DAS BLUT DES BUNDES - FÜR EUCH UND FÜR VIELE
3. Fortsetzung der Artikel in I/5 (Aug. 71), I/8 (Nov. 71) und II/8 (Nov. 72)
Widerlegung von Einwänden (Fortsetzung)
e) Im folgenden werden mit einigen neuen Argumenten zwei Einwände gogen die Notwendigkeit der Verbindung "Blut des Bundes" - "für viele vergessen zur Vergebung der Sünden" bchandelt, die bereits in den orsten beiden Folgen dieser Abhandlung über das Blut des Bundes widerlegt worden sind. Wir kommen deshalb nochmals auf sie zurück, weil sie die Haupteinwände sind, die immer wieder in Diskussionen, auch von Geistlichen, die die betr. Folgen gelesen haben, erhobon werden.
1. der erste Einwand behauptet: das "für alle" der Kelchformel in den landessprachlichen Formen des Novus Ordo Missae drücke nicht eine universale Heilswirksamkeit aus, sondern die universale Sühne und Satisfaktion, die Jesus Gott Vater für alle Sünden aller Sünder geleistet hat.
2. der zweite Einwand behauptet: das 'für alle' sei nur als Angebot an alle zur Sündenvergebung durch das Leiden Christi gedacht bzw. als der von Jesus mit seinem Blutvergießen intendierte Zweck, alle erlösen zu wollen.
Widerlegung: 1. Der erste Einwand ist sehr schnell widerlegt: Jesus leidet und stirbt am Kreuz u.d. zu einem doppelten Zweck: a) zur Versöhnung Gott Vaters: Genugtunng für die Sünden. b) zur Vergebung der Sünden.
Die Kelchformel nun lautet: "mein Blut ... zur Vergebung der Sünden". Sie lautet nicht: "mein Blut ... Zur Versöhnung des Vaters". Also ist mit ihr der zweite Zwock des Leidens ausgesagt und nicht der erste, mag auch der erste Zweck nur darin elthalten sein. Damit kann das 'für alle' (weil Weiterbestimmung des ausgesagten zweiten Zwecks) auch nicht als universale Satisfaktion gogenüber Gott Vater für alle Sünden verstanden werden, denn es ist laut Aussage nicht auf diesen Zwcck bezogen.
2) Der zweite Einwand bedarf einer gründlicheren Widerlegung, weil er nicht so leicht wie der erste abzuweisen ist. Wir werden dabei die hierzu bereits vorgetragenen Argumente (EINSICHT I,8; November 1971; S. 35-41) nicht wiederholen, sondern einige neue zu dem gesamten Komplex vorlegen. Dabei wird von dem spezifischen Zusammenhang, den der Satz: "mein Blut ... zur Vergebung der Sünden" in der Einsetzung der Hl. Eucharistie hat, abgesehen und auch von dem Begriff des Bundes, aus dem bisher gefolgert worden ist, abstrahiert. Wir werden also nur das Leiden Ctristi am Kreuz betrachten und fragen, ob sein tatsächliches Leiden am Kreuz als Abgeschlessenes und Ganzes betrachtet ein Blutvergießen zur (= zum Zwecke der) Vergebung der Sünden aller Menschen gewesen ist.
1. Die universelle Sühne durch das Kreuzesopfer
Jesus hat sm Krenz jede Sünde gesühnt und für sie Gott Vater vollkommen, unhintergehbare Genugtuung geleistet. Wegen seiner Vollkommenheit und Unhintergehbarkeit ist dieses Opfer ein für allemal dargebracht worden, es muß ihm nichts mehr hinzugetan werden, was ihm etwa noch fehlte. Deshalb scheidet auch eine Wiederholbarkeit dieses Opfers absolut aus. Jesus hat das Höchstmaß eines Opfers dargebracht, ein Opfer, über das hinaus ein größeres und vollkommeneres Opfer nicht gedacht und nicht geleistet werden kann.
Um nun dieses Opfer in absoluter Vollkommenheit leisten zu können und um in ihm vollkommen zu sühnen und genug zu tun, mußte jede Sünde in diesem 0pfer berücksichtigt und für sie gesühnt werden. Jesus mußte hierfür um jede einzeine Sünde wissen, denn nur für das, was er weiß, kann er auch sühnen. Hätte er nicht um jede einzelne Sunde gewußt, wäre nicht alles zu Versühnende in diesem Opfer eingeschlessen gewesen urd das Sühneopfer hätte demzufolge nicht mehr vollkommen sein können, es müßte zu ihm etwas hinzugetan werden. Jesus wäre nicht ein für allemal für uns gestorben, sondern müßte nochmals für uns sterben. Gott wäre nicht universell versöhnt.
Dies schließt nun zugleich ein, daß die Sühne Jesu zeitübergreifend ist, sie betrifft nicht nur die vergangenen Sünden, sondern auch alle zukünftigen. Der Kreuzestod geschieht zwar in der Zeit, ist aber zugleich überzeitlich, weil die gesamte Zeit umgreifend und sie hintergehend. Jesus mußte damit nicht bloß um jede Sünde in seiner Sühne wissen, sondern jede Sünde mußte Ihm zugleich in ihrer Wirklichkeit präsent sein und Ihn in seinem Leiden bedrängen. Am Kreuz ist alle Geschichte Gegenwart! Die Vergangenheit ist reell präsent, die Zukunft ist reell präasent. Aufgrund der zugleich überzeitlichen Existensweise Jesu war für ihn diese Präsenz von der Vergangenheit und Zukunft auch möglich, begründet in der All-wissenheit und All-gegenwart.
