BRIEF EINES PATER AN PROF. DR. REINHARD LAUTH
5.3.1972
Sehr geehrter Herr Professor!
Grüß Gott! Schon geraume Zeit trage ich mich mit dem Gedanken, mich einmal an Sie zu wenden in der Frage, die Sie in der Februarnummer der EINSICHT in mir wachgerufen haben. Sie sagten dort: "Wer die Kirche liebt und katholisch geblieben ist, der kann und wird auf keinen Fall in der gegenwärtigen Kirchenorganisation verbleiben." Das ist mein Kernanliegen.
Gewiß steht es mir "nicht so klar vor Augen, wie es normalerweise müßte" und "finde ich mich ohne die Ruhe und Geborgenheit in einer Organisation wie verloren." Das will ich gern auch von mir zugestehen, warum auch nicht?
Ich bin überzeugt, Sie haben sich sehr wohl überlegt, was Sie da verlangen, und gewiß auch daran gedacht, wie sich Einzelfälle lösen lassen, bei denen dieser Schritt erwogen und ausgeführt werden soll. Zur Lage meines Casus: Ich bin Ordensmann, und im gymnasialen Unterricht tätig. Seit ich im Lauf des vergangenen Jahres aufgrund verschiedener Artikel im DZM (EINSICHT kenne ich erst seit Jan. 72, habe aber alle bisher erschienen Hefte) meinen Oberen erklären mußte, daß ich die neue Liturgie nicht mehr vollziehen könne, weil unvereinbar mit früheren lehramtlichen Äußerungen, wurde ich von jeder seelsorglichen Betätigung entbunden und zelebriere privat die tridentinische Messe, natürlich lateinisch. (Ich möchte bemerken, daß dieses Beiseitestellen nicht als tyrannische Maßnahme aufzufassen ist, sondern um mich nicht in Gewissenskonflikte zu stürzen.) Leider war ich auch einst ein Befürworter der Neuen 'Messe', habe auch den Bluff des "für alle" als richtige Übersetzung aus der Ursprache geglaubt. Den Opfercharakter der Messe aber habe ich nicht verdünnisiert und ihn durch den Mahlgedanken ersetzen lassen. Durch die Kontroversen in der Kommunität bezüglich dieses letzten Punktes hat sich eher mein Standpunkt gefestigt. Seit dem Artikel von P. Hermes im "Fels" über die Kontroverse "für viele" - "für alle" habe ich auch nie mehr "für alle" verwendet, sondern nur noch die einzig vernünftige Übersetzung. Und so ist allmählich die Rückkehr zum Alten vollzogen worden. -
Mein Fall ist einer von vielen Priestern: Sie ahnen nicht im geringsten, was gespielt wird. Meinen Mitbrüdern geht es genauso: Sie ahnen nichts. Und wenn ich - seit meiner Stillegung nur höchst selten - eine Bemerkung anzubringen versuche, dann achtet man nicht darauf. Die Dogmensammlung "Denzinger" ist das verachtetste Buch, das es derzeit in der Reform'kirche' gibt. Es ist zu klar: Man sieht nicht und man will auch gar nicht sehen, wenn man darauf verwiesen wird.
Als Ordensmann bin ich den Gehorsam gewöhnt und mehr als bei meinen Mitstudenten ist mein Blick nach Rom gegangen. Dort lag für mich die unumstößliche Autorität. Oft zur Erheiterung von Kollegen. Sie werden also wohl verstehen, wie schwer für mich der Gedanke zu vollziehen war, der sich anhand der Tatsachen nicht mehr abweisen ließ: Das (sog. - Anm. d. Red.) Konzil sagt seltsame Dinge, die früher unerhört gewesen wären und z. T. verurteilt sind durch päpstliche Äußerungen. Der (angebliche Anm. d. Red.) Papst bestätigt das; sagt und tut Dinge, die sich widersprechen; reformiert die Messe und läßt so stark den Mahlcharakter hervortreten, daß er seit Pius XII. "vom rechten Weg abirrt" usw. usw.; der Gedanke also: Du darfst nicht gehorchen, du mußt anders tun!
Aber das ginge noch, wenn nicht in verschiedenen Privatoffenbarungen*) Paul VI. so in Schutz genommen würde. (Auffallend ist nur, daß in den gleichen Offenbarungen der Verfall der Lehre beklagt wird, die Wiederherstellung des Latein gefordert wird, und das unverkürzte Verkünden der Lehre. Und der (angebliche - Anm. d. Red.) Papst wird reingewaschen. Unvereinbar und seltsam: Wenn Paul VI. so schuldlos ist, muß man auf ihn hören in allem; wenn man auf ihn in allem hört, vergeht man sich - soweit man sieht - gegen die tradierte Lehre und Praxis.)
