WURZEL, STAMM UND KRONE III.
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Adam und Eva, die ersten Menschen, verweigerten Gott die Eucharistie (Danksagung), in der sie sich als ein Ganzopfer des Lobes und Dankes darbieten sollten. Hiermit verloren sie ihr Leben, sich selbst, und konnten also nie wieder, wie auch alle ihre Nachkommen nicht, sich als Brandopfer der Liebe, zur Anerkennung der absoluten Herrschaft Gottes darbieten, da sie sich nicht mehr besaßen, indem sie der Herrschaft des Teufels verfallen waren. Nie wieder hätte der Mensch sein zeitliches und ewiges Glück erreichen können, da er den Preis dafür, die restlose Unterordnung von Leib und Seele, nicht mehr erbringen konnte.
Erst als der Gute Hirt gekommen war und Sein Leben für Seine Schafe hingab, quia in ipso vita erat, (denn in Ihm war das Leben), ermöglichte Er es den Menschen wieder per Ipsum, cum Ipso et in Ipso, durch Ihn, mit Ihm und in Ihm die Eucharistie, die er selbst geworden ist, darzubringen und so ihre Erlösung und ihr ewiges Heil zu erwirken.
Es wird wohl eine lange Zeit gedauert haben, bis sich Adam und Eva nach dem durch den Sündenfall verursachten Schock etwas erholt haben und sich in der völlig veränderten Umwelt einigermaßen orientieren konnten. Dies alles bleibt für uns gänzlich unvorstellbar, solange wir kein geistiges Leben führen. "Die Vereinigung des paradiesischen Menschen mit Gott war aber eine persönliche gewesene nach den hl. Vätern war es der Logos, welcher im Paradiese persönlich mit dem Menschen umging und um ihn jene vollkommene Glückseligkeit verbreitete, welche seine Seele genoß, indem sie durch die Erhebung in den übernatürlichen Zustand zur Aufnahme dieses Genusses disponiert war, ohne daß jedoch dieser übernatürliche Zustand wesentlich an jene paradiesische Vereinigng des Menschen mit Gott und die daraus hervorgehende Seligkeit geknüpft gewesen wäre, so daß er ohne selbe absolut nicht hätte bestehen können So sollte also der erste Mensch sich in intentionaler Weise dem Verluste der paradiesischen Vereinigung mit Gott und somit des glückseligen Lebens in ihm aus Liebe zu Gott hingeben in der Absicht, durch diese freiwillige Selbstentäußerung dem Gefallen Gottes, das diesen Verlust über ihn verhängen würde, zu genügen, und dadurch ein um so höheres und endlich das höchste, glückseligste Leben in der intuitiven Vereinigung mit Gott zu erwerben, eine Absicht, die notwendig in dem Begriff des Opfers liegt, und als Folge notwendig aus in hervorgehen muß. Darin bestand die Opferpflicht, welche Gott dem Menschen im Paradiese aufgelegt hatte, und dieses Opfer, zunächst im Innern desselben wurzelnd, wurde nach seinen beiden Momenten äußerlich symbolisiert durch das geistige und leibliche Sichfernhalten von dem Genusse der Frucht des Baumes der Erkenntnis; als dem Symbol Gottes und der Natur." (1)
Da die ersten Menschen den Opfertod des restlosen Gehorsams aus Liebe nicht dargebracht hatten, kam über sie der wirkliche Tod der Seele, der in der Entfernung von Gott als dem belebenden Prinzip besteht, und auch des Leibes. "Dieser Tod bestand nun nicht mehr bloß in dem Verluste des paradiesisch-glückseligen Lebens, in der Vereinigung mit dem Logos, sondern auch in dem Verluste der Übernatürlichkeit (wie wir uns gezeigt haben - Anm. d. Verf.) als des innern übernatürlich belebenden Prinzips der Seele, weil der Mensch durch die Verweigerung der Anerkennung der Gratuität des erstern von Seiten Gottes, das ist, durch die Verweigerung des Opfers sich auch dasjenige als ihm schuldiges Eigentum zueignen wollte, was ihm die Disposition zur Aufnahme desselben gegeben hatte, nämlich die heiligmachende Gnade." (2)
Nicht aber so ist dies zu verstehen, als ob die ersten Menschen überhaupt kein Opfer dargebracht hätten. Ihr ganzes Leben war ein fortdauerndes Dankopfer, wie der hl. Augustinus schön sagt: "Se ipsos Deo mundissimas hostias offerebant", (3) sie brachten sich selbst Gott dar als ein überaus reines Opfer, bis der Versucher gekommen war und sie dazu verleitete das Ganzopfer zu verweigern.
