Auerbach - ein Testfall ?
von
Magdalena S. Gmehling
Vorbemerkung der Redaktion:
Bestimmte Ereignisse, die urplötzlich einen nicht nachvollziehbaren
Wirbel entfachen, beleuchten gelegentlich schlaglichtartig die
geistig-moralische Situation, in der wir uns befinden, besser als alle
theoretischen Diskurse. Ein solches Ereignis war der sog. Fall
Auerbach, der im vorletzten und letzten Jahr die so verletzliche
Scheinheiligkeit im moralischen Umfeld der sog. 'Konzils-Kirche'
aufgedeckt hat. Der Anlaß? Schwestern hatten es gewagt, anzügliche
Seiten aus den schulischen Biologiebüchern zur Sexualaufklärung zu
entfernen! Wie sich herausstellte, ein unverzeihliches 'Verbrechen' in
unserer aufgeklärten Zeit, welches selbst von anderen Schulschwestern
öffentlich angepran-gert wurde: moderne Hexenverfolgung, die nicht auf
dem Scheiterhaufen endete, wohl aber mit Arbeitsverbot belegt wurde und
mit der Vertreibung der Schwestern endete! Hier hat sich der Geist der
konziliaren 'Reformer' in eklatanter Weise manifestiert.
Eberhard Heller
* * *
Kultur entsteht nach Sigmund Freud immer dann, wenn es Menschen
gelingt, ihre Sexualität zu sublimieren. Bei aller Skepsis gegen den
Mitbegründer der Psychoanalyse möchte man diesen Satz uneingeschränkt
bejahen. Die schulische Wirklichkeit wird heute allerdings weit mehr
durch die Unkultur gekennzeichnet die sie vermittelt. "Deutsche Schulen
unterlassen nichts, um durch einen Sexualunterricht demoralisierend auf
noch wenig resistente Gemüter von Jugendlichen einzuwirken ... die
Schüler werden in einem Alter, in dem sie für jede Form von Sexualität
überhaupt noch nicht erwacht sind, mit allen nur erdenklichen
Sexualpraktiken konfrontiert. ... Überall da, wo die Natur aus guten
Gründen in aller Behutsamkeit ihr Halbdunkel ausgebreitet hat,
bevorzugt man heute das grelle Licht eines höchst profanen
Tagesbewusstseins und fördert damit ein seelisches Robotertum, für den
ein Begriff wie Liebe viel zu hoch gegriffen ist."
Ich setze, verehrter Leser, dieser kurzen Zusammenfassung der
Auerbacher Ereignisse, bewusst eine so kompetente und unverdächtige
Stimme wie die des 1996 verstorbenen Literaturhistorikers Dr. Gustav
Sichelschmidt, voran. Nicht nur ein kirchlich gebundener, sondern jeder
denkende und normal empfindende Mensch wird gegen die gegenwärtig
praktizierte schulische Sexualerziehung erheb-liche Vorbehalte anmelden.
Was also geschah in Auerbach?
Nach den mir vorliegenden Quellen kam es Ende September 2001 zu
Protesten in der Öffentlichkeit, weil die Schulschwestern von "Unserer
Lieben Frau" sexualkundliche Seiten aus dem Biologiebuch der 10. Klasse
entfernt hatten und bereits ausgeteilte Bücher der 8. Klasse wieder
einsammelten, da deren Inhalt nicht mit der kirchlichen Lehre
übereinstimmte.
1998 war ein neuer Ordensgestellungsvertrag, an dem Landkreis und
Gemeinde mitwirkten, zustande gekommen. Er legt fest: "dass der
christliche Geist der Schule, welcher schon von der Kongregation an der
klösterlichen Mädchenschule vermittelt wurde, erhalten bleibt". Die
Auswahl der Lehrrnittel liegt im Ermessen der zuständigen Lehrkraft
bzw. der Schulleitung. Die Direktorin der Realschule, Sr. Marcellina
Nickl, war der durchaus richtigen Ansicht: "Wenn höheres Gut gehütet,
geschätzt oder gerettet werden soll, dann dürfen wir keine falschen
Rücksichten nehmen." ("Nordbayer. Nachrichten" vom 14.11.01)
Die Medien greifen nun den "Fall" auf. Die Erzdiözese Bamberg und das
Katholische Schulwerk "bedauern" die Vorgänge in Auerbach
außerordentlich. Auch das Münchner Erzbischöfliche Ordinariat schaltet
sich ein. (SZ vom 13.11./29.11.01) Der Moraltheologe Volker Eid und der
Dogmatikprofessor Beinert äußern sich negativ über die Handlungsweise
der Schwestern. Die Spekulationen der Journalisten treiben bunte
Blüten. Von einer "Untergrundbewegung in der Kirche" ist die Rede, von
"Machenschaften des Engelwerkes", vom "Verbreiten einer Drohbotschaft"
und "Psychoterror hinter Klostermauern". Am 12. November 2001
verteilen Jusos Kondome vor der Schule.
