DER HEILIGE KAMILLUS VON LELLIS
Zum Fest am 18. Juni
von Heinrich Storm
Der hl. Kamillus von Lellis gilt - zusammen mit dem hl. Johannes von Gott - als der große Apostel der christlichen Krankenpflege der Neuzeit. Er kam am 25. Mai 1550 in Bucchiano, einem Ort der italienischen Abruzzen, zur Welt. Der Heilige blieb das einzige überlebende Kind seiner in der Gegend sehr angesehenen Eltern. Giovanni de Lellis, sein Vater, war Ortsvorsteher von Bucchiano. Er stammte aus einer alten Adelsfamilie ab, in der die Ausübung des Soldatenberufs Tradition war. Auch Vater Lellis hatte es in den Söldnerheeren Kaiser Karls V. bis zum Hauptmann gebracht und war an manchem der wechselvollen Scharmützel und Schlachten im damaligen Italien - so auch am furchtbaren "Sacco die Roma" von 152, - aktiv beteiligt. Als alter Haudegen tat er sich kaum durch besondere Kirchentreue hervor. Dagegen war die Mutter des Heiligen, Camilla Maddalena Compellio, eine fromme, gütige Frau. Ihr früher Tod brachte es mit sich, daß von den gegensätzlichen Erziehungseinflüssen der Eltern diejenige des Vaters schließlich die bestimmende wurde. Diesem bereitete es durchaus kein Kopfzerbrechen, daß Kamillus trotz einer unbestrittenen Begabung wenig Neigung zum Lernen zeigte und sich stattdessen lieber den Zeitvertreibungen seines Vaters anschloß, der nichts lieber gesehen hätte, als daß aus seinem Einzigen ein tüchtiger Soldat geworden wäre. -
Die Gelegenheit dazu ließ nicht lange auf sich warten. Im 7. Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts zog die Türkengefahr als immer drohenderes Ungewitter am Ostrand des christlichen Europa auf. Als besonders gefährlich mußte die ständig wachsende Seemacht der Osmanen erscheinen, die nach und nach die wichtigsten christlichen Vorposten im östlichen Mittelmeer in ihre Hand brachte. Am unmittelbarsten war dadurch die Seerepublik Venedig betroffen, die daher auch als erste Söldner zur Verstärkung ihrer Seemacht anwarb. Zu denen, die freudig dem Ruf der Werber Folge leisteten, gehörten auch Vater und Sohn de Lellis. Zusammen mit zwei weiteren Verwandten machten sie sich zum Sammelpunkt Ancona auf. Hier nahm das Geschick unseres Heiligen zum 1. Mal eine unerwartete Wendung: Noch vor der Einschiffung erkrankten Vater und Sohn so schwer, daß sie die Heimreise antreten mußten. Giovanni de Lellis aber sah seine Heimat nicht wieder; er starb auf dem Wege und ließ Kamillus als Vollwaisen zurück. Zu allem Überfluß brach bei diesem nun eine eiternde Fußwunde auf, so daß an den Söldnerdienst vorerst nicht mehr zu denken war. Stattdessen verdingte sich Kamillus, auch in der Hoffnung, Heilung von seinem eigenen Leiden zu erlangen, als Krankenpfleger im römischen Hospital San Giacomo. Nach nicht einmal einem Jahr Dienst wurde er von dort wieder hinausgeworfen: Das soldatische Lotterleben hatte bereits tiefe Spuren in seinen Charakter gegraben. Weit davon entfernt, sich ernsthaft um Besserung zu bemühen, trat Kamillus bei der nächsten Gelegenheit wieder in venezianische Dienste. 