Wenn wir in diesem Lichte unsere so betont angeforderte "aktive" Teilnahme bei der "Versammlung des Volkes Gottes" beanspruchen, ist es nur ein Zeichen, wie sehr der Widerstandsgeist in uns lebendig ist, da wir gerade dadurch das einzig aktive Opfer, das Ganzopfer der restlosen Übergabe unser selbst durch den Priester an Gott verweigern. "Jetzt verstehe Ich alles!" Ein wirklich armes "Ich" ist jenes "Ich", welches bei der Vergegenwärtigung des Opfers Christi am Kreuze nicht zu Grabe getragen wird! "Wer sein Kreuz nicht auf sich nimmt und mir nicht nachfolgt mahnt der Heiland - ist meiner nicht wert. Wer sein Leben zu gewinnen sucht, wird es verlieren, wer dagegen sein Leben um meines willen verliert, wird es gewinnen." (Mt 10, 38-39). Erst wenn bei der hl. Messe der kreuztragende und am Kreuz sterbende Heiland unserer Seele sichtbar wird, was nur dann möglich ist, wenn wir ganz in Ihm verankert sind, "verstehen" wir das heiligste Opfer und werden auch aktiv an ihm teilnehmen. Das Opfer des eigenen "Ich" beim Offertorium ist eine conditio sine qua non, eine unumgängliche Bedingung.
Auch nach dem Sündenfall wird Adam weitergeopfert haben. Die Hl. Schrift führt ja nicht alle Opfer an, die dargebracht wurden, doch wird dieses Opfer wesentlich von dem paradiesischen verschieden gewesen sein. Es war sicher ein Sündenopfer, welches von der Sehnsucht getragen war, es möchte ein wirksames Sühnopfer sein. Doch bis dorthin sollte eine lange, lange Zeit verfließen.
"Im Paradiesopfer war von Gott die vegetabilische Natur in den Früchten der Bäume des Paradieses zum Opfermaterial bestimmt worden.... Das vegetabilische Leben ist im Gegensatze zum tierischen Blutleben das Symbol der höchsten Reinigkeit, der reinsten Liebe. In der Blume eines jeden vegetabilischen Gewächses liegt etwas unaussprechlich reines und liebevolles; und das Herz wird bei ihrer Betrachtung unwillkürlich zu denselben Gefühlen hingerissen, die sie in so herrlicher Symbolik an sich darstellt. Entwickelt sich dann die Blume zur Frucht ... dann strahlt sie in der lieblichsten und reinsten Schönheit. Diese in den Früchten der Bäume des Paradieses in noch weit höherem Grade als jetzt hervorstrahlende Symbolik mußte auch dem Opfer, zu welchem sie als Substrat ausersehen waren, dieselbe Symbolik aufdrücken, und somit dem Paradiesopfer den Charakter eines reinen und aus reiner Liebe ohne Rückhalt und ohne Falsch hervorgehenden Opfers beilegen. So wie der Mensch äußerlich das reinste, von der in ihm hervortretenden Übernatur in seiner Reinheit noch erhöhte Naturleben Gott zum Opfer brachte: so sollte er auch innerlich, entsprechend dem äußeren Symbol, ein reines, in Liebe aufgehendes Leben seinem Schöpfer zum Opfer weihen. In der Darbringung eines reinen der Liebe entspringenden und in diesen beiden Eigenschaften durch das reine Leben seines vegetativen Materials symbolisierten Opfers bestand die Religionspflicht der ersten Menschen.... Dem Erlöser hat es gefallen, sowohl im Alten, als auch im Neuen Bunde, zu dem bezeichneten Zwecke, analog dem Erstlingsopfer des Menschen im Paradiese, als Opfermaterial ein Produkt der vegetabilischen Natur auszuersehen; sein Erlösungsauftrag vom Vater bestand ja vorzugsweise darin, die sündhafte Opferverweigerung im Paradiese aufzuheben, und das Opfer wieder zu restituieren, warum sollte er nicht zur Extension dieses Opfers dasselbe Material wählen, dessen Darbringung der Mensch verweigert hatte? - Und dieses vegetative Produkt, das er sich ausersah, war Brot und Wein." (4)
