DER NEUE KINDERMORD Eine Predigt von P. Werenfried van Straaten aus: "Echo der Liebe", Nr. 4 - Juni 1974, S. 26-32 (leicht gekürzt)
In jener Zeit erschien Josef im Traume ein Engel des Herrn und sprach: "Steh auf nimm das Kind und seine Mutter, flieh nach Ägypten und bleibe dort, bis ich es dir sage! Denn Herodes ist daran, nach dem Kinde zu fahnden, um es umzubringen." Da stand er auf, nahm das Kind und seine Mutter bei Nacht und entwich nach Ägypten. Dort blieb er bis nach des Herodes Ende. So sollte das Wort in Erfüllung gehen, das der Herr durch den Propheten gesprochen: "Aus Ägypten habe ich meinen Sohn gerufen."
Als Herodes erkannt, daß er von den Weisen getäuscht worden war, wurde er sehr zornig, schickte hin und ließ in Bethlehem und dessen ganzer Umgegend alle Knaben im Alter von zwei Jahren abwärts umbringen, entsprechend der Zeit, die er von den Weisen ermittelt hatte. Damals erfüllte sich das Wort des Propheten Jeremias: "Eine Stimme ertönt in Rama, Weinen und viel Wehklagen; Rachel weint um ihre Kinder und will sich nicht trösten lassen, weil sie nicht mehr am Leben sind." (Mt. 2, 13-18).
Wieviele Männer und Frauen müssen den Kopf senken, wenn die alte Geschichte der Unschuldigen Kinder erzählt wird? Den Müttern von Bethlehem wurden die Kinder aus den Armen gerissen. Einige dieser Mütter starben, weil das Schwert zuerst sie traf. Und andere starben, weil das Herz einer Mutter leicht bricht, wenn es ihr Kind leiden und sterben sieht.
Aber Ihr, tausende Väter und Mütter im christlichen Westen, was habt Ihr getan? Ihr habt das Weinen Eures eigenen Kindes nicht einmal hören wollen. Ihr habt die Köpfe heimlich zusammengesteckt und ein Buch gekauft, in dem genauestens geschrieben steht, wie Ihr Euch von der "Kinderlast" schützen könnt. Ihr habt den Pfad des Meuchelmordes betreten und getötet oder töten lassen, was schon im Schoß zu leben begonnen hatte.
Hast Du es für Deine Figur getan? Weil Du nicht mehr stolz wie ein hoch und kostbar geladenes Schiff in gesegneten Umständen unter die Menschen kommen wolltest? Hast Du es getan, weil Du "standesgemäß", das heißt in der nutzlosen Bequemlichkeit Deiner, spießbürgerlichen Sicherheit leben wolltest? Hast Du es getan, weil Dein Mann nicht taugte, der Dich zwar als Geliebte begehrte, aber dem an Deiner Mutterschaft nichts gelegen war? Hast Du es getan aus feiger Angst vor der Sorge, den Schmerzen, der Verantwortung? Oder hast Du es getan, weil Du betrogen und irregeführt bist durch das Geschwätz falscher Propheten, pflichtvergessener Abgeordneter und einer Handvoll entgleister Theologen? Da bist Du dann jetzt: Ein unfruchtbarer, Baum, von dem geschrieben steht, daß er umgehauen werden muß. Eine Blume ohne Samen, ein Mensch ohne Ziel, eine Seele voller Schande. Und wenn die Tage kommen, daß die kleine Hand eines Kindes Dich wenigstens noch trösten würde, wenn die Augen eines Kindes alles wiedergutmachen und heilen würden, dann wirst Du nur weinen können wegen der Kleinen, denen Du das Leben entsagt oder genommen hast.
