= die Juden) allerdings seine Feinde um euretwillen, der Auserwählung nach aber seine Lieblinge um der Väter willen. Denn Gottes Gnadengaben und Berufung sind unwiderruflich. Wie ihr einst gegen Gott ungehorsam wart, aber infolge ihres Ungehorsams Barmherzigkeit gefunden habt, so sind auch sie jetzt zu eurer Begnadigung ungehorsam geworden, um auch selbst nun Gnade zu finden. Denn Gott hat alle dem Ungehorsam überantwortet, um sich aller zu erbarmen." (11,28-32)
Und gerade diese Lehre von der endlichen Bekehrung Israels zu Christus zeichnet der Apostel aus mit dem erhebenden Hymnus zum Lobe Gottes: "O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unbegreiflich sind seine Gerichte und wie unerforschlich seine Wege! Wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen? Oder wer hat ihm zuerst etwas geschenkt, daß ihm vergolten würde? Denn aus ihm und durch ihn und für ihn ist alles. Ihm sei Ehre in Ewigkeit! Amen." (11,33-36)
(Zum Thema "Bekehrung der Juden" folgt ein zweiter Toil, der auch die Anwendung auf die gegenwärtige Lage enthält.)
Anmerkungen: *) Der im deutschen Text mit dem Wort "ungläubig" wiedergegebene Begriff heißt im Lateinischen "perfidus" bzw. perfidia". Er drückt schärfer, als es das deutsche Wort tut, die jüdische Schuld aus und bedeutet eigentlich: Wortbruch, Treulosigkeit, Unredlichkeit. **) Vgl. Mt. 15,24 - wo Jesus zu seinen Jüngern sagt: "Ich bin nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt." ***) Im griechischen Urtext des Römerbriefes steht das Verb "retten"
hier in eindeutiger Überlieferung als Futur Passiv, Indikativ, also:
"wird gerettet werden". Es handelt sich um eine Voraussage der
Tatsache, daß ganz Israel sich zu Christus bekehren wird.
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