Die Form des Religionsaktes besteht "wesentlich in der an der Materie als dem Substrat zu verwirklichenden symbolischen Darstellung der von dem Menschen gesetzten inneren intentionalen Hingabe seiner selbst und der Natur durch sich an den durch göttliche Allmacht bewirkbaren Tod." (5) So spricht auch der hl. Thomas v. A. vom Opfer: "Die Seele bietet sich Gott als Opfer dar als dem Ursprung ihrer Erschaffung und dem Ziel ihrer Seligkeit." (6), also ist das Opfer "eine intentionale Selbsthingabe an den nach göttlichem Gefallen über ihn verhängbaren Tod!" (7)
An dieser Wesentlichkeit hat sich selbst im Neuen Testamente nichts geändert, wenn auch hier gerade der Genuß vom Baume des Lebens angeordnet wird, wie der hl. Paulus berichtet: "Der Herr Jesus nahm in der Nacht, da er verraten wurde, das Brot, dankte, brach es und sprach: 'Das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird. Tut dies zu meinem Andenken.' Ebenso nahm er nach dem Mahle den Kelch und sprach: 'Dieser Kelch ist der neue Bund mit meinem Blute. Sooft ihr ihn trinket, tut dies zu meinem Andenken. Denn sooft ihr dieses Brot eßt und den Kelch trinkt, feiert ihr den Tod des Herrn, bis er wiederkommt. Wer daher unwürdig das Brot ißt oder den Kelch des Herrn trinkt, macht sich schuldig des Leibes und des Blutes des Herrn. So prüfe sich denn der Mensch, und dann esse er von dem Brot und trinke aus dem Kelche. Denn wer unwürdig ißt und trinkt, ohne den Leib des Herrn zu unterscheiden, der ißt und trinkt sich das Gericht." (1 Kor 11, 23-29)
Hieraus ist ersichtlich, wie wichtig die hl. Beichte ist, als auch das Confiteor zu Beginn des hl. Meßopfers, wo die Gläubigen sich mit dem Priester vereinen, der sie vollauf vertreten soll, durch den sie sich durch Christus, mit Christus und in Christus als Ganzopfer des Lobes und Dankes, der Sühne und Bitte darbieten können.
"Zweck des Opfers im allgemeinen kann kein anderer sein, als den Opfernden zu höherem, vollkommenerem und endlich zum höchsten, dem himmlischen Leben empor zu heben: so auch der Zweck des Erlösungsopfers." (8) "Das ewige Leben besteht aber darin, zeigt der Heilarid in seinem hohepriesterlichen Gebete, daß sie dich, den allein wahren Gott erkennen, und den du gesandt hast, Jesus Christus. Ich habe Dich verherrlicht auf Erden, Ich habe das Werk vollbracht, das zu vollbringen Du Mir aufgetragen hast... Ich habe Deinen Namen den Menschen kundgetan... Heiliger Vater, bewahre sie in Deinem Namen, den Du mir gegeben hast, daß sie eins seien, gleichwie Wir... Laß sie alle eins sein. Wie Du, Vater, in Mir bist und Ich in Dir bin, so laß sie in Uns eins sein!" (Joh. 17)
Durch seine Selbstliebe und seinen Ungehorsam hatte der Mensch im Paradiese "der (in dem animalischen Blutleben gegründeten) Sinnlichkeit nachgegeben und sich von dem Satan zum Essen der 'schönen Frucht' verleiten lassen. Dadurch hat seine animalische Natur die Todesschuld auf sich geladen. Um diese Todesschuld zu heben, nahm sie der Erlöser auf sich und sühnte sie in seiner menschlichen Natur durch den blutigen Tod, dem er sich unterzog. So konnte also auch die subjektive Sühne der Todesschuld in dem einzelnen Menschen nur dadurch geschehen, daß derselbe sich ebenfalls dem blutigen Tode des Erlösers anschloß." (9)
Daraus entnehmen wir, daß das wahre Sühnopfer erst in Christus dargebracht werden konnte und unsererseits noch dargebracht wird. All die blutigen Opfer des Alten Bundes, ja der Menschheit überhaupt, konnten das wahre Opfer nur ahnungsweise andeuten, ihr innerer Wert hing von der intentionalen Nähe zum einzig wahren Opfer ab. Erst als der zweite Adam in Christus gekommen war, der allein das Heilige opfern konnte, wie auch schenken, da er Sacerdos in Aeternum ist, Sacra Dans, der das Heilige Spendende, konnte das einzig wahre Opfer wieder dargebracht werden, wie es immer auch noch dargebracht wird. Hieraus ist bereits jetzt die Unüberschiebbarkeit des Priestertums vom Priester als "alter Christus" auf einen noch so hl. Laien ersichtlich, da der Priester infolge seiner Weihe sich Christus vollauf übergeben hat.
