DER HL. PAPST PIUS V.
Zum Fest am 5. Mai
von Heinrich Storm
Es gibt in der Geschichte der Kirche nicht viele Päpste, die, sowohl was die Bedeutung ihres Pontifikates als auch was die Heiligkeit ihres Lebens betrifft, dem hl. Pius V., dessen Todestag sich am 1. Mai dieses Jahres zum 400. Mal jährt, an die Seite gestellt werden können. Indem er die Ordnung der hl. Messe endgültig festlegte, hat er das Antlitz der wahren Kirche für alle Zeiten entscheidend mitgeprägt. In einer Zeit, in der das Erbe gerade dieses großen Papstes von einer sich "katholisch" nennenden "Reform" verraten wird, muß sein Andenken jedem rechtgläubigen katholischen Christen besonders teuer sein.
Pius V. stammte aus sehr einfachen Verhältnissen. Er kam am 17. Januar 1504 in Bosco, einem kleinen lombardischen Crt, als Sohn des Paolo Ghislieri und der Domenica Augeria zur Welt und erhielt nach dem Fest dieses Tages den Namen Antonio. Die Eltern waren so arm, daß sie den Knaben, dessen Ideal schon von früher Jugend an war, sich ganz Gott zu weihen, nicht studieren lassen konnten; stattdessen mußte er daheim die Schafe des Vaters hüten. So war er glücklich, als ihm die Gelegenheit gegeben wurde, bei den Dominikanern in die Schule zu gehen. Schon mit 14 Jahren trat Antonio Ghislieri als Fra Michele in den Predigerorden ein und legte 1521 seine Profeß ab. Nach 6 Jahren der wissenschaftlichen Ausbildung wurde Fra Michele di Alessandria, wie man ihn nach der seinem Heimatort nächstgelegenen Stadt nannte, 1528 zum Priester geweiht.
Die Ordensoberen wurden bald auf die glänzende Begabung und die vorbildliche Frömmigkeit dieses Mönches aufmerksam. Pater Ghislieri wurde zunächst für viele Jahre Lektor der Theologie und Philosophie, dann vertraute man ihm das Amt eines Inquisitors für Pavia, später für die Diözese Como an. In der Durchführung der schwierigen Aufgaben dieses Amtes machte er sich bald einen Namen ob seiner Unbeugsamkeit und Unerschrockenheit jeder Art von Häresie gegenüber und erregte dadurch die Aufmerksamkeit des Kardinals Caraffa, der dem Hl. Offizium angehörte. Dieser ernannte ihn 1551 zum Generalkommissar der Inquisition und verlieh ihm, nachdem er selbst 1555 als Paul IV. den Thron Petri bestiegen hatte, 1557 das Kardinalat und im Jahr darauf den Titel und die Befugnisse eines "Großinquisitors der römischen Kirche". Niemand hatte sich gegen diese Erhöhungen mehr gewehrt als Michele Ghislieri, nunmehr Kardinal Alessandrino, selbst, aber Paul IV. schätzte den Glaubenseifer und die Fähigkeiten des demütigen Mönches, der nichts mehr wünschte als in sein Kloster zurückkehren zu dürfen, so hoch ein, daß er ihm auf sein Begehren erwiderte: "Ich werde Ihnen eine so starke Kette an Ihre Füße heften, daß Sie nicht einmal nach meinem Tode mehr ans Kloster denken können."
Er sollte recht behalten, denn auch unter seinem Nachfolger im Papstamt, Pius IV., erwies sich die Arbeit des Kardinals Alessandrino als so unentbehrlich, daß er in all seinen Ämtern bestätigt wurde. Allerdings sank sein Einfluß beim Papst sehr stark, nachdem er diesem, der in seiner Politik weltlicheren Grundsätzen folgte als sein strenger Vorgänger, im Konsistorium mehrfach scharf entgegengetreten war. Als Pius IV. 1565 starb, erwartete daher niemand, daß Carlo Borromeo, der als Nepot des verstorbenen Papstes den größten Einfluß im Konklave besaß, ausgerechnet den Großinquisitor Ghislieri zur Wahl vorschlagen würde. Der hl. Erzbischof von Mailand aber ließ sich nicht von solchen kleinlichen Bedenken bestimmen, weil er erkannte hatte, daß Michele Ghislieri der Mann war, wie ihn die Kirche in der Zeit nach dem Konzil von Trient an ihrer Spitze brauchte. So wurde dieser am 7.1.1566 zum Papst gewählt und nahm, als 5. in der Reibe der Päpste, den Namen Pius an. Der Ruf der Strenge, der ihm vorauseilte, gab nach dem Bekanntwerden seiner Wahl Anlaß zu nicht wenigen Befürchtungen im römischen Volk. Als der neugewählte Papst Kunde davon erhielt, soll er gesagt haben: "Wir wollen so handeln, daß sie betrübter über meinen Tod als über meinen Regierungsantritt sind."
