EHE, FAMILIE UND ERZIEHUNG
7. Fortsetzung
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Die göttlichen Tugenden. Dazu sind uns diese Tugenden gegeben, um durch, in und mit Jesus Christus uns mit Gott zu vereinigen und ein wahrlich göttliches Leben zu führen.
Der Glaube, die erste der Tugenden, wird zur Quelle der Kraft für den Willen, wie auch der Freude für das Herz. "Gottes Licht, bemerkt Msgr. Gay, wird unser Licht, Sein Wissen, unser Wissen, Seine Weishei, unsere Weishei, Sein Geist, unser Geist, Sein Leben, unser Leben." Es ist jenes Licht, welches am Berge der Seligkeiten verkündet wurde, in welchem wir den wahren Wert der zeitlichen und ewigen Güter erkennen können, und so lernen, ein demütiges und infolge dessen auch glückliches Leben zu führen. "Selig die Armen im Geiste! Ihrer ist das Himmelreich". (1)
"Die Siegesmacht, die die Welt überwindet, ist unser Glaube." (2). Woher denn sonst sollen wir unsere Kraft schöpfen, wenn nicht vom Glauben? "Mit Ausdauer wollen wir laufen in dem Wettkämpfe, der uns obliegt, und auf Jesus hinblicken, den Urheber und Vollender des Glaubens. Für die Freude, die sich ihm darbot, erduldete er den Kreuzestod und achtete nicht der Schmach. Nun sitzt er zur Rechten des Thrones Gottes". (3).
Manche Leute denken, daß ein solches Leben ein trauriges sein muß, und infolgedessen kein wahres sein kann. Ein solcher Gedanke kann nur bei denen auftauchen, die glauben, daß mit dem Tode alles zu Ende sei. Wir aber wissen, daß der Tod der Anfang des ewigen Lebens ist und daß: "die Leiden dieser Zeit gar nicht zu vergleichen sind mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll". (4) "Denn ein kurzer Augenblick leichter Trübsal bringt uns über die Maßen große, ewige Fülle von Herrlichkeit. Nur dürfen wir nicht auf das Sichtbare schauen; denn das Sichtbare ist vergänglich, das Unsichtbare ewig" (5).
Besonders während der Schwangerschaft und in den ersten Jahren des Lebens des Kindes ist der Glaube notwendig, ohne welchen der Mensch als Mensch nicht exsistieren kann. "Wenn eine Frau gebiert, hat sie Trauer, weil ihre Stunde gekommen ist. Hat Sie aber das Kind geboren, so gedenkt sie nicht mehr der Not, aus Freude darüber, daß ein Mensch zur Welt gekommen ist" (6).
Wegen dieser so intensiven natürlichen Abhängigkeit vom Glauben, schätzt die Frau mehr als der Mann die Hilfe, welche von Oben kommt, ein. Das mag auch eine der Ursachen sein, weshalb wir in durch Kirche mehr Frauen als Männer sehen, um Gott Dank "für seine ausaussprechliche, herrliche Gabe" zu erstatten (7). Wohin so mancher Mann erst nach langem anstrengendem Denken, oft auch schweren Leiden gelangt, kommt die Frau auf Grund ihres willfährigen Vertrauens meist unmittelbar. Für Sie ist es nicht so schwer, in einem jeden Geschöpf das Werk Gottes zu sehen und die Worte zu vernehmen: "Er hat uns gemacht, und nicht wir uns selbst" (8). Im Lichte des Glaubens müssen wir in einem jeden Geschöpf den Botschafter Gottes sehen und Seine Botschaft vernehmen: "Verbleibe einen Augenblicke, ich muß Dir etwas sagen! Ich bin ein Botschafter Gottes, und soll Dir ausrichten, daß Dich Dein himmlischer Vater liebt, und will, daß Du glücklich bist!"
Für den, der glaubt, ist eine endlose Traurigkeit unbegreiflich, da er ja auf jedem Schritte von Gottes Licht umgeben ist, selbst in dem Augenblicke, wenn er sich dessen nicht bewußt ist. Niemand von den Menschen kann, wie groß sein Leiden auch sein möchte, mit dem Heilande sagen. "Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?" (9).