4 Jahre lang nahm er nun zwischen Zypern, Nordafrika und Italien an den wechselvollen Kämpfen der Hl. Liga gegen die Türkenmacht teil. Was die geistige Verwahrlosung des Großteils der damaligen Soldateska anging, machte Kamillus keine rühmliche Ausnahme, wenn er sich auch an bestimmten unsittlichen Gewohnheiten des soldatischen Lebens - etwa den geschlechtlichen Zügellosigkeiten - nie beteiligte. Dafür hatte ihn ein anderes Übel, die Spielleidenschaft, umso mehr gepackt: Nicht lange, nachdem er 1574 in Neapel aus dem Kriegsdienst entlassen worden war, hatte er nicht nur all sein Geld, sondern auch einen Großteil seiner Kleidung verspielt und mußte sich ungeachtet seiner adeligen Abkunft zerlumpt und bettelnd durchschlagen. Er hatte moralisch die Talsohle seines Lebens erreicht. In der apulischen Stadt Manfredonia verdingte er sich als Taglöhner beim Bau eines Kapuzinerklosters. An diesem Ort sollte der Fingerzeig der göttlichen Gnade ihm Anlaß zur alles entscheidenden Bekehrung sein. Dazu bedurte es keines außergewöhnlichen Ereignisses, sondern bloß des Gesprächs mit dem Prior eines Klosters, dem der eigenartige Gegensatz zwischen den edlen Gesichtszügen und der hochgewachsenen Gestalt des jungen Mannes und seinem heruntergekommenen Äußeren ins Auge gesprungen war. Mit einem Mal stand Kamillus die Leere und Sinnwidrigkeit seines bisherigen Lebens in durchsichtiger Klarheit vor Augen, und von heftigem Reueschmerz überwältigt, stieß er bittere Selbstanklagen aus: "Oh ich Unglücklicher, warum habe ich meinen Gott nicht früher erkannt und ihm nicht besser gedient! Warum habe ich so hartnäckig seiner Gnade widerstanden! Wieviel besser wäre es gewesen, wenn ich das Tageslicht nie erblickt hätte! Barmherzigkeit, oh Gott, Barmherzigkeit! Laß mir Zeit, meine Sünden zu beweinen und durch wahre Buße meine Fehltritte wiedergutzumachen." -
Auch in seinem früheren Leben, vor allem in großen Gefahren hatte Kamillus schon mehrfach den Vorsatz gefaßt, in ein Kloster einzutreten. Diesmal war es ihm endlich vollkommen ernst damit. Das merkten die Kapuziner, bei denen er um Aufnahme gebeten hatte, bereits nach kurzer Zeit: Kamillus legte sich ein Leben strenger Buße auf, und lehnte jede ihm vom Ordensoberen angetragene Milderung entschieden ab. Nicht lange darauf wurde der Ernsthaftigkeit seines Umkehrwillens bereits die erste, schwere Prüfung auferlegt: Seine alte Fußwunde brach wider auf, und die Kapuziner machten seine endgültige Aufnahme von ihrer Ausheilung abhängig. Als ein zweiter Aufenthalt im Hospital San Giacomo wiederum nur eine vorübergehende Besserung brachte, mußte Kamillus die Hoffnung, in franziskanischer Armut sein Leben zu verbringen, endgültig aufgeben. In dieser Situation entschloß er sich, noch einmal, und dieses Mal nicht vorübergehend, im Hospital San Giacomo um eine Anstellung als Krankenpfleger zu bitten. Dieses Krankenhaus, das auch den bezeichnenden Namen "Hospital der Unheilbaren" trug, lag an der Porta del Popolo und gehörte zu den größten Häusern seiner Art in Rom. Es ist bezeichnend für den Wandel in Kamillus' Grundhaltung, daß er diesmal seine Stellung nicht nur nicht verlor, sondern wegen seines Geschicks und seiner vorbildlichen Pflichterfüllung innerhalb weniger Jahre zum Hausmeister aufstieg. Als solcher führte er Geschäfte und Verwaltung des Hauses in geradezu mustergültiger Weise. Vor allem aber brachte es das verantwortungsvolle Amt mit sich, daß Kamillus die schweren Unzulänglichkeiten der damaligen Krankenpflege und -Betreuung nur allzu deutlich vor Augen traten. Obwohl die großen Hospitäler Roms an sich eine Einrichtung darstellten, die gegenüber anderen Ländern Europas vorbildlich genannt werden