Mußte nun für Jesus für eine vollkommene Sühne jede Sünde aller gefallenen Geschöpfe präsent sein, so mußte er auch um jeden Menschen in allen seinen Einzelentscheidungen sowie in seiner endgültigen Entscheidung zu Gott bzw. zu seiner Erlösung durch das Kreuz wissen. Weil am Kreuz alles Gegenwart sein mußte, mußten also schon sämtliche Stellungnahmen zu diesem Kreuze selbst für Jesus präsent sein. Jesus mußte um jeden in seiner Entscheidung für oder gegen die Erlösung arn Krenz wissen.
Nun gibt es aber laut Aussage Jesu im NT nicht nur solche Menschen, die eine endgültig pesitive Entscheidung zu Gott und ihrer Erlösung durch das Kreuz setzen, sondern auch solche, die die Sünde der endgültigen Ablehnung Gottes und ihres Heiles durch das Kreuz vollziehen. (Diese Aussage können wir begründet annehmen, d.h. glauben, auch wenn wir sie nicht im einzelnen nachprüfen können; denn Jesus ist die Wahrheit selbst, lügt also nicht, wenn er sagt, daß es so sei. Jesus sagt uns also, daß es Menschen gibt, die verdammt werden müssen, ganz gleich, wer dies nun im einzelnen sein mag).
Da nun Jesus vollkommene Sühne leistete, mußte er gerade um die definitive Entscheidung der Menschen zur Erlösung am Kreuze wissen und zugleich für die Sünde der definitiven Ablehnung des Heiles durch das Kreuz durch bestimmte Menschen Genüge leisten, bzw. für einen Sünder, der eine solche Sünde will. In das Kreuzesleiden gehen bereits alle Stellungnahmen zum Kreuze ein. Das Kreuz ist zugleich der Reflex aller Stellungnahmen zum Kreuze. Außerdem müßte ja nach der Erlösung durch das Kreuz und der Ablehnung dieser Erlösung wiederum ein neuer Versöhner auftreten und Jesus wäre nicht ein für allemal in vollkommener Weise für uns gestorben.
Das Kreuz hintergeht damit sühnend zugleich die endgültige Abletnung des Kreuzes selbst (bzw. auch alle nichtendgültigen Beleidigungen, die dem Erlöser nach der Erlösung noch angetan werden), mag diese Ablehnung zeitlich gesehen auch erst nach dem Krenzestode Jesu liegen. Im Kreuzesopfer ist alle Sünde verrechnet! Jesus sühnt also zur Versöhnung des Vaters nicht nur für die reuigen Sünder, die seine Erlösung endgültig annehmen und ihn - wenn es das gibt - nach der Zuteilung dieser Erlösungsfrüchte nie mehr beleidigen (d.h. die nie mehr sündigen), sondern auch für jene, die ihn auch nach der Zuteilung der Heilsfrüchte (durch die Taufe, Sündenvergebung im Bußsakrament, durch die Kommunion) wiederum beleidigen (d.h. wiederum in Sünden fallen); und er sühnt auch für jene, die das Heil am Kreuze überhaupt ablehnen bzw. für solche, die es nach dessen vorläufiger Annahnne und Zuteilung (in Taufe usw.) endgültig ablehnen. Jesus sühnt also auch zugleich für die verstockten Sünder, die seine Sühne für alle Ewigeit ablednen. Es gehört zum innersten Wesen des Krenzestodes, daß Jesus auch die höchstmögliche Sühne für die höchstmögliche Sünde auf sich genommen hat: daß er die Sünde des radikalen Gotteshasses, die Sünde der radikalen und endgültigen Ablehnung selbst der Erlösung am Kreuze getragen und für sie Genugtuung geleistet hat, daß also am Kreuze bereits die definitive Ablehnung des Krenzesopfors sühnend hintergangen ist. Es kann nach diesem Opfer nichts mehr auftreten, was es relativieren und zum unvollkommenen Opfer machen könnte, weil in ihm alles verrechnet ist. Andernfalls wäre es nicht die vollkommene Sühne und Genügeleistung. Gott wäre nicht mit allen versöhnt. Der Teufel, nicht nur Ankläger der Menschen, sondern der Kläger gegen Gott selbst, ist von Jesus absolut besiegt. Die Schöpfungsordnung und die Ehre Gottes sind in allem wiederum so vollkommen hergestellt, wie sie ohne die Sünde gewesen wären, und Gott ist wiederum alles in allem, mögen auch die Verdarnmten eine Existensweise gewählt haben, die sie für ewig hieraus ausschließt und einen ewigen Defekt der Schöpfung Gottes und eine ewige Verletzung seiner Ehre nach sich zu ziehen scheint. Doch ist dies nur ein Schein! Gott ist in allem durch Jesus versöhnt und gerechtfertigt, mag es auch de facto eine ewige Hölle geben. In Wahrheit existiert doch nichts anderes als die Liebe, weil die Liebe auch durch eine absolute Sünde, den absoluten geistigen und moralischen Tod, den Tod der Seele, nicht getötet und in ihrer Rechtsgültigkeit nicht aufgehoben wird. Christus ist der, der die Sünde trägt und hinwegnimmt (doppelte Bedeutung des tollere peccata mundi). Dieses Hinwegnehmen ist reell gemeint, auch wenn es eine ewige Hölle gibt. Jesus stellt die Ehre Gottes und den Frieden der Menschen mit Gott und Gottes mit den Menschen sowie der Menschen untereinander, soweit sie guten Willens sind, wieder her. Der Sinn der Schöpfung ist durch ihn vollkommen erfüllt.
2. Konsequenzen für den Zweck desKreuzesopfers: die Sündenvergebung.
Aus obigen Darlegungen sind nun hinsichtlich des zweiten Zweckes des Leidens Christi, der Sündenvergebung und heilswirksamen Erlösung, folgende Konsequenzen zu ziehen.