Alles, was im menschlichen Leben geschieht, ist im Lichte des Glaubens nützlich für das ewige Leben, denn: "Wir wissen, daß denen, die Gott lieben, alles zum Besten gereicht" (10).
Wenn nun der Glaube uns die Kraft verleiht, aufgrund Gottes Wahrhaftigkeit alles zu glauben, was Er geoffenbart hat und durch die katholische Kirche zum glauben vorlegt, dann ist die Tugend der Hoffnung die notwendige Folge. Wegen Gottes Allmacht, Seiner Liebe und Treue erwarten wir im festen Vertrauen alles, was er uns aufgrund der Verdienste Christi versprochen hat.
"Meine Kinder! Schauet auf alle Menschenvölker, und erkennet, daß keiner, der auf den Herrn gehofft, zu Schanden geworden. Denn wer blieb treu seinen Geboten, und ist (von ihm) verlassen worden? Oder wer verschmähet, der ihn gerufen?" (11).
Wie oft nur während des Lebens bleibt der Frau nichts anderes übrig als das Vertrauen auf Gott, und dem Manne nichts als Sein Schutz. Wie wir bereits bemerkt haben, ist es nicht gut, sich etwas von Gott erpressen zu wollen. Unsere Wünsche können und sollen wir Ihm offenbaren, ihre Verwirklichung aber Ihm überlassen. Nur Er allein weiß ja, was für unser zeitliches und einmal ewiges Glück notwendig ist. Woher wissen wir denn, daß vom Standpunkt der Ewigkeit genommen, Gesundheit, langes Leben, Reichtum, Ehren und andere Formen menschlichen Glückes, für uns wirklich von Nutzen sind? Kann es oft nicht gerade das Gegenteil sein? Nie kann der Mensch wissen, was für ihn im gegebenen Augenblicke und Umständen wirklich gut ist Wenn er aber die Tugend des Glaubens besitzt, dann wird er vom vertrauensvollen Bewußtsein erfüllt sein, daß über ihm eine Vorsehung waltet, der gütige und allmächtige himmlische Vater, welcher weiß, was wir zu unserem zeitlichen und ewigen Glücke bedürfen
"So sage ich euch: Bittet, und es wird euch gegeben; suchet, und ihr werdet finden; klopft an, und es wird euch aufgetan. Denn jeder, der bittet, empfängt, wer sucht, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan werden. Wenn einer von euch seinen Vater um Brot bittet, wird er ihm wohl einen Stein reichen? Oder um einen Fisch, wird er ihm statt eines Fisches eine Schlange geben? Oder wenn er um ein Ei bittet, wird er ihm einen Skorpion geben? Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben zu geben wißt, wieviel mehr wird der himmlische Vater den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten" (12).
Die Hoffnung verbindet uns mit Gott. Sie trennt uns von der Erde und erhebt uns zu Ihm. "Und sollten (auch) dunkle Wolken den Stern meiner Liebe verdecken, sollte es mir scheinen, daß nichts als die Macht der Welt ist, dann wäre dies für mich der Augenblick der höchsten Freude, ein Augenblick, in dem ich meine Hoffnung auf das äußerste prüfen kann. Ich will meinen Platz nicht verlassen, denn ich weiß, daß hinter den düsteren Wolken die Sonne meiner Liebe weiter scheint." (13) In Stunden, welche für uns eine große Prüfung sind, ist es notwendig, die Worte des Psalmisten zu bedenken: "Sieh, er schlummert und schläft nicht, der Israel behütet!" (14).
Es ist hauptsächlich die Liebe, welche uns in Christus verwandelt, und uns Gott näher bringt, da durch die Liebe unser Geist mit Gedanken an Gott erfüllt ist, unser Wille in restloser Ergebenheit mit dem Willen Gottes vereint ist, unser Herz durchdrungen vom hehren Liebesfeuer.
