UNSERE SUBJEKTIVE INTENTION
(WURZEL, STAMM UND KRUME - XXIV)
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
In einer Zeit, in welcher immer und immer wieder von der aktiven Teilnahme, participatio activa, der Gläubigen an der, wie unklar gesagt wird, eucharistischen Feier, gesprochen wird, ist es notwendig, ihr mehr denn je die gebührende Aufmerksamkeit zu widmen. Nicht daß man erst jetzt darauf gekommen wäre, und die vom Heiligen Geiste geführte hl. Kirche etwas liturgisch vernachlässigt hätte, sondern weil das SURSUM CORDA, welches das Wesentliche der hl. Messe - soweit wir vom Menschen sprechen -, ausmacht, heute ganz besonders betont werden muß, wenn die menschliche Gesellschaft überhaupt noch gerettet werden soll. Daß wir dabei mit klaren Begriffen arbeiten müssen, wird wohl niemand bezweifeln. "Die Unklarheiten, in welche wir uns von Tag zu Tag mehr verstricken, entstammen nicht der Heiligen Schrift oder der Tradition. "Kannte denn DER, der das WORT ist, nicht die Bedeutung der Wörter? DER, der die WAHRHEIT ist, vorstand es nicht, wie die Worte darzubieten?" (1) Demgegenüber "wie frech und gottlos verunglimpfen (die Menschen) selbst die Worte des Testamentes unseres Herrn." (2)
Ein überaus großes Hindernis für die richtige Bewertung der heiligen Schrift wie auch der Tradition ist die Glaubenslosigkeit, welche sich bis in die Reihen des Klerus eingeschlichen hat. Religiöse Fragen werden rein vom natürlichen Standpunkte genommen und auf eine natürliche Weise erklärt. Hierbei werden nicht wenige Fehler begangen, was theologisch nicht geschulte Kreise dazu berechtigt, auf eigene Faust einzugreifen und hierin sind sie sehr oft dem Geistlichen überlegen. Längst haben dabei aber beide Gruppen vergessen, worauf der hl. Joh. Ghrysostomus aufmerksam macht, "daß niemand die erhabene Lehre ohne den wahren Glauben erfassen kannn." (3) Dazu ist auch noch das Axiom zu bedenken: "Der Glaube ist verdienstlos, wenn die menschliche Vernunft (Beweise) aus der Erfahrung bietet." Auch heißt es, "Perlen vor die Schweine zu werfen, wenn wir ohne Wahl allen ein Dogna verkündigen (wollen), dazu noch aufgrund rein menschlicher Üborlegungen. Ein (wahres) MYSTERIUM benötigt keine Begründung!" (4)
Die meisten Menschen, die Geistlichen mit inbegriffen, treten an religiöse Fragen heran wie an die Lösung einer mathematischen Aufgabe. Ohne sich vorher durch ein Gebet die entsprechende Einstellung zu erwerben, fangen sie an zu räsonieren, und vergessen, daß die fleischliche Begabung, die menschliche Vernunft allein (diesbezüglich) nicht nur nichts hilft, sondern vielmehr zum Hindernis für das Eindringen in die göttlichen Mysterien wird..., denn wer (so denkt der Herr) bloß mit Hilfe seiner Vernunft aufgrund menschlicher Beweisführung, wie auf eigenen Füßen, zu mir kommen will, (d.h. auf den Glauben und die Offenbarung verzichtet: O.K.), erreicht es nicht; ebensowenig, kann er das verstehen, was ich darbringe, etc." (5)
Dazu sind ganz andere Augen als die körperlichen notwendig, die der Seele, welche natürlich rein sein müssen. "Wie töricht sind die, welche Gott mit den äußerlichen Augen suchen, der ja "allein mit dem Herzen gesehen werden kann"... Und wie das natürliche Licht allein mit reinen Augen gesehen werden kann, kann auch Gott nicht gesehen werden (und natürlich alles was göttlich ist; O.K.), wenn das nicht rein ist, womit es gesehen werden kann." (6) Es dürfte wohl klar sein, daß die im Lichte des Glaubens erreichte Kenntnis wesentlich von der verschieden ist, zu welcher sich in Glaubenssachen die Vernunft allein durchgearbeitet hat.