Zuerst eine Prage: Auf wessen Sündenvergebung kann das Leiden Christi als Ganzes noch abzielen, nachdem es bereits jede reactio auf das Leiden selbst berücksichtigt hat und hier die endgültige Ablehnung der Heilswirksamkeit dieses Leidens durch bestimmmte Menschen tragen muß? '
Hierauf bleibt nur eine einzige, einsichtig zu begründende Antwort übrig. Mit der Sühne für die Sünde der Ablehnung des Kreuzestodes ist das Leiden beendet. Diese Sühne ist der letzte Akt des Leidens, Jesu völlige Verlassenheit, d.h. stellvertretend für gewisse Geschöpfe eine absolute moralische Verurteilung durch Gott tragen zu müssen, sich stellvertretend zum geistigen Tod verurteilen lassen zu müssen, ohne weitere Berufungsmöglichkeit. Jesus konnte zwar diese seine moralische Verurteilung für sich selbst noch hintergehen (weshalb er sie auch alleine stellvertretend sühnen konnte), denn er wurde ja sowohl zum Sünder gemacht und von Gott als solcher behandelt, doch nicht zum Sünder. Er bewahrte selbst hier die vollkommene sittliche Liebe! Weil für Jesus die endgültige moralische Verurteilung nicht unhintergehbar ist, wird sie von ihm auch stellvertretend gesühnt. Für die Geschöpfe jedoch, für die er diese Verurteilung stellvertretend tragen muß, ist sie endgültig. Jesus kann damit dieses Tragen der absoluten moralischen Verurteilung nur noch Gott als Opfer darbringen, er kann jedoch die Früchte dieses Ertragens nicht mehr den Betreffenden zuteilen.
Der letzte Akt des Leidens Christi bezweckt damit nicht mehr die Sündenvergebung für den, der die endgültige Ablehung des Kreuzesopfers setzt und die Ursache für die genannte Art höchstmöglichen Leidens wird. Das tatsächliche Leiden Christi, von seinem Abschluß her und seiner Vollendung, also in seiner Ganzheit betrachtet, ist also nicht ein Leiden, ein Blutvergießen zum Zwecke der Vergebung der Sünden aller Menschen, d.h. einschlieBlich der Verdammten. Denn der Zweck der Sühne für einen Menschen, der definitiv diese Sühne ablehnt, und der Zweck der Sühne. in der diese Ablehnung als endgültige mitverrechnet ist, kann nicht mehr die Sündenvergebung für den betreffenden Menschen sein, weil eine Sündenvergebung oder ein Angebot zu einer solchen aufgrund dieser endgültigen Ablehnung gar nicht mehr möglich sind. Jesus kann in seinem tatsächlich sich vollziehenden Leiden, wenn es als abgeschlossenes, vollendetes Leidcn betrachtet wird, die universale Sündenvergebung für alle Menschon nicht mehr bezwecken bzw. diesem Zweck durch ein entsprechendes Angebot Ausdruck verleiben.
Jesus ist vielmehr nur für den endgültig gutwilligen Teil der Menschen zur Sündenvergebung gestorben, nicht aber für den endgültig böswilligen. Die gegenteilige Behauptung: sanguis effundetur pro omnibus in remissionem peccatorum (das Blut wird vergessen für alle zur Vergebung der Sünden), enthält einen Widerspruch. Denn der Zweck der Sühne für eine nicht vergebbare Sünde kann nicht die Vergebung bzw. das Angebot zur Vergebung dieser nicht vergebbaren Sünde sein. Ein solcher Zweck wäre in sich widersprüchlich. Der Zweck des tatsächlich von Jesus vergossenen Blutes kann also nicht mehr eine universale Heilswirksamkeit und eine universale Sündenvergebung sein.
Zwar muß man, wenn man den Willen Jesu Christi für sich betrachtet, behauten, daß Jesus für alle Menschen zur Vergebung ihrer Sünden, soweit sie vergebbar sind, leiden wollte, denn der Heilswille Gottes und Jesu Christi ist grundsätzlich nicht beschränkt, sondern universal. Jesus wollte, soweit es an ihm liegt, daß der Zwack seines Leidens die Sündenvergebung für alle Menschen sei. (Vgl. 1 Tim. 2,1-4)
Doch die Art und Weise, wie Jesus tatsächlich leiden und sterben muß, hängt nicht mehr alleine von seinem Willen ab. Nur den ersten Willensentschluß, für alle Menschen zur Vergebung ihrer Sünden leiden zu wollen, kann Jesus - nachdem die Sünde geschehen war - für sich alleine und unbedingt, d.h. ohne weiter hinzukommende Bedingungen von seiten des sündigen Menschen, fassen. Den zweiten Willen, den er in seinem tatsächlichen Leiden setzt und der die Art und Weise seines tatsächlichen Leidens umfaßt, kann er nicht mehr unbedingt, sondern nur unter weiteren Bedingungen setzen. Denn er muß für alle Sünden sühnen. Die Art und Weise des Leidens und der Sühne hängt also davon ab, welche Sünden die Menschen in ihrer Freiheit setzen. Nun wollen aber gewisse Menschen auch eine absolute Sünde. Diese absolute Sünde besteht in der definitiven Ablehnung Gottes und der Erlösung durch Jesus Christus. Weil Jesus nun auch für diese Sünden sühnen muß, kann er seinen ersten Willen, für alle zum Zwecke der Vergebung ihrer Sünden sühnen zu wollen, in der Vollendung seines tatsächlichon Leidens nicht mehr realisieren. Sein erster Wille, universal für alle Menschen zur Vergebung ihrer Sünden leiden zu wollen, wird also durch die Art der Sünden, die die Menschen setzen, eingeschränkt: er ist aufgrund der absoluten Sünden gewisser Menschen im tatsächlichen Leiden nicht mehr vollkornmen, sondern nur noch zum Teile realisierbar. Jesus ist also tatsächlich nur für einen Teil der Menschen zur (= zum Zweck der) Sündenvergobung gestorben, für den anderen Teil ist er nicht zur Sündenvergebung, sondern zur Behaltung ihrer Sünden, d.h. zum Gerichte gestorben.
