DAS BEISPIEL DES GLÄUBIGEN ARZTES
von H.H. Prof. Severin Grill SOCist.
Dem Erhabenen und ausgezeichneten gläubigen und wahrhaftigen Herrn Kyros dem Primararzt und Comes sendet Jakob, der Verehrer seiner Erhabenheit Gruß im Herrn. (1)
Es ist schön von dir, o Weiser und Erhabener, daß du durch die Gnade Gottes und den wahren Glauben der Kirche Christi ein schönes Beispiel gibst und ein schöner Spiegel bist da durch dein Verhalten viele Seelen aufgerichtet und geheilt werden.
Du bist besorgt um diesen Ruf, der auf dir liegt und daß du Haupt der Ärzte genannt wirst möge zutreffen in Wort und Tat. Sei nicht bloß um die Heilung der Körper besorgt, sondern auch um die Seelen deiner Lieblinge, daß sie fest stehen im wahren Glauben, daß sie nicht erkranken und hineinfallen in das Gebrechen der Glaubensverleugnung. Es weiß ja deine Weisheit, daß jeder der hervorragt und berühmt ist, ein Anlaß für die Beschauer wird und sie hinter sich herzieht zum Guten oder zum Bösen. Denn viele Menschen halten in Schlichtheit und Lauterkeit am Glauben fest und richten sich nach den Vornehmen in der Welt, die den Weg des Glaubens gehen. Denn was da an Häresien auftaucht, taucht nur durch die Spitzfindigkeit und Bitterkeit ihrer Urheber in der Welt auf. Durch den schönen Anschein und mit Schlauheit ziehen sie viele nach sich. Daher, o Herr steht es jedem, der gebildet und vornehm ist, gut an, daß er an der Wahrheit festhalte, durch Wissen hervorrage und reich sei an Erkenntnis nicht bloß um seiner selbst willen, sondern auch um den anderen ein schönes Beispiel zu geben. Diese deine Weisheit hat sich ausgewirkt in dieser aufgeregten Zeit, da der Geist, der Lüge weht und der den Gott der Gläubigen erschüttert.
Ein Sturm ist erregt bei den Bekennern des Menschensohnes, eine Befleckung des wahren Glaubens zu begehen und zu verwirren die Rechtgläubigen im göttlichen Bekenntnis. Deine Seele hat gezeigt, daß du gläubig bist, kraftvoll stehst du da, aufgegangen ist die Wahrheit deiner Gesinnung wie ein Licht und bekannt ist von dir, auf welcher Seite du stehst. Nicht auf der Seite der Linken, sondern bei der erhabenen Schar der Rechten. Durch dein Beispiel haben viele Vertrauen geschöpft und eingesehen, auf welcher Seite sie stehn müssen. Du wurdest ein großer Arzt für die Seelen vieler und die gläubige Stadt (2) war geschmückt durch die Schönheit deines Glaubens. Du besitzest einen großen Ruhm bei deinen Kollegen. Als Rechtgläubige habt ihr Christus aufgenommen, daß er Gott ist von Gott und Licht vom Licht, der Eingeborene des Vaters, der aufgegangen ist in der Welt wie ein Strahl der Sonne, wie eine Helle des Firmamentes, es sandte ihn nämlich der Vater (Er sei gelobt), daß er die Welt erlöse. Er stieg herab und weilte in der Jungfrau... Es wurde die Jungfrau gleichsam ein Brief von Geheimnissen voll, da verborgen war in ihm das Wort und der Brief versiegelt war durch die Jungfräulichkeit... Und da die Jungfrau Mutter wurde, blieb sie doch nur eine Person die Jungfrau und Mutter war. So ist es auch ein Wunder, daß sie den gebar, der Gott war und ein Mensch. Es gibt keine Reihungen und keine Zählungen in ihm, da er erkannt wird als einer, als Gott und als Mensch. Denn einer war er bevor die Welt ins Dasein treten sollte von der Jungfrau an und weiterhin, wollte der körperlich sein, der vor den Welten vom Vater unkörperlich war, aber von Maria körperlich wurde. Der Gezeugte war auch der Geborene (3), wenn auch der Ausdruck "Jungfrau, Gottesgebärerin" die Zweifler in Aufregung versetzt. Wäre er nicht gezeugt gewesen, hätte er auch nicht geboren werden können...