Schon bald erwies sich, daß Pius V. fest entschlossen war, das, was das von seinem Vorgänger glücklich zu Ende geführte Konzil zur Restauration der Kirche beschlossen hatte, in allen ihren Bereichen durchzusetzen und so den Buchstaben von Trient mit Leben zu erfüllen. Das bekam zunächst die engere Umgebung des Papstes zu spüren: Der päpstliche Hof wurde drastisch verkleinert und vereinfacht, seine Mitglieder aber durch geistliche Vorträge und Predigten streng zu einem würdigen Lebenswandel angehalten, so daß man bald treffend bemerkte, er gleiche mehr einem Kloster als der Umgebung eines Fürsten, so wie man es gewohnt war. Auch die Kardinäle ermahnte der Papst bereits in seinem ersten Konsistorium, sich mehr als geistliche denn als weltliche Fürsten zu benehmen: "Ihr seid das Licht der Welt und das Salz der Erde, an euch ist es, die Seelen durch das Vorbild eurer Frömmigkeit und eures Lebenswandels zu erleuchten und anzuspornen:" Es betrübte ihn tief zu sehen, wie sehr die Ewige Stadt durch sittenloses und weltliches Treiben entehrt wurde. In hl. Eifer nahm er so gründlich den Kampf mit allen Übelständen auf, daß Francisco Borja, der später heiliggesprochene Ordensgeneral der Jesuiten, 1569 feststellen konnte: "Dank dem Papst hat Rom heute ein ganz anderes Aussehen als einstmals." - Mit der Unsitte des Nepotismus, der Verwandtenbegünstigung, durch den der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten großer Schaden entstanden war, räumte Pius V. endgültig auf, weil er der Überzeugung war, für die weltlichen Belange der Kirche ebenso Rechenschaft schuldig zu sein wie für die geistlichen: "Gott hat mich berufen, damit ich der Kirche diene, nicht damit die Kirche mir dient." Immer folgte er dem Grundsatz, das, was er der Gesamtkirche vorschrieb, zunächst in seinen engeren Verantwortungsbereichen als Bischof von Rom und Herr des Kirchenstaates zu verwirklichen. Das Wirken dieses Papstes ist aber darüber hinaus von ganz entscheidender Bedeutung für die geistige und, daraus folgend, organisatorische Gesundung der ganzen römisch-katholischen Kirche geworden, für die Bewegung, der man später den Namen der Gegenreformation gegeben hat. Zu den Maßnahmen, die dazu beitrugen, gehört vor allem die von Pius ins Werk gesetzte Durchsicht, Vereinheitlichung und verbindliche Festlegung der liturgischen Texte für den gesamten Bereich der römischen Kirche, wie es für das Brevier durch die Bulle "Quod a nobis" von 1568 und für das Missale durch "Quo primum" (1570) *) geschah. Der 1566 herausgegebene "Catechismus Romanus" gab den Priestern ein vorzügliches Mittel an die Hand, die katholische Lehre gemäß den Formulierungen von Trient auf leicht faßliche Art im Volk zu verbreiten. Einem weiteren Übelstand half der Papst dadurch ab, daß er den Bischöfen immer wieder ihre Residenspflicht einschärfte. Müßige Oberhirten zwang er zum Verlassen Roms und zur Rückkehr in ihre Diözese und fragte sie, ob es ihnen zu viel sei, mit ihren eigenen Händen die Kirche zu leiten, die Jesus Christus durch sein Blut erkauft habe. Durch die Errichtung von Seminaren wurde die Priesterausbildung, und durch das Bestehen auf der Klausur die Klosterzucht gefördert. Eine so umfassende Aktivität entfaltete der Papst auf allen Gebieten, daß die weniger gut gesinnten Kardinäle, Bischöfe und Priester jedes Jahr vor einer "neuen, schrecklichen Reform" zitterten.