Entsprechend dieser vom hl. Thomas von Aquin entwickelten Theorie vom ersten, unbedingten, und vom zweiten, bedington Willen muß man auch eine Stufung und Unterteilung des Leidens am Kreuze vornehmen. Es gibt eine Phase des Leidens Jcsu am Kreuze (wobei Phase nicht primär zeitlich verstanden werden muß, sondern im Sinne einer begrifflichen Unterscheidung zu denken ist, die dann allerdings ein zeitliches Nacheinander zur Folge hat), die ein universelles Angebot zur Sündenvergebung an alle Menschen enthält, worin jedoch nur vergebbare Sünden eingeschlessen sind bzw. dementsprechend die Umkehr aller noch vorausgesetzt wurde.
Im ersten unbedingten Willen, den Jesus in einem ersten Teil seines Leidens realisiert, muß eine universale Sündenvergebung an alle angeboten gewesen sein, denn nur was angeboten ist, kann auch abgelehnt (bzw. angenommen) werden. Nur wem die Erlösung durch das Kreuzesoptcr angeboten war, der konnte sie auch endgültig ablehnen. Die Ablehnung setzt also ein Angebot mit dem in ihm ausgedrückten Zweck universaler Sündenvergebung für alle voraus. Von einem Teilaspekt des Opfers kann man also durchaus behaupten, in ihm lioge der Zweck universaler Sündenvergebung. Man kann dies jedoch nicht mehr vom vollendeten Opfer behaupten. Der Möglichkeit nach hätte zwar auch das vollendete Opfer ein Opfer zur Sündenvergebung aller sein können und diese Möglichkeit hätte auch tatsächlich realisiert werden können, wenn alle Menschen sich von Jesus hätten erlösen lassen wollen. Doch da dies nicht alle wollen (mysterium iniquitatis), kann nicht mehr diese Möglichkeit, sondern nur noch eine andere tatsächlich verwirklicht werden, nämlich nur die Möglichkeit eines Leidens mit der Realisierung des Zweckes der Sündenvergebung für nur viele!
Nur der vorletzte Akt des Kreuzesopfers ist also ein Angebot mit dem Zwecke universaler Sündenvergebung, nicht aber der letzte, dieses Opfer vollendende Akt. Im letzten Akte vollzieht sich die Entgegennahme aller von Jesus vorhergesehenen Stellungnahmen zu diesein Opfer. Der leidende Jesus muß hier zweierlei endgültige Stellungnahmen entgegennehmen: eine ihn in seinem Leiden tröstende und eine andere, in neues unüberbietbares Leiden stürzende. Die Tröstende von denen, die sich im Blute des Lammes waschen und reinigen lassen und denen das Opfer die Heilsfrucht der Erlösung bringt. Die von neuem und unüberbietbar verletzende, ja tötende Stellungnche von denen, die die Erlösungskraft des Blutes und die Liebe des Erlösers verächtlich schmähend von sich weisen, repräsentiert durch Judas, die Hohenpriester, den Hohen Rat, das ungläubigc Judenvok, ferner durch Herodes, durch Pilatus, den judex injustus, und die sich nicht bekehrenden Henkersknechte und Schergen.
Beide Gruppierungen, diese zweierlei Art von Menschen samt dem Leiden, das sie Jesus verursachen, sind auch auf Golgotha durch die Kreuzigung Jesu zwischen den beiden Schächern exemplarisch vor Augen gestellt. Der eine bittet um Vergebung seiner Sünden, der andere flucht und spottet über Jesus; der eine bedeutet für Jesus - trotz aller Bitterkeit die auch er ihm bereitet - ungemeinen Trost, der andere jedoch ist ihm nur Essig und Galle; die Ablehnung des Kreuzesopfers unmittelbar in das Angesicht des Oferers hinein. In beiden Schächern also kommt bereits die Reaktion aufs Kreuzesopfer auf dieses Opfer selbst zurück und wird in es mithineingenommen, und zwar exemplarisch für die gesamte Menschheit: denn mit beiden Schächern ist exemplarisch ausgedrückt, daß hier die ganze Menschheit ans Krenz geschlagen ist und es für keinen ein Entrinnen gibt; daß jedem das Kreuz auferlegt wird und er dazu Stellung nehmen muß und auch nimmt: daß die einen - wie der reuige Schächer - es annehmen und mit Jesus tragen zur Sühne für ihre und aller Sünden, zur Versöhnung Gottes und zu ihrer Erlösung, die anderen - wie der reulose Schächer - es von sich weisen, es aber trotzdem nicht abschütteln können, sondern es durch diese Abweisung gerade unerlöst in Ewigkeit als ihr Gericht tragen müssen. Und diese Anmahme bzw. Abweisung von allen, wie sie für Jesus am Kreuz präsent sind, kommt in beiden Schächern exemplarisch für die Menschheit auf das Leiden Jesu zurück. Eines jeden Anteil an diesem Opfer durch seine Sünde, sei es ursprüglich vor Kenntnis dieses Opfers oder sei es als Realtion auf es bzw. unter seiner Voraussetsung, ist damit in dieses Opfer eingegangen. Keiner kann dieses Opfer mehr hintergehen durch seine Sünden und seine Ablehnung, es kann jeder für sich nur noch bestimmen, ob er zur Rechten oder zur Linken gekreuzigt sein will. Für Jesus hingegen ist dies immer schon bestimmt, weil für ihn alles zugleich zeitübergreifende Gegenwart ist, und als dieses in sein Opfer eingeht.
