Moderne Katholiken
Léon Bloy sah die Ungeheuerlichkeiten unserer Zeit bereits in den Symptomen seiner Zeit vorgebildet. Im Jahre 1900 schreibt er:
"Nur sehr wenige lebendige Seelen, denen das Blut Jesu noch wert ist,
stehen einer ungeheuren Menge gegenüber, die keiner gezählt hat. Es ist
die 'unendliche Schar derer, die im Angesichte des Lammes vor dem
Throne stehen, angetan mit weißen Kleidern und Palmen in den Händen'.
Das sind die modernen Katholiken. Endlos ist ihr Aufmarsch auf der
großen Himmelswiese. Dann sieht man plötzlich, daß die Vögel aus der
Luft fallen, daß die Blumen absterben, daß alles bei ihrem Vorbeimarsch
stirbt; daß sie einen Strom der Verwesung hinter sich zurücklassen, und
wenn man sie berührt, ist man scheinbar für immer vergiftet wie
Philoktet.
Diese Greuel gehören zum 19. Jahrhundert. In anderen Zeiten fiel man
mutig von der heiligen Einheit ab. Man war unbefangen und entschieden
ein Renegat. Man empfing den Leib Christi und verkaufte ihn dann ohne
Zögern, als hätte man einem Armen helfen müssen. Es ging im ganzen
anständig zu, und man war offen und ehrlich ein Judas. Heute aber ist
das etwas anderes. Seit zwanzig Jahren schreibe ich immer wieder
darüber. Nie gab es etwas so Widerwärtiges, etwas so restlos
Verabscheuungswürdiges wie die heutige katholische Gesellschaft (...),
und ich will lieber nicht danach fragen, was wohl mit größerer
Gewißheit das Feuer vom Himmel herabrufen könnte ... "
Léon Bloy: "Das Blut der Armen" 1909; der Anfang, zitiert nach dem
deutschen Text in: Bloy: "Das Heil und die Armut", Heidelberg 1953, S.
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