Der Name von Herodes ist bis auf unsere Tage verflucht geblieben. Aber in unseren Tagen ist kein Herodes mehr nötig, um der Mörder der Unschuldigen Kinder zu sein. Jetzt werden Ärzte gefunden, die diese Schlächterei für eine Handvoll Silberlinge ausführen. Und viele reisen nach Holland. Da stehen an elf Orten die Mordkliniken, gezeichnet mit dem schuldlosen Blut dieser Kleinen, denen das warme Leben entsagt wird, weil sich ihre Eltern auf dem einsamen Thron ihrer Eigenliebe bedroht fühlen, wie Herodes sich bedroht fühlte auf seinem Thron vom Vierfürst in Galiläa. Tausendfach lebt Herodes weiter in feigen Kindermördern, deren Name, wie der seine, bis in Ewigkeit verflucht wird.
Aber keine Stimme ertönt mehr in Rama, kein Weinen und Wehklagen, und Rachel weint nicht mehr um ihre Kinder: die auseinandergerissenen Glieder der Ungeborenen werden eilends verbrannt, weil morgen wieder gefeiert werden muß. Aber das Blut dieser Kleinen schreit laut zum Himmel und ihre Klage wird vernommen vor dem Angesicht des gerechten Gottes.
Gott ist der Freund dieser Kleinen. Die Rührung, die uns überkommt, wenn wir in ihren Augen einen Schimmer des verlorenen Paradieses entdecken, ist nur eine blasse Wiedergabe dessen, was der Herr empfindet, wenn Er die Reinheit Seines eigenen Wesens in ihren unberührten Seelen sich widerspiegeln sieht. Sie sind frisch wie , Frühlingsblüten und klar wie Tau am Morgen. Er hat seine Freude daran.
Darum will Er, daß man den Kindern, denen das Himmelreich gehört, nicht verwehre, zu Ihm zu kommen. Und die stärkste Äußerung der Zärtlichkeit, die uns vom Herrn überliefert worden ist, bezieht sich auf das unbekannte Kind, das Er "in Seine Arme schloß" (Mark. 9,36). Er liebte es so über alle Maßen, daß er sich mit ihm identifizierte in der bestürzenden Versicherung: "Wer ein solches Kind in Meinem Namen aufnimmt, nimmt Mich auf."
So schreibt Er uns für die Kinder dieselbe Ehrfurcht, Sorge und Liebe vor, die wir Ihm selbst schulden. Als sein unveräußerliches Besitztum will Er sie vor allem Übel behüten und persönlich die Gewähr dafür sein, daß kein Unheil sie treffe. Und voraussehend, was gewissenlose Verderber und Mörder Seinen Schützlingen antun werden, schleuderte Er das grausige Wort in die Welt hinein: "Wer einem dieser Kleinen, die an Mich glauben, Ärgernis gibt, dem ist es besser, daß er mit einem Mühlstein am Hals in die Tiefe des Meeres versenkt wird."
Ein Ärgernis muß der heutige Kindermord schon genannt werden. Babys sind nicht wie schlechte Zähne, die man zieht, weil sie weh tun. Ein ungeborenes Kind bleibt immer noch ein Kind, ob die Fingerlein drei oder sechs Millimeter lang sind. Die Größe eines Kindes hat nichts mit dem Grad seiner Schutzwürdigkeit zu tun, sei es daß diese umso größer sein muß, je kleiner, schwächer und wehrloser das Kind ist. Aber anstatt so ein Kind zu beschützen, möchte man es jetzt legalisieren, daß zehntausende Kinder ermordet werden.
Wißt Ihr, wie eine Abtreibung geschieht?
"Kinder zwischen sieben und zwölf Wochen werden mit einem gekrümmten Messer zerschnitten und aus der Gebärmutter geholt. Bei Kindern von mehr als vier Monaten wird das Fruchtwasser abgesaugt und statt dessen eine konzentrierte Salzlösung eingespritzt. Das Kind schluckt dieses Gift und stirbt daran. Der Todeskampf dauert eine Stunde. Kinder unter sechs Monaten werden durch Kaiserschnitt lebendig aus dem Mutterschoß geholt. Sie stehen im Abfalleimer. Und in drei von vier Fällen wird heute eine chemische Lösung in die Gebärmutter gespritzt, um das Kind "aufzuweichen" bis es mit einer Hochdrucksaugpumpe aus dem Mutterschoß gezogen wird, wobei Händchen, Füßlein, Brustkasten und Teile des Köpfchens klar in dem menschlichen Brei zu erkennen sind".