Auch als Papst verleugnete Pius V. nicht den strengen Wächter über die Unversehrtheit des Glaubens, der er als Großinquisitor gewesen war. Jede Häresie wurde von ihm unnachsichtig verfolgt, wobei ihm jedoch an der Bekehrung des Irrlehrers mehr als an seiner Bestrafung gelegen war. Der durch die "Reformation" herbeigeführte zerrissene Zustand der Christenheit erfüllte ihn mit großer Traurigkeit: "Wenn wir den gegenwärtigen Zustand der Christenheit betrachten, so bieten sich unserem Blick so viele Übel, Schäden und Unordnungen dar daß wir, nicht mehr mächtig unserer Tränen, sehnlichst mit dem Apostel wünschen, von den Banden des Leibes befreit zu werden und mit Jesus Christus vereint zu sein." Daher hörte der vor allem und zuerst um das geistige Wohl des Menschen besorgte Papst nicht auf, die Fürsten zu ermahnen, alles zu tun, um die bedrohte Glaubenseinheit ihrer Völker zu retten, denn "nichts festigt in der Tat sicherer die weltliche Gewalt als die Achtung vor der kirchlichen Gewalt ... Das ist das Bollwerk der Staaten, die Grundlage und das unerschütterliche Fundament des Rechtes. Möge Gott verhüten, daß das Verderben und der Untergang vieler Fürsten denen den Beweis unserer Behauptung liefern, welche nicht daran glauben wollen." Wer von denen, die die Geschichte der folgenden 4 Jahrhunderte kennen, wird den prophetischen Worten des hl. Papstes nicht recht geben müssen! Man hat Pius V. gelegentlich einen schlechten Diplomaten genannt, ohne zu wissen, daß man ihm damit in Wahrheit ein hohes Lob zollt. Er hat sich allein als Vertreter der Wahrheit gefühlt, als der er immer nach dem Grundsatz handelte: "Warum denn Freundschaft schließen mit jenen, welche den Herrn hassen?" (Aus einem Brief an Karl IX. von Frankreich.) So wurde er der Gegner sowohl häretischer Fürsten wie Elizabeth Tudor von England, die er 1570 durch die Bulle "Regnans in excelsis" feierlich bannte, als auch der Ungläubigen, die unter der Führung des osmanischen Sultans das Abendland bedrohten.**) - Der spanische König Philipp II. hat einmal geschrieben, "daß man sich einem Papst unterwerfen müsse, der bei allem, was er tue, nur Gott im Auge habe." Die persönliche Haltung Pius' V. verlieh seinem Wirken erst die innere Glaubwürdigkeit. Schon der äusseren Erscheinung des Papstes, der hageren Gestalt, den asketischen Gesichtszügen, dem langen, weißen Bart und den scharf blickenden Augen konnte man sich nur schwer entziehen. In seiner ganzen Lebenshaltung blieb Pius V. der schlichte, demütige Mönch, der er immer gewesen war. Die wollene Mönchskutte, die er stets unter den päpstlichen Gewändern trug, konnte ihm nie rauh genug sein. Bis zu seinem Tode aß er äußerst bescheiden und fastete in den von der Kirche vorgeschriebenen Zeiten streng, ja über Gebühr. Sein Tag war eingeteilt in Gebet und Arbeit. Selten gönnte er sich mehr als 5 Stunden Schlaf, und neben dem ungeheuren Arbeitspensum, das er erledigte, fand er noch Zeit, die Hospitäler aufzusuchen, Kranke zu pflegen, Sterbenden beizustehen, und Armen Almosen zu spenden. Er betete mit einer Inbrunst, die alle, die ihn sahen, erschütterte, besonders an Fronleichnam, wenn er, anders als seine Vorgänger, zu Fuß in der Prozession mitschritt, ständig mit höchster Sammlung und oft unter Tränen das Allerheiligste anblickend. Mit kindlicher Liebe verehrte er die Gottesmutter Maria und betete oft den Rosenkranz, indem er das gleiche dringend allen Gläubigen empfahl. Nicht selten verbrachte er die ganze Nacht betend in der Peterskirche. Während des römischen Karnevals zog er sich nach dem Dominikanerkloster von Santa Sabina zurück, um den Zorn des Allmächtigen über die in dieser Zeit begangenen Sünden durch besondere Werke der Buße und des Gebetes zurückzuhalten. Ständig hielt er sich das Leiden Christi, das er ganz besonders verehrte, vor Augen. Auf seinem Tisch stand ein Kruzifix, auf dem er das Pauluswort hatte anbringen lassen: "Es sei fern von mir, mich zu rühmen, wenn nicht im Kreuz unseres Herrn Jesus Christus." Das Auftreten des Papstes verfehlte seine Wirkung nicht. Die Römer hingen ihm bald in begeisterter Verehrung an, sie meinten, seit 200 Jahren habe es keinen frömmeren Papst mehr gegeben.
