DER HL. BASILIUS DER GROSSE - ZUM FEST AM 14. JUNI von Heinrich Storm
Das 4. und 5. Jahrhundert nach Christi Geburt war für die Kirche eine ebenso bewegte wie auch entscheidende Zeit. Zwar hatte sie in den vergangenen Jahrhunderten dem Ansturm der Heiden, den furchtbaren Verfolgungen durch die römischen Kaiser, die sich göttliche Verehrung anmaßten, siegreich standgehalten, aber während sie nun seit Kaiser Konstantin d. Gr. äußere Freiheit genoß, erstanden ihr von innen her neue, noch gefährlichere Feinde, Irrlehrer, denen es unter dem Schein der Rechtgläubigkeit gelang, viele zu verführen und zum Abfall vom wahren Glauben zu veranlassen. Die Lehre des gefährlichsten dieser Irrlehrer, die des Arius, war zwar schon 325 durch das Konzil von Nicäa verurteilt worden, doch es sollte noch mehr als ein Jahrhundert lang dauern, bis sich die Trennung zwischen den orthodoxen (= rechtgläubigen) Christen und den Häretikern auch äußerlich sichtbar durchvollzogen hatte. In dieser Zeit des Kampfes hat es viel Schatten in der Kirche gegeben, Spaltungen, Abfall und Verwirrung der Geister, doch wird dieser Schatten überstrahlt durch das Licht jener, die den wahren Glauben tiefer zu verstehen und darzustellen versuchten, die ihn in Wort und Schrift verteidigten und nicht selten mit Hab und Gut, Leib und Leben für ihn einstehen mußten.
Unter diesen Helden der jungen Kirche nimmt der hl. Basilius einen besonders ehrenvollen Rang ein. Schon sehr früh hat die Nachwelt ihn daher als den "Großen" bezeichnet, und die Kirche hat ihn unter ihre ökumenischen (= allgemeinen) Lehrer eingereiht. Basilius entstammte einer angesehenen und überzeugt christlichen Familie aus dem kappadozischen Caesarea, die in seiner Zeit geradezu ein Hort der Rechtgläubigkeit war. Es ist nicht übertrieben zu sagen, daß Basilius unter Heiligen aufgewachsen ist: Seine Großmutter war die hl. Makrina d. Ä., eine Schülerin des hl. Bischofs Gregor des Wundertäters, sein Onkel Gregor war Bischof in Kappadozien und sein Vater Basilius ein berühmter Rechtsanwalt und Lehrer der Rhetorik, ward von keinem Geringeren als Gregor von Nazianz als ein "Wegweiser zur Tugend" gerühmt. Von den 3 Brüdern des hl. Basilius wurde einer Eremit, die beiden anderen, Gregor von Nyssa und Petrus von Sebaste, wie er Bischöfe. Von seinen 5 Schwestern verbrachte die älteste, Makrina d. J., ihr Leben in klösterlicher Weltabgeschiedenheit und wird ebenfalls als Heilige verehrt.
Basilius, der im Jahre 329 zur Welt kam, empfing die wohl stärksten Eindrücke seiner Erziehung durch seine heilige Großmutter Makrina. Unter ihrer Obhut und Anleitung machte nicht nur seine körperliche und geistige Entwicklung, sondern auch sein moralisches Streben bald solche Fortschritte, daß wie wiederum Gregor von Nazianz berichtet, "die künftige Schönheit seines Tugendwandels im Umrisse schon jetzt zu erkennen war". Als junger Mann begann Basilius seine Ausbildung zunächst in Caesarea, wo er einleitende Vorlesungen in Rhetorik hörte. Schon hier überragte er bald die meisten seiner Studiengenossen, sowohl was seine natürliche Begabung, als auch was seine Frömmigkeit betraf. Innerhalb eines Kreises Gleichgesinnter begegnete Basilius hier auch zum ersten Mal Gregor von Nazianz, und fortan sollte die Verbindung zwischen den beide zukünftigen großen Bischöfen der morgenländischen Kirche nicht mehr abreißen. Die nächste Station auf Basilius' Weg war die Reichshauptstadt Konstantinopel, doch blieb er dort nicht lange, sondern wandte sich bald nach Athen, um auf der immer noch berühmtesten Universität der antiken Welt seine Studien zu beenden.