Treue zur überlieferten Lehre und Treue zu Paul VI., d. h. bedingungsloses Stehen zu ihm: Ich weiß nicht, wie sich das vereinbaren läßt. Es bleibt mir nichts anderes, als zum Herrn zu sagen: Was da an Sympathiekundgebungen für Paul VI. gesagt wird, mag wohl von einem Engel kommen, aber von einem verfluchten, denn Paul VI. hat unerhört Neues gebracht, er hat uns verwirrt und Ärgernis gegeben und trotzdem wird er gelobt. Lobt Dein Geist solche Hirten? - Aber genug davon.
Ich wollte ja eigentlich nur wissen, wie Sie sich, sehr geehrter Herr Professor, dieses Verlassen der gegenwärtigen Kirchenorganisation denken. Ist es ein inneres oder auch ein äußeres Verlassen? Für einen Laien mag das verhältnismäßig einfach sein, aber ein Priester und Ordenspriester ist ganz anders in die Kirche gestellt. Er tritt ja nicht wie ein Protestant von einer Organisation heraus in eine andere ein, sondern von einer heraus ins Nichts. - Es übersteigt vorläufig noch meinen Horizont. Wie haben Sie selbst es gemacht, wie Ihre Freunde der Una Voce-Gruppe Maria?
Es ist schwer, allein zu gehen, überhaupt für einen, der von Natur aus nach Geleitet-Werden verlangt. Ich kenne zwar verschiedene Geistliche, die mit den Neuerungen nicht einverstanden sind und mehr oder weniger alte Praktiken ins Neue mengen, die Handkommunion verweigern und Kommunionbänke belassen oder wieder aufstellen. Aber einer dieser Kämpfer hat vor Monaten noch gesagt: "Wie kann man bloß sagen, der Papst zelebriert eine ungültige Messe, weil er die neue nimmt?"
Mit solchen Mitbrüdern aber, deren Konsequenz in der Ablehnung der neuen 'Messe' etc. nur gewisse extravagante Geistliche; saumselige Bischöfe und freimaurerische Kardinäle betrifft und den (angeblichen - Anm. d. Red.) Papst in einer Gefangenschaft leben läßt, die keiner erklären kann, deren Konsequenz also vor Paul VI., obwohl doch jeder andersgläubige Mensch ihn ohne weiteres für den Hauptverantwortliche halten würde, wie ohne Überlegung haltmacht, mit solchen kann ich auch nicht reden und klären. Den (angebl. - Anm. d. Red.) Papst zu bemängeln, ist ihnen einfach zu unerhört. - So gehe ich ohne lebendige Hilfe dahin, schleppe mit mir unlösbare Dinge (eigentlich besser: Ängste vor Konsequenzen) herum und warte auf die nächste EINSICHT, daß sie wieder mehr Helle mache.
Sehr geehrter Herr Professor Lauth! Ich habe Ihnen nun Verschiedenes anvertraut und auch vorgejammert. Seien Sie mir nun auch nicht böse, wenn ich Ihre Zeit auch noch insofern in Anspruch nehme, als ich Sie darum bitte, mir auf meine Anfrage zu antworten, was in meinem Fall zu tun wäre.
Gott segne Sie und Ihre Unternehmungen!
Den Schutz Mariens wünschen, verbleibe ich Ihr N. N.
ANTWORT VON PROF. LAUTH
Hochwürdiger Herr Pater,
Endlich komme ich dazu, Ihnen auf Ihren (erschütternden) Brief ausführlich zu antworten. Ich bitte Sie, bei allem Weiteren sich immer zweierlei klar vor Augen zu halten:
1) Die Wahrheit Jesu Christi ist eine einzige, in sich geschlossene. Es muß sich aus diesem Einen Gedanken verstehen lassen, was richtig ist und was falsch. 2) Alle kirchlichen Festsetzungen machen nicht die Wahrheit, sondern drücken sie nur aus.
Die Wahrheit ist, daß Jesus Christus sein Blut zur Erlösung derer vergossen hat, die aus gutem Herzen und mit freiem Willen in Demut dieses Erlösungsgeschenk annehmen. Wäre das Blut Christi für alle vergossen, so erfolgte die Erlösung mechanisch, d. i. ohne die notwendige Bedingung von unserer Seite: die freiwillige Annahme. Dann aber gibt es kein für uns relevantes Gut und Böse. Jesu Blut ist also das Blut des Bundes mit denjenigen, die willig sein Erlösungsgeschenk unter den Bedingungen, die Christus gestellt hat, annehmen (nicht mit allen). In seiner übergroßen Güte hat der Herr gewollt, daß er bis ans Ende der Tage uns auch leiblich (wenn auch verborgen) gegenwärtig ist und mit uns eine auch leibliche Vereinigung (in der hl. Kommunion) eingeht. Da dies ein freies Gnadengeschenk ist, steht es bei Christus, unter welchen Bedingungen er es gewährt, nicht bei denen denen es zugute kommt. Jesus hat aber gesagt: Tut dies zu meiner Erinnerung.