Wird das Obenangeführte mißachtet und glaubt man, wie dem heute so häufig ist, auf Grund homonymer, gleichlautender Wörter eine Bedeutungseinheit vorzugaukeln, dann befinden Wir uns bereits mitten im Chaos. Solch ein Wort haben wir seit der Reformation z.B. im Terminus: "Das heilige Abendmahl", welcher alles mögliche bietet, nur selten aber das, worauf sich der Name wirklich bezieht: Mit der hl. Messe ist er nicht identisch (7). Eine solche Ambiguität, Mehrdeutigkeit ist teuflisch.
Wir wollen noch ein Beispiel einer solchen Scheineinheit aus dem 'ökumenischen' Glaubensbekenntnis (Erzdiözese Wien) angeben. Da heißt es: "geboren von der Jungfrau Maria", wac aber keineswegs mit den einzig richtigen ist; geboren aus Maria, dor Jungfrau". Wie leichtfertig man sich heute über solche überaus ernste Tatsachen hinwegsetzt, ist daraus ersichtlich, daß man z.B. die Jungfrauengeburt als eine "sekunduäre Glaubenswahrheit", welche für den einzelnen und sein Heil bedeutungslos ist, betrachtet und von den sogenannten primären Glaubenswahrheiten, welche unaufgebbar und zentral sind, unterscheidet (8). Wir werden uns später etwas naher mit der Sache befassen nüssen.
Da Christus Sein blutiges Opfer allein deshalb dargebracht hat, um uns das unblutige zu ermöglichen, und durch dieses, jenes Opfer durch Ihn, mit Ihm und in Ihm darzubringen, welches wir durch Adam, mit Adam und in Adam darzubringen verweigert haben, ist unsere aktive Teilnahme ein Zeichen der Dankbarkeit. Wenn aber das Leben, welches durch uns hindurchströmt, von den Tieren kommt, wie es uns der Holländische Katechismus lehrt, dann ist von einem Adam als individueller Person keine Rede mehr möglich. Es ist jedoch Glaubenssatz, daß Gott die ersten Menschen nach Leib und Seele erschaffen hat. "Later. IV hebt den Menschen eigens hervor und sagt über seine Natur, daß sie aus Geist und Leib bestehe. Das Vatikanum wiederholt es. Das Dogma ist unvereinbar mit jeder materialistischen, pantheistischen Auffassung von der natürlichen Entstehung des Menschen, wie die ganze Schöpfung, so ist auch der Mensch von Gott frei hervorgebracht. Aber seine Entstehung fällt in die zweite Schöpfung (creatio secunda), nachdem bereits der Weltstoff aus nichts ins Dasein gebracht war. Gott schuf die Seele völlig aus nichts, den Leib aus vorhandenem Stoffe." (9) Der Mensch ist ein von Gottes Willen unsterblicher Geist, begabt "Vernunft, freiem Willen und "Herz" (höh. Gefühl), dem als Instrument der Leib zugeteilt wurde (mit dem er eine Einheit bildet), tun sich in der materiellen Welt, in der er zu leben hat, offenbaren zu können.