Die Liebe ist der Anfang unseres ewigen Lebens und gibt uns die wahre Lebensfreude. Es ist nun aber die Freude, welche die Mutter in das Herz ihres Mannes und der Kinder pflanzen soll, die, die die Sonne der Familie sein soll.
Die Liebe ist die Bewegungskraft des gesamten seelischen Lebens, "denn stark wie der Tod ist die Liebe!" (15), "Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, duldet alles." (16)
Die Liebe ist es, die uns zur Vollkommenheit bringt, indem sie uns lehrt, Liebe mit Liebe zu vergelten. Christus sehnte sich danach, sich mit uns zu vereinigen, deshalb kam Er über den Kalvarienberg zu uns und besiegelte Seine Liebe mit Seinem Kreuze. Auch wir sollen zu Ihm kommen, über den Kalvarienberg der heiligen Messe, und unser Herz der Liebe öffnen, so daß auch unsere Herzen Liebe ausstrahlen können.
Jeder, der mit der Heiligkeit vollauf vereint sein will, muß "heilig und untadelig vor ihm sein!" (17), und "völlig hineinwachsen in Christus, der das Haupt ist!" (10) "Als gehorsame Kinder ... seid vielmehr heilig in eurem ganzen Wandel ... Es steht ja geschgeschrieben: 'Seid heilig, weil ich heilig bin!'" (19)
Diese Liebe muß ob der unendlichen Vollkommenheit Gottes bis zum Tode wachsen: es ist ein Zeichen echter Liebe, danach zu streben so zu werden, wie das Geliebte es ist.
Aus dieser Liebe wächst die Keuschheit, welche so sehr die Frau ziert, und welche es ihr gestattet, die Blüte ihres Herzens in die Hand bloß eines solchen Mannes zu legen, den sie in Gott liebt, oder, sollte sie Gott dazu berufen, in die Hände Gottes selbst.
"Die unverheiratete Frau und die Jungfrau ist besorgt um die Sache des Herrn, Sie will an Leib und Seele heilig sein." (20)
Ob sie nun ihr Leben mit dem eines Mannes verbindet oder ledig bleibt im Dienste für Gott, stets muß Sie bei Der Zuflucht suchen, die uns die Liebe geboren hat, bei Maria:
Maria, Gottesmutter, himmlische Königin, sei mir dazu meine Helferin, daß ich Gnade find, bei deinem lieben Kind! Mutter aller Reinigkeit, dir klag, ich all mein Herzeleid.
Wer ist eine Frau? Wenn wir nun fragen, wer eigentlich eine Frau ist, dann müssen wir sagen: jene ist eine Frau die innerlich vorbereitet und fähig ist das Amt einer Ehefrau und Mutter zu übernehmen, besonders dadurch, daß ihr Herz im Herzen der Liebe dazu herangereift ist. Und wenn es ihr nicht möglich sein sollte, die natürliche Mutterschaft zu erreichen, oder sie selbst aus Liebe zu Gott einem anderen Beruf erwählt hat, dann soll sie sich nach einem Beruf umsehen, der ihrer natürlichen Berufung am nächsten steht. Je mehr sie sich von ihr entfernt, umso mehr werden die Schwierigkeiten in ihrem Leben heranwachsen. Es muß ihr auch zum Bewußtsein kommen, daß Sie die aus einem solchen nicht natürlichen Leben entspringenden Schwierigkeiten schwerer tragen wird als der Mann. Ihr ganzes Leben wird auf dem natürlichen Gebiete ein Rufen sein, auf welches keine Antwort kommt; wird sie das nicht beherzigen, wird sie das nicht beherzigen, dann wird sie zur alten Jungfer, ein unnötiger Menschentypus, mit sehr schwachem Glauben und noch schwächerem Opfergeist.
Verliert eine Frau den Glauben, dann wird sie von den sonderbarsten Anschauungen beherrscht, sinkt tiefer als der Mann und zeigt einen oft unerklärbaren Mangel an Geschmack und Feingefühl. Eifriger als der Mann muß sie dem Akkord der Liebe zulauschen, den Dreiklang des Guten, Wahren und Schönen vernehmen, wenn sie nicht ganz verkommen will und nicht nur sich allein, wie auch ihren Mann und ihren Kindern, ein tragisches Ende bereiten will.
