DIE TILGUNG DES WORTES PONTIFEX
aus dem sogenannten Meßbuch der neuen Liturgie
von H.H. Walter W.E. Dettmann
Die sog. Apostolische Konstitution zur Einführung des neuen Meßbuches besagt zwar noch, daß Paul VI. diese Neuerungen im 6. Jahre seines "Pontifikates" veröffentlicht hat. Im übrigen aber kommt das Wort "Pontifikat" und v. a. das Wort "Pontifex" im gesamten sog. Meßbuch der neuen Liturgie nicht mehr vor.
Eine kleine Einschränkung muß nachträglich gemacht werden: In zwei Gebeten, die gegebenfalls für einen verstorbenen Bischof gesprochen werden können (nicht müssen!), ist von einer ''pontificalis dignitas" (d.h. von der Würde des Pontifex) und von einem "pontificale merritum" (d.h. vom Verdienst eines Pontifex) die Rede. Aber diese in der neuen Liturgie ganz und gar abseits stehenden Gebete scheinen nur durch einen Zufall der Ausmerzung alles dessen entgangen zu sein, was mit dem Titel 'Pontifex" zusammenhängt.
Bisher war der Titel Pontifex eine wirkliche Zierde aller großen Bischöfe im Heiligenkalender des Missale Romanum gewesen. So lautet z.B. das Kirchengebet am Fest des hl. Ignatius von Antiochien: "Allmächtiger Gott, schaue auf unsere Schwachheit, und weil unser eigenes Tun schwer auf uns lastet, darum schütze uns die glorreiche Fürsprache deines hl. Martyrers und Hohenpriesters ("Pontifex") Ignatius. Durch unseren Herrn J. Chr. ..." Dem schlichten Laien aus der Schar der Gläubigen, die dem hl. Meßopfer, so oft sie konnten, beiwohnten, war das Wort "Pontifex" zwar weniger aufgefallen, weil die Übersetzer des unter dem Namen "Schott" bekannten Meßbuches das Wort "Pontifex" sehr ungenau mit dem Ausdruck "Bischof" anstatt mit "Hoherpriester'' wiedergegeben hatten.
Die Bischöfe und auch alle Priester hätten diese Ungenauigkeit im "Schott" nicht dulden dürfen. Es mußte ihnen bekannt sein, daß mit dem Wort Pontifex das Ehrenamt des Vorstehers im Opferdienst der röm.-kath. Kirche gemeint war. Im richtigen röm.-kath. Meßbuch, wie es vor dem (sog. - Anm. d. Red.) 2. Vatikanischen Konzil im Gebrauch war, hatte jeder hl. Bischof an seinem Fesitag dreimal den Ehrentitel Pontifex bekommen: im Kirchengebet, im Stillgebet und in der "Postcommunio". Wenn für irgend einen hl. Bischof kein eigenes Meßformular vorhanden war, so trat das "Commune" dafür ein, d.h. es gab ein gemeinsames Meßformular, das für mehrere Bischöfe dieser Art anzuwenden war. Auch hier stand der Ehrentitel Pontifex sowohl im Kirchengebet als auch im Stillgebet und in der ''Postcommunio''. An allen diesen Stellen ist das Wort Pontifex nun ausgelöscht worden.
Sogar die bei einer Papstwahl vorgeschriebene Votivmesse "Pro eligendo Summo Pontifice" wurde im sog. Meßbuch der neuen Liturgie geändert. Jetzt heißt es nur noch: "Pro eligende Papa". Früher kam das Wort Pontifex in der Votivmesse für die Papstwahl neunmal vor. Das Formular für diese Votivmesse enthielt mehrere Stellen aus dem Alten Testament, in denen der hl. Hieronymus das Wort "Priester" oder "Hoherpriester" mit dem Ausdruck Pontifex wiedergegeben hatte. Diese ungemein lehrreichen Stellen sind jetzt alle verschwunden, obwohl die Liturgiekonstitution des (sog. - Anm. d. Red.) 2. Vatikanischen Konzils versprochen hatte, die "Schatzkammer des Wortes Gottes weiter zu öffnen". (vgl. Art. 51) Ganz und gar ausgelassen wurde in der neuen Liturgie auch die überaus schöne Votivmesse von Jesus Christus, dem ewigen Hohenpriester, die Papst Pius XI. vor dem Zweiten Weltkrieg eingeführt hatte.