Papst Pius V. war ein überwiegend strenger und ernster Mensch. Alle, die es mit Gottes Geboten nicht streng nahmen, hatten daher guten Grund, ihn zu fürchten. Jeden, den er bei einer Lüge oder bei einer anderen Vergehen ertappte, wurde seiner Strafe zugeführt, zumindest aber aus seiner Umgebung entfernt. Begangenes Unrecht, besonders aber Zornausbrüche, die er bei seinem heftigen Temperament nur schwer unterdrücken konnte, suchte er durch doppelte Güte wettzumachen, so daß in Rom das Gerücht umging, man bräuchte den Hl. Vater nur zu beleidigen, um sich unfehlbar seiner Gunst zu versichern. Rachsucht war ihm fremd. Als er sich eines Tages einem von den Männern gegenübergestellt sah, die ihn als Inquisitor bedroht hatten, sagte er zu ihm: "Herr Gesandter, ich bin jener arme Mönch, dem sie eines Tages drohten, ihn in einen Brunnen werfen zu lassen." Und um den tödlich Erschrockenen zu beruhigen, fügte er mit gütigem Humor hinzu: "Sehen Sie, wie Gott den Schwachen beisteht!" Bei Beleidigungen, die sich auf seine Person, nicht auf sein Amt bezogen, konnte er demütig Verzeihung üben. Zu einem Pamphletisten, der ihn als einen "gemeinen Mönch" und "als Papst verkleideten Mörder bezeichnet hatte, sagte er: "Wenn du den Papst verleumdet hättest, würdest du gerechterweise bestraft, aber da du nur über den Bruder Michael schlecht geredet hast (und ich weiß besser als du wie schlecht er ist), sei frei. ... Wenn du aber an Pius V. Fehler bemerkst, komm und sage sie mir. Ich werde versuchen, sie abzulegen und dich ob deiner Aufrichtigkeit belohnen."
Pius V. war schon, als er zum Papst gewählt wurde, ein schwerkranker Mann. Sein Leiden das ihm nicht wenig Schmerzen verursachte, trug er all die Jahre hindurch mit heroischer Geduld und Starkmut. Auch als er im Frühjahr 1572 den Tod nahen fühlte, ließ seine Zuversicht um nichts nach, ja, wie der Herr auf dem Kreuzweg mußte er, der Sterbende, die Überlebenden trösten und aufrichten: "Wenn ihr mein sterbliches, mit zahllosen Armseligkeiten erfülltes Leben geliebt habt, so müßt ihr noch weit mehr jenes unveränderliche und glückselige Leben schätzen, dessen ich durch die Barmherzigkeit Gottes bald im Himmel teilhaftig zu werden hoffe." Solange es ihm irgend möglich war, erfüllte der Papst seine Amtspflichten und las täglich die hl. Messe. Am Osterfest, den 6. April 1572, erteilte er zum letzten Mal von der Loggia der Peterskirche aus einer riesigen Menge, die noch einmal ihren todkranken geistlichen Vater sehen wollte, den apostolischen Segen. Gegen den Rat seiner Ärzte unternahm er auch noch einmal die Wallfahrt zu den Hauptkirchen Roms, ein Brauch, der durch ihn und den hl. Philipp Neri wiederbelebt worden war. Auch in den größten Qualen betete er: "Herr, vermehre meine Schmerzen, aber vermehre auch meine Geduld." Weil er so sterben wollte, wie er gelebt hatte, nämlich als ein einfacher Mönch, ließ er sich noch auf dem Sterbebett das weiße Gewand der Dominikaner anlegen. In der Frühe des 1. Mai 1572 starb Papst Pius V. im Alter von 68 Jahren, im 7. Jahre seines Pontifikates. Bei der Nachricht von seinem Tode soll die hl. Theresia von Avila in Tränen ausgebrochen sein und gerufen haben: "Wundert euch nicht über meine Tränen, sondern weinet vielmehr mit mir, denn die Kirche hat ihren hl. Hirten verloren."
Pius V. wußte sehr wohl, wie schwer sein Tod die kämpfende Kirche treffen würde, aber er setzte sein ganzes Vertrauen auf die Güte und Allmacht Gottes. "Gott der Herr wird nötigenfalls aus den Steinen den Mann erwecken, dessen seine Kirche in so schwerer Zeit bedarf." Wenn uns heute, angesichts der trostlosen Lage des hirtenlosen katholischen Volkes manchmal der Mut sinken will, dann sollten wir ihn, der für alle Zeiten das Vorbild eines Stellvertreters Christi auf Erden sein wird, um seine Fürsprache bitten und mit der gleichen Zuversicht wie er auf den Herrn vertrauen der seiner demütig bittenden Kirche nicht die wahren Hirten vorenthalten wird: Heiliger Papst Pius V., bitte für uns!
Anmerkungen: *) in Übersetzung veröffentlicht in EINSICHT 1. Jahrg., Nr.1, S.1-3 - Anm. d. Red. **) Auf die unsterblichen Verdienste Pius' V. um die Befreiung des Abendlandes von der Türkengefahr habe ich bereits in meinem Beitrag "400 Jahre Lepanto" (EINSICHT 1. Jahrg. Nr. 7, S. 43 f) hingewiesen. |