DAS VERKLÄRTE ANTLITZ
von Franz Schmidberger
Laß leuchten über uns, O Herr, Dein Angesicht, Daß Heil uns werde!
Lieber Leser, um einem Mißverständnis vorzubeugen, schreibe ich diese Zeilen, dem Mißverständnis nämlich, wir würden uns im Kampf für die Reinerhaltung der katholischen Religion im allgemeinen und gegen den Novus Ordo Missae im besonderen damit zufriedengeben, wenn nur in der Konsekrationsformel 'alle' durch 'viele' ersetzt, 'mysterium fidei' (bzw. 'Geheinnnis des Glaubens') wieder an die richtige Stelle gerückt und möglicherweise noch einige Teile aus dem alten Kanon und der alten Opferung herangezogen werden. Um es genau zu sagen: Unser Kampf richtet sich gegen jede Art des Novus Ordo, oder, um es positiv auszudrücken: Wir werden nicht ruhen, bis die lateinische Messe Pius' V. vollkommen in ihrem alten Glanz wiedererstrahlt, mit allen Kreuzzeichen, Gebeten, mit den richtigen Daten der Heiligenfeste (also St. Josef am 19. März), mit der alten Gewandung des Priesters (am Karfreitag schwarz, nicht rot) und eben wie schon gesagt, in der lateinischen Kultsprache; dazu will ich jetzt einige Worte sagen, besonders unseren Priestern.
Sehen wir ganz kurz auf die Wurzeln der Reform, besser gesagt des offenen und versteckten Abfalls vom katholischen Glauben hin: Wir vermuten nicht nur vage, sondern wir wissen mittlerweile von der Einflußnahme atheistisch-freimaurerischer und sozialistisch-kommunistischer Kreise auf den gesamten Lebensbereich der Kirche, wir wissen inzwischen um ihre systematische Unterwanderung und Umfunktionierung. Eine dilettantische Unwissenschaftlichkeit, kaschiert mit dem Mäntelchen der "Wissenschaft", feiert fröhliche Urstände, überall; man bedient sich hier jenes dämonischen Mittels, das uns aus anderen Lebensbereichen hinlänglich bekannt ist: Im Namen der Menschlichkeit fordert man die Legalisierung des Mordes Ungeborener, die sogenannte Emanzipation der Frau ist nichts anderes als die moderne Unterjochung und Versklavung des weiblichen Geschlechtes, man redet von Demokratisierung, um die Diktatur eines elitären intellektuellen Klüngels zu etablieren, man ist angeblich auf der Suche nach der Wahrheit, um ihre Realisation hier und jetzt zu verhindern... Landauf, landab hat sich parallel dazu die Seuche eines grenzenlosen, völlig illusionären Ökumenismus wie eine Pest ausgebreitet, dem Götzen Gemeinschaft wird lauthals bei jeder sich auch nur bietenden Gelegenheit gehuldigt. Langsam, aber sicher wird das Kirchenvolk dem alten Glauben entfremdet und zur neuen 'Religion' umerzogen, wobei insbesondere die sogenannten katholischen Akademien als Giftspritzen dienen. Soweit stimmt mir der einsichtige und informierte Leser wohl noch zu. Was folgt aber daraus? Die radikale Ablehnung der Reform, und zwar in jeder ihrer Manifestationen, ob es sich nun um handgreifliche Irrtümer oder auch nur um die kleinen "unwesentlichen" Dinge handelt!! Was nicht aus dem Hl. Geist geboren wurde, hat den Geist der Lüge zum Vater, und wer nicht sammelt, der zerstreut; wie aber soll Gott in Wahrheit und Gerechtigkeit gedient werden, wenn dem Widersacher von Anbeginn immer wieder in - wenn auch nur kleinen Stücken - nachgegeben wird? Mit den Reförmchen hat man angefangen, mit der Preisgabe der hl. Messe hat man aufgehört - vorerst! Ich will erst gar nicht die in diesen Kontext gehörenden, uns allen bekannten Sprichwörter zitieren, sondern mich