Das Wort Pontifex besagte in der kath. Kirche noch mehr als das bloße Wort Episcopus. Der Ausdruck Bischof wird heute von den Vorstehern vieler nichtkatholischer Gemeinschaften als Titel beansprucht. Der Titel Pontifex dagegen wird von allen nichtkatholischen Gemeinschaften mit Nachdruck abgelehnt, weil sie am täglichen Opfer des Neuen Bundes, so wie es die röm.-kath. Kirche Gott dem Herrn darbringt, keinen Anteil haben wollen.
Ursprünglich war der Titel Pontifex eine Amtsbezeichnung der heidnischen römischen Götzenpriester. Der Ranghöchste unter ihnen trug den Titel "Pontifex Maximus". In der Kaiserzeit ging dieser Titel auf die Staatsoberhäupter selbst über. Dies ist ein Zeichen dafür, daß es ein glanzvoller Ehrentitel war. Tatsächlich betrachteten sich die Kaiser des röm. Weltreiches mit Stolz als die obersten Diener der Religion, die im Namen des Staates den Gottheiten die feierlichsten Opfer darzubringen hatten. Der letzte Kaiser dieser Art, abgesehen von einem späteren Gegenkaiser, war Julian der Abtrünnige (361 - 363).
Die allererste Bedeutung des Wortes Pontifex besagte soviel wie Brückenbauer. Die röm. Kaiser trugen den Titel Pontifex Maximus aber nicht als Architekten, sondern als oberste Opferdiener gegenüber den Gottheiten. Hätten die Kaiser sich nur als Architekten gefühlt, dann hätten die christlichen Kaiser, z.B. der hervorragende Kaiser Gratian (375 - 383), der in Rom eine heute noch stehende Brücke von Trastevere zur Tiberinsel erneuern ließ, den Titel Pontifex Maximus nicht abgelegt.
Tatsächlich legte der durch und durch rechtgläubige Kaiser Gratian, ein vertrauter Freund des hl. Ambrosius, den Titel "Pontifex Maximus" als heidnischen Ehrentitel im Jahre 382 nieder und verbot es, künftig im Namen des Staates den Göttern zu opfern.
Diesen geschichtlichen Augenblick nützte der bis dahin fast unbekannte hl. Hieronymus zu einer überaus kühnen Tat aus. Ohne Zweifel ist es eine der bedeutendsten Taten dieses Mannes, den bis dahin heidnisch-röm. Begriff des Pontifex Maximus auf Christus den Herrn übertragen zu haben. Der Sinn dieser Übertragung war es, allen Bewohnern des gewaltigen Weltreiches, einerlei, ob sie Christen oder Heiden waren, eindrucksvoll zu zeigen, daß Jesus Christus allein der ewige Hohepriester aller Menschen gegenüber Gott dem Herrn ist.
Für die Christen war dies eine ungeheure Stärkung im Glauben und für die Heiden war es eine überaus wirkungsvolle friedliche Einladung, sich dem Gekreuzigten zu unterwerfen. Hieronymus hat es unternommen, den Begriff des Pontifex Magnus fest und unauslöschlich in der Vulgata-Übersetzung des Hebräerbriefes zu verankern. Das Kühnste an dieser Tat war es, daß Hieronymus in dem altehrwürdigen Text des 109. Psalmes, der im Hepräerbrief zitiert wird ("Tu es sacerdos in aeternum secundum ordinem Melchisedech.") das Wort "sacerdos" durch "pontifex" ersetzte (Hebr. V, 9-10). Im lateinischen Text des Hebräerbriefes kommt das Wort Pontifex fünfzehnmal vor. Davon wird es an zehn Stellen auf Christus den Herrn selbst angewendet. Hieronymus durfte die Übertragung des kurz zuvor noch rein heidnischen Titels Pontifex auf Christus nur wagen, wenn er der unmittelbaren Zustimmung der höchsten kirchlichen Autorität sicher war. Dies deutet darauf hin, daß er die neue Übersetzung des Hebräerbriefes noch zu Lebzeiten des Papstes Damasus (366-384) herstellte, kurz nach der Ermordung des Kaisers Gratian (375-383), der den Titel Pontifex Maximus abgelegt hatte.