Haben wir alles getan, was wir konnten, dann wird auch, wenn wir die Tugend der Hoffnung besitzen, die Seelenruhe nicht ausbleiben. Geht bei der Frau die Hoffnung verloren, dann nimmt die Vernunft den ersten Platz in der Seele der Frau ein. Da nun gewöhnlich auch ihr Gefühlsleben unter einem Drucke leidet, wird es für sie unmöglich werden, den wahren Seelenfrieden zu finden, ohne welchen ein korrektes Denken nicht möglich ist.
Erwirkt der Mann für die Frau nicht die von ihr angestrebte, dem Lebensstandard entsprechende Geborgenheit, in einem Ausmaße, welches nicht selten von ihr übertrieben wird, und sie auch nicht das notwendige Vertrauen auf Gott aufweist, dann strebt sie nicht selten eine 100%ige Vergewisserung an, welche natürlich vom Menschen nie erreicht werden kann. Das wachsende Bewußtsein der Unmöglichkeit der Befriedigung eines solchen Wunsches ruft ein Unsicherheitsgefühl hervor, welches bei der mitentstehenden geistigen Erschöpfung aber eine Neutrasthenie zur Neurose führt, mit all den unglücklichen Folgen. Daß das Familienleben unter solchen Voraussetzungen leidet, muß nicht besonders betont werden.
Wie ruhig verläuft aber aber im Gegenteil jenes Leben, welches nach der Lehre der Bergpredigt gelebt wird! "So sage ich euch denn: Seid nicht ängstlich besorgt für euer Leben, was ihr essen und was ihr trinken sollt, noch für euren Leib, was ihr anziehen sollt. Ist denn das Leben nicht mehr als die Kleidung? Betrachtet die Vögel des Himmels! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen: euer himmlischer Vater ernährt sie. Seid ihr nicht viel mehr als sie? Wer von euch kann mit seinen Sorgen seiner Lebenszeit auch nur eine Elle zusetzen? Und was seid ihr so ängstlich besorgt um die Kleidung, betrachtet die Lilien des Feldes! Wie sie wachsen! Sie arbeiten nicht und spinnen nicht; und doch sage ich euch: Selbst Salomon in all seiner Pracht war nicht so gekleidet wie eine einzige von ihnen. Wenn nun Gott das Gras, das heute auf dem Felde steht und morgen in den Ofen geworfen wird, so kleidet, wieviel mehr euch, ihr Kleingläubigen!
Seid also nicht ängstlich besorgt und fragt nicht: Was sollen wir essen? Was sollen wir trinken? Womit sollen wir uns bekleiden? Um all das sorgen sich die Heiden. Euer himmlischer Vater weiß ja, daß ihr dies alles nötig habt. Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dies alles wird euch hinzugegeben werden. Seid also nicht ängstlich besorgt für den morgigen Tag; denn der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Jeder Ta hat genug an seiner Plage." (21)
In unseren Wünschen müssen wir demütig und bescheiden sein: "Armut und Reichtum gib mir nicht; gib mir nur, was ich brauche, mich zu nähren, daß ich nicht etwa zu satt, und zur Verleugnung gereizt werde, und sage: Wer ist der Herr? Oder aus Armut zum Stehlen genötigt werde, und falsch schwöre bei dem Namen meines Gottes!" (22). Und sollte auch die Armut an die Türe unseres Haus Hauses klopfen, dann ist es gut, die Worte Tobias' zu bedenken: "Fürchte dich nicht, mein Sohn; wir führen zwar ein armes Leben, aber wir werden viel Gutes erhalten, wenn wir Gott fürchten, und alle Sünden meiden, und Gutes tun." (23).
