BRIEF AN EINEN KARDINAL
Übersetzung aus dem Französischen. Aus "Forts dans la Foi")
von R.P. François Ducaud-Bourget
Als ich mich zur Audienz, die ich bei Ihnen ersucht hatte, begab, hoffte ich, einen verstehenden Vater vorzufinden, dem man sein Herz öffnen kann, wie ich es einst beim großen Kardinal Verdier tun konnte. Nun ich fand mich einem Zensor, einem Richter, oder vielmehr einem Bevollmächtigten gegenüber, der bereit war, seine Anklagerede zu halten. Als Antwort auf meine Fragen, die ich schriftlich mit Argumenten der Vernunft und der Humanität an Sie gerichtet hatte, brachten Sie nur ein Wort heraus: "Gehorcht!" Und wir drehten uns während einer Stunde im Kreis. Es war so schlecht, daß ich Sie darauf aufmerksam machen mußte, daß wir uns wiederholten. Schließlich verwarfen Sie den Gedanken an die Vorsehung, den Sie mit 'all diesem' nicht vermengen wollten, was mich zu der Frage veranlaßte: "Darf Gott sich nicht mit dem beschäftigen, was wir für ihn tun?" Sind wir reine Materialisten? ... Kurz, Eminenz, Sie haben mich enttäuscht, mir Ärgernis gegeben und wir sind auf unseren Standpunkten verblieben. Vierzehn Tage später schrieben Sie mir: "Unsere letzte Unterhaltung war schwierig ... ich möchte (Ostern) nicht vorübergehen lassen, ohne nochmals den Dialog aufzunehmen ... und versuchen, die Situation zu klären.
Sie boten mir an, ein Bekenntnis zu unterzeichnen.
Was wollen Sie bei mir erreichen? Sie wissen seit langem was wir alle glauben. Ich habe es Ihnen lang und breit und mehrfach geschrieben. Sie sind informiert. Warum wollen Sie mich zum Widerruf zwingen wie einst Jeanne d'Arc auf dem Friedhof von Saint-Quen?
Am 29. März haben wir eine Stunde lang gesprochen. Seit dem Monat November hatte ich Ihnen vier Briefe geschrieben. Sie hatten mich im Dezember 1971 zu sich gerufen. Ich hatte Ihnen dann gesagt, welchen Gottesdienst wir in den gemieteten Sälen mangels einer Kirche begehen. Sie hatten mich verabschiedet mit den Worten: "Ich überlasse Sie Ihrem Gewissen;" das war keine Billigung, aber auch kein Verbot. Nun, was nicht verboten ist, ist erlaubt. Ich fuhr also zwei Jahre lang fort, ohne daß Sie das kleinste Zeichen eines Einspruchs erhoben. Und nun veranlaßt Sie die Messe in Pleyer mir zu sagen, daß ich um keine Befugnis nachgekommen sei! War denn das notwendig? Welche kanonischen Differenzen gibt es zwischen Pleyer und Wagram und den anderen Sälen? Und inwiefern sind wir 'ungehorsam' geworden, wenn niemand ein Verbot ausgesprochen hat, vor allem Sie nicht? Sind das nicht deutsche Querelen? Ihnen nach wäre ich gehorsam; wenn ich die Messe Pius V. aufgäbe, wenn ich den Neuen Ordo annähme, ihn nicht für zweideutig erklären würde, der nicht in die Häresie führe. Wenn ich das machen könnte, wäre ich für die ganze Kirche glücklich. Nehme ich aber ein Lexikon zur Hand, so lese ich: "Zweideutig bedeutet einen doppelten Sinn ... einen ungewissen Sinn". Kurz, was kann man in verschiedenem Sinn verstehen? Das Geständnis der Protestanten, die diese Messe Pauls VI. wegen ihrer Zweideutigkeit für ihre Abendmahlsfeier benutzen können, genügt. Ebenso kann ein katholischer Priester sie deswegen feiern. Die gleichen Worte können also in verschiedenem Sinn aufgefaßt werden, sie sind also zweideutig. Einen Beweis dafür hatten wir bei der Totenfeier für Mr. Pompidou in Notre Dame. Nicht nur, daß diese Messe - oder die angebliche Messe - vor einem internationalem Publikum aller Sprachen in Französisch gehalten wurde, sondern auch die Rezitation des letzten Abendmahls wurde ohne Anhalten vor den Konsekrationsworten gesprochen, ein Anhalten, das im Missale des heiligen Pius V. durch einen Punkt und nicht durch Doppelpunkte markiert ist, denn demnach ist das ein Fortfahren der Rezitation des Evangeliums. Der Punkt hingegen stellt die Worte, die die Transsubstantiation bewirken, heraus und läßt den Priester 'in persona Christ' handeln, als Opfer und Geopferter und nicht einfach als Sprecher eines Geschehens oder eines Gedächtnisses. Man hat die Konsekrationsworte in jene der Rezitation eingegliedert; dies tut auch ein Anglikaner oder ein Lutheraner. Hat jener dabei den Willen zu konsekrieren? Sie wissen es, Eminenz, ich nicht.