Von Jesus her geschen ereignet sich damit im Kreuzesopfer absolut Endgültiges. Verborgen ist im Kreuzesopfer bereits das Gericht. Damit sind Reue bzw. Reuelosigkeit der Schächcr für uns exemplarisch für die reelle Präsenz der jeweils so oder so ausfallendon endgültigen Entscheidung eines jeden Menschen, wie sie für Jesus Kreuzesopfer im einzelnen bewußt sind und sich in seinem Leiden auswirken. Ebenso sind die Verheißung für den rechten Schächer einerseits und der ungestillte Durst Jesu andererseits, der nach Bekehrung des anderen dürstet, jedoch mit Essig und Galle (dem Ausdruck der Ablehnung des Kreuzesopfers angesichts dieses Opfers selbst) 'gestillt' wird, der exemplarische Ausdruck für die zwei Arten von Leiden, die die Menschen Jesus bereiten und worin sie von Jesus im Einzelnen als solche erkannt und geschieden sind. Und drittens sind für uns die Begnadigung bzw. Nichtbegnadigung der beiden Schächer durch Jesus die exemplarisch. Vorwegnahme von Erlösung bzw. Verurteilung, Vergebung bzv. Nichtvergebung (Behaltung) der Sünden aller Menschen, wie sie von Jesus bzgl. jedes Einzelnen durch das Krcuzesopfer bereits universell realisiert und dann im Goricht sichtbar werden.
Für einen Teil der Menschen setzt Jesus im Kreuzestod bereits eine anbsolute Verurteilung, wie er für den anderen Teil deren absolute heilswirksame Erlösung setzt. Das Krenz selbst ist der Ort der Scheidung, es ereignet sich hier Endgültiges, das in seiner Endgültigkeit und Abgeschlossenheit einen Raum für ein Angebot oder einen Zweck universeller Sündenvergebung nicht mehr offen läßt. Das Kreuz ist damit bereits Gericht - wenn auch noch nicht allseitig und universell sichtbar -, denn es ist in ihm alles verrechnet, sowohl von seiten der guten wie der schlechten Menschen, ja aller Geschöpte überhaupt. So schreibt der hl. Augustinus: "Das Kreuz selbst war, wenn du achtgibst, der Richterstuhl. In der Mitte nämlich stand der Richter; der eine Schächer, der glaubte, wurde freigesprochen, der andere, der höhnte, wurde verurteiltG. Das zeigte schon an, was Er mit den Lebenden und Verstorbenon tun wird: die einen stellt er zur Rechten, die anderen zur Linken." (Tract. in Evang. Joh. Nr 31)
Mian kann etwas Endgültiges - und das ist das Krenzesopfer, zeitübergreifend und vollendet, als Totalität betrachtet - nicht zum Vorläufigen machen, ohne es als Endgültiges aufzubeben. Man kann deshalb mit dem Krenz in seiner Totalität (ebenso - wie gezeigt - mit dem vollendeten ewigen Bundesschluß) nicht ein Angebot für eine neue Stellungnehme und damit ein Angebot zur Sündenvergebung für alle verbinden, wenn die Möglichkeit für ein solches Angebot bereits dadurch unüberholbar hintergangen ist, daß im Kreuz jede mögliche Stellungnahme als solche verrechnet und darin als gute endgültig angenommnen oder als böse endgultig abgewiesen ist. Ein Drittes ist darüber hinaus nicht mehr denkbar: tertium non datur. Damit gehört es unaufheblich und endgültig zum Wesen des am Krenz von Jesus vergessenen Blutes, für einen Teil der Menschen zur endgültigen Verurteilung und damit nicht für alle Menschen zur Vergebung der Sünden vergossen worden zu sein. Die Aussage, Jesu Blut sei für alle vergessen zur Vergebung der Sünden, enthält, wenn man sie vom Kreuzesopfer in seiner Abgeschlossenheit, Vollendetheit und Totalität macht, einen Widerspruch: und zwar einen Widerspruch gegen die Bestimmung, das Blut sei für einen Teil der Menschen zum Gerichte (im Sinne der Verurteilung) vergessen. So finden wir auch im Neuen Testament keine Aussage, in der die oft gemachte Behauptung, Jesus sei für alle Menschen gestorben, verbunden würde mit der Aussage des Zweckes des Kreuzesopfers: "zur Vcrgebung der Sünden". Nur von der dem ersten, unbedington Willen Jesu entsprechendon Phase des Kreuzesopfers, in der noch nicht jegliche Stellungnahme verrechnet ist, könnte man eine solche Aussage ohne Widerspruch machen. Dann aber würde man nicht mehr über das Krenzesopfer als vollendete Ganzheit aussagen, in der jegliche Stellungnahmo verrechnet ist.