Und sage jetzt nicht, daß ich dies aus den Fingern sauge: Ich zitiere aus einem Faltblatt, das zur Zeit unter Verantwortung von zehntausenden empörten und beunruhigten Ärzten in sechs Sprachen und in zehn Ländern auf Millionen Exemplaren verbreitet wird. Und sage nicht, daß es in Holland, wo tausende Kundinnen aus dem Ausland kommen, alles viel zivilisierter und humaner hergeht. Dann der Mann, der in Holland mit den Abtreibungskliniken begonnen hat und öffentlich gesteht, daß er wenigstens zweitausend durchgeführt hat - was haben die dort für Richter, daß dieser Verbrecher noch immer nicht im Gefängnis sitzt? - dieser Herr van Schaik erklärte in "De Haagste Post" vom 24. März 1973: "Mir war nach jeder Abtreibung schlecht, vor allem wenn ich mich geirrt hatte und wenn ich wirklich Körperteilchen, Ärmchen und Beinchen usw. herausholte. Dann dachte ich, es sollte eigentlich nicht geschehen. Ich verglich es mit dem Schlachten eines Kaninchens. Das ist auch ein saures Stück Arbeit".
Das Schlachten eines Kaninchens! Dieses zum Himmel schreiende Verbrechen ist keine Ausnahme mehr. Es wird bewußt verteidigt, propagiert, zugelassen und tausendfach verübt. Darum sind die ersten fünf Lebensmonate der westeuropäischen Kinder schon jetzt die gefährlichsten ihres Lebens. Nicht wegen Unglück oder Krankheit. Nicht weil die medizinische Wissenschaft ihrer Aufgabe nicht gewachsen ist. Aber weil eine Zahl gottvergessener Ärzte schon jetzt auf illegale Weise tun, was ihnen künftig nach den Normen des Gesetzes gestattet sein wird.
Daß das ungeborene Kind unsichtbar und anonym ist, daß der Kleine nicht aufschreien und zurückschlagen kann, daß es nicht die Polizei anrufen oder sich an Abgeordnete und Minister richten kann, das alles ist kein Grund, es zu ermorden, aber ein Grund mehr, um sein Daseinsrecht zu verteidigen. Das Existenzrecht eines jeglichen menschlichen Lebens, sei es jung oder alt, gesund oder verletzt, ist unantastbar. Es darf sogar nicht im Interesse eines anderen Lebens direkt angegriffen werden. Solch ein Angriff auf das Lebensrecht haben wir im Nationalsozialismus erlebt und wir wissen wie es endete. Was jetzt mit allen Mitteln der Publizität propagiert wird, ist eine Frucht derselben verdorbenen, unmenschlichen und barbarischen Gesinnung, die Hitler zur Zerstörung des wertlosen Lebens gebracht hat. Die Pflicht, das Lebensrecht jedes einzelnen zu respektieren und zu schützen, gehört zu unserem zweitausendjährigen Kulturerbe. Das Recht auf Leben ist absolut. Nach dem liberalisierten Abtreibungsgesetz, das man einführen will, wird es relativ. Es wird nicht mehr abgeleitet aus der Tatsache, daß dieser Mensch existiert, sondern es wird ihm nur zuerkannt, wenn er bestimmten Normen der Unabhängigkeit, der körperlichen Vollkommenheit oder des wirtschaftlichen Nutzens entspricht. Hier wird die Wurzel der westlichen Kultur angefressen.