Ist so etwas nicht zweideutig?
In derselben Messe wurde eine Doxologie wie folgt ausgesprochen: "Durch Jesus, von Ewigkeit zu Ewigkeit ..." seinen Titel - als Christus als Gott - ließ man aus. Warum, um den Moslems zu gefallen? Ist das nicht Arianismus, der bereits auf dem Konzil zu Nicea verurteilt wurde?
Was das Credo des N.O.M. anbetrifft, so ist das 'consubstantialem' mit 'von gleicher Natur' übersetzt, das Omoiousios der Arianer! Ist das etwa keine Häresie?
Und sie verlangen von mir, daß ich unterschreibe, die neue Messe sei nicht zweideutig und führe nicht in die Häresie? Denn wenn durch Anordnung protestantische, arianische, halbarianische etc. Formulierungen wiederholt werden, wie sollen dann nicht allmählich Priester und Gläubige diesen Irrtümern entsprechend glauben?
All dieses wissen Sie. Ich werde Sie nicht beleidigen und Ihnen unterstellen, daß Sie es nicht wüßten. Warum also bestehen Sie darauf, daß ich etwas sagen oder schreiben soll, von dem ich weiß, daß es falsch ist.
Sie sind Bischof, von Rom - zur Zeit wenig - abhängig: Sie bleiben offiziell in der Hierarchie, indem Sie dessen Vorschriften (wenigstens jene, die Ihnen zusagen, "Humanae vitae"), befolgen. Seien es nun Gesetze vom Papst oder von seiner Umgebung mit der Unterschrift des Papstes, so sind jedoch durch die neuen Gesetze die alten nicht aufgehoben. Aber man muß das 'Volk Gottes' zum blinden Gehorsam gegenüber den Neuheiten führen und sich über Vergangenes hinwegsetzen.
Ich will nicht über irgend Jemanden richten, auch nicht anklagen oder der Häresie überführen, andererseits versuche ich zu verstehen: Alle diese Gewissensnöte (es handelt sich nämlich tatsächlich darum) rühren vom Vatikanum II her, und das war ein Pastoralkonzil!
Was ist die Pastoral, wenn nicht die Kunst, die Seelen zu unterrichten, sie vom irdischen in das ewige Leben zu führen? Das erfordert Fähigkeiten klar zu sehen, Festigkeit in der Lehre, Geduld, Intelligenz, Verständnis, Gerechtigkeit, Klugheit, Liebe etc.. Die Kirche war immer Lehrerin, aber sie war auch Mutter. Sie wußte zu überzeugen mehr durch Beispiel ihrer Hirten und Heiligen, durch Weisheit der Seelenführung als durch Autorität, durch Macht oder Gewalt. Sie wollte überzeugen, nicht aufzwingen.
Ist etwa Gewalt heute die angewandte Methode? Am Ende dieser Gedanken, Theorien, Prinzipien, die bisher von allen vorhergehenden Päpsten verurteilt wurden, ist das Glaubensgut erschüttert und die Gläubigen hätten das auszutragen, was Sie mir aufnötigen wollen. Kann ich das annehmen, darf ich das?
Seit Sie die persönliche Würde des Menschen, die Gewissensfreiheit und Redefreiheit, die Menschenrechte proklamieren, lassen Sie uns nur die eine Möglichkeit, unserem Gewissen nicht zu gehorchen gegen alle Einsicht, als wenn wir weder Verstand noch Gedächtnis, noch Intelligenz, Kultur hätten. Um katholisch zu sein, genügt es, zugehorchen, blind, passiv, tierisch. "Setzt euch, stellt euch" oder sich freuen auf Kommando wie bei Mao, dazu mit Gitarren und Jazz!
Ich habe Ihnen einen langen Bericht über die Psychologie unserer Gläubigen zugeschickt. Sie sagten mir nichts davon. Sollte es sein, daß das keinerlei Bedeutung hat, keinerlei Interesse, was diese Männer und Frauen denken? Ihre Gefühle, ihre Kultur, ihre Erziehung, ihre Tradition, ihre Hoffnungen, ihr Glaube ist nicht der Mühe wert, betrachtet zu werden, verdient nicht in Rechnung gestellt zu werden? Niemals würde die menschliche Natur, die offiziell so glorifiziert wird, derart verachtet, seit man Sie mit schönen demagogischen Phrasen emporhebt. Der Menschenkult, (die neue Häresie) verbirgt eine Diktatur ohne Mitleid: den Klerikalismus.
Was möchten Sie für Gläubige haben? Roboter, sprechende und daherredende Maschinen, Spender des Kultobulus? Zahlende Papageien, die Eure Slogans wiederholen? Sind es Mittel um die Welt zu beherrschen, sodaß alle seit je benutzten Instrumente ausgemerzt werden müssen, um deren Wirksamkeit auszuschalten? Oder wünscht man terrorisierte Heuchler, die jede Komödie mitmachen, um keinen Ärger zu haben, um nicht von günstigen Plätzen vertrieben zu werden, oder um eine kleine gute materielle Stellung - moralisch oder geistig - zu bewahren; Scheinheilige, die sich Ihrer Meinung bedienen um Karriere in Euren Rängen zu machen, die sie im Dunkeln mit allen Mitteln betreiben? Ist das, das Pfingsten, mit dem Sie uns die Ohren volltönen?
Sie wissen - die Tatsachen sind da -, daß die Gläubigen in großer Mehrheit, alte und junge, daß der größte Teil der Priester, die erzogen worden sind vor der Unsicherheit, die unsere Seminarien nach den neuen Methoden von Oraison überschwemmen , es wünschen, die Riten und Lehren der ewigen Kirche wiederzufinden. Sie leiden manchmal entsetzlich über Bankrotterklärungen, die von der Kirche 'auf der Suche' abgegeben werden. Wie konnten Sie, die Bischöfe, Agenten einer Inquisition werden, die schlimmer ist als die spanische, als die Gestapo, als die Anhänger der sowjetischen Scharfrichter mit ihren psychiatrischen Kliniken, den KZ der Nazi, mit ihren geistigen Gaskammern der Neuorientierung? Wie können sie diesen geistigen Genozid ausüben? Den holländischen Katechismus verpflichtend auferlegen, die libertinistische Erziehung erlauben, eine zweideutige Messe zur Pflicht machen, den Traditionslisten Kirchen verbieten, die sich nichts anderes als die 'Häresie' vorzuwerfen haben, als die eure nicht mitmachen zu wollen, und als 'Schisma', nur der Ewigen Kirche gehorchen zu wollen, der einzig wahren Kirche Jesu Christi.
Eminenz, wenn ich mich nicht täusche, (der Ton ihres letzten Briefes läßt es mich annehmen) könnten Sie Sanktionen hinsichtlich meiner Person ins Auge fassen. In diesem Falle begegne ich Ihnen respektvoll folgendermaßen:
a) moralisch: ich lege diesem keinerlei Bedeutung bei. Der Mißbrauch der Autorität hebt jeden moralischen Wert einer Sanktion auf.
b) Sobald irgendetwas aufkommt, würde ich beim Tribunal der Heiligen Rota vorstellig werden.
Diese Zeilen schrieb ich, nachdem ich gebetet, nachgedacht und mich beraten habe. Denn schon bevor ich Priester war, war ich ein Mann, und das bin ich geblieben.
Ein Mensch, der seiner natürlichen Würde beraubt ist, verliert seinen Wert, er ist entwürdigt, sobald er in Sklaverei gerät. Um Priester zu sein, muß man ein Mann sein; Priester, der 'geeignet ist für den Heiligen Dienst'. Um heiliger Priester zu sein, muß man mehr als ein Mann sein! Kann die 'Pastoral' heilige Priester schaffen, wenn sie den Wert des Priesters als Menschen herabwürdigt? Das ist ein unerhörtes Attentat auf den Menschen, ihn durch Lüge, Heuchelei und Meineid erniedrigen zu wollen.
Wenn ich Ihre Forderungen unterschreiben würde, würde ich mich als entehrt ansehen, als gestrauchelt und schuldig gegenüber der Menschheit, Gott gegenüber und der Religion, mit der Er mich beehrt hat und meinem Priestertum gegenüber. Ich hätte keine Daseinsberechtigung mehr, menschlich und übernatürlich gesehen nicht. Das wäre eine schmachvolle Erniedrigung meiner Seele. Diese aber will ich retten, indem ich bei dem Glauben meiner Kirche bleibe, meinen alten Katechismus, bei der Messe meiner Primiz, bei meinem Priestertum, das mich verpflichtet, nicht das Vertrauen von 5.000 Gläubigen zu enttäuschen, die sich mir anvertraut haben; diese nicht im Stich zu lassen, sie nicht den 'Meerschweinchen für Experimente' krimineller Illusionisten zuzugesellen, sie nicht den Irrtümern von drogensüchtigen Klerikern, - wirklich oder bildlich - die ihre einfach pastorale Pflicht von früher, nämlich Seelen zu retten, vergessen haben, preiszugeben.
Machen Sie, was Sie wollen, Eminenz, ich tue das, was meine Pflicht mir befiehlt, was ich tun muß: Gott dienen, indem ich Seelen rette.
François Ducaud Bourget. |