Es kann hier nicht unsere Aufgabe sein, uns in die Anthropologie zu vertiefen, das eine sei nur gosagt, daß es kein Bindeglied zwischen Mensch und Tier gibt, aber auch nicht geben kann, denn das geistliche Leben ist kein gesteigertes materielles Geschehen, sondern spezifisch von ihm verschieden. Wenn es nicht annehmbar ist, daß alle Menschen von einem Urpaar abstammen können, dann können umsoweniger alle lebenden Wesen aus einer Urzelle hervorgehen. Auch müßte diese, da ja ein Eingriff von außerhalb der Natur nicht angenommen wird, die Vollkommenheiten aller von ihr abstammenden Wesen bereits der Möglichkeit nach besitzen, also vollkommener als alle von ihr abstammende sein; so hätten wir eine Deszendenz im vollen Sinne des Wortes, einen Abstieg vom Vollkommenerem zum weniger Vollkommenen. Mit Recht schreibt Lefebvre: "Der wahre Transformismus ist mechanistisch. Lamarck mit seiner Anpassung an die Unwelt, Darwin mit seiner natürlichen Auswahl, Haeckel mit seinem Monismus, sind "Minnesänger", die einer nach dem anderen die schöpferische, souveräne Kraft der Jctur besingen. Als Fiktion von Poeten mag es "bestehen. Vor der Vernunft jedoch ist es unhaltbar. Es ist ein Urgesetz, in der Tat, nach welchem ein tiefer gestelltes Wesen sich ohne die Hilfe eines höher gestellten nicht erheben kann. Anders gesagt, sollte man die "minus" selbst durch Jahrhunderte in immensen Quantitäten anhäufen, sie würden trotzdem keine Spur von einem "plus" zeigen. Zwischen beiden liegt das, was die Qualität von der Quantität trennt. Millionen von 20° warmen Wasser geben, wenn auch tonnenweise aufeinandergehäuft, kein Milligramm von Wasser zu 100°. Oder, eine die Reizbarkeit total entbehrende Umwelt, selbst mit ihren "feinsten Fluiden" steht tiefer als die bescheidensten Lebewesen. Sie kann also aufgrund der eigenen Kräfte, sie weder hervorbringen, noch vervollkommnen. Was dann den Monismus anbelangt (die bloße Natur), so ist es gleich, wie anzunehmen, daß der Stein, Marmor oder das Metall durch die Kräfte der Natur imstande sind, die Kathedrale von Paris, die Venus von Milo oder eine vollkommene Dampfmaschine zu schaffen! .... lassen wir das lieber sein" (1O).
Nicht weniger energisch betont Lefevre die Einheit der menschlichen Familie, und stellt so den Monogenismus dem Polygenismus gegenüber. "Auf eine eigenartige, kontradiktorische Weise setzen dieselben Transformisten, welche den einheitlichen Ursprung der lebenden Welt verkünden, die Forderung des mehrfachen Ursprungs beim Menschen, und stellen hiermit den Polygenismus dem Monogenismus gegenüber. Bereits de Quatrefages zögerte nicht, seit 1877 zu sagen, daß der Polygenismus kein anderes Ziel hat, als den alten Glauben zu bekämpfen, der allen Menschen den selben Vater und dieselbe Mutter gibt. Wissonschaftlich läßt sich der Polygenismus jedoch nicht halten (11).
Über die Natur des Menschen hinaus gab Gott den Stammeltern noch die heiligmachende Gnade, damit sie so der göttlichen Natur teilhaftig werden (12). Diese befestigte die Integrität seiner Natur, indem sie ihr die Freiheit von der Konkupiszens, vom leiblichen Tode, die Leidonsunfähigkeit und die Gabe der Wissenschaft verlieh.
Wenn auch nach seinem Falle die Wiedererlangung der Gnade Gottes dem Menschen nicht alle natürlichen Gaben zurückerstattete, die zugleich mit der ersten Sünde verlorengegangen waren, ist dennoch der Mensch, wie auf dem natürlichen Gebiete, so erst recht dem übernatürlichen, von allen andren erschaffenen Wesen, die Engel, ihrer Geistigkeit wegen ausgenommen, wesentlich verschieden.
Sprechen wir nun von dem Menschen als Christen, dann müssen wir ihn als ein Glied des mystischen Leibes Christi sehen. Durch die heilige Taufe sind wir "Glieder seines Leibes (Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein)" (13), wie wir "auch Glieder untereinander sind!" (14) Wollen wir unser weiteres Verhältnis zum hochheiligen Opfer etwas näher erfassen, dann müssen wir uns die Worte des hl. Paulus zu Herzen nehmen: "Denn durch den Glauben seid ihr alle Kinder Gottes in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Da gilt nicht mehr Jude oder Heide, nicht mehr Knecht oder Freier, nicht mehr Mann oder Weib. Denn ihr seid alle einer in Christus Jesus. Gehört ihr aber Christas an, so seid ihr auch Abrahams Nachkommen und Erben, der Verheißung zufolge." (15) Durch dieses Einssein in Christus ist auch die Kirche als mystischer Leib Christi erkennbar. Dies alles müssen wir berücksichtigen, wenn wir das hochheilige Opfer verstehen wollen, wie auch unsere Anteilnahme.