Folgerichtig hat das Konzil von Florenz (dem eine ganz besondere Dignität zukommt, da auch die sonst im Schisma stehende katholische Kirche diese Entscheidungen mitgetroffen hat) bestimmt (Denz. Sch. 1321): "Die Form dieses Sakramentes sind die Worte des Erlösers, mit denen er das Sakrament vollzogen hat." Und nur ipsorum verborum virtute (kraft derselben Worte) wird die Substanz verwandelt. Die zu gebrauchende Form wurde ebenfalls festgelegt, vgl. Sie Denz. Sch.1352.
Hierzu müssen Sie die Bestimmung des Tridentinums nehmen, in welchem Sinne die Wandlungsworte zu nehmen sind. Vergl. Sie bitte Denz. Sch.1637: "... da diese Worte... die ihnen zukommende Bedeutung, in der sie von den Vätern verstanden worden sind, unverhüllt an der Stirn tragen, ... ist es ein Verbrechen ..., sie gegen den allgemeinen Sinn der Kirche zu verdrehen" Die Veränderungen sind als ab impiis hominibus excogitata commenta velut satanica (als von gottlosen Menschen ausgedachte Erfindungen wie Satanswerk) zu verabscheuen.
Diese kirchlichen Bestimmungen definieren genau das durch unseren Herrn Gewollte. Da es so ist, können Sie unmöglich sich der falschen Wandlungsworte bedienen.
Der Gebrauch der falschen Wandlungsworte bzw. dies, daß die Promulgatoren der neuen 'Messe' sie gestatten, ist auch ein klarer Beweis dafür (was sich auch aus anderen Momenten noch einwandfrei erhärten ließe), daß der neue Ordo in häretischer Absicht geschaffen und promulgiert worden ist. Die Häresie liegt hier darin, daß man mit denjenigen, die eine falsche, mit Christi Idee unvereinbare Vorstellung vom Christentum an die Stelle der wahren gesetzt hat, eins sein will. Es gibt aber keine größere Sünde, als Wahrheit und Lüge auf eine Stufe zu stellen und beide miteinander versöhnen zu wollen. Dies ist im wortwörtlichen Sinne diabolisch (durcheinanderwerfen, verwirrend).
Paul VI. ist also gewiß nicht mehr Papst, wenn er es je war. Mit ihm sind alle Bischöfe (ohne Ausnahme) abgefallen, die den Neuen Ordo eingeführt haben. Man kann sie nicht damit entschuldigen, sie seien theologische Ignoranten. Das mag ihre subjektive Schuld mildern, ändert aber nichts am objektiven Tatbestand. Wer das Bischofsamt übernimmt, übernimmt auch die entsprechende Verantwortung. Er darf ohne klare Einsicht ein so zentrales Mysterium wie die hl. Wandlung nicht zum Gegenstand von Änderungen machen. Auch kann er sich nicht auf die päpstliche Autorität berufen, denn er ist als Bischof direkt und unmittelbar selbst verantwortlich.
Sie können nicht mehr unter der Jurisdiktion von Vorgesetzten stehen, die nicht mehr Vorgesetzte, sondern satanische Gegner Jesu Christi sind. Beachten Sie bitte, daß auch hier nicht die juridische Absetzung den Apostaten, sondern die Apostasie die juridische Absetzung bewirkt. Alle genannten Bischöfe trifft das doppelte Anathema des hl. Paulus gegen diejenigen, die das hl. Evangelium ändern.
Kein 'Gehorsam' kann Sie von Ihrer Gewissenspflicht entbinden, Gott mehr zu gehorchen als den Menschen. Jeder Gehorsam beruht auf einer freiwilligen Annahme einer Autorität; andernfalls liegt kein Gehorsam vor, sondern nur ein Effekt von Zwang und Nötigung, der wegfällt, wenn die Ursache wegfällt. Die freiwillige Annahme bezog sich auf eine christliche Autorität, nicht auf eine antichristliche, satanische. (Ähnlich im politischen Felde: man gehorcht einer rechtlichen Obrigkeit, nicht Menschen, deren nachweisbares Ziel die Verhinderung und Beseitigung des Rechts ist.)