Liebe Freunde, Wenn der Kindermord im Mutterschoß hier legalisiert wird, können morgen auch ärztliche Experimente mit lebendigen Menschen gestattet werden, wie man sie in England, den Vereinigten Staaten und Schweden schon jetzt mit lebendigen Embryos durchführt. Wenn das geschieht, müssen entweder die Ärzte, die sich dazu hergeben, aufgehängt werden, oder die deutschen Ärzte die 1946 wegen der Tötung von Geisteskranken und Experimenten mit lebendigen Menschen aufgehängt worden sind, müssen rehabilitiert werden. Eins von beiden!
Man behauptet oft, eine Frau hätte das Recht zu entscheiden, was mit ihrem eigenen Körper geschieht. Aber das Kind in ihrem Schoß ist nicht ein Teil ihres Körpers, es ist keine Gallenblase oder kein Blinddarm. Es ist ein autonomes menschliches Wesen, das in ihrem Schoß eine Zuflucht findet, bis es alt und reif genug ist, um draußen zu leben. Vom allerersten Tag seiner Existenz an - bei der Empfängnis - ist jeder Teil seiner äußeren Erscheinung, die Farbe seiner Haare, seiner Augen, die Form seiner Hände, seine Fingerabdrücke, sein Geschlecht, seine Blutgruppe, genau bestimmt. Dieser souveräne und unwiederholbare Mensch hat seinen Lebensweg begonnen. Niemand hat das Recht ihn noch aufzuhalten. Wer bist Du eigentlich, daß Du es wagst, zu behaupten "Herr im eigenen Bauch zu sein?" Daß Abtreibung Dein gutes Recht ist? Mit welchem Recht entscheidest Du über Leben und Tod? Warum mißgönnst Du einem andern das Leben? Lebst Du vielleicht selbst nicht gerne? Hast Du schon die Definition des Wortes "Kind" gehört? "Ein noch ungeborenes oder neugeborenes menschliches Wesen". Eine Frau sagt nicht: "Herr Doktor, wie ist es mit meinem Embryo?" Sie sagt: "Mein Kind". Wenn Mütter ihre Kinder ermorden, ist die Welt reif für den Fluch Gottes.
Man behauptet, daß diese Morde sowieso geschehen und daß es darum besser sei, sie unter Kontrolle zu bringen. Die Verwirrung muß wohl groß sein, wenn man solche Argumente ernst nimmt. Man bringt doch auch nicht Diebstahl, Raubüberfälle oder Flugzeugentführungen unter Kontrolle, indem man sie im beschränkten Maße und in bestimmten Fällen zuläßt nach dem Prinzip: "Es geschieht sowieso, laßt es dann ordnungsgemäß geschehen!"
Jede zivilisierte Regierung wird die Kopfjäger und das Menschenfressen oder die Witwenverbrennung verbieten, trotz der Tatsache, daß Papuas, Dajaks oder bestimmte indische und afrikanische Stämme sie für lobenswert halten. Kindermord ist bei vielen Völkern üblich gewesen. Das Christentum hat sich dem immer widersetzt. Darum widersetzt es sich auch der Abtreibung. Und darum kann es für einen Christen keinen gültigen Grund geben, eine Abtreibungsgesetzesvorlage einzureichen oder mit seiner Stimme durchzubringen.
Das wird sogar bestätigt von den Heiden in Japan, wo die Abtreibung vor 25 Jahren legalisiert wurde und wo man wegen ihrer katastrophalen Folgen zum Naturgesetz zurückkehren möchte. (...)
Dasselbe sehen wir hinter dem Eisernen Vorhang, wo man durch bittere Erfahrung belehrt, mit allen Mitteln versucht, die Flutwelle der Abtreibungen einzudämmen. Wie zum Beispiel in Ungarn, wo man von einem ethnologischen Stalingrad spricht!
Man wirft der Kirche bisweilen die Härte ihres Standpunktes der Abtreibung gegenüber vor: einem abstrakten Gesetz, einem Prinzip (die Ehrfurcht vor dem Leben) werden konkrete Menschen geopfert und die schwangeren Frauen mit ihrer Bürde an Not und Last werden im Stich gelassen.
Es geht aber nicht um ein abstraktes Gesetz, aber um