Man darf sich hier nicht dadurch verwirren lassen, daß für uns aufgrund unserer beschränkicn Sichtweise die Endgültigheit des Gcrichtes durch das Kreuz noch nicht universell sichtbar ist, sondern für unsere Sichtweise noch ständig die erste Phase des Angebotes zur Sündonvergebung (als das dom unbodingten ersten Willen Jesu entsprechende) unterschiedslos für letzlich Varurteilte und Nicht-Verurteilic mitläuft. Denn es müssen erst alle Phason des Kreuzesopfers und alle Stellungnanen zu ihr durch die Zeit hindurch sichtbar worden' bis alles vollendet ist und die Totalitat des Kronzesopfers uch in der Zeit sichtbar eintritt, nämlich im Gericht, wenn dieses Opfer nicht nur unsichtbar vollendet ist, sondern auch als vollendet allseitig erscheint; wenn Jesus alle seine Opferakte als auf die gesamte Gcschichte und alle Stellungnahmen geschlüsselt erscheinen läßt, sein Opfer sichtbar als vollendet erweist, vom Kreuze herabsteigt und Abrechnung hält, d.h. jedem das endgültig zuteilt, was er entsprechond dem, was von ihm in diesem Opfer bereits verrechnet werden mußte, verdient. - Alle Verwirrungen kommen hier dadurch, wenn man bei der begrifflichen Konstuktion des Wesens des realisierten Kreuzesopfers unsere zeitbedingte Sichtweise nicht abhält, sondern diese der Konstruktion des Wesens beimengt: wenn man die wahre Realität von ihrer Erscheinungsweise nicht unterseheidet. (Dies gilt auch für die Satisfaktion am Krenzc selbst, die sich ja in zeitlieh differenten Phason realisiert hat, obwohl andererseits Jesus schon immer in der Totalität ihrer Realisierung stand und diese Totalität, die letzlich wahre Ansicht der Sache ist, die alle zeitliche Aufsplitterung ihrer selbst in sich in ungeschiedener Einheit zusammcnhält). Man muß also die zeitlichen Phascn immer von der Totalität her bestimmen und darf sie nicht verselbständigen geschweige denn die Totalität der zeitlichen Sicht unterwerfen, weil das Unzeitlichc absolute Priorität hat und die zeitliche Aufspaltung in eine Reihe von Momenten nur die Aufspaltung dieser Totalität selbst ist. Man darf deshalb auch nicht bestimmte Phasen gleichwertig neben die Totatität setzen, weil sie ja alle Phasen umfaßt und selbst nicht nur Phase ist, sondern das Endgültige, das alle Phasen loziert, mag es auch als Endgültiges innerhalb der Zeit als Phase auftreten, nämlich als die Schlußphase, in der die Totalität selbst zeitlich sichtbar wird: dem Gericht, weshalb auch hier die Zeit endgültig vollendet ist und damit das Endgültige aus der zeitlichen Phase in die Ewigkeit übertritt, es zum Gleichklang von Zeit und Ewigkeit kommt: das Gericht als endgültige Rechtfertigung bzw. endgültige Verurteilung, als Einzug in den Hmmel bzw. als Verstoßenwerden in die Hölle, als Ende der Tage des Wirkens.
3. Anwendung auf die Konsekrationsformel über den Kelch
Wenden wir nun obige Ausführungen auf das Hl. Abendmahl und das Hl. Meßopfer an.
Wie auf Golgotha, wird auch beim Abendmahl exemplarisch eine definitive Scheidung vollzogen: die Scheidung zwischen denen, die das Leiden Christi als ihr Heil annehmen und dem, der es definitiv in seiner sündenvergebenden Kraft ablehnt: zwischen den hl. Aposteln und dem verlorengehenden Judas, dem Sohn des Verderbens, für den es besser wäre, er wäre nicht geboren worden. "Auch ihr seid rein, aber nicht alle. Er wußte nämlich um seinen Verräter; darum sagte er: nicht alle seid ihr rein". (Joh. 13,10-11)
Weil nun das Hl. Abendmahl die unblutige Vorwegnahme des Kreuzesofers Christi ist und das Wesen der hl. Messe in der unblutigen Wiedererneuerung des Kreuzesofers bestebt, so müssen beide das Kreuzesopfer und das am Kreuz zu vergießende bzw. vergossene Blut in der oben bestimmten spezifischen Qualität, d.h. in seiner Ganzheit und Vollendetheit, gegenwärtig setzen. In ihnen muß das Blut Christi als teilweise (zwar nicht vor Gott hinsichtlich der Satisfaktion, wohl aber für die betreffenden Menschen) vergeblich vergossen, als richtendes und verurteilendes, als die Sünden behaltendes und als den endgültigen Gotteshaß sowie die Ablehnung des Kreuzes sühnendes Blut gegenwärtig gesetzt und aufgeopfert werden. Da dieses Blut nun nicht, wie gezeigt, für alle Menschen zur Vergebung der Sünden vergossen werden konnte, so folgt, daß mit der Formel "mein Blut ... für alle zur Vergebung der Sünden" nicht mehr das am Kreuz vergossene Blut gegenwärtig gesetzt werden kann, weil diese Formel etwas anderes bezeichnet als das am Kreuz vergossene Blut. Wenn Jesus sagt: "Dies ist mein Blut", so ist das Gericht, welches in diesem Blute für bestimmte Menschen liegt sowie seine Sühne nichtvergebbarer Sünden darin eingeschlosson und konsequenterweise notwendig die universale Heilsfinalität von ihm als Totalität ausgeschlessen. Das Bundesblut wird also bereits beim Kreuzesopfer gesetzt, weil im Kreuzesopfer alle Stellungnahmen verrechnet sind.
Dem Einwand, daß Jesus seine Aussage "Dies ist mein Blut" nicht im absoluton Sinne vom vollendeten Kreuzesopfer, sondern nur im relativen Sinne von dem seinem ersten unbedingten Willen entsprechenden Stadium oder Teil dieses Opfers verstehe, muß hier erwidert werden: dies ist unzutreffend, weil die Hl. Messe nicht einen Teil des Kreuzesopfers darstellt, sondern der sakramentale Vollzug des ganzen Opfers ist! Wie in der Hl. Messe der totus Christus (der ganze Christus unter jeder Gestalt ungcteilt) gegenwärtig wird, so wird auch seine tota passio (sein ganzes Leiden) gegenwärtig und vollzogen: das vollkommene Opfer dem nichts mehr hinzuzufügen ist. Deshalb muß es in Verbindung mit der im absoluton Sinne gemeinten Aussage "Dies ist mein Blut" auch heißen: "Das (nur) für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden".