Erst während dieser Studienzeit in Athen begann auch die tiefe Freundschaft zwischen Basilius und Gregor, von der uns beide wunderbare Zeugnisse hinterlassen haben: "Wie wir dann im Lauf der Zeit uns gegenseitig den Wunsch und das Verlangen nach asketischem Leben gestanden, da waren wir einander alles, wir waren ein Herz und eine Seele, wir hatten nur das eine im Auge, in uns gegenseitig dies Verlangen zu mehren und zu festigen... Zwei Wege waren uns bekannt: Der eine, bessere, vorzüglichere, der zu unseren Gotteshäusern führte, der andere, weniger wichtige, der Weg zu den heidnischen Lehrern. Das Übrige überließen wir gern denen, die daran Gefallen finden, die Feste, Theater, Versammlungen, Schmausereien... Unser Stolz und unser Reichtum war, Christen zu sein und zu heißen."
Nach 5 Jahren des Studiums in Athen kehrte Basilius zurück in die Heimat, wo inzwischen Vater und Großmutter bereits gestorben waren. Er schlug das ehrenvolle Angebot einer Stelle als Lehrer in Caesarea aus, weil er schlagartig die Nichtigkeit all seiner bisherigen Studien der heidnischen Philosophie und Wissenschaft erkannte hatte. Über diesen Wendepunkt, der seinem Leben endgültig die bestimmende Richtung gab, schrieb er später in einem Brief: "Ich verwandte viele Zeit auf die Eitelkeit, und fast meine ganze Jugend vergeudete ich in eitlem Bemühen, die Wissenschaft der von Gott für töricht erklärten Weisheit zu erlangen. Endlich aber erwachte ich wie aus einem tiefen Schlafe, richtete meinen Blick auf das wunderbare Licht der Wahrheit des Evangeliums, durchschaute, wie wertlos die Weisheit der irdischen Größen, die zu Staub werden, ist, beweinte viel mein beklagenswertes Leben und bat um die Gnade einer Anleitung zur Einführung in die religiösen Wahrheiten."
Nachdem er eine Reise in den Orient und nach Ägypten unternommen hatte, wo er die Lebensweise und die Regeln der dort lebenden Mönche studierte, ließ Basilius sich selbst in einer Einsiedelei nahe seiner Heimatstadt nieder, um ein Leben des Gebetes, der religiösen Betrachtung und des Studiums der Hl. Schrift zu führen. Auf das väterliche Erbteil hatte er bereits vorher zugunsten der Armen verzichtet. Es dauerte nicht lange, bis sich um ihn herum ein Kreis von Männern bildete, die wie er die Welt verlassen wollten und in ihm den geistigen Führer ihrer klösterlichen Gemeinschaft suchten. In dieser Zeit begann Basilius mit der Abfassung der Schriften, die, zusammen mit der nach ihm benannten und noch heute in der Ostkirche gefeierten Liturgie, am meisten zu seinem Ruhm beigetragen haben, nämlich seiner Mönchsregeln. Sie haben seinen Namen im orientalischen Mönchstum unsterblich gemacht und ihm den Ehrentitel eines "Patriarchen der griechischen Mönche" eingetragen. In überaus glücklicher Weise gelang es Basilius in diesen Regeln, das einsame und das gemeinschaftliche Leben miteinander zu verbinden. "Da das einsame und das gemeinsame Leben im allgemeinen sich widerstreiten und keines bloß Licht oder bloß Schatten hat, vielmehr ersteres mehr Ruhe und Frieden verbürgt und inniger mit Gott verbindet, aber den Dünkel nährt und der Tugend keine Proben stellt, letzteres dagegen werktätiger und nützlicher ist, aber nicht frei von Stürmen, so hat Basilius beide Lebensarten miteinander ausgeglichen und verbunden." Mit diesen Worten beschreibt Gregor Sinn und Geist der Basiliusregel. Der hl. Basilius selbst hat oft, auch in späteren Jahren, die Größe und Schönheit des mönchischen Lebens geschildert. So schreibt er an Gregor: "Die Flucht aus der Welt ist aber nicht bloß ein leibliches Abschiednehmen von ihr, vielmehr ein Losreißen der Seele von ihrer Abhängigkeit an den Leib, ist ein Verzicht auf Heimat und Haus, auf Besitz und Lebensunterhalt, auf Eigentum und Freunde, auf Geschäft und Gesellschaft und menschliche Wissenschaft, ist die Bereitschaft, die Weisungen aus der göttlichen Schule mit dem Herzen aufzunehmen. Was gibt es Seligeres, als den Chor der Engel auf Erden nachzuahmen gleich mit Tagesanbruch zum Gebete aufzustehen, mit Hymnen, Gesängen den Schöpfer zu ehren, dann bei hellem Sonnenschein ans Werk zu gehen, überall die Sonne mit dem Gebet zu begleiten und die Arbeit mit Lobgesängen wie mit Salz zu würzen?"