Der letzte Grund also, warum an der Liturgie so viel herumgemodelt wird, ist, daß die Neuerer keinen wahren Glauben mehr besitzen und rein betreiben, wobei nicht selten an der Aufrichtigkeit gezweifelt werden muß. Infolgedessen müssen wir auch von unserer Abhandlung die Worte Eduard Michelis gelten lassen: "Es darf nicht auffallen, daß der Abhandlung vom hl. Meßopfer eine kurze Übersicht der Lehre vom Sündenfalle, und von der Erlösung im Allgemeinen, als eine Einleitung vorausgeschickt wird. Denn in einem Lehrsysteme, das auf innere ewige Wahrheit Anspruch macht, muß jedes Dogma mit dem ganzen Lehrsysteme, und das ganze wieder mit jedem Teile so zusammengehören, daß das Eine immer das Andere voraussetzt, und daß das Einzelne immer das Ganze trägt, und von ihm getragen wird, so daß alle Teile sich zu einem lebendigen, organischen Ganzen, zu einem vollkommenen gegliedorten Bau zusammenfügen. Ein solcher vollkommener Organismus und harmonischer Bau ist das Lehrsystem des katholischen Glaubens. Es ruhet in der tiefsten Kenntnis der menschlichen Natur, umfaßt und durchdringt alle Verhältnisse der moralischen Welt und steigt empor zur reinsten und höchsten Erkenntnis der Gottheit. Wäre es daher möglich, daß nur ein einziges Dogma der Kirche umgeestoßen würde, so müßte das ganze Gbebäude fallen; und die Leugnung eines einzigen Dogmas wäre für den Katholiken Verleugnung des ganzen Glaubens. Wiegen dieses lebendigen und notwendigen Zusammenhanges aller Lehren der Kirche untereinander ist es unmöglich, daß eine einzelne aus dem Verbande mit dem Ganzen herausgerissenen Lehre allseitig gewürdigt und verstanden werde." (16)
Kommen wir nun noch einmal auf Maria zu sprechen, dann müssen wir bedenken, daß sie das "Hauptwerk des göttlichen Herzens" ist, daß der Heilige Geist sie selbst geformt hat, die Er zu Seiner Braut auserwählt hat. So weitgehend ist die Ähnlichkeit mit Jesus, dem Sohne Gottes, daß wir sie, die Gottheit ausgenommen, als identisch mit Jesus sehen können. Im Augenblicke ihrer Erschaffung nimmt der Heilige Geist Wohnung in ihrer Seele ein, und erwirkt eine Ausbreitung der Gnade, welche tief, bis zu den niedrigsten Kräften ihres Wesens dringt... Wie wunderbar war dieses Wirken des Heiligen Geistes; könnten wir nun glauben, daß Maria eine solche Gnade unbewußt empfangen hat? Denken wir uns das ja nicht! Als der heilige Johannes im Schoße seiner Mutter geheiligt wurde, erbebte er; mit der heiligmachenden Gnade empfing er auch eine Intelligenz, die ihn seinen Erlöser erkennen ließ; deshalb dieses geheimnisvolle Frohlocken. Seien wir überzeugt, daß Maria, im Augenblick ihrer unbefleckten Empfängnis ebenfalls ihren Erlöser erkannte und durchdrungen von einer begeisterten Adoration und einem tiefen Frohlocken erbebte. Wie Jesus bei seiner Empfängnis sich selbst sofort (in völliger Hingabe - Psalm 39,7-10) seinem Vater als Ganzopfer dargeboten hatte, opferte sich Maria im Augenblicke ihrer Erschaffung Gott, ihrem Erlöser, in einer restlosen Übergabe in seine gesegneten Hände. Im hellen, sich ausbreitenden Lichte erkannte sie, daß sie ob ihrer Bewahrung von der Erbsünde eine Erlöste war, und zwar eine besondere, bei welcher die Erlösung vollauf sich auswirkte... So sah sie sich Gott gegenüber mehr verpflichtet, als jedes andere Geschöpf... Die Gefühle, welche später das Magnificat zum Ausdruck bringen sollten, befanden sich schon in ihr zur Stunde der unbefleckten Empfängnis. Beurteilen wir Maria nie nach den allgemeinen Gesetzen! Ihre menschliche Existenz ist ein Gewebe von Privilegien, ein ununterbrochener Hymnus an die Herrlichkeit Gottes ihres Schöpfers und Erlösers! (17)
Und da kommen "gelehrte Herren" und wollen von einer "sekundären Glaubenswahrheit sprechen", welche, wenn wir sie einfach übergehen, völlig belanglos ist: Wer ist es, der es sich erlaubt, ihr kostbarstes Kleinod, die Jungfräulichkeit, zu schmälern!? Bei einer solchen Einstellung wundern wir uns nicht, daß es zu dieser Dürre im religiösen Leben gekommen ist.