mußte, so hatten sich doch im Laufe der Jahrhunderte seit ihrer Gründung schwere Mißstände in ihnen breitmachen können. Nicht nur, daß die ärztliche Kunst in ihren Möglichkeiten damals sehr beschränkt war, - mittelalterliche Krankenhäuser waren in erster Linie Pflege -, nicht Heilungsstätten - auch die seelsorgliche und sonstige Betreuung der Kranken ließ im allgemeinen schwer zu wünschen übrig. Das Pflegepersonal bestand oft zu einem Großteil aus gestrandeten Existenzen, die - wie ja Kamillus anfangs auch - kein anderes Auskommen mehr finden konnten und die sich, statt den bedauernswerten Kranken zu helfen, manchmal sogar in gewissenloser Weise an deren letzter Habe vergriffen. Ein Reisender konnte damals diesen abschreckenden Bericht über den Besuch in einem Hospital schreiben: "Alle Säle waren so schmutzig und widerlich, daß man sie mit Wohlgerüchen durchräuchern mußte.... Die Kranken wurden von den schmutzigsten, zerlumptesten, gefühllosesten und unmenschlichsten Personen gepflegt, die ich jemals sah." -
Kamillus, der das Ziel eines Lebens in klösterlicher Disziplin seit seiner Bekehrung nie mehr aus den Augen verloren hatte, sah in diesen erbärmlichen Zuständen immer deutlicher das Arbeitsfeld seiner religiösen Berufung. Seit 1582 schwebte ihm die Idee einer Ordensgründung im Dienste der Kranken vor. Es gelang ihm, mit einem kleinen Kreis von Gefährten eine erste, noch lose Gemeinschaft zu bilden, die sich zu opferbereitem Dienst am Kranken verpflichtete und an bestimmten Tagen in einer Kapelle des Hospitals zu gemeinsamem Gebet traf. -
Kaum hatte Kamillus begonnen, seine Idee in die Tat umzusetzen, als auch schon die ersten Hindernisse zu überwinden waren. Die Spitalleitung mißtraute den Absichten des ehemaligen Söldners und zwang ihn, indem sie sein Oratorium gewaltsam schloß, sich und seinen Gefährten außerhalb des Spitals eine Stätte des gemeinsamen Gebets zu suchen. Doch selbst die Tatsache, daß seine Gegner seinen hochverehrten Beichtvater, den hl. Phillip Neri, gegen ihn und seine Pläne einnahmen, änderte nicht seine feste Überzeugung, ein gottgewolltes Werk zu vollziehen: "Ich spüre eine Gewalt in mir, die mich noch zu etwas anderem antreibt, als nur für mich besorgt zu sein." Eben diese "Gewalt" war es auch, die Kamillus bewog, sich trotz seiner 33 Jahre noch einmal auf die Schulbank zu setzen, um sich die für den Empfang der Priesterweihe notwendigen sprachlichen und theologischen Kenntnisse zu verschaffenO. An Pfingsten 1584 empfing er die Priesterweihe, die ihm die Möglichkeit eröffnete, seinen Kranken nicht nur die leiblichen, sondern vor allem auch die geistigen Mittel ihres Heils zu reichen. Der Ausbau der von ihm ins Leben gerufenen religiösen Genossenschaft machte nun rasche Fortschritte. Dank einflußreicher Wohltäter war es ihr möglich, nahe dem Hospital vom Hl. Geist, dem damals größten Roms, ein kleines Haus zu erwerben, wo sie ein Leben in äußerster Armut und Einfachheit führte. Ihre zunehmende Beliebtheit brachte es mit sich, daß sie bald auch in die Familien gerufen wurde, um dort den Schwerkranken in ihrer geistigen und leiblichen Not beizustehen. Von Anfang an war es dabei ein Hauptanliegen der Gemeinschaft, den Sterbenden zu einem guten, christlichen Tod zu verhelfen. In der Bevölkerung waren ihre Mitglieder daher schon bald als die "Väter vom guten Tod" bekannt.
