KLIMA UND RELIGION
von H.H. Prof. P. Severin Grill SOCist.
Daß Landschaft und Klima einen Einfluß ausüben auf das körperliche Wohl und die seelische Haltung des Menschen, wird allgemein zugegeben. Ob aber umgekehrt der Mensch durch Magie oder Gebet einen Einfluß auf das Wetter nehmen kann, ist umstritten (1). Tatsache ist, daß hier ein Völkergedanke vorliegt, d.h., daß es in allen Religionen der Erde Menschen gibt, die sich das Charisma zuschreiben, einen Einfluß auf das Wetter nehmen zu können, wenn sie bestimmte Praktiken beobachten in Zauber oder Gebet. Der Schamane kann einen klaren Tag und der indianische Medizinmann den ersehnten Regen herbeirufen. Man unternimmt Regenbittprozessionen mit Gesang, Tanz und Wasserbesprengung, um durch diese Symbolik den notwendigen Regen zu erflehen. Die neuere Völkerkunde hat manche erstaunliche Tatsachen festgestellt.
Auch die Bibel macht von diesem allgemeinen Gesetz keine Ausnahme. Sie gibt die Möglichkeit eines Einflusses des Menschen auf die Natur zu, wenn die Menschen die Gebote Gottes halten und sich im vortrauensvollen Gebet an ihn wenden. Umgekehrt kann Gott die schönste und fruchtbarste Gegend zur Wüstenei machen wegen der Bosheit der Bewohner (Ps 106,34). Vor dem Einzug in Palästina verkündete Gott durch Moses: "Du kommst nun in ein Land, das Berge und Wälder hat, die der Regen vom Himmel tränkt. Wenn ihr nun meine Gebote haltet, so will ich eurem Lande den Regen geben zur rechten Zeit, den Frühregen und den Spätregen, daß du ernten kannst dein Korn, deinen Most und dein Öl (...), sofern ihr aber abweicht und anderen Göttern dienet, dann ergrimmt der Zorn des Herrn wider euch und schließt den Himmel zu, daß kein Regen fällt und die Erde ihre Gewächse nicht geben kann (Dt 11,10-17)". Die klimatologischen Gesetze Palästinas, mit denen zwar auch zu rechnen ist, sind aber einem höheren Willen unterworfen, der sein Verhalten wieder von der Treue oder Untreue des Volkes anhängig macht.
Die wechselseitige Wirkung zwischen Gesetzestreue und Regenspende erscheint öfter in einer Bildersprache, die für den abendländischen Bibelleser nicht ohne weiteres zu verstehen ist.
1. Das Bild vom eisernen Himmel und der erzenen Erde von Lv 26,19 steht noch Dt 28,23. Unter dem eisernen Himmel ist das ewig blaue Firmament zu verstehen, an dem sich kein regenverheißendes Wölklein zeigt, und unter der erzenen Erde kein Tröpflein Tau, der sich absetzt.
2. Das Bild von der Gefangenschaft. Unter dieser muß man vom Abstraktum absehen und konkret "die Gefangenen" verstehen, d.h. die Menschen, die unter der Regenlosigkeit leiden (2). Ps 84,2: "0 Herr, du warst doch immer gnädig deinem Lande und hast die Gefangenen Jakobs erlöst, so hilf uns auch jetzt in dieser Trockenheit und sende den Regen". Ps 13,7: "Ach, daß Hilfe über Israel käme und der Herr das gefangene Volk erlösete (Luther)." Ps 67,19 erscheint der Herr umgeben von den Engeln und nimmt die Gefangenen gefangenen, d.h., er führt sie in die Freiheit, indem er den Druck der Dürre hinwegnimmt. Ps 125,1-2: "Wenn der Herr die Gefangenschaft Sions wendet, sind wir wie Getröstete." Wenn Gott nach der Aussaat den Regen sendet, sind die Menschen voll Freude und Hoffnung auf eine gute Ernte.