Wie ungewöhnlich die Tat des hl. Hieronymus war, geht daraus hervor, daß es im Römerreich noch Tausende von Götzenpriestern gab, die den Titel Pontifex führten, und daß Hieronymus den Papst Damasus noch als den "Romanae Ecclesiae Episcopus" bezeichnet und nicht als "Pontifex" (vgl. "Sancti Damasi Papae opuscula et gesta", Rom 1754, S. 6). Es wäre unmöglich gewesen, gleich nachdem der Kaiser den Titel Pontifex niedergelegt hatte, den Papst so zu bezeichnen.
Die Kühnheit des hl. Hieronymus kann man auch daran erkennen, daß noch zehn Jahre später, nämlich am 5. Sept. 394, eine erbitterte und große Entscheidungsschlacht zwischen heidnischen und christlichen römischen Truppen bei Aquileja (zwischen Venedig und Triest) stattfand, in der der gewiß tüchtige christliche Kaiser Theodosius d. Gr. der heidnisch-römischen Übermacht unter dem Gegenkaiser Eugenius beinahe unterlegen wäre. Kurz vor dieser Schlacht war die Stadt Rom drei Monate lang (!) von der angeblichen Verunreinigung durch das Christentum auf eine besondere Weise "entsühnt" worden, um den Zorn der Götter zu besänftigen. Sogar bei der Erstürmung Roms durch den Westgotenkönig Alarich im Jahre 410 war der weitaus größere Teil der Bevölkerung noch heidnisch, und der hl. Augustinus hatte alle Mühe, die Christen gegen den Vorwurf der Heiden zu verteidigen, als seien gerade die Christen schuld am Untergang der Stadt Rom.
Es war gewiß eine außergewöhnliche Tat, in jener unruhigen Zeit den höchsten heidnischen Priestertitel auf Christus den Herrn selbst zu übertragen. Nach der völlig abgeschlossenen Christianisierung des Römerreiches hätte diese Maßnahme im übrigen gar keinen Sinn mehr gehabt. Hieronymus und Papst Damasus haben durch ihre einmalige Tat zugleich für alle kommenden Zeiten gezeigt, wie der Hebräerbrief verstanden und erklärt werden muß. Daran kann auch das (sog. - Anm. d. Red.) 2. Vatikanische Konzil nicht das Geringste ändern.
Zwar bezeichnet auch der hl. Augustinus den Herrn an einigen wenigen Stellen als pontifex Magnus, z.B. in dem "Sermo de thuribulis" vom Montag nach dem 4. Fastensonntag sowie in dem "Sermo de virga Aaron" vom gleichen Tage. Aber Augustinus hat dies erst viel später, und zwar im Anschluß an Hieronymus, getan. Er hatte sich ja erst im Jahre 387 taufen lassen, als Papst Damasus bereits verstorben war.
Wer vor dem (sog. - Anm. d. Red.) 2. Vatikanischen Konzil bei einem Kirchenchor mitgesungen hatte, oder wer an einem Karfreitag beim Gesang der lateinischen Leidensgeschichte Jesu mitgelesen hat, der weiß, daß im Johannesevangelium auch die jüdischen Hohenpriester als Pontifices bezeichnet sind. Bei den übrigen drei Evangelisten heißen sie entweder '"Summi sacerdotes", wie bei Markus, oder sie heißen "Principes sacerdotum" wie bei Matthäus und Lukas. Im griechischen Text steht in allen vier Evangelien nur das Wort "Archiereus" (Mehrzahl ''Archiereis''). Warum der hl. Hieronymus gerade nur im Johannesevangelium die jüdischen Hohenpriester als Pontifices bezeichnet hat, ist schwer zu sagen.
Die Tat des hl. Hieronymus bei der Übersetzung des Hebräerbriefes zeigte sich in ihrer ganzen Größe erst, als Papst Leo I. d. G. (440 - 461) Christus den Herrn als den ''Aeternus Pontifex" bezeichnete (vgl. Ansprache am 2. Jahrestag seiner Amtsübernahme). Man muß dabei bedenken, daß das alte römische Reich damals immer noch bestand, und daß die Mehrheit der Römer immer noch Heiden waren.
In seiner 17. Predigt über das Leiden des Herrn bezeichnet Papst Leo d. Gr. Christus als den "Summus Pontifex". Am dritten Jahrestag seiner Erhebung zum Papst sprach Leo I. die herrlichen Worte, "daß im ganzen Leibe der Kirche ein einziges hohepriesterliches Sakrament gefeiert werden möge" ("ut unum celebretur in toto Ecclesiae corpore Pontificii sacramentum").