vielmehr der Form der noch als gültig anzusehenden Messen zuwenden. Es gibt derer auch heute noch viele, doch verhunzt sind sie fast alle: In einer ersten diese Auslassung, in einer zweiten jene Hinzufügung, in einer dritten mehrere Abänderungen; kurzum, es herrscht die Willkür, ein Gefühl des Zuhauseseins und der Geborgenheit kennt man nur noch in den allerseltensten Fällen. Gewiß, in jeder Messe (sofern es sich eben um eine Messe und nicht um eine Novus-Ordo-Veranstaltung mit den gefälschten Wandlungsworten handelt) enthüllt uns Christus sein Angesicht; aber oft leuchtet es nicht verklärt, sondern ist verletzt von den Schlägen mangelnder Gewissenhaftigkeit, gedemütigt, geschunden, entstellt. "Die Liturgie ist heilig, und sich an ihr zu vergreifen, ist ein Frevel", sagt Léon Bloy sinngemäß in einem seiner Werke. Unsere Mindestforderung ist der alte römische Kanon, still lateinisch gesprochen, ebenso die Opferung; für diese beiden Teile trifft der Ausspruch Bloy's in ganz besonderer Weise zu. Warum, so frage ich mich, warum spricht der Zelebrant die Wandlung nur in der Landessprache? Kann man nicht an dieser zentralen Stelle - nicht nur der Eucharistie, sondern unseres Glaubens - kann man nicht wenigstens hier die alte Form beibehalten? Wie Geburt und Tod, so ist auch die Transsubstantiation ein Geheimnis: Die Geburt zwischen Mutter und Kind, der Tod zwischen Schöpfer und Geschöpf, die hl. Wandlung zwischen Christus und seiner Braut, der Kirche. Geheimnisse ins öffentliche Rampenlicht zu zerren und der Öffentlichkeit preiszugeben, ist zwar ein Zeichen unserer Zeit, aber deswegen noch nicht gut und nachahmenswert. Gesteht man dem gläubigen und um die Vergebung seiner Sünden flehenden Christen eigentlich nicht das Wissen um dieses überirdische Geschehen zu? Offen gesagt: Man hat die Laien nicht höhergestellt man hat sie erniedrigt!
Was nun die Worte "mysterium fidei" anbetrifft, so gehören sie gemäß den Aussagen des Florentinums unbedingt zur Konsekrationsformel, ihr Nachsetzen rührt also bereits an die Gültigkeit der Messe. Wir sind uns wohl in diesem Zusammenhang einig in der Verwerfung des Satzes "Was ich nicht sehe, glaube ich nicht - was in der Hl. Schrift nicht steht, hat Christus auch nicht gesagt"! Von nicht geringer Bedeutung sind auch die "überflüssig, gewordenen Kniebeugen direkt nach der Konsekration, also vor der Elevation der konsekrierten Gestalten: Sie zerschlagen genau jeden Zweifel einer protestantisch-calvinistischen Auffassung, derzufolge der Glaube der Umstehenden die Wandlung bewirkt. Kann man hier noch von Kleinigkeiten reden, von unwesentlichen Äußerlichkeiten?
Ein anderer Punkt wäre die Kniebeuge beim "Incarnatus est" im Credo. Wer heute die Leugnung der Inkarnation (explizit oder implizit) in weiten Teilen der ehemals katholischen Kirche nicht erkennt, ist mit Blindheit geschlagen! Das bewußte, nach außen hin deutlich sichtbare, ich möchte sagen inkarnatorische Zeichen, an der betreffenden Stelle des Credos ist die alleinige Antwort auf diesen teuflischen Anschlag; begnügen wir uns also nicht mit einer bloßen Verneigung, auch nicht an Werktagen! Und da wir schon bei den Zeugnissen der Inkarnation sind: Warum wurde eigentlich das Schlußevangelium gestrichen, diese herrliche Zusammenfassung der ganzen liturgischen Handlung, dieser erhabene Preisgesang auf das Herniedersteigen der zweiten göttlichen Person zu uns Sündern?