3. Das Bild vom Lande Jordanim und Cheronim mit dem Berge Missar. Ps 41,7: Man hat sich viel bemüht, die hier genannten geographischen Begriffe zu identifizieren. Aber ohne Erfolg, weil die Wörter allegorisch zu nehmen sind. Jordanim: Land des Abstieges des Regens, Cheronim: Land der Bannung (der Vorenthaltung) desselben, vom Berge Missar = vom Berge Sion, der zwar kleine, aber bedeutsame Berg, weil er der Wohnsitz Jahves ist, der von ihm aus den Regen verleiht. (3)
4. Das Bild vom mitwandernden Felsen. 1 Kor 10,4: "Sie tranken aus dem geistigen Felsen, der sie begleitete und dieser Fels war Christus". Wie Moses Wasser aus dem Felsen hervorquellen ließ (Ex 17 und Nm 20), so haben auch andere fromme Männer um Auffindung von Wasser gebeten und solches auch gefunden, wie Simsom, Ri 15,18-19 und früher der fromme Ana Gen 36,34 und Hagar bei ihrer Vertreibung Gen 21,17. Unter dem mitwandernden Felsen ist also das Vertrauen auf Gottes Vorsehung zu verstehen, das die Frommen auf ihren Wanderungen in allen noch so trostlosen Situationen aufbrachten, um Hilfe flehten und Erhörung fanden trotz ausgedörrter Gegend. Den felsenfesten Glauben auf die Beeinflußbarkeit der Natur durch den Menschen, der sich an Gott wendet, haben Samuel in den Philisterkriegen (1 Sam 7,9-11) und Elias bei der Karmelprobe (1 Kge 10,18) aufgebracht. Isaias und Ezechiel haben durch ihr Gebet das Hagelwetter erfleht, welches die Assyrer zwang, die Belagerung Jerusalems aufzugeben (2 Kge 19 und Is 36). (4)
Die katholische Theologie kann auch in unserem rationalistischen Zeitalter auf diese Offenbarung vom Verhältnis Klima und Religion nicht verzichten. Sie muß wie Zacharias 14,17 mahnen: "Ein Geschlecht, welches nicht heraufzieht nach Jerusalem, um den König, den Herrn der Heerscharen anzubeten, über das wird es nicht regnen." Wenn der Unglaube in unserer Gegenwart noch weiter zunimmt, dann wird die Drohung Sap 5,17-23 in Erfüllung gehen: "Er schärft sein Schwert und mit ihm kämpft die Natur wegen der Toren ... Dahinfahren werden treffende Blitze und aus einer Steinschleuder werden Hagelschloßen geschossen". Und statt Fruchtbarkeitsregen werden Unwetter alles verwüsten. Ein umstürzender Regen, der kein Brot bringt (Prov 28,3). Das Targum zu Pred 10,10 deutet das stumpfe Eisen auf das stumpfsinnige Volk, das nicht mehr um Regen betet.
(1) Die Literatur über die Frage ist zahlreich.
W. Wundt: Völkerpsychologie 10 Bände, Leipzig 1910-1920. G. Catlin: Die Indianer. Berlin 1924. W. Schmidt: Regenbittzeremonien bei den Kung Buschmännern. Münster 1930. A. Gatti: Babaku, die afrikanische Göttin. Zürich 1936.
(2) Ein Land steht unter dem Fluche, wenn es von der Dürre heimgesucht ist. B. Baumann: Schub schebuth = die Gefangenschaft wenden. Zeitschrift für alt. Wissenschaft 1929, S. 22. (3) Dem richtigen Verständnis der Stelle Ps 41,7 nähern sich ältere Exegeten, indem sie von der Wurzelbedeutung der Wörter Jordanim (jarad hinabsteigen,) Cheronim (chrem der Bann) und Nissar (klein) ausgehen. So Gregor d. Gr. Moralis in Job Pl 76,699: Jordanis ut dixi doscensio, hermonim anathema. Doch verläßt er im folgendem die richtige Spur und gleitet in die topologische Deutung ab. Ähnlich der Talmud Taanith 15 b: Der Hermon ist der Sion, denn von ihm sind alle Heiden verbannt. (4) In der Lehre vom modalon Wunder führt Thomas v. A. diese beiden Fälle als Beispiele an. S.1. Qu.105, Art. 8.
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