GÜLTIGE FORM
(Wurzel, Stamm und Krone - XX.)
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Beim Gottesdienst kommen die Gläubigen nicht zusammen, um das Andenken, das Gedächtnis dessen zu feiern, was sich beim Letzten Abendmahle zugetragen hat - dies wird nämlich nicht selten aus den Worten des Heilandes "Tut dies zu meinem Andenken" gefolgert - sondern um bei dem soeben erwähnten Opfer Christi, durch Ihn, mit Ihm und in Ihm sich selbst aufzuopfern.
Dort, wo diesem Ziel nicht entsprochen wird, ist die ganze Handlung null und nichtig, denn in diesem Fall geschieht sie nicht in Seinem, Christi, Namen, sondern ist bloß Endergebnis rein menschlicher Spekulation. Hieraus folgt: Es ist absolut unzulässig, Versammlungen, die dem von Christus festgesetzten Ziel nicht entsprechen, "eucharistische Feier" oder ähnlich zu nennen. Dies wäre, Selbstbetrug oder ausgesprochener Betrug: freche Blasphemie.
Die "sola fides"-Theorie des Protestantismus (die Annahme des Glaubens allein genüge) muß aber zu einer solchen falschen Einstellung führen. Es ist nun wahr, daß durch die Sünde des Menschen, besonders durch die Erbsünde, eine so große Verschuldung vor Gott entstanden war, daß kein bloßer Mensch, aber auch nicht die gesamte Menschheit, diese hätte tilgen können. Nicht weniger wahr ist es, daß die durch das in das Kreuzesopfer ausmündende Lebensopfer Christi erworbenen Verdienste unerschöpflich sind. Diese Tatsache gestattet jedoch keineswegs das Luthersche "pecca fortiter, sed crede fortius" (Sündige nur fest darauflos, glaube jedoch noch fester - nämlich daß du erlöst bist.) Wohl könnten die Menschen nie so sündigen, daß diese Verdienste erschöpft wurden, doch der Mensch würde mit einer solchen Einstellung sich zu einer Sünde gegen den Heiligen Geist verleiten lassen, indem er freventlich auf Gottes Barmherzigkeit vertraut. Wie unendlich nun diese auch ist, ist sie dennoch von der ebenso unendlichen Gerechtigkeit Gottes beschränkt. Bei einer solchen Gesinnung würde sich der Mensch wirklich bereits als satanisch erweisen.
Wenn auch das aufgrund des blutigen Kreuzesopfers erwirkte "Erlöst-sein" nicht gleich vollbewußt das Opfer des eigenen "Ich" herausfordern würde, die Notwendigkeit, Gott für ein so großes Geschenk Dank zu erstatten, ist begreiflich selbst einem Kleinkinde; oder erwecken die Mütter in den Kindern bei einer Wohltat den Geist der Dankbarkeit nicht mehr? Kann es nun eine größere Wohltat geben, als durch ein so großes Leiden und einen so schmerzhaften Tod, das "Ich" eines jeden Menschen der Hölle zu entreißen und es völlig unverdienbar einem jeden Menschen wieder zu erstatten? Buße können wir mit Jesu Christi Hilfe genug tun, nie aber Gott genug lieben, denn die Liebe, d.i. Gott, ist unendlich, ewig.
"Liebe fordert Liebe, und Hingabe Hingabe; es liebt uns Gott, aber Er will auch von uns geliebt werden. Er schuf den Menschen, um von ihm geliebt zu werden (denn allein dadurch kann der Mensch glücklich werden und bleiben; O.K.)
Im eucharistischen Lamme erwies uns Gott seine äußerste Hingabe, die höchste Liebe.... Er liebt uns, indem er sich uns zur Speise bietet, will aber auch beim Empfang von uns geliebt werden. Christus wurde (auf dem Spieß des Kreuzes; O. K.) in der Flamme der Liebe gebraten als (das wahre; O.K.) Osterlamm. Aber auch wir sollen wie Lämmer in derselben Liebesflamme gebraten werden, Liebesopfer... wie der hl. Augustinus mahnt: "Als am Altar des Herzens im Feuer der Liebe gebratene Lämmer des Pascha des Herrn, sollen wir uns selbst als eine lebendige, heilige und gottesgefällige Opfergabe darbringen. So entsprechen wir der LIEBE mit Liebe, durch das Feuer der Liebe zusammen mit dem Lamme verbrannt, wie mit dem gebratenen Fleisch selbst gebraten." (1)
Darin beruht auch ein großes Geheimnis. Mehr als die Buße, welche Christus für uns getan hat, spornt uns zur Nachfolge Seine Sühne an, und führt uns zum Ganzopfer unseres Lebens, eben auf dem Opferaltar.