Übrigens wird niemand die Verfolgung des Wahrheitssuchenden durch frevelhafte, falsche Menschen, gestern und insbesondere heute - ernsthaft leugnen wollen. Was lag also näher für die Reformerclique als den Psalm "Judica", der gerade gegen sie zeugt, ersatzlos zu streichen. Hätten wir denn das Gebet zur Allerseligsten Jungfrau Maria und zum Erzengel Michael wider den Tod und Verderben säenden Satan mit allen seinem Anhang jemals notwendiger gehabt als heute? Sie haben sehr genau gewußt, wo sie ansetzen mußten, diese Wölfe im Schafspelz. Auch kommt die Vertauschung des "Ite, misse est" mit dem Segen nicht von ungefähr, konnte man dadurch doch die Huldigung an die Trinität mit der Bitte um Annahme des Opfers (das ja dann im Novus Ordo bald abgeschafft werden sollte) aus der Welt schaffen.
Erlauben Sie mir die Frage: Kennen Sie Heinrich Böll? Ich meine jenen Herrn, der sich unlängst bemüßigt sah, öffentlich um Verständnis für die kriminelle Baader-Meinhoff-Bande zu werben, und auch sonst für eine nicht gerade kirchenfreundliche Haltung bekannt ist. Seine Qualifikation zur tendenziösen Fassung der Hl. Schrift mit den geziemenden Verfälschungen versteht sich eigentlich ganz von selbst; nicht von selbst versteht es sich aber, daß Priester seine Texte in ihre Liturgie aufgenommen haben oder gar noch durch Laien vortragen lassen - wenn ich richtig informiert bin, ist dies vom 2. Konzil zu Nizäa mit dem Bann bedroht worden! Wir flehen Euch an, Ihr priesterlichen Freunde: Verkündet das alte Evangelium, das Evangelium Jesu Christi, notfalls eben aus dem Schott, denn im neuen Böllschen Lektionar erkennen wir den Greuel der Verwüstung an heiliger Stätte!
Noch ein Wort zum Latein: Wie schon gesagt, ist und bleibt für uns die Norm der Liturgie die lateinische Messe Pius', V. - ob stille Messe oder gesungenes Amt. Laßt uns doch wenigstens für die kurze Feier aus dem Getriebe des Alltags heraustreten, um uns zu sammeln, Gott unser persönliches Gebet und unser persönliches Opfer darzubringen; das laute Aufsagen von Gebetstexten des Volkes stört uns dabei aber gewaltig. Wir, die Unterdrückten, die Armen, Elenden, von der Welt und von den uns kläglich im Stich lassenden Hirten so sehr Gehaßten, wir wollen zu Gott beten nicht mit den Lippen, sondern mit dem Herzen. Und ist ein Opfer nicht vornehmlich durch eine Handlung, weniger durch Worte bestimmt? Sie werden mir zugeben: Auch vor der Reform konnte das einfache Volk bei einigem Bemühen die Messe inhaltlich ohne Schwierigkeiten erfassen, trotz Latein und angeblicher Undurchsichtigkeit. Ich gestehe Ihnen zu: Epistel und Evangelium haben reinen Verkündigungscharakter; ihr Verlesen in der Volkssprache kann daher angebracht sein, ist jedoch nicht absolut notwendig, für alle anderen Teile aber fordern wir aus einsichtigen Gründen die Kultsprache (siehe dazu etwa die Grundsatzerklärung der Gruppe Maria!). Es wäre eine ehrenwerte Aufgabe unseres Klerus, das Volk im Gebrauch des Schott-Meßbuches zu unterweisen!