Auch dieses wirklich klassich-lateinische Wort "Pontificium" (d.h. das Amt eines Pontifex) war im Missale Romanum des Papstes Pius V. vorhanden, vgl. die früheren Kirchengebete am 18. Januar, am 25. Januar, am 22. Februar und am 30. Juni. Das Kirchengebet an diesen Tagen lautete: "Deus, qui beato Petro collatis clavibus regni caelorum ligandi atque solvendi Pontificium tradidisti ..." (O Gott, du hast dem hl. Petrus die Schlüssel des Himmelreiches verliehen und hast ihm das hohepriesterliche Amt der Binde- und Lösegewalt übertragen ..."). Dieses Gebet wurde derartig in den Hintergrund gedrängt, daß es praktisch unbeachtet bleibt. Früher war dieses Gebet viermal im Jahr für jeden Priester vorgeschriebene; jetzt ist es nur noch in einer Votivmesse vorhanden, die höchstens von jenen Geistlichen beachtet wird, die persönlich den Namen Petrus tragen.
Der Satz des Papstes Leo I. "Ut unum celebretur in toto corpore Ecclesiae Pontificii sacramentum" wäre wahrhaftig geeigneter gewesen, als Leitidee über einem Konzil des 20. Jahrhunderts zu stehen als der törichte Wahn, das hl. Meßopfer zu zerstören.
Die Bischöfe des (sog. - Anm. d. Red.) 2. Vatikanischen Konzils haben in täuschender Weise so getan, als wollten sie zur "altehrwürdigen Norm der Väter" zurückkehren (vgl. Art 50 der Liturgiekonstitution). Wenn aber die großen Väter in der ruhmreichen Kampfzeit der katholischen Kirche Christus den Herrn selbst als Summus Pontifex bezeichneten, und wenn jeder einzelne Bischof ein Stellvertreter des ewigen Pontifex Christus sein soll, warum haben dann die heutigen Bischöfe das Wort Pontifex aus der Liturgie entfernt?
Hier beweisen die heutigen Bischöfe unwiderleglich, daß sie vom bisherigen hl. Opferdienst nichts mehr wissen wollen. Unsere Bischöfe sind vom wahren Glauben der Väter abgefallen. Die (sog. - Anm. d. Red.) deutschen Bischöfe können noch so laut predigen, es habe sich seit dem (sog. - Anm. d. Red.) 2. Vatikanischen Konzil nichts am Glauben geändert: Solche irreführenden Reden können wir nicht ernst nehmen. Denn wir wissen genau, daß die Oberhirten ihre Herde unter dem trügerischen Vorwand der kirchlichen Einheit getäuscht haben. Die für die neue Liturgie verantwortlichen Bischöfe haben es sich selbst zuzuschreiben, wenn das bischöfliche und v.a. das päpstliche Ansehen so tief gesunken ist. Ein Bischof, der kein Pontifex mehr sein will oder sein darf, ist eine ganz armselige Figur. Ein Bischof, der selbst kein Hoherpriester mehr sein will, stellt die Gültigkeit aller von ihm durchgeführten Priesterweihen in Frage.
Die Bischöfe des (sog. - Anm. d. Red.) 2. Vatikanischen Konzils haben vergessen, auf welch ruhmreiche Weise der Titel Pontifex und der Ausdruck Pontificium aus dem alten Heidentum in die Hl. Schrift und in die röm.kath. Liturgie gekommen sind. Sie haben dem modernen Heidentum an einer entscheidenden Stelle die Tore der Kirche geöffnet, indem sie darauf verzichteten, höchste Diener des täglichen Opfers gegenüber Gott dem Herrn zu sein.
Das heutige sog. Meßbuch der neuen Liturgie, das den Titel Pontifex nicht mehr enthält, ist ein schlechtes Werkzeug für ein "Pontifikalamt", mit dem man immer noch die Gläubigen für die neue Liturgie gewinnen will. Die neue Liturgie ist weiter nichts als eine getarnte Unterdrückung alles dessen, was seit dem christlichen Altertum in Rom heilig war.
Das (sog. - Anm. d. Red.) 2. Vatikanische Konzil mißachtete die große Geschichte der früheren Pontifikate: Und auf einem so minderwertigen Fundament soll die kirchliche Einheit aufgebaut werden ?
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