Isaias sagt: "Ein Kind ist uns geboren und ein Sohn ist uns geschenkt" (9,5). Er ist ein Kind geworden und war schon Sohn bevor die Welt entstand. In anderen Zeitläufen ist er uns körperlich geboren um ein zweiter Adam zu sein. Er hat uns geistig wiedergeboren, damit wir Gottes Kinder seien. Mit berechtigtem Vertrauen sagen wir: Vater unser, der du bist in dem Himmel. Er ist mit uns gewandelt wie wir wandeln in unserer Welt unsertwegen. Er weilte an drei Orten: im Schoß der Jungfrau, in der Furt am Jordan und in der Stadt seines Todes. In diesem dreifachen Bereich einzugehen, war seine Absicht, denn dort lag Adam gefangen, das schöne Ebenbild, das untergegangen und zerstört war. Aber an jenem Ort konnte er nicht eindringen, wenn er selbst nicht starb. Es war ihm aber unmöglich zu sterben, wenn er keinen Körper hatte. Deswegen weilte er zuerst in der Jungfrau und nahm einen Körper von ihr an, so daß es ihm möglich sei in weiser Absicht zu sterben, wobei das Leben seiner Natur so bewahrt bleiben sollte, daß klar und in Wahrheit erkannt würde, daß er auch als Toter lebendig war. Er wurde von der Lanze durchbohrt und es kamen von ihm Wasser und Blut heraus. Wasser als Zeichen des Todes, Blut aber als Zeichen des Lebendigen. Der Jünger, der Sohn des Donners, der das gesehen hat, kam und legte Zeugnis dafür ab (Joh 19,35)....
Wenn er nicht gestorben wäre, wäre er nicht in das Totenreich eingedrungen und wäre er nicht lebendig gewesen, so hätte er den gefesselten Adam nicht lösen können. So sagen die, die gegen uns sind: Der starb war ein sterblicher Mensch und angehängt war ihm etwas anderes, das Gottwort, das unsterblich war. Aber Gott, der Vater hat nur einen Sohn, der sein Eingeborener ist und der ist derselbe, der hingegeben wurde in den Tod des Kreuzes für die Welt. Aber diese (Zweifler) haben schon am Anfang des Weges gefrevelt und sie wollen es nicht für wahr halten, daß Maria Mutter und Jungfrau war. Sie sind ungläubig darin, daß Gott Mensch geworden ist, da er Gott war. Und sie glauben nicht, daß der Unsterbliche starb, weil das Leben seiner Natur in ihm bewahrt wurde. Wir aber glauben, daß Maria, die ihn säugte, Jungfrau war, vor Gott Mensch geworden ist. Gott war aber wahrhaftig, als er am Kreuze starb, er war lebendig und machte lebendig. Wir reihen keinen anderen an ihn an, sodaß bekannt wird in der Zahl das Wesen der Dreifaltigkeit. Denn einer ist der Hl. Vater und einer der Hl. Sohn und einer der Hl. Geist. Ihm sei Ehre zu jeder Zeit. Amen.
Anmerkungen:
(1) Ein Brief des syrischen Exegeten Jakob v. Sarug (gest. 521) (LThk 5.846) an einen Arzt in Edessa. Übersetzt aus der Textausgabe G. Olinders: Epistolae quae supersunt. Paris 1937, S. 252-260. Bischof Rabula von Edessa (gest. 435) hat nach einer authentischen Biographie in seiner Stadt eine Fremdenherberge, ein Mütterheim und ein Sanatorium eingerichtet. Es ist wahrscheinlich, daß der Arzt an diesen Anstalten wirkte. BrockeImann: Syrische Grammatik. 1899, S. 95. (2) Edessa heutige Urfa. Eine kurze Geschichte der Stadt in der heute das Christentum durch islamische Unduldsamkeit völlig unterdrückt ist, bietet Hugo Rahner im LThK 3, 658-659. (3) Gezeugt und geboren werden einander gegenübergestellt.
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