Nur im relativen Sinne könnte es heißen: "mein Blut für alle zur Vergebung der Sünden", d.h.: aus der Sicht der Sünder, die sich selbst nicht in ihrer letztlichen Entscheidung wissen und in Bezug auf sich das Opfer noch als Angebot betrachten (dies gilt für beide, sowohl für die letzlich Guten wie die letztlich Schlechten); und das heißt zweitens aus der Sicht Jesu bctrachtct im Sinne seines ersten unbedingten Willens zum Opfer, in dem noch nicht jede reactio auf das Kreuzesopfer selbst verrechnet ist.- Doch ist dieser relative Sinn von der Messe als der sakramentalen Wiedererneuerung des Kreuzesopfers in seiner Totalität nicht gemeint; er ist darin zwar als Teilmoment enthalten aber zugleich durch die endgültige Setzung, die alles verrechnet, hintergangen. Und mit dieser endgültigen Setzung, der Totalität, als dem allseitig bereits realisierten Zweck (nicht dem erst zu realisierenden und darin angebotenen Zweck) kann allein die Aussage vom Blut für viele zur Vergebung der Sünden verbunden werden.
Infolgedessen nun sind in den nationalsprachlichen Kelchformeln des Novus Ordo mit 'für alle' entweder nicht alle Stellungnahmen aller Menschen verrechnet, so daß nicht die tota passio gegenwärtig gesetzt und vollzogen wird und damit das hier ausgesagte Blut Christi nicht ein Blut ist, das das vollkommene Opfer und die vollkommene Sühne, auch für die höchstmögliche Sünde der Menschen, enthält. Dies widerspricht der Meßopferlehre der katholischen Kirche, wonach beim Meßopfer die tota passio als Ganzopfer vollzogen wird. Es widerspricht ferner dem Begriff des ewigen Bundes in dem die Verrechnung sämtlicher Stellungnahmen zum Kreuzesofer behauptet und die negativen ausgeschlossen werden. Oder - die andere Möglichkeit -: wird unter der Aussage "Dies ist mein Blut" die tota passio verstanden, in der sämtliche Stellungnahmen verrechnet sind, so wird mit der damit verbundenen finalen Aussage eines universellen Erlösungszweckes dieses Blutes ("für alle vergossen zur Vergebung der Sünden") ein Widerspruch gegen den nicht mehr universellen Erlösungszweck dieses Blutes gesetzt. Es wird hier die Neueröffnung einer universellen Heilswirksamkeit durch dieses Blut ausgesagt, obwohl dies in diesem Blute bereits ausgeschlossen ist.
In beiden Fällen wird versucht, ein Blut Christi kraft der Konsekrationsform zu setzen, das nicht das Blut Christi ist. Daß damit kraft der verfälschten Kelchformel des Novus Ordo Missae keine Konsekration zustandekommen kann, liegt außer jedem Zweifel, weil durch einen Widerspruch nichts bewirkt werden kann, da er selbst gar nicht durchführbar ist und Jesus die Wahrheit selbst, durch einen Priester, der einen Widerspruch kraft der Form zu setzen versucht, nicht mehr verwandelnd handeln kann und will.
Damit ist nun auci der zweite der obigen Einwände widerlegt, und zwar schon ohlle ausdrücklich auf den Begriff des Bundes in der Klechformel rekurrieren und aus ihm folgern zu müssen.
Schluß
Anmerkung: Am Ende der sich nun über dreieinhalb Jahre erstreckenden Artikelfolge über das Bundestlut sei nicht versäumt, auf die kleine Schrift von Wigand Siebel: "Liturgie als Angebot" Berlin (Morus-Verlag) 1972 zu verweisen und daraus die Ausführungen von Kapitel 4: "Liturgie für alle" zu zitieren. Siebel komnnt hier, ohne die Ausführungen dieser Artikelfolge gekannt zu haben, aus der inneren Konsequenz des Bundesbegriffes zu denselben Resultaten, wie es bei systematischer Erfassung dieses Begriffes und der inneren Konsequenz des Bundes nicht anders möglich ist. Diese Übereinstimmung ist sehr beglückend, weil sie zeigt, wie systematisches Denken unabhängig von gegenseitiger Beeinflussung immer zu denselben Resultaten führen muß, und man sich deshalb keine bessere Bestätigung der eigenon Ausführungen wünschen kann als die, daß sie von einem anderen in derselben Weise selbständig gefunden werden: Siebel schreibt:
"Eine zweite wichtige Signatur hat die neue Liturgiepastoral jedenfalls im deutschen, abor auch im englischen, spanischen und italienischen Sprachbereich gefunden, nämlich in einer Änderung der Wandlungsworte der Mcsse. Auch hier handelt es sich um eine richtungsweisende Änderung. Im Zentrum der Messe waren die Wandlungsworte bisher derart vorgeschrieben, daß es hieß: "Das ist der Kelch des neuen uad ewigen Bundes, mein Blut, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden". Statt für "euch und für viele" (pro vobis et pro multis) wurde eingesetzt "für euch und für alle". Auch diese Änderung enthält eine programmatische Neuorientierung, auch wenn das Bewußtsein davon noch wonig vorbreitet ist.
Die Änderung der Wandlungsworte wird zumeist als eine Rückführung der Wandlungsworte auf ihren eigentlichen Sinn interprctiert. Es ist gewiß richtig, daß Christus für alle Menschon gestorbon ist. Aber ebenso richtig ist, daß er seine Kirche als Gemeinschaft der Auserwählten und als Nachfolger des Alten Bundes eingesetzt hat. Damit ist gesagt, daß diese Kirche niemals alle Menschen umfaßt. Im Hinblick auf diesen Bund, d.h. auf diejenigen, die sein Angebot annehmen, also im Hinblick auf das realisierte Heilswerk gilt: Christus hat sein Leben hingegeben als Lösepreis für viele. Beide theologischon Aussagon finden sich in der Bibel. Die Aussagen,daß nur ein Teil der Menschen wirklich gerettet wird, sind jedoch sehr viel häufiger als die Feststellungen des allgemeinen Heilswillen Gottes. Es ist daher nicht gleichgültig, welche der beiden richtigen theologischen Aussagen an einem bestimmten Platz steht. In den Wanldlungsworten geht es um den Bund in Christi Blut, und deshalb kann an dieser Stelle keinesfalls "alle" stehen.