Das Bayerische Kultusministerium verlangt einen "Austausch der
Rektorin", die Träger des Zweckverbandes stimmen mehrheitlich für eine
Ablösung der Schulleitung. Nun erklären die Schwestern ihren Rückzug
aus der Realschule zum Ende des laufenden Schuljahres und den Austritt
aus dem Zweckverband. Daraufhin starten die Schüler eine spontane
Unterschriftenaktion. Sie wollen ihre Schulschwestern zurück haben.
Auch gegen die Lehrerinnen in der Grund- und Hauptschule sowie die
Schulschwestem in den beiden kirchlichen Kindergärten der Stadt
Auerbach werden Vorwürfe bezüglich einer "angstmachenden Pädagogik"
laut. Eine Elternversammlung spricht sich mehrheitlich für das
Verbleiben der Schwestern aus. Die örtliche Kirchenverwaltung
entscheidet auf Druck der Erzdiözese Bamberg, dass einer der beiden
Kindergärten mit weltlichem Personal betrieben werden soll ("Erlanger
Nachrichten" vom 15.12.01; MZ vom 15.12.01; MM 15.12.01).
Inzwischen schaltet sich das Mutterhaus der Schwestern im ehem.
Königgrätz (Hradec Kralove Tschechien) ein. Die Generaloberin, Miriam
Baumrukova, trifft am 26. November in Auerbach ein. Sie stimmt
einer Neugestaltung der Schulleitung zu und nimmt die Kündigung des
Mietvertrages des Schulgebäudes zurück. Zwei Schulschwestern müssen auf
Betreiben des Kultusministeriums den Religionsunterricht in der
Grundschule aufgeben, behalten aber die Klassenleitung (DT vom 5.1.
2002). Bezüglich des Kindergartens wird ein Anhörungsverfahren vom
Jugendamt und der Regie-rung der Oberpfalz eingeleitet. Am 6.3.02 wird
gemeldet (SZ 6.2./ Amberger Zeitung 6.2.), dass die bisherige
Schulleiterin Sr. Marcellina durch Sr. Beate Wittmann ersetzt wird.
Außerdem wurde ein neuer Mietvertrag des Zweckverbandes für das
Schulgebäude von der Generaloberin unterschrieben.
Mitte Februar 2002 wird der Regensburger Weihbischof, Vinzenz
Guggenberger, auf Betreiben des Erzbistums Bamberg durch die
Apostolische Nuntiatur als päpstlicher Visitator eingesetzt. Kurz
darauf meldet man einen zweiten Visitator: Friedrich Fahr,
Ordensreferent der Erzdiözese München. Die Bamberger
Kirchenzeitung "Heinrichsblatt" berichtet in einer mit KNA
gekennzeichneten Meldung über die 'Päpstliche' Visitation:
"Anhaltspunkte für Verbindungen des Klosters habe Guggenberger keine
entdeckt. Es habe sich um eine Falschmeldung gehandelt, die von der
Provinzleitung der Schwestern leider nicht richtig gestellt wurde." Die
Beurteilung Guggenbergers soll 300 Seiten umfassen. Er hat den ganzen
Vorgang "als sehr schwierig zu durchschauen gekennzeichnet.
Zum Ende des Schuljahres 2002 wurde allen Schwestern der Volksschule
gekündigt, da der Orden den Vorwurf der "angsteinflößenden Pädagogik"
nicht ausräumen konnte. Im Zweifelsfall müsse man für die Kinder
entscheiden (Ministeriumssprecher Peter Brendl). Den Abteilungsleiter
der Oberpfalz Czinczoll zitiert eine Zeitung mit der Aussage, die
Themen "Hölle" und "Todsünde" seien im Lehrplan der Grundschule nicht
vorgesehen. (NN 18.04.02).
Die Kindergartenleiterin des Marienkindergartens, Schwester Barbara,
wird vom Landratsamt Amberg-Sulzbach mit einem zweijährigen
Beschäftigungsverbot belegt. Mitte Juni (SZ vom 17.06.02) kommt dann
die Meldung, der Exerzitienmeister von Auerbach sei "abgestraft"
worden. Es handelt sich um das Seelsorgeverbot für den schwerkranken 73
jährigen Pater Morscher, einen Österreicher, der Mitglied der
Missionare vom Kostbaren Blut ist. Am 31.1.03 bestätigt schließlich die
Provinzoberin, daß die Niederlassungen in der Oberpfalz geschlossen
werden müssen.
Zu erwähnen bleibt, dass sich die österreichischen Bischöfe Krenn, Laun
und Eder schützend vor die Auerbacher Schwestern stellten. Sie haben in
kompetenten Schreiben die Haltung der Schwestern verteidigt.
Abschließend sei das Resümee des Weihbischofs Laun zitiert: "Wir haben
allen Grund, die mutige Treue der Schwestern zu Gott, zur Kirche und zu
ihrem Gewissen zu bewundern. Hätten wir nur mehr Frauen und Männer,
Laien, Bischöfe, Priester und Ordensleute von dieser Sorte, katholisch
und mutig!"
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