Das oft gepredigte Freikartensystem zum Eintritt in den Himmel, ist unhaltbar, und die unendliche Gerechtigkeit Gottes schwer verletzend. Infolgedessen konnte und wollte der Heiland auch nie "Für alle" effektiv, d.i. wirksam Sein Blut ausgießen, sondern nur für die, welche Sein Vater Ihm bestimmt hat. Da Christus gekommen ist, den Willen Seines Vaters zu tun, bringt er auch nur für jene das hochheilige Meßopfer dar, für welche der Vater will, daß Er es darbringe. "Es verhält sich genau so wie mit dem Opfer des Kreuzes. Wenn auch Christus es für alle darbrachte, wurde Er nicht für alle erhört; auch bat er nicht, daß es allein im allgemeinen appliziert werde (wie sehr Er sich auch danach sehnte, daß es möglich wäre; O.K.) sondern nur jenen, denen Sein Vater (Sein Opfer) applizieren wollte. Christus hatte ja Seinen Willen völlig dem Willen Seines Vaters angeglichen. Da nun Christus auch jetzt am Meßopfer teilnimmt, insoweit es eine Applikation des Kreuzesopfers darstellt, ist Sein Wille im vollkommenen Einklang mit dem Seines Vaters. Deshalb opfert Er auch nicht, um das zu erreichen wonach wir uns sehnen, sondern nur um das, was Gott geruht hat uns zu gewähren. (2) So lesen wir auch im Hebräerbrief (9,15): "Deshalb ist Er der Mittler des Neuen Bundes. So sollten aufgrund seines Todes, den er zur Sühne für die Verfehlungen im Alten Bunde erduldete, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen."
Daß mit der Leugnung der Erbsünde das ganze Erlösungswerk Christi den Boden verliert und sinnlos wird, wird wohl nicht notwendig sein zu betonen. Für die Menschwerdung, das Leiden und den bitteren Tod müßte bei einer solchen Leugnung ein neuer Grund erfunden werden. In einem solchen Falle, wie etwa bei Teilhard, wäre das Kreuz nicht mehr Quelle des übernatürlichen Lebens, sondern Symbol des Fortschrittes, eine Korrektion der die Entwicklung, wo diese angenommen wird, unausweichlich begleitenden Fehlgestaltungen und Unvollkommenheiten. Dies alles mußte, um das hochheilige Opfer vor unzähligen Eingriffen zu schützen, welche in einem jeden Augenblicke von einer anderen Seite kamen, in der Form zum Ausdruck gebracht werden.
Es gibt - was das hochheilige Meßopfer betrifft, wie wir uns noch zeigen werden - keine gefährlichere, wenn auch an sich wahre Behauptung, als die, daß die Worte: "Das ist mein Leib - Das ist mein Blut" allein zur Essenz der Form gehören. Leicht entsteht dadurch auch in unseren Tagen die Meinung, es handle sich um eine magische Formel, deren Aussprechen an sich schon genüge, um das Ziel, die Gegenwart Christi, welche dazu nicht immer von allen als eine reale gedacht wird, sondern geistige wie bei den Protestanten, und Protestantisierenden Modemisten, zu erreichen. Was diese sogenannte geistige Gegenwart anbelangt, haben wir jedoch schon betont, daß es dort, wo kein Opfer des mystischen Leibes dargebracht wird, überhaupt keine Gegenwart geben kann und gibt, weder eine reale noch eine geistige.
Es wurde schon öfters gesagt, daß die Form allein nicht genügt, sondern die Dreiheit: materia valida, forme valide und intentio fidelis, d.i. eine gültige Materie, gültige Form und getreue Intention von seiten des Priesters gefordert wird. Das der Essenz der Form zusätzlich Beigefügte darf auf keinen Fall verschwinden, und wenn es auch aus der Form aus einem schwerwiegenden Grunde, etwa Gefahr, ausgelassen werden müßte, müßte es, wenn nicht aktuell, so wenigstens virtuell in der Intention enthalten sein. Bestünde das nicht, dann wäre die Konsekration null und nichtig.
Wenn nun aber schon nach bitteren Erfahrungen die hl. Kirche die Form präzisiert hat, ist diese nicht mehr rückgängig zu machen, da nur noch eine Änderung ad melius allein, d.i. zum Besseren zulässig ist, keinesfalls aber ad deterius, zum weniger Guten! Wie sehr dies ernst zu nehmen ist, sehen wir leider in unserer Zeit nur zu klar!
Das effundetur in remissionem peccatorum, das aktuelle, wirksame Ausgießen des Blutes, Bundesblutes, wie wir uns gezeigt haben, kann sich allein auf die beziehen, die den Bund eingehalten haben und auch weiter einhalten wollen. Daß es leider nicht alle sind, brauchen wir sicher nicht zu beweisen. Das "pro multis = für viele" mit "für alle = pro cunctis" zu ersetzen, ist wie schon früher belegt wurde und auch noch wird, eine Blasphemie!