Die erste große Bewährungsprobe für Kamillus und seine Gefährten, die 1586 durch ein päpstliches Breve die ersehnte kirchliche Approbation und gleichzeitig das Ordensgewand mit dem roten Kreuz erhalten hatten, brachte das Jahr 1590/91, in dem Rom von zwei schweren Katastrophen heimgesucht wurde. Zuerst brach in einem der dichtbevölkerten Stadtviertel eine Seuche aus, später verschärfte eine allgemeine Lebensmittelknappheit noch die Not. Beide Male waren die "Kamillianer" als erste zur Stelle, um wenigstens die ärgste Not zu lindern. Sie pflegten unter Mißachtung der Ansteckungsgefahr die Kranken, standen den Sterbenden bei und organisierten, soweit sie es vermochten, Lebensmittel und andere materielle Hilfe. Die ersten Brüder ließen damals ihr Leben im Dienste ihrer Ordensidee. Bis zum Tode des Gründers waren es bereits insgesamt 220, die auf diese Weise als wahre Martyrer der Nächstenliebe Zeugnis für ihren Glauben ablegten. Im Jahre 1591 wurde Kamillus' Gemeinschaft zum regulären Orden erhoben. Trotz seines Sträubens erwählten die Mitbrüder den Heiligen zum ersten Ordensoberen der "Diener der Kranken;" wie der offizielle Name nun lautete. Während der 16 Jahre, in denen er dieses Amt innehatte, weitete der Orden seinen Wirkungskreis allmählich über ganz Italien aus. Trotz der hohen Verluste, die ihm durch den unerschrockenen und selbstlosen Einsatz bei mehreren Pestepedemien erwuchsen, nahm die Zahl seiner Mitglieder beständig zu, aber mehr noch sein Ansehen und seine Beliebtheit im Volke. Aus den bescheidenen Anfängen war innerhalb weniger Jahrzehnte ein Werk geworden, das mindestens ebensosehr wie alle Katechismen und theologischen Streitschriften davon zeugte, daß auch in der unruhigen Zeit nach der großen Glaubensspaltung in der Kirche der Geist ihres Stifters in seiner ganzen Fülle lebte, nämlich der Geist der Liebe. Kamillus' Werk war nichts anderes als eine Predigt der Gottes- u. Nächstenliebe, aber eine Predigt, die weniger durch das Wort als durch die Tat überzeugte. Dieser Gedanke hatte von Kamillus selbst so vollständig Besitz ergriffen, daß auch seine Worte nichts anderes waren als Aufforderungen zur tätigen Nächstenliebe. So erklärte er einmal in einer Predigt vor Mitbrüdern: "Wundert euch nicht, wenn ich euch immer wieder ermahne, den Hilflosen Mitleid und Barmherzigkeit zu erzeigen. Es geht mir hierin wie so manchen Landpfarrern in abgelegenen Dörfern, von denen man sagt, daß sie nur in ihrem Meßbuch zu lesen verstünden. So kann auch ich von nichts anderem als von der Nächstenliebe reden." -
Herzliche, hingebungsvolle Liebe zum leidenden Mitmenschen als die reinste Betätigungsform der Liebe zu Christus, dem leidenden Erlöser, war der Grundzug im Wesen des hl. Kamillus von Lellis. "Stand Kamillus am Krankenbett, so gewann man den Eindruck, als ob es ihm nicht genüge, Hände und Arme als Werkzeuge seiner Nächstenliebe zu haben; man sah ihn über den Kranken gebeugt, gleichsam als wolle er aus ganzem Herzen und aus ganzer Seele, so viel ihm überhaupt möglich war, die Hilfe bringen, deren der Kranke bedurfte " Diese Hilfe bestand für den Heiligen nicht nur und nicht einmal in erster Linie in der Erleichterung oder Beseitigung körperlicher Beschwerden. Kamillus ging es in einem viel umfassenderen Sinn um die Heilung, das Heil seiner kranken Mitmenschen. Die Krankenpflege war ihm weniger ein medizinisches, als vielmehr ein ganz eminent missionarisches Anliegen, so daß er die Spitäler bisweilen sein "Japan und Indien" nennen konnte. Von daher erklärt sich auch, welch große Bedeutung er dem Beistand zumaß, der dem Schwerkranken im Todeskampf geleistet wurde. In dieser letzten und äußersten Not des Daseins kann der Mensch, der sich von all seinen körperlichen Kräften und irdischen Interessen abgeschnitten sieht, dem Anruf der Gnade in ganz besonderer und endgültiger Weise geöffnet sein: "Unser Lohn wird nicht geringer sein, wenn es auch scheint, als seien wir erst in 11. Stunde in den Weinberg göttlicher Erbarmungen geführt worden", ermahnte Kamillus daher seine Mitbrüder und fügte hinzu, indem er an die Wankelmütigkeit der menschlichen Vorsätze erinnerte: "Wenn wir aber einen Sterbenden zu bußfertiger Gesinnung bringen und mit Gott versöhnen, so ist der Erfolg sicher. Diese Seele gehört fortan dem Himmel an."