Wir stehen zur Zeit in einer Übergangsphase. Die wahre Kirche hat sich juridisch noch nicht deutlich sichtbar von der apostatisch gewordenen Organisation gelöst. In dieser Lage können Sie innerhalb der bestehenden Organisation verbleiben, wenn Sie nur Ihren Mitbrüdern und vor allem Ihren Vorgesetzten eindeutig erklärt haben, daß Sie alle in dieser Organisation tätigen Apostaten nicht als Glieder dieser Organisation anerkennen und von innen keinerlei antichristliche Anordnungen annehmen. (Die dem Glauben zuträglichen Anordnungen können Sie als von der wahren Organisation als solcher gegeben ansehen.) Sie können aber auch jede Verbindung mit den Apostaten aufgeben und allein auf Ihrem Posten ausharren. Darunter verstehe ich das folgende: Es ist klar, daß Sie in diesem Falle Mitglied der Organisation der wahren Kirche bleiben und alle der Kirche gegenüber eingegangenen Pflichten zu erfüllen haben (soweit dies möglich ist). Sie warten sodann darauf, daß sich innerhalb der kirchlichen Organisation als solcher die de iure zuständige Behörde als solche zu erkennen gibt, um dann deren Anordnungen zu gehorchen.
Das bedeutet in praxi folgendes: Entweder läßt man Sie in Ihrem Kloster gewähren, so brauchen Sie weitere Schritte nicht zu unternehmen. Zur weiteren Ausübung der Seelsorge sind Sie berechtigt und verpflichtet, weil Apostaten Ihnen die seelsorgliche Betätigung nicht untersagen und Sie auch nicht davon entbinden können, die Gläubigen aber dringend die gültige hl. Messe und die Sakramente benötigen. Was ich hier sage, gilt insbesondere von der Beicht. Die apostatische Scheinbehörde konnte Ihnen die Absolutionsvollmacht nicht entziehen. (Incasu extremo wäre sie Ihnen sowieso verblieben.) Sie besitzen also diese Vollmacht solange, bis eine zuständige Behörde anders entscheidet. (So handeln auch die mit uns verbundenen Priester in Frankreich, der Tschechoslowakei und der Schweiz etc.)
Duldet man Sie nicht mehr im Kloster, so weichen Sie der Gewalt. In diesem Falle rate ich Ihnen, sich einen Beruf zu suchen, durch den Sie subsistieren können, und in Ihrer Wohnung einen Altar einzurichten, an dem Sie täglich die hl. Messe lesen können. (So machen es wiederum unsere Priester, soweit sie bis zu diesem Grade eingeschränkt wurden.) Es wäre sehr zu wünschen, daß Sie rechtgläubigen katholischen Christen dann die Teilnahme am hl. Opfer in Ihrer Wohnung ermöglichten. Diesen Status halten Sie solange aufrecht, bis sich eine rechtmäßige kirchliche Behörde manifestiert und für Sie bindend wird.
Wenn Sie es wünschen, setze ich Sie mit Priestern, die so gehandelt haben und so handeln, in Verbindung. Wir haben, Gott sei es gedankt, heiligmäßige Priester unter uns.
Dies sind die wesentlichen Dinge, die ich Ihnen nach bestem Wissen und Gewissen sagen kann. Ich bin nur Laie; Sie könnten sich durch Konsultation eines rechtgläubigen Priesters noch mehr festigen. Hoffentlich können meine armseligen Worte Ihnen in etwas nützen. Ich wünsche Ihnen in diesen Tagen, wo uns das Leiden und der unschuldige Tod des Herrn eindringlich vor Augen steht, Gottes Segen und Gnade für Ihre Überlegungen und Entscheidungen.
In herzlicher katholischer Verbundenheit
Ihr Reinhard Lauth
Anmerkungen: *) Behauptet ein derartiger Offenbarungsempfänger, von Gott oder der Muttergottes selbst direkt und im besonderen die Offenbarung bekommen zu haben, er müsse Treue und Gehorsam gegenüber Paul VI. als dem rechtmäßigen Stellvertreter Christi leisten und anderen predigen, so muß er u. a. den von Paul VI. gebilligten und gebrauchten, häretischen Novus Ordo annehmen. Dies würde bedeuten, Gott oder die Muttergottes fordert zur Häresie auf - was natürlich absolut widersprüchlich ist. Derartige Offenbarungen zeigen also eindeutig, daß sie nicht von oben, sondern vom Vater der Lüge stammen. Jedoch kann man soweit ich sehe, nicht ausschließen, daß ein tatsächlich gottbegnadeter Seher, der anderweitige Offenbarungen (z. B. über ein kommendes Strafgericht oder über die Notwendigkeit von Gebet und Opfer) erhält, über Paul VI. nicht oder falsch unterrichtet ist oder über seine Rechtmäßigkelt noch nicht nachgedacht hat und irrt. - Anm. d. Red.
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