Wir müssen aber unsere Ausführungen über die subjektive Intention eines jeden von uns fortsetzen. Diesbezüglich müssen wir uns einige Fragen stellen: Wer ist es eigentlich, der das Opfer bringt?
Die Antwort lautet: Nicht der historische Christus allein, sondern der mystische, d.i. alle Seine Glieder. Eine besondere Stellung nimmt die Mutter Gottes ein, dann die Heiligen des Himmels, die Armen Seelen im Fegefeuer, anschließend auch die Engel. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit sind auf Erden in Christus aber wir, die wir noch um das ewige Heil kämpfen müssen, für welche das hochheilige Opfer eingesetzt wurde.
Am blutigen Opfer Christi konnten die Glieder des mystischen Leibes nicht direkt teilnehmen, weil es derzeit noch keine gab, die Mutter Christi ausgenommen. Infolge ihrer aktuellen Anteilnahme seit der Verkündigung (die Gekreuzigte empfing des Gekreuzigten!), besonders aber unter dem Kreuze, muß sie in einem gewissen Sinne als corredemptrix - Miterlöserin betrachtet werden (18), wenn auch Sie die erste von den Erlösten ist.
Was uns anbelangt, so wird in einem fort von der aktiven Teilnahme gesprochen, wobei es den meisten überhaupt nicht klar ist, woran. Daß wir ein Sühneopfor darzubringen haben, wird einfach übergangen oder überhaupt ausgeschlossen. Wir werden bald noch etwas eingehender von der Ausweitung des blutigen Opfers auf die sich direkt oder indirekt aufopfernden Glieder des mystischen Leibes sprechen müssen.
Was wird geopfert, so lautet die zweite Frage. Bei diesen Opfer opfert Christus sich und Sich uns, wir uns in Ihm und Ihn in uns. Da nun nach dem hl. Augustinus das Opfer ein sichtbares Sakrament, d.i. heiliges Zeichen des unsichtbaren Opfers ist (19), muß der Mensch, wenn er opfern will, sein Ganzes Sein Gott weihen. Das fordert unsere Eingliederung in Christus, an Welchem kein Fremdkörper teilnehmen kann und darf. Diesbezüglich bemerkt Kardinal Bona vom Priester: "Wenn du die Patene mit der Hostie in die Hand nimmst, so legst du auf sie dein Herz, wie auch aller Umstehenden und Gläubigen, damit du sie Gott aufopferst, mit der Absicht, daß so wie das Brot, welches du darbringst, bald in den Leib Christi verwandelt wird, auch dein Herz und aller Gläubigen durch (eure) Liebe und Nachfolge in Christus verwandelt werde, damit alle sagen können: Ich lebe, aber nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir... Wenn du den Wein in den Kelch eingießest... und ihn mit Wasser vermischt, soll in dir der Wunsch wach werden, dich ganz in den Abgrund der Verdienste Christi zu versenken, wie auch das Verlangen, dich auf die intimste Weise mit Gott zu verbinden." (20)
Es wird noch eingehender darüber gesprochen werden. An diesem Ort sei aber noch bemerkt, daß auch jene aufgeopfert werden, welche nur indirekt am hochhl. Opfer teilnehmen, d.i. solche, welche den Willen Gottes erfüllen, so sie sie ihn erkennen. Natürlich findet dieses nur dann statt, wenn sie unverschuldeterweise sich außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen befinden. Auch dürfte es allen klar sein, daß es für sie viel schwerer ist, das letzte Ziel zu erreichen, da ihnen nur wenige Heilmittel zugänglich sind, wenn auch diese zum Erreichen des ewigen Heiles an und für sich völlig ausreichend sind. Die reichlichen aus den Sakramentalien entspringenden Werte sind ihnen meistens nicht zugänglich. Deshalb wird das Gericht mit ihnen auch milder verfahren als mit uns, die wir so leicht die Möglichkeit haben, die entsprechenden Heilsmittel zu erwerben.