Der hl. Kamillus von Lellis hat klar erkannt, daß der einzige, der christliche Weg, das ungeheure, unerklärliche und grauenhafte Leid, dem er sich jahrzehntelang tagtäglich gegenüber sah, zu überwinden, weder in Gleichgültigkeit und Mißachtung noch in einem Kampf, der sein Ziel niemals auch nur annähernd erreichen kann, besteht, sondern in seiner Bejahung. Nur aus einer solchen Haltung heraus, die in der Kreuzesnachfolge Christi die Folgen der Bosheit zu Mitteln des Heils der Menschen machen will, kann man den Heiligen verstehen, wenn er sagt: "Wenn sich unter uns keine Armen und Notleidenden mehr fänden, müßte man bis in den Mittelpunkt der Erde hinabsteigen, um sie zu finden." Die Wahrheit solcher Worte kann wohl nur der ganz ermessen, der so sehr das Leid durch die Liebe überwunden hat, daß er wie der hl. Kamillus das Spital als ein "irdisches Paradies" bezeichnen und - wie es der Heilige noch kurz vor seinem Tode tat - schreiben kann: "Ich muß Ihnen noch mitteilen, daß ich mich hier im Hause meiner Lust, im Spital, von geistigen Tröstungen umflutet sehe, und ich hoffe, daß der Herr mir die Gnade verleihen wird, die letzten Tage, die ich noch zu leben habe, in diesen heiligen Häusern zu verbringen." -
Das tiefe Verständnis des hl. Kamillus für die Not der leidenden Mitmenschen rührt wohl nicht zuletzt daher, daß auch ihm selbst kein Tropfen dieses bitteren Kelches erspart geblieben ist: Nachdem ihn bereits seit seiner Jugend die Wunde am Fuß stark schmerzte und behinderte, traten im Laufe des Alters vier weitere Leiden auf, die ihm insgesamt rein physisch gesehen das Leben zu einer Qual machten. Kamillus ertrug seine "5 Barmherzigkeiten Gottes", wie er sie nannte, so, wie er es auch seinen Kranken immer wieder nahezubringen suchte: als Buße für seine Sünden, und damit als Mittel seiner Vervollkommnung. In seiner Demut betrachtete er sich bis in seine letzten Lebenstage als großen Sünder, wobei ihn vor allem die vergeudeten Jahre seiner Jugend bis zuletzt schwer bedrückten. Deshalb dachte dieser begnadete Beistand der Sterbenden mit Furcht und Schrecken an den Tag seines eigenen Erscheinens vor Gottes Gericht. Bleich und erregt bekannte er eines Tages einem Mitbruder: "Wenn der Mensch ernstlich an den Tod dächte, würde er kaum jemals zu sprechen wagen. Sooft ich daran denken, bin ich ganz von Furcht ergriffen." Nur in dem Gedanken an die Erlösungsmacht des Blutes Christi, das er ganz besonders verehrte, konnte er wieder Hoffnung schöpfen: "Oh Herr, wie wird es mir ergehen, Dein kostbares Blut muß mich retten." -
Seit dem Jahre 1607 hatte sich der Heilige von der Leitung seines Ordens zurückgezogen, um fortan als einfacher Pater mit derselben Selbstverständlichkeit den Gehorsam zu üben, mit der er ihn als Oberer verlangt hatte. Als einfacher Krankenpfleger und Seelsorger wollte er den Weg, den er vor 32 Jahren mit seiner Bekehrung begonnen hatte, bis zum "Gipfel religiöser Vollkommenheit" zu Ende gehen. 1614, als er die Anzeichen seiner tödlichen Krankheit verspürte, kehrte er von Genua, wo er sich gerade in einer Niederlassung des Ordens aufhielt, nach Rom zurück. Hier, im Mutterhaus an der Kirche Santa Maddalene, starb er am 14. Juli desselben Jahres. Erst an seinem letzten Lebenstag, nachdem ihm die Gewißheit des nahenden Todes eröffnet worden war, wich die Todesfurcht endgültig der beseligenden Hoffnung auf die ewige Vollendung: "Dies ist die beste Nachricht, die ich erhalten konnte. Das gegenwärtige Leben gilt mir nichts mehr, wofern mir der liebe Gott nur ein ganz bescheidenes Plätzchen in seinem Paradiese einräumen will." - Kamillus von Lellis wurde 1746 von Papst Benedikt XIV. heiliggesprochen. Papst Leo XIII. erhob ihn 1886 zusammen mit dem hl. Johannes von Gott zum Patron aller Kranken und Spitäler des katholischen Erdkreises, Papst Pius XI. 1930 zum Patron der katholischen Krankenpfleger und -Pflegerinnen.
Literatur: Hubert Reinartz, Vom Söldner zum Samariten (Mainz 1950). Michael Fischer, Der hl. Kamillus von Lellis (Freiburg 1940).
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