Nemo dat, quod non habet. Niemand kann das geben, was er nicht hat - so können auch wir aus uns selbst nichts geben, da wir, wie bereits angegeben, infolge der Erbsünde nichts mehr besitzen. Bei der hl. Taufe wurden wir uns zwar wieder geschenkt, jedoch nur in Christus und für solange wir in Christus bleiben als seine mystischen Glieder, die Ihm auf Schritt und Tritt folgen müssen, wenn wir dorthin gelangen wollen, wo Er zu Hause ist, zum Vater in das Reich des Hl. Geistes. Das Leben haben wir nur in Ihm, in Christus, und solange wir in Christus bleiben. Und wie Er es nur allein als Opfer darbringen konnte, so können wir es nur im Priester, in dem Er beim Opferakt gegenwärtig ist.
Es klingt eigenartig, wenn wir ruhig behaupten, die Menschen seien durch Christus gerettet, nicht aber annehmen wollen, daß wir durch Adam, mit Adam und in Adam verlorengegangen sind. Wenn ein König verschuldeterweise zum Bettler wird, dann sind seine Kinder Bettler, und niemand kann ihnen helfen, ein Reich zurückzugewinnen, das nicht aus dieser Welt ist.
Durch die Sünde wurde der Mensch seiner Erhabenheit beraubt und der Weg zur Vollkommenheit in Gott wurde ihm versperrt. Das Wissen trat an Stelle der Kontemplation als ob der Mensch ohne Kontemplation, ohne das Licht des Hl. Geistes imstande wäre, etwas so zu erkennen, wie es erkannt werden muß, wenn es heilbringende Früchte tragen soll. "Kaiser Julian Apostata erklärte in seinem ohnmächtigen Kampf gegen das junge Christentum den Satan als 'Wohltäter der Menschheit' wegen des 'Gewinnes', den die Erkenntnis des Guten und Bösen der Menschheit gebracht habe. Julian ging unter, die alten Gnostiker starben aus, aber ihre verfluchte Häresie wucherte weiter, bis sie im Neuheidentum eine unrühmliche Wiederbelebung fand." (10)
Der Fortschritt als Begleiterscheinung des Evolutionsgedankens ist die giftigste Frucht der ersten Sünde. Jedoch nicht der Fortschritt soll Gegenstand des menschlichen Bestrebens sein, aber die Wiedererlangung der spezifischen Vollkommenheit, was ohne das Sichmitopfern mit Christus undenkbar ist. Je weniger der Mensch mitopfern wird, je seltener er sein "Ich" zu Grabe tragen wird, umso weniger wird es ihm gelingen seine spezifische Vollkommenheit in Gott zu erlangen, um so mehr wird er nach dem Wissen sich sehnen, um leider zu erleben, wie wahr die Worte des Predigers sind: "Bei viel Weisheit ist viel Ärger, und mehrt man das Wissen, so mehrt man den Schmerz" (Prediger 1,18) bei sich und bei anderen. Nicht weniger bewahrheiten sich die Worte Mephistopheles' aus dem Faust. Mit Ehrfurcht liest der Schüler die Worte, welche Mephistopheles ihm ins Stammbuch geschrieben hat: "Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum." - sein Meister murmelt ihm aber nach: "Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange, dir wird gewiß einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange." (11)
Solch ein fortschrittssüchtiger Mensch, wie der Mensch der Neuzeit es ist, kann kein Verständnis für das Opfer haben, aber auch kein Verständnis für seine spezifische Vollkommenheit, die er nicht kennt, ja nicht einmal kennen will. Er kann auch nichts geben, denn alles ist bei ihm erst im Werden, auch bemerkt er nicht, daß er tatsächlich nichts besitzt, und selbst wenn er etwas geben wollte, er es eben deshalb nicht kann.