Wo wird das Opfer dargebracht? Natürlich auf dem Kalyarienbcrg des Altares. Wenn wir uns an der hl. Messe beteiligen wollen, dann müssen wir unseren derzeitigen Aufenthaltsort verlassen und uns nach Jerusalem begeben, wie auch vergessen, daß wir im zwanzigsten Jahrhundert leben, und uns der Gruppe Marias angliedern, um mit Ihr den Leidensweg des Herrn zu betreten. Da wir nun bereits darauf aufmerksam gemacht haben, daß unser ganzes Leben eine einzige hl. hesse sein soll, welchem Beruf wir auch nachgehen mögen, so sollten wir den Kalvarienberg ja nie verlassen, es sei denn um mit unserem Herrn aus dem Grabe des sakramentalen Todes aufzuerstehen und mit Ihm feierlich, wenn auch noch auf eine sakramentale Weise, in Sein Reich einzutreten. Sind wir denn nicht immer und überall am Altare, wenn wir die Messe unseres Lebens darbringen? Soll unser ganzes Leben nicht überall ein andauerndes "Suscipe" sein, ein "nehme an, Vater, alle Äußerungen meines Lebens, ja mein Leben ganz", sodaß wir mit einem jeden Augenblicke sagen: "In Deine Hände empfehle ich meinen Geist!" Vermittels wessen bringen wir es dar? Im Brot, Wein und Wasser! Die Symbolik von Brot und Wein ist keine unnatürliche, sondern existenziell mit dem Menschen verbunden, da es ja ohne den Menschen überhaupt kein Brot und keinen Wein gibt. Welchem Beruf wir auch nachgehen, das erste irdische Ziel ist, um damit unser tägliches Brot zu erwerben. Wir haben schon früher mehr darüber gesprochen. Opfern wir nun Brot und Wein, so opfern wir hiermit unsere Arbeit und unser Leid, und da Arbeit und Leid Fülle und Ausdruck unseres Lebens sind, opfern wir in ihnen, mit ihnen und durch sie uns selbst.
Weshalb opfern wir? Um Sühne darzubringen für unsere Sünden, die Erbsünde mit griffen, mit denen wir leider nicht aufhören, und um das, was zu junserem Heil notwendig ist, von den Verdiensten Christi zu erwerben. Der Moment der Sühne ist von einer ganz besonderen Bedeutung. Die Sühne setzt die volle Erkenntnis der Majestät Gottes voraus, und ihre volle Anerkennung. Diese kommt dadurch zum Ausdruck, daß nachdem wir uns in der Sünde Gott eigenwillig entfremdet haben, und uns selbst als letztes Ziel und absoluten Herrn ernannt hnber, wir jetzt im Geiste der Umkehr, alle unsere Lebensäußerungen im absoluten Mittelpunkt des Weltalls, dem allerheiligsten Sakrament des Altars, verankert haben, um Gott so unsere restlose Ergebenheit kundzugeben, und Ihm, als dem absoluten Herrn über Leben und Tod zu huldigen. Je mehr wir Ihn durch unsere Eigenliebe beleidigt haben, um so inniger soll sich jetzt unsere Liebe au Ihm für alle Ewigkeit zeigen.
Auf welche Weise opfern wir? Durch die praktische Erfüllung des Taufgelübdes!. Die wahre, praktische Teilnahme besteht hiemit, was ja unseren Großmüttern völlig klar war, nicht in der äußeren Anpassung an das, was der Priester tut, sondern in der inneren Aufopferung und Anteilnahme am Leidensweg des Herrn. Ob dies nun äußerlich bemerkbar ist, oder ohne sichtbaren Ausdruck verläuft, ist völlig belanglos, wesentlich ist die sich auf das ganze eigene Sein beziehende Hinordnung zu Gott.