Am schlimmsten aber ist es, wenn die Frau die Liebe zu Gott und den Nächsten verliert. Ihr ganzes Gefühlsleben entzieht sich jetzt der Kontrolle, und sie wird zu einem Spielball ihrer Leidenschaften, einem Schiffe ähnlich, welches Segel- und Ruderlos am tobenden Meer herumgetrieben wird.
"Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Lichte, und Anstoß bietet sich ihm nicht. Wer dagegen seinen Bruder haßt, ist in der Finsternis und wandelt in der Finsternis. Er weiß nicht, wohin er geht; denn die Finsternis hat seine Augen geblendet." (24).
Leidenschaften sind Gemütsbewegungen, welche das Denken und Fühlen des Menschen beeinflussen, wie auch seinen Willen, den sie meistens beherrschen. Alle körperliche und geistige Aktivität wird unregelmäßig, und manchmal gehindert. Die Leidenschaften, das Gemütsleben zu beherrschen nimmt bei der Erziehung des Kindes den ersten Platz ein. Wie kann die Mutter aber mit diesen Anforderungen zurecht kommen, wenn sie selbst von ihnen herumgezerrt wird? Genau so wie im Herbst der Wind die toten Blätter im wilden Tanze hin und hertreibt, ist es bei einer Frau, die, nachdem das Band der Liebe zerrissen ist, aus einer Leidenschaft in die andere fällt. Nie wird ihre Umwelt es erraten können, welche Leidenschaft durch dieses oder jenes Wort wachgerufen wird. Die Liebe wird zum Haß, ebenso schnell, wie die Freude in Trauer übergeht, die Sehnsucht in Abneigung. Die Hoffnung wird zur Verzweiflung, und die Tobsucht eine lähmende Angst. Solch ein seelische Zustand kann nicht ohne schädlichen Einfluß auf die Verstandestätigkeit bleiben. So finden wir oft eine gänzliche Ignoranz und Interesselosigkeit bei Alltagsangelegenheiten, häufig verbunden mit erhöhtem meist schädlichem Interesse für ganz fremde Angelegenheiten. Auf dem Gebiete des Willen zeigt sich ein überbetonter Eifer für Sachen, die ganz nebensächlich sind, wobei die eigentlichen Verpflichtungen und Lebensaufgaben völlig übergangen werden. Das alles wird noch von einer weitgehenden Gedankenlosigkeit und Unentschlossenheit im Handeln begleitet. Wehe Kindern, die eine solche Mutter haben, wehe dem Ehemann, der auf diese Weise nicht selten in die Verzweiflung getrieben wird.
Der hl. Johannes vom Kreuze sagt, daß die Leidenschaften die Seele blind machen. Wenn die Pflichten nicht mehr das Leben der Menschen regeln, wird der Mensch zum Spielzeug seiner Leidenschaften, so daß er zuletzt den Willen Gottes nicht mehr erkennt.
Die Leidenschaften ermüden die Seele und verursachen ihr Schmerzen. Nach dem hl. Johannes vom Kreuze sind sie wie kleine Kinder, bei denen man nie weiß, wie sie zu beschwichtigen sind. Die Leidenschaften nehmen der Seele die zu einem geregelten Leben notwendige Ruhe, bringen sie um ihre Schönheit und beflecken sie.
Unter solchen Voraussatzungen wird die Liebe auf Sympathie reduziert und wird zur Angelegenheit der Sinne, des Reizes für die Augen oder Ohren, und die Türen worden der Sinnlichkeit geöffnet.