Bei einem so innigen Aufgehen in den mönchischen Idealen ist es Basilius sicher nicht leicht gefallen, sich nach einigen Jahren wieder von seinem Kloster zu trennen, um den Ruf der Kirche von Caesarea Folge zu leisten. Dort war der bisherige Bischof gestorben, und der neue Oberhirte, ein Laie, berief Basilius zu seinem geistlichen Berater und Beistand. Durch seinen Glaubenseifer und seine hervorragenden geistigen Fähigkeiten nahm dieser bald einen bedeutenden Platz in der Gemeinde ein, den der hl. Gregor sehr offen mit den Worten beschrieb: "Trotz seiner niederen hierarchischen Stellung hatte er die Leitung der Kirche in der Hand... Der Bischof regierte die Gläubigen, Basilius aber leitete das Oberhaupt."
So konnte es nicht ausbleiben, daß er nach dem Tod des Bischofs Eusebius selbst zum Bischof von Caesarea und damit zum Metropoliten von über 50 Suffraganbistümern, die halb Kleinasien umfaßten, gewählt wurde. Nicht einmal ein Jahrzehnt lang hatte er dieses Amt inne, aber diese kurze Zeitspanne genügte, um aus dem rastlosen Kämpfer für das Reich Gottes einen der bedeutendsten Bischöfe der Kirche zu machen.
Als ein wahrhaft guter Hirt der ihm anvertrauten Herde setzte er zunächst seine ganze Kraft darein, die wahre Lehre, welche die Väter von Nicäa gegen die Häresie des Arius verteidigt hatten, im christlichen Volk immer mehr zu verbreiten und zu verdeutlichen. Voraussetzung dafür war die eigene, unerschütterliche Rechtgläubigkeit, die sich in Sachen des Glaubens nicht auf den geringsten Kompromiß einließ. In einer Zeit, in der nicht selten selbst fromme Bischöfe auf die raffinierten Vernünfteleien der Häretiker hereinfielen, konnte er nicht ohne Stolz von sich behaupten: "Wenn auch mein sonstiges Verhalten beklagenswert ist, so wage ich doch wenigstens in diesem einen Punkte mich im Herrn zu rühmen, daß ich niemals irrige Ansichten von Gott hatte, oder anders dachte und später von meiner Ansicht abging."
In zahlreichen Predigten und Schriften, die den Namen des Kirchenlehrers, den die Kirche ihm gegeben hat, rechtfertigen, hat Basilius sich gründlich mit Fragen des Glaubens auseinandergesetzt und dabei insbesondere die Glaubenswahrheiten verteidigt, deren Richtigkeit zu seiner Zeit bestritten oder bezweifelt wurde: die Göttlichkeit Christi und des Hl. Geistes, und die Dreipersönlichkeit Gottes in dem einen Wesen. Immer wieder bekannte er, daß es "die Hauptaufgabe unseres Verstandes sei, unseren Gott zu erkennen", und richtete an seine Gegner die Ermahnung, die Wahrheit "nicht mit Arglist, sondern mit Ehrfurcht zu suchen." Bei allem Streit um Einzelfragen der Lehre verlor er nie die Mitte des Glaubens aus dem Blick, von der ihm klar war, daß sie weder gelehrt noch gelernt, sondern nur in Freiheit ergriffen werden kann: "Die Liebe zu Gott kann nicht gelehrt werden. Wir haben ja auch von keinem anderen gelernt, uns des Lichtes zu freuen und das Leben zu schätzen, und niemand hat uns gelehrt, die Eltern oder Ernährer zu lieben. Ebenso oder noch viel weniger läßt sich die Liebe Gottes von außen her lernen...". -
Wo es ihm möglich war, versuchte er die Gläubigen vor den "Wölfen im Schafspelz" zu warnen, jenen, die nicht offen, sondern versteckt und heimtückisch die christliche Lehre bekämpfen: "Laßt euch nicht täuschen durch Lügen, wenn sie eine Orthodoxie vortäuschen... Unsere Väter wurden ja auch verfolgt, aber von Götzendienern. Die aber jetzt als unsere Verfolger auftreten, hassen uns zwar ebensosehr wie jene, schützen aber zur Täuschung des Volkes den Namen Christi vor, damit die Verfolgten nicht einmal den mit dem Bekenntnis verbundenen Trost hätte." Wenn es nötig war, trat der Heilige furchtlos und offen jeder Häresie entgegen, auch dann, wenn sie sich mit staatlicher Macht Geltung zu verschaffen suchte. So begegnete er 372 dem Kaiser Valens, der dem Arianismus anhing, mit solcher Festigkeit, daß dieser schließlich von seinem Versuch, Caesarea dem katholischen Bekenntnis abspenstig zu machen, abstehen mußte.