An keiner Stelle der Bibel ist im Zusammenhang mit den Wandlungsworten von allen Mensehen sehlechthin die Rede. Lukas (22,19f.) und Paulus (1. Kor. 11,24) haben "für euch". Damit sind sicher zunächst die Anwesenden angesprochen' aber gemeint sind nicht nur diese, sondern "der Neue Bund in meinem Blut", dessen Vertreter die Anwesenden sind. Markus (14,24) und Matthäus (26,29) überspringen dieses Verhältnis der anwesenden zu den abwesenden Bundesmitgliedern und sprechen unmittelbar von "vielen", nämlich von denen, die das Angebot der Bundesmitgliedschaft von Gott annehmen. Es ist daher überaus sinnvoll, wenn die Wandlungsworte in der lateinischen Messe beide Darstellungsweisen zusammenfassen und von "für euch und für viele" (pro vobis et pro multis) sprechen. Tauscht man diese Form gegen "für euch und für alle" ein, so ist "für euch" überflüssig. Die besondere Erwähnung der Anwesenden könnte entbehrt werden, da die Anwesenden jedenfalls zu "allen" gehören.
Durch die neue Übersetzung wird die heilige Messe als Bundesfest der Christen in ihrem Kern in Frage gestellt. Das gewandelte Brot ist nämlieh der Leib Christi, und der gewandelte Wein ist das Bundesblut. Primär ist damit gesagt, dass Christus selbst mit Fleiseh und Blut, Gottheit und Menschheit gegenwärtig ist, und zwar als der sieh am Kreuz Opfernde. Aber das Opfer Christi ist zugleich Besiegelung eines Bundes Gottes mit den Menschen. So wie der Alte Bund durch Blut besiegelt wurde (Ex. 24,8), so auch der Neue, nämlich durch das Blut des Sohnes Gottes. Wenn aber Christi Blut als das Bundesblut zu verstehen ist, das den Bund besiegelt, so ist der Leib Christi als der Bund zu verstehen, der die Besiegelung mit dem Bundesblut gilt, nämlich als die Kirche. Deshalb wird die Kirche zu Recht als "Leib Christi" bezeichnet (z.B. 1. Cor. 12,27)
Für diese beiden Sichtweisen hat das "Brotbrechen" in der Messe zentrale Bedeutung. Mit dem Brechen des Leibes Christi wird nämlich die Gliedschaft der Gläubigen an dem einen Leib, nämlich in der Kirche, auegedrückt: Jedes gebrochene Stück bezeichnet ein Glied des Leibes Christi. Die Feier des Meßopfers - und darin besonders die Kommunion - ist daher für den Christen die Einigung in der Kirche und zugleich in ihrem Haupt, Christus. Nichts Kann also die Kirche besser darstellen als das "Brotbrechen", in dem das Kreuz von Golgatha als Siegeszeichen aufleuchtet. Mit Recht bezeichnete deshalb die frühe Kirche das gesamte Meßofer als "Brotbrechen", weil in ihm die Gliedschaft jedes einzelnen Gläubigen als Leib Christi zum Ausdruck kommt.
Die allgemeine Heilsabsicht Gottes ist Voraussetsung für die Existenz des Bundes und für die Feier des Bundesfestes. Das wird dadurch bestätigt, daß Christus "für alle" gestorben ist. Auf Grund dieser Tatsache ergeht das Angebot an jedermann, in den Bund mit Gott einzutreten. Der Bund der Gläubigen mit Gott ist aber mehr als das Angebot, nämlich realisierte Gottesgemeinschaft und damit Vorwegnahme des Himmels. Gerade deswegen schenkt sich Christus denen, die dem Bund angehören, auf dem Altar. Die Worte "Dies ist der Kelch des neuen und ewigen Bundes" und "Mein Blut, das für "alle"vergessen wird, hintereinander gereiht, ergeben im Zentrum der Meßfeier einen Widerspruch, der nur deshalb nicht erkannt wurde, weil die Meinung, daß die Angebotshaltung entscheidend die Liturgie bestimme, bereits so weit verbreitet ist. In aller Klarheit sagt Paulus (1. Kor. 10,16-17): "Ist der Segenskelch, den wir segnen, nicht die Gemeinschaft des Blutes Christi? Ist das Brot, das wir brechen, nicht die Gemeinschaft des Leibes Christi? Weil es ein einziges Brot ist, das wir essen, sind wir vielen ein einziger Leib; denn wir alle haben Anteil an dem einen Brot."
Durch die fragwürdige Übersetzung wird zugleich die Messe als Opfer problematisch. Wenn Brot und Wein die Opfergaben des Neuen Bundes sind, die sich in das vollendete Opfer, nämlich in Christus, wandeln, so wird die Hingebe der Gemeinde und zugleich der Kirche in diesem Akt stets neu vollzogen. Keinesfalls wird diese Hingabe im Opfer von der Menschheit (von "allen") vollbracht, sondern nur von den gerade hierin ihre Einheit findenden Auserwählten.
Der öfter geäußerton Meinung, daß die Wandlungsworte "kein Lehrstück" darstellten, muß also entschieden widersprochen werden! Hier wie an keiner anderen Stelle geht es um eine zentrale Aussage über das Glaubensgeheimnis. Die Falschübersetzung zerstört diesen Zusammenhang. |