Ganz anders ist es beim Herrn: "Ich gebe mein Leben, um es wiederum zu nehmen. Niemand nimmt es von mir: sondern ich gebe es von mir selbst; ich habe die Gewalt, es hinzugeben, und habe die Gewalt, es wieder zu nehmen." (Joh. 10,17 f) Von Jesu Tod berichtet der Evangelist: "Noch einmal rief Jesus mit lauter Stimme, dann gab er seinen Geist auf!" (Mt 27,50) Dazu bemerkt der hl. Thomas v. A.: "Mit kräftiger Stimme wollte er sterben, um zu zeigen, daß er bei voller Macht, nicht aus Notwendigkeit stirbt: so gab er seine Seele her, wann er wollte und nahm sie wieder, als er wollte. Leichter war es für Jesus seine Seele zu geben und sie wieder zu nehmen, als für jemanden anderen das Einschlafen oder Wachwerden." (12)
Ist da nicht unser so gepriesener Fortschritt nur die reinste Ohnmacht? Erst dann, wenn der Mensch seine Ohnmacht aufopfert, gewinnt er mit dem wahren Leben auch die Kraft schon hier an seiner spezifischen Vollkommenheit zu arbeiten. Nichts ist aber dem "mündigen Übermenschen" in seinem Übermut mehr verpönt, als eben der Opfergedanke! Doch wie wir uns noch; später zeigen werden, sollte es nicht bei einer die menschliche Allgemeinheit betreffenden Erlösungsmöglichkeit bleiben, sondern es wurde von Christus eine höchst individuelle Teilnahme eines jeden Menschen am Opfer Christi durch sein eigenes Opfer angestrebt.
Nicht im allgemeinen nimmt der Heiland die Sünde auf sich. "Die Idee der Erlösung beruht auf der Idee der Stellvertretung. Christus sollte dadurch, daß er als Stellvertreter der Menschheit die Sühne ihrer Sünde vollbrachte, diese von jener hinwegnehmen. Dazu gehörte aber notwendig, daß er die Sünden der Welt nicht bloß im Einzelnen erkannte, sondern daß er sie auch auf sich lud, sie zu den seinigen machte, sich derselben im Angesichte seines Vaters statt der Menschheit schuldig erklärte, und sich so, derselben schuldig, in den Sühntod für sie hingab, durch welchen die Tilgung dieser Schuld vollbracht wurde." (13) Dies geschah in jenen furchtbaren Stunden am Ölberg. Der Fortschrittsmensch wird allerdings dafür kein Verständnis finden, denn für ihn gibt es keine Sünden, nur technische Unvollkommenheiten, die unumgänglich mit der Entwicklung, dem Werden, verbunden sind, wie ja auch die erste Sünde nach ihm keine Sünde war, sondern ein heldisches Wagnis auf dem Wege zum Fortschritt. Da ist doch der Gedanke eines Sühnopfers völlig unannehmbar, erst recht die Anteilnahme vom Menschen, der ja die Verklärung ins Göttliche anstrebt. Im Gegensatz dazu bestand der Opfertod der Seele Christi "in einer ihrem Wesen nach erniedrigenden (etapeínosen heautón, Philipp. 2, 8) Entfernung von der himmlischen Verklärung in Gott ... Wie aber nahm er diese auf sich? Offenbar dadurch, daß er die menschliche Natur überhaupt und zwar nicht im Zustande ihrer Verklärung in Gott, sondern in jenem Zustande annahm, in welchem, sie noch fern von Gott ist und sich erst auf dem Wege zu ihm (in statu viatoris) und zur Verklärung in ihm befindet. Demzufolge begann also der Opfertod der Seele in Christus in dem Augenblicke, als die Menschwerdung sich vollbrachte, war aber begreiflicherweise hiermit nicht schon zu Ende gebracht, sondern bloß in Akt gesetzt. Seine Dauer erstreckte sich durch die ganze Zeit seines Lebens hindurch, und konnte erst dann zu Ende sein, wenn er aus dem status viatoris heraus in den status gloriae eintrat. Die erniedrigende Entfernung von Gott und von der Verklärung in ihm, war jenes Moment, welches dem Leben Christi den Opfercharakter im eigentlichsten Sinne des Wortes aufdrückte, und da alle seine Taten auf Erden nur die Äußerungen dieses seines Opferlebens waren, so treten auch sie als wesentliche Ingredienzen in die große Opferhandlung des Erlösers auf Erden ein und werden erlösend. Das ist das Wesen des Opfertodes der Seele, wie ihn Christus für die Menschheit auf sich nehmen mußte. Begreiflicherweise kann aber dieser Seelentod in Christus nur in so ferne Tod genannt werden, als sein irdisches Leben in Beziehung zum himmlischen Leben aufgefaßt wird, an sich war die Seele Christi auch in status viatoris, eben deshalb weil sie schuldlos war, im Besitze des vollen höheren Lebens in Gott, so weit es überhaupt in diesem status möglich war, und zu diesem Leben auch die Menschheit emprozuheben, war der nächste Zweck, den er verfolgte ...