Es ist hier nicht unsere Aufgabe, die den Sexus betreffenden Charakteristiken herauszuarbeiten, gewisse Fragen aber müssen beantwortet werden. Viele Mißverständnisse entstehen im Eheleben allein deshalb, weil der Mann wie auch die Frau meistens vergessen, daß ihre Ansichten über dieselbe Sache naturgemäß verschiedenartig sein müssen, da sie dasselbe nur von verschiedenen Standpunkten betrachten können, und daß hiermit ein vollständig gleiches Erfassen unmöglich ist. Die Frau nimmt alles viel mehr von einer praktischen Seite als ihr Mann. Ich war nie begeistert, mit der Mutter einkaufen zu gehen, wie sie mich allein nicht einkaufen lassen wollte. Sie sagte, ich nehme die erste Sache, die man mir anbietet. Demgegenüber bewunderte ich die Geduld der Geschäftsleute, die unermüdlich verschiedene Ware zum Anschauen brachten, wobei zuletzt die Mutter nichts kaufte und den Laden verließ. Eine jede Hausfrau kennt nur zur genüge, daß es dem Manne gar nichts macht, mit schmutzigen Schuhen die soeben gereinigte Küche zu betreten, eine Sache, welche die Frau natürlich ungern sieht. Der Mann aber hat andere Interessen, und vergißt leicht auf solche - nach seiner Anschauung - "Nichtse".
Eine viel Aufsehen um nichts machende Hausfrau und ein schlampiger Mann sind keine Seltenheit. Es genügt, ein Heim zu betrachten, wo die Hausfrau bereits eine Zeit lang krank ist, und keine erwachsenen Töchter im Hause sind, um die verschiedenen Eigenschaften des Mannes und der Frau kennen zu lernen. Es wäre darüber wohl noch vieles zu sagen, wir wollen aber lieber die Bedingungen erwägen, welche ein geregeltes Familienleben ermöglichen.
Wollten wir den Wert unseres Zeitalters erkennen, so würde es genügen, die Frau unserer Zeiten zu betrachten. Einerseits sehen wir da, wie ihr Wert überbetont wird, andererseits zeigt sie sich uns völlig entwertet. Dr. Allers sucht die Erklärung ebendieser Erscheinung in den veränderten sozialen und ökonomischen Verhältnissen, zu welchen es in diesem Jahrhundert gekommen ist. Zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts war die Frau noch immer Mittelpunkt des ökonomischen Lebens, was ihre Bedeutung unterstrich und hiermit auch ihren Wert hervorhob. Wenn wir betrachten, was alles sie zu leisten hatte, begreifen wir es leicht. Bekleidung, Kerzen, Seife wie eine ganze Reihe von häuslichen Gegenständen, wurden von ihr hergestellt. Aber infolge der einsetzenden unerhörten Verbereitung der Maschinen wurde sehr viel von der von ihr bis jetzt allein geleisteten Arbeit fabrikmäßig hergestellt, was ihre Bedeutung einschmälerte. Der ökonomische Wert der Frau nahm ab, da, wie wir soeben bemerkten, die Maschinen den Großteil übernahmen. Im Vergleich mit ihnen mußte sie sich als die Minderwertigere betrachten, was Anlaß für eine wie körperliche, so auch geistige Unterbewertung gab, wie auf dem körperlichen, so auch geistigen Gebiete; die Bedingungen um Sie herum änderten sich wesentlich.
Zu unserer Zeit wird oft behauptet, daß die neue soziale Einstellung die Frau aus ihrer Isolation befreite, in welche sie durch die herrschenden Umstände hineingezwungen wurde. Es ist wahr! Die moderne Organisation des gesellschaftlichen Lebens schuf für sie neue Möglichkeiten, wie z.B. im Unterrichtungssektor, auf dem sanitären Gebiet, wie auch in der Agrikultur. Es zeigten sich neue für die Frau geeignete Berufe. Es muß natürlich die körperliche Arbeit in den Fabriken, wie auch das geisttötende mechanische Getue in manchen Unternehmungen, selbst dort, wo keine größere körperliche Arbeit zu leisten ist, ausgeschlossen werden. Wenn die menschliche Gesellschaft aber ihr Gedeihen aufs Spiel setzen will, kann sie es versuchen; die Folgen wird sie jedoch selbst tragen müssen.