Wann opfern wir? Aus dem bis jetzt gesagten erweist sich das Offertorium für unser Opfer unumgänglich. Bereits beim Offertorium wird es symbolisch, vollbracht, um seine volle Realität bei der hl. Wandlung erreichen zu können. Das Offertorium knüpft im gewissen Sinne an das Offertorium Christi am Ölberge an. Auch in unserem Leben kommen Augenblicke, in welchen wir mit dem Heiland sagen müssen: "Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht vorüber gehen kann, ohne daß ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!"! (21). Natürlich wird niemand so vermessen soin, und sein Leiden mit dem des Herrn gleich werten: Wenn auch das Offertorium der entsprechende Augenblick ist, boi welchem unser Opfer zum Ausdruck kommt, so dürfen wir nie vergessen, daß wir an einem jeden Ort zu einem jeden Augenblicke unter allen Umständen am Altare stehen, um das Opfer unseres Lebens darzubringen, würden wir dies häufiger bedenken, dann würde es nicht so oft zu so stürmischen Reaktionen unseres Gefühlslebens kommen, welche nicht nur unser eigenes Leben so schwer machen, sondern auch das unserer Mitmenschen. Ein sonderbares "Ganzopfer"! Haben wir wirklich unser "Ich" zu Grabe getragen?
Nachdem wir uns klar geworden sind, in welcher Beziehung wii zum hl. Opfer stehen, sehen wir, wie verhängnisvoll sich eine jede Vernebelung auswirken muß, und das die Verurteilung einer solchen Tat als Todsünde voll der Gerechtigkeit entspricht. Aufgrund der in der ganzen Kirche verbreiteten Vernebelung des hochheiligen Opfers begnügt man sich mit einem bloßen Darbieten von Gaben von Seiten des Menschen, als ob man hiermit dem Schöpfer eine Gunst erweisen würde. Wie wir uns noch zeigen werden, ist die hl. Messe eine Ausweitung des blutigen Opfers auf Christi Glieder, wenn auch dieses ihr Opfer auf eine unblutige nicht weniger real ist . Wie wir schon einigemale betont haben, handelt es sich nicht um ein bloßes Darbieteen von Brot und Wein, ssondern dessen, was sie symbolisieren, unser selbst? Eine einfache Oblation, d.i. ein Darbieten von ihnen genügt nicht. Das Opfer fordert unumgänglich die Zerstörung, Umwandlung dessen, was geopfert wurde, Nur um diesen Preis der Vernichtung des eigenen "Ich", welches sich widerspenstig gegen seinen Schöpfer gestellt hat, kann es zur Wiedergeburt kommen, der h. Paulus ermahnt: "Denn sind wir mit Ihm verwachsen durch die Ähnlichkeit des Todes, so werden wir es auch sein in der Auferstehung. Wir wissen ja, daß der alte Mensch in uns mitgekreuzigt wurde, damit der sündige Leib vernichtet werde und wir nicht mehr Sklaven der Sünde seien. Denn wer gestorben ist, ist von der Sünde befreit". (22)
Das Bild, welches uns der Gottesdienst von heute bietet, ist äußerst unerfreulich. Hier etwas, dort etwas, morgen etwas, da solches, dort anderes, ein Sandhaufen, bei welchem ein nur etwas stärkerer Wind genügt, um das Gesamtbild zu ändern. Daß dabei die Katholizität langsam entschwindet, ist nur allzu begreiflich, hiemit ist aber auch die eigene, persönliche Einstellung, die subjektive Intention in Mitleidenschaft gezogen.
Öfters schon wurde darauf hingewiesen, daß alle Opfer mit dem Kreuzesopfer ein Opfer bilden, welches ewig vor dem Throne Gottes dargebracht wird. So bilden auch alle heilige Messen eine einzige Messe. "Derselbe Christus ist", so betont der hl. Chrysostemus, "auch jetzt gegenwärtig, der jenen Tisch (beim letzten Abendmahl; 0.K.) zubereitet hat. Er selbst ist es, der ihn auch jetzt bereitstellt. Denn es ist nicht ein Mensch, der es schafft, daß die vorgelegten (Gaben) Leib und Blut Christi werden, sondern Christus selbst, der für uns gekreuzigt worden ist. Stellvertretend spricht der Priester die Worte aus, die Kraft und die Gnade ist aber Gottes. Das ist mein Leib, sagt er. Dieses Wort verwandelt das Vorgelegte. Wie nun einst die Worte "Seid fruchtbar und mehrt euch, erfüllt die Erde" (Gen, 1,2o) einmal nur ausgesprochen wurden, jederzeit aber unserer Natur die Kraft erteilen, Nachkommenschaft zu bringen, so schaffen auch diese einmalig (im Abendmahlsaal) über alle Altarplatten in allen Kirchen seit jenem Tag bis auf den heutigen, wie auch bis zu Seiner Wiederkunft, ausgesprochenen Worte, ein vollkommenes Opfer" (23).