Aber diese freiwillig übernommene erniedrigende Entfernung von Gott schritt die Zeit seines Erlösungslebens hindurch sukzessiv vorwärts, in der Art , daß sowohl seine Erniedrigung in den Verfolgungen, die er als Volksaufwiegler und Verräter der Synagoge zu erduldet hatte, fortwährend zunahm, als auch die in diesem Leiden so sehr benötigte tröstende und aufrechterhaltende Nähe der Gottheit seiner Menschheit immer mehr entzogen wurde. Den höchsten Grad jedoch erreichte beides in dem Augenblicke, als er am Kreuze hängend, zum Gespötte des Pöbels, zum Auswurf der Menschheit, zum Gelächter seiner Feinde (Ps. 21, 7-8) wurde, und als die fast gänzliche Entfernung des tröstenden und stärkenden Beistandes der Gottheit (Nach den Theologen ging diese Entfernung soweit, daß sogar die visio intuitiva in der Seele Christi in diesem Augenblicke suspendiert ward.) ihm den Ruf auspreßte: Eli, Eli, lama sabactani (Mt. 27,46). Hier hatte seine Entfernung von Gott den höchsten Grad der Erniedrigung erreicht, und war der Opfertod seiner Seele, wie er in dem dogmatisch-messianischen Psalm 21 so rührend sich ausspricht, an jener Grenze der Intensität angelangt, die er nach göttlichem Willen nicht mehr überschreiten sollte. Das Hinabsteigen in den Scheol war schon die Vorbereitung zur Auferstehung." (14)
Dieser Opfertod der Seele Jesu ist ganz besonders in unserer Zeit des Neuarianismus und Neupelagianismus zu betonen, in einer Zeit die auf eigene Faust ihr zeitliches - denn an ein individuelles Überleben glaubt sie lange nicht mehr - Glück zu erreichen sucht. Das Verfallen in die Animalität zeigt sich besonders darin, daß scheinbar altruistisch auf das "Ich" Verzicht geleistet wird zugunsten des menschlichen Geschlechtes als solchen, wie auch das Tier zuletzt nicht seinetwegen lebt, sondern mit Rücksicht auf den Stamm. Ein solcher "Opfertod", wie ihn etwa Teilhard in seinem "Wie ich glaube" angibt, ist bereits Satanismus. Er schreibt: "Was mich persönlich anbelangt, so spüre ich wenig Interesse für ein individuelles Überleben. Wird die Frucht meines Lebens in die Unsterblichkeit aufgenommen, so kann es mir gleichgültig sein, ob ich daran egoistisch teilhabe oder nicht. Ganz aufrichtig: meine persönliche Seligkeit interessiert mich nicht; ich bin glücklich zu wissen, daß das Beste von mir für immer in einem Schöneren und Größeren weiterleben wird ..." (15) Es erübrigt sich, darauf näher einzugehen. (Fortsetzung folgt.)
Anmerkungen: (1) Albert Stöckl, Liturgie und dogmatische Bedeutung der alttestamentlichen Opfer ..., Manz, Regensburg 1848, S. 160. (2) op. cit. 161. (3) S. Augustinus, De Civitate Dei, lib. 104. (4) Stöckl, op. cit. 149-151. (5) Stöckl, op. cit. 116. (6) S. Thomas A. Summa, II. II. 85, 1. u. 2. (7) Stöckl, op. cit. 159. (8) Stöckl, op. cit. 126. (9) Stöckl, op. cit. 182. (10) Egon v. Petersdorff, Daemonologie, Verlag für Kultur und Geschichte, München 1956, Bd. I, S. 146. (11) Goethe, Faust, I, 2048. (12) S. Thom. A. Sup. Matth. 2390. (13) Stöckl, op. cit. 194. (14) Stöckl, op. cit. S. 194. (15) Ignace Lepp, Die neue Erde, Teilhard und der Christ in der Welt, Walter, Olten und Freiburg i. Br., S. 210.
|