WAS WAR AM ANFANG?
von Walter W.E. Dettmann
Der Münchener Universitätsprofessor Dr. Jesef Pascher, der schon vor dem sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzil auf der Seite derer stand, die das hl. Meßopfer verändern wollten, versuchte jetzt, sich über die "liturgische Willkür" der modernen Geistlichen zu beklagen. Unter dem Titel "Die Tragweite liturgischer Willkür" stellte er unter anderem fest, daß das Verhalten der modernen Geistlichen eine "Mißachtung der Kirche" und ein "Verstoß gegen die kirchliche Einheit" ist.
Die Klage des Herrn Prof. Pascher gegenüber seinen geistlichen Kollegen ist aber wirkungsles. Denn sie beginnt mit folgenden fünf Sätzen:
"Wir wissen, daß am Anfang der Liturgiegeschichte die freie Improvisation stand. Der Bischof formulierte nach freiem Ermessen die Gebete. Nur gewisse Grundstrukturen müssen sehr früh verbindlich gewesen sein. Vor allem verlangte jede Eucharistiefeier eine Danksagung. Sehr früh, vielleicht von Anfang an, schloß sich an die Danksagung der Einsetzungsbericht an..." (vgl. "Klerusblatt", 54. Jahrgang, Nr.1 vom 15.Januar 1974, S.15)
Diese ersten fünf Sätze des Herrn Prof. Pascher machen nicht nur seine ganze folgende Klage über die liturgische Willkür der heutigen Geistlichen wirkungsles, sondern sie lassen auch wie mit einem Vergrößerungsglas den ungeheuren Irrweg der angeblichen Liturgiereform des sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzils erkennen. In den ersten beiden Sätzen sagt Prof. Pascher: "Wir wissen, daß am Anfang der Liturgiegeschichte die freie Improvisation stand. Der Bischof formulierte nach freiem Ermessen die Gebete".
Darauf entgegnen wir: Es handelt sich für uns nicht bloß um eine sogenannte Liturgiegeschichte, sondern es handelt sich um die Frage nach dem hl. Meßopfer. Es geht um die Frage, ob unser Herr Jesus Christus sich selbst täglich auf unblutige Weise durch die Hand des Priesters dem himmlischen Vater aufopfert oder nicht. Auch Herr Prof. Pascher muß sofort sehen, daß am Anfang des hl. Meßopfers auf keinen Fall die freie Improvisation stand.
Wir gläubigen Katholiken wissen, daß am Anfang der sog. Liturgiegeschichte ganz andere Dinge standen, nämlich:
1. All das, was Jesus Christus über das wunderbare Manna seines Fleisches und Blutes sagte bis zu seinem Befehl: "Tut dies zu meinem Andenken";
2. Die Erleuchtung der Apestel und der Gläubigen durch den Heiligen Geist am ersten Pfingstfest;
3. Der auf der genauen Nachahmung Jesu beruhende feste Ritus bei der Feier des Brotbrechens;
4. die vollkommene Einheit aller Apestel und Gläubigen; denn es heißt in der Apestelgeschichte: "Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele" ("multitudinis autem credentium erat cor unum et anima una", Apg. 4,32). Diese vollkommene Einheit aller Apestel und Gläubigen herrschte selbstverständlich am meisten bei der eigentlichen Feier des Brotbrechens, sodaß dert eine sogenannte freie Improvisation gemäß der Vorstellung des Herrn Prof. Pascher sicher nicht in Frage kam.
5. Am Anfang stand bei allen Apesteln und Gläubigen die tiefste Ehrfurcht vor dem göttlichen Geheimnis. Diese Ehrfurcht ist heute weder bei Paul VI. noch bei der überwiegenden kehrheit der Bischöfe vorhanden, was durch die vielfach geänderten Wandlungsworte bewiesen wird.
Bei den Versammlungen der Gläubigen gab es anfangs viele prophetisch redende und vom Heiligen Geist erfüllte Personen. Aber deren Auftreten hatte mit einer "freien Improvisation" der Apestel bei der eigentlichen Feier des Brotbrechene nichts zu tun.
Am Anfang des Hl. Meßopfers stand nicht die "freie Improvisation", sondern eine klare Vorstellung von dem, was Jesus Christus getan hatte, das heißt eine klare Vorstellung vom heiligsten Altarsakrament und eine sichere Übereinkunft der zwölf Apestel, wie es zu feiern war.
Am Anfang formulierte nicht der "Bischof" nach freiem Ermessen die Gebete, wie Prof. Pascher behauptet, sondern am Anfang stand Jesus Christus persönlich, und ER "nahm das Brot in seine heiligen und ehrwürdigen Hände, erhob die Augen zu Dir, Gott, seinem allmächtigen Vater", wie es heißt, "und sagte Dank, segnete und brach das Brot und gab es seinen Jüngern mit den Worten 'Nehmet hin und esset alle davon. Denn das ist mein Leib'".
Prof. Pascher trennt die "Liturgiegeschichte" und besonders das hl. Meßopfer von Jesus Christus und von den zwölf Apoöteln, wenn er behauptet: "Am Anfang formulierte der Bischof nach freiem Ermessen die Gebete". Bevor irgend ein Bischof Gebete nach freiem Ermessen hätte formulieren können, hatten schon die zwölf Apestel genau festgelegt, wie der Befehl Jesu "Tut dies zu meinem Andenken" durchzuführen war. Danach hatten sich alle späteren Bischöfe zu richten. Ein klein wenig leuchtet dies auch dem Herrn Prof. P^ascher ein, wenn er in seinem dritten Satz zugibt: "Nur gewisse Grundstrukturen müssen sehr früh verbindlich gewesen sein".
Aber über diese sogenannten Grundstrukturen hat Herr Professor Pascher gar keine klaren Vorstellungen; denn er schreibt in seinem vierten Satz: "Vor allem verlangte jede Eucharistiefeier eine Danksagung". Hier zeigt sich, daß Herr Prof. Pascher unter dem Wort "Eucharistiefeier" nicht mehr das hl. Meßopfer, sondern etwas anderes versteht. Ein römisch-katholischer Professor der Theologie muß sich aber unbedingt dazu bekennen, daß jede "Eucharistiefeier" - jede Feier der heiligsten Eucharistie - vor allem eine Konsekration, d.h. eine Verwandlung von Brot und Wein in das Fleisch und das Blut Christi, verlangt und nicht nur eine "Danksagung", wie Prof. Pascher behauptet.
Ein theologisches Armuts-Zeugnis ist es, wenn Herr Prof. Pascher im fünften Satz schreibt: "Sehr früh, vielleicht von Anfang an, schloß sich an die Danksagung der Einsetzungsbericht an". Das Wörtchen "vielleicht" hätte Herr Prof. Pascher sich schenken können. Ferner hätte er das Wort "Einsetzungsbericht" durch das Wort Konsekration ersetzen sollen. Denn nicht der bloße "Einsetzungsbericht", sondern die Konsekration, das heißt die Verwandlung von Brot und Wein in das Fleisch und Blut unseres Herrn Jesus Christus war für die Apestel von Anfang an d i e Hauptsache. Herr Prof. Pascher hat noch viele andere Dinge geschrieben, die beweisen, daß seine Klage über liturgische Willkür bei seinen geistlichen Kollegen fehl am Platz und völlig wirkungsles ist. Aber darüber später mehr. |