Kürzungen und Auslassungen bedeuten für uns eine Demütigung Gottes und unserer selbst; fragt man sich doch, warum im "Kyrie" die göttliche Barmherzigkeit nicht mehrmals auf uns herabgerufen werden soll; warum keine dreimalige Bezeugung der Unwürdigkeit vor dem Kommunionempfang, kein Confiteor und keine Absolution mehr? Etwa weil der Laie durch die Reform "aufgewertet" wurde und daher des Sündenbekenntnisses und der Sündenvergebung nicht mehr bedarf?
Bei der priesterlichen Gewandung will ich nur die Manipel herausgreifen. Kein Opfer ohne Selbstaufopferung und -hingabe, das werden Sie mir zugeben. Die Manipel ist das Zeichen der Mühe, der Last, der Sorgen bei der Arbeit im Weinberg des Herrn, hervorgegangen aus dem Tränentüchlein. "Wer die Manipel nicht trägt, gefährdet das Offertorium", sagte mir unlängst einer unserer besten Priester. Wahrhaftig, man hat dieses Zeichen offensichtlich etwas verfrüht im Hinblick auf die Umfunktionierung des Offertoriums zu einer bloßen Oblatio (die man eigentlich eher als humanistisches Erntedankfest bezeichnen möchte) im Novus Ordo, man hat es ein wenig verfrüht eliminiert.
Hochwürdiger Herr Pfarrer, Sie sind längst als Konservativer, als Ewig-Gestriger, als verkalkt, als Narr verschrieen. Das Rückgängigmachen der hier angesprochenen, als Kompromisse anzuseheden Änderungen (ich behaupte nicht, Sie hätten alle hier aufgezählten eingeführt, aber einige habe ich bei Ihnen angetroffen), dieser Fortschritt im wahren und guten Sinn wird Ihnen bestimmt keine neuen Feinde eintragen, und auch Ihr Bischof wird Ihnen vermutlich keine allzugroßen Schwierigkeiten bereiten, da Sie ja Narrenfreiheit genießen. Dem ewigen Hohenpriester Jesus Christus und seiner Braut, der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche aber werden Sie einen großen Dienst erweisen, indem, Sie für Ihn Zeugnis ablegen. Ihr Gotteshaus wird bei der Reorganisation der verunsicherten und zerstreuten Gläubigen ein Hort der Ruhe, des Friedens, des Gebetes, der Versöhnung mit Gott sein. Bedenken Sie: Wenn die wenigen Getreuen den Kult nicht in seiner alten Schönheit feiern und schätzen, wer soll ihn dann überhaupt noch aufrechterhalten, etwa die Reformer? "Man geht ins Paradies nicht morgen und nicht übermorgen noch in zehn Jahren ein, man geht heute ein, wenn man arm und gekreuzigt ist", läßt Léon Bloy seine "femme pauvre" einen Priester belehren. Man könnte in etwas abgewandelter Form dem derzeitigen sich konservativ ausgebenden Klerus sagen: Man ist entweder ein Konservativer (oder besser: ein nach Vernunftrealisation Strebender) mit allen Implikationen und Konsequenzen, oder man erhebt diesen Anspruch eben zu Unrecht! Der Maßstab unseres Handelns muß, philosophisch gesprochen, die Vernunft, in den religiösen Sprachgebrauch übertragen, die Heiligkeit sein und bleiben; für all die Reförmchen und Reformen gibt es aber keinen einzigen vernünftigen Grund!
Als ich vor einigen Wochen - es war am Sonntag Laetare - zusammen mit dreien unserer Freunde das überaus große Glück hatte, nach längerer Zeit wieder einmal an einer stillen hl. Messe mit Psalm "Judica", Schlußevangelium, leoninischen Gebeten, mit allen Kreuzzeichen und Kniebeugen, kurzum, mit allem drum und dran, teilnehmen zu dürfen, da leuchtete es auf über uns, strahlend, beruhigend, das Paradies erschließend: Das verklärte Antlitz des Herrn.
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