Wir haben schon bemerkt, daß die heutige Television einen Vergleich bidet, der es uns ermöglicht, etwas tiefer in das Geheimnis der hl. Messe einzudringen. Für den Gottmenschen waren schon alle hl. Messen gegenwärtig, alle Kirchen mit dem Abendmahlsaal, alle Altarplatten mit seiner vereint, auf welcher zum erstenmal das blutige Opfer auf eine unblutige gegenwärtig war. Deshalb sind es auch die vom Heiland im Abendmahlsaal gebrauchten Konsekrationsworte, die die hl. Wandlung in allen Kirchen verwirklichen. So wie die Television die vorgeführte Person raumzeitlich gegenwärtig macht, so ist es Christus auf eine unendlich vollkommenere Weise, weshalb alle Opfer in eins zusammenfließen. "Glaubt also", mahnt der hl. Chrysostomus, daß das Mahl, an welchem Er teilgenommen hat, jetzt von Ihm gefeiert wird. Es gibt keinen (wesentlichen) Unterschied zwischen diesem und jenem. Nicht daß dieses ein Mensch schafft, jenes dann Christus, aber Er selbst beide: Wenn du also den Priester dir (die Gestalten) reichen siehst, glaube ja nicht, daß es der Priester ist; Christi Hand streckt sich aus zu dir!" (24)
Wie müßte diese schaudererregende Identität des Opfers in uns den Entschluß wachrufen, uns auf das engste mit dem Herrn im Opfer zu verbinden, in Gedanken, Worten und Werken, im Bewußtsein der wahren Gemeinschaft der Heiligen. Wie müßte da unser privates wie auch öffentliches Leben ganz anders aussehen!
Literatur:
1) Claud de Sainctes, De Rebus Eucharistiae, Controversia repetitiones, Parisiis 1575 fol. 6. 2) ebendort. 3) Zitiert bei Joan. a. Sto. Thoma 0.P. Cursus theolog. in III, pertem D.Thomae. Col. Agrip. 1711, tom. 7, cap. XIII. 4) PG 61. S. Joh. Chrysost. In Epist. I. ad Cor. Homil. VII. /55/ 5) Hugonis Grotii Gperurn Tneologicorum, Tom. II. in Joan. c. VI. Basil. 1732. 6) Hom. S. August. Lect. VII. de IV. die infra Oct. Omn. Ss. 7) Claud de Sainctes, De Rebus Eucharistiae, Parisiis 1575, f.206. cur nomen Coenae praeferant Adversarii. 8) Wolfgang Nastainczyk, Das alte Credo und die Glaubensunterweisung heute, Seelsorge Verlag, Freiburg 1970, Seite 39. 9) Bartmann, Lehrbuch der Dogmatik, Freiburg, 1932, Band I, 269; vgl. Denz, 228 a, 717 c, Denz. S. 3897 10) Manuel Critique de Biologie par J, Lefèvre, Masson, Paris, 1938, pg.37. 11) op. cit. pg. 44. 12) 2 Petrus 1,4. 13) Eph. 5,30. 14) Eph. 4,25. 15) Gal. 3,26-29. 16) Das Meßopfer und das Fronleichnamsfest., Eduard Michelis, Erfurt I84I, S.9-IO. 17) Elévations sur la Seinte Vierge, Epouse du Saint-Esprit par Père D. Bernard, Maréchaux Paris 1909 pg 23-27 18) vgl. Soheeben, Katholische Dogmatik v/2 Nr. 1776. 19) De Civitate Dei X, c. 5´ 20) Bona, De sacrificio Missae (Romae I658) c. V. §7, bei Lepin, L'Idée du "Sacrifice de la Messe, pg. 461-462. 21) Matth. 26,42. 22) Rom. 6,6 23) PG 49, Joli. Chrysost. De proditione Judae, col. 38O. 24) PG 58, 507/3 derselbe, In Matth. Hom. L al. LI. |