Bei allen Sorgen, die ihm sein eigener Aufgabenbereich bereitete, blieb Basilius immer in lebendiger Verbindung mit der Gesamtkirche, für deren Gedeih er sich mitverantwortlich fühlte. Mehr als einmal appellierte er an den Papst und die abendländischen Bischöfe, sich der Mißhelligkeiten und Spaltungen im Orient anzunehmen, denn, wie er an den hl. Athanasius, den Patriarchen von Alexandria schrieb, "schon längst weiß ich auch bei meiner beschränkten Einsicht in die Dinge, daß es für unsere Kirchen nur einen Rettungsweg gibt, nämlich das gemeinsame Vorgehen mit den abendländischen Bischöfen."
Der hl. Basilius war aber nicht nur ein unerschütterlicher Fels der Rechtgläubigkeit, sondern auch ein begnadeter Seelsorger; das Seelenheil der Gläubigen setzte er, zusammen mit der Reinheit des Glaubens, allem anderen voran. "Hab acht auf dich selbst," rief er dem Volk von der Kanzel aus zu, "hör nicht auf, dich selbst zu erforschen, ob dein Leben den Geboten entsprechend verläuft. Sieh dich nicht um nach dem, was außer dir liegt, ob du nicht etwa an irgendeinem etwas auszusetzen hättest... Vielmehr prüfe dich selbst unaufhörlich, ob du nicht etwas in Gedanken gesündigt hast, ob nicht die Zunge, den Gedanken vorauseilend, gestrauchelt ist, ob nicht in der Tat von der Hand etwas Unbedachtes geschehen ist." Für die Trauernden fand er Worte des Trostes, die Verfolgten ermunterte er zum Ausharren, die Sünder tadelte er hart, allen aber suchte er ihre ewige mehr als ihre irdische Aufgabe ins Bewußtsein zu rufen, indem er ihnen die Vergänglichkeit dieser und die Herrlichkeit der zukünftigen Welt vor Augen stellte: "Wenn du stirbst, bist du nicht besiegt, sondern hast erst vollständig gesiegt, weil du bis ans Ende die Wahrheit unveränderlich bewahrt und den Freimut für die Wahrheit unerschütterlich erhalten hast." Doch selbst in den irdischen Belangen wurde der hl. Basilius ein Wohltäter seiner Gemeinde und Stadt, seine barmherzige Nächstenliebe stand seinen übrigen Tugenden, die ja alle aus der einen, unteilbaren Liebe zu Gott hervorgingen, in nichts nach.
So nimmt es nicht wunder, daß die Trauer der Christen in Caesarea groß war, als ihr heiligmäßiger Bischof am 1. Januar 379, im 50. Jahr seines Lebens, erschöpft von den mannigfaltigen Anstrengungen seines irdischen Kampfes, starb. Fast unmittelbar nach seinem Tode wurde er bereits als Heiliger verehrt, und bis heute begeht die orientalische Kirche sein Fest an seinem Todestag, dem 1. Januar.
Literatur: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 46 und 47 (München 1925) Die großen Ordensregeln, "Menschen der Kirche, Bd. 6" (Einsiedeln 1961)
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Mahnwort des hl. Basilius im Jahre 376 an die von den Arianern verfolgten Mönche:
"Daher ermahnen wir Euch, den Mut nicht sinken zu lassen in den Trübsalen, sondern Euch zu erneuern in der Liebe zu Gott und den Eifer von Tag zu Tag zu steigern in der Überzeugung, daß in Euch der Rest des Glaubens erhalten werden muß, den der Herr bei seiner Ankunft auf Erden finden wird. Und mögen auch die Bischöfe aus ihren Kirchen vertrieben sein, so soll Euch das nicht erschüttern. Mögen auch Verräter aus der Mitte des Klerus erstanden sein, so soll das Euer Vertrauen auf Gott nicht schwächen. Es sind nicht die Namen, die uns selig machen, sondern der hl. Entschluß und die aufrichtige Liebe zu unserem Schöpfer. Bedenkt, daß auch in den Anschlägen gegen unseren Herrn die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten des Volkes in ihrer Arglist sich zusammenfanden, und nur wenige im Volke gefunden wurden, die seine Lehre aufrichtigen Herzens annahmen, und daß es nicht der große Haufen ist, der selig wird, sondern die Auserwählten Gottes. Deshalb möge Euch nie die Volksmasse schrecken, die wie Meerwasser von den Winden hin und her getrieben wird. Denn wenn auch nur einer gerettet wird, wie Lot zu Sodoma, so muß er bei der rechten Gesinnung bleiben - in der unerschütterlichen Hoffnung auf Jesus Christus; denn der Herr wird seine Heiligen nicht verlassen."
(aus: Bibliothek der Kirchenväter, Bd. 46, München 1925, S. 305)
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