Die Form kann also nie alleinwirkend sein. Sie kann aus sich allein das, was geschehen soll, zwar andeuten, gewissermaßen im Geiste bereits anwesend machen, aber nichts mehr. Wir werden später noch darauf zurückkommen. Jetzt müssen wir unsere Frage etwas eingehender behandeln.
Die Form ist, wie wir bemerkten, keine Zauberformel etwa wie die öffnende Zauberformel Ali Babas in 1001 Nacht: "Sesam, tu dich auf!", sondern eine grundlegende Bedingung zur Verwirklichung des hochheiligen Meßopfers. Nicht konsekrieren allein soll der Priester, sondern die Messe zelebrieren; d.i. ein Sühnopfer darbringen. Das "Dies tut zu meinem Andenken" soll heißen: "Feiert die wahre, effektive, d.i. wirksame Pesachfeier; geht über aus dem Ägypten der Sünden in das Gelobte Land, in das Himmelreich; das Lamm Gottes ist, Sühnegeld, das Opferlamm!
Das Sakrament der Eucharistie, wie auch das Sakrifizium, ist kein Zerlegekasten. Wohl sprechen wir von der Dreiteilung: Materie, Form und Intention, doch interessiert uns diese Dreiteilung nicht an sich, sondern das, was sie beinhaltet.
Die Form verleiht der Materie das spezifische Sein, drückt also das aus, was aus der Materie werden soll, die Intention antwortet auf die Frage "weshalb" - "wozu".
Die Form gibt an, was geschieht: Das Brot wird Leib, der Wein wird Blut Christi, das Blut getrennt vom Leibe. Die Intention gibt an, wozu es geschieht: Das Lamm Gottes wird aufgeopfert zur Vergebung der Sünden.
Die Intention drückt den Zweck .aus, weshalb Christus Mensch geworden ist und sich für die Menschen aufgeopfert hat.. Er ist nicht Mensch geworden, um einfach unter uns so oder so, real oder geistig gegenwärtig zu sein, sondern um uns durch seine reale Gegenwart zu retten; dazu dient das Kreuzesopfer und das mit ihm verbundene unblutige Opfer der hl. Messe.
Bei den Aposteln, und wahrscheinlich noch bei ihren ersten Nachfolgern, war es weder notwendig, noch ob der zunehmenden Verfolgungen ratsam, den aus Materie, Form und Intention bestehenden Konsekrationsritus niederzuschreiben.
Der Sinn der Materie war allen als ein nicht nur mehr stellvertretendes Element, sondern als ein real symbolisches bekannt.
Die Form: "Das ist mein Leib - das ist mein Blut", war durch die sichere und klare Intention präzisiert, was aber nicht immer im vollen Ausmaße und bei allen Riten mit gleichen Worten geschah.
Als jedoch die Irrlehren den Konsekrationsritus, der ja Sinn der Sendung Christi und Sinn Seiner Lehre ist, entstellen wollten, mußte die sichere Intention klar in der Form präzisiert zum Ausdruck gebracht werden, womit auch die Materie mitbestimmt war. Daß die Mater und Magistra, die Diözese Rom, als Lehrerin aller und Mutter, tonangebend war und es sein muß, benötigt keiner näheren Erklärung.
Wie edel es auch scheinen möchte, aufgrund einer mehrdeutigen "Liturgie" die sogenannte "Einheit" der Christen wieder herzustellen, als ob die Kirche Christi nicht eine Una - Einheit, und zwar ungetrübte, wäre, ist dennoch zu betonen, daß dies nur eine Scheineinheit hervorrufen könnte, ein Truggebilde, welches sich zuletzt als eine neue, umso schrecklichere Häresie entpuppen würde. Selbst ein Maritain warnt vor solchen Kompromissen, aufgrund welchen es möglich wäre, ein Maximum an Getauften zu erreichen. Deus non eget meo mendacio, Gott benötigt meine Lüge nicht, betont Maritain mit den Worten des hl. Augustinus. (3)
Brüche können nur mit Hilfe eines gemeinsamen Nenners zusammengezählt werden. Wollten wir nun schon die sogenannten "christlichen" Fraktionen zusammenzählen, dann wäre das nur im allerheiligsten Altarssakrament möglich, der kleinen, weißen Hostie, von der wir gesagt haben, daß SIE der absolute Mittelpunkt des Weltalls ist. Solange die "getrennten Brüder" nicht das "Tantum ergo Sacramentum" vor dem Allerheiligsten anstimmen werden, und das können sie nie, ohne das hochheilige Meßopfer anzunehmen, ist an eine Wiederangliederung nicht zu denken.
Fortsetzung folgt.
Anmerkungen: (1) Aloysii Novarini Veronensis ... de Agno Eucharistico, Lugduni 1638, Nr. 50, 51, S. 20. (2) Cajetani Felicis Verani, Theologia speculativa universa dogmatica et moralis. Tom. VIII, disp. XVII. De Sacrificio Missae, Monachii 1700. (3) Jacques Maritain, Le Paysan de la Garonne, pg. 389, Desclée, Paris.
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