G.N.M. Tyrrel schreibt. "Wachsende Kenntnisse schaffen Über- Schwierigkeiten, nicht Übermenschen." (25). Und George Sarton bemerkt: "Vor einem halben Jahrtausend schrieb der holländische Autor der Nachfolge Christi: 'Was hilft es dem Menschen, über verborgene und dunkle Sachen nachzugrübeln und zu debattieren ...' Wollten wir diesen Gedanken modernisieren, dann müßte man sagen: 'Wozu dient es uns Galaxien zu zählen, Sterne zu analysieren, Atome zu spalten, wenn wir so wenig Weisheit aufweisen, daß wir uns eine Hölle aus dem Leben machen?'
Je mehr die Wissenschaft zunimmt, umso größer wird das Bedürfnis von Toleranz und Liebenswürdigkeit, nicht zu sprechen von Gerechtigkeit, umso intensiver die Notwendigkeit der Menschlichkeit, ohne welche die Wissenschaft keinen Wert hat nach ihr zu streben, und das Leben keinen Wert hat um gelebt zu werden." (26) Der Keim des Lebens liegt aber in der Familie!
Unser Zeitalter "befreite" angeblich die Frau, und rühmt sich, die Arbeitszeit bei sogar noch erhöhtem Gehalt gekürzt zu haben. Was alles nun aber unser Zeitalter für die Frau getan haben mag, es brachte sie nicht zurück zu ihrer biologischen Sendung, welche heute mehr denn je notwendig ist, besonders, was die Aufgabe einer Mutter betrifft.
Die Frau ist kein einfach weibliches Wesen, welches "Junge kriegt", die von dem ersten besten großgezogen worden könnten, sie ist Mutter eines Menschen, dessen Menschheit der Erlöser aufgenommen hat. Wir haben bereits darauf hingewiesen, das die Erziehung des Kindes in der ersten Reihe Aufgabe der Mutter ist, daß sie sich auf das ganze Leben des Kindes bezieht, und ihre ganze Aufmerksamkeit beansprucht, ein so erhabenes Ziel zu erreichen.
Solange die Menschen in einem nicht so engen Kontakt miteinander waren, wie dem heute ist, war die Selbstkontrolle nicht so sehr notwendig. Die erhöhte Populationszahl und die modernen Verkehrsmittel schufen einen Zustand, wo man sich nicht so leicht rühren kann, um nicht an jemanden anderen anzustoßen. Die korrekte Erziehung, die Hauptaufgabe der Mutter wurde hiermit zur Forderung des Selbsterhaltung Triebes. Die Rückkehr zum Familienleben mit dem liebenswürdigen gegenseitigen Sich-Verstehen aller ihrer Mitglieder, ist absolut notwendig, soll es überhaupt zum Sichverstehen der einzelnen sozialen Gruppen kommen, von dem heute so viel herumgesprochen wird. Einst sagte mir ein Fliegeroffizier: "Was die Entfernungen anbelangt, so rücken wir immer näher an uns heran, was aber das Herz betrifft, entfernen wir uns immer mehr. Viele Menschen, besonders Frauen, verstehen nur zu gut, daß die Menschheit allein, in dem Herzen, welches für uns mit der Lanze durchbohrt wurde, wiedervereint werden kann!
Fortsetzung folgt.
Literatur: (1) Matth. 5, 3. (2) 1 Joh. 5, 4. (3) Hebr. 12, 1-2. (4) Röm. 8,18. (5) 2 Kor. 4, 17-18. (6) Joh. 16, 21. (7) 2 Kor. 9,15. (8) Psalm 99, 3. (9) Matth. 27,46. (10) Röm: 8, 28. (11) Sirach 2,11-12. (12) Luk. 11, 9-13. (13) Hl. Theresia vom Kinde Jesu, Geschichte einer Seele, XI. (14) Psalm 120, 4. (15) Hohelied 8, 6. (16) 1 Kor. 13, 7. (17) Eph. 1, 4. (18) Eph. 4,15. (19) 1 Peter 1,14-16 (20) 1 Kor. 7, 34. , (21) Matth. 6, 25-34. (22) Sprüche 30, 8-8. (23) Tob. 4, 23. (24) 1 Joh. 2, 10-11. (25) G.N.M. Tyrrel, The Personality of Man, 14. (26) Bernard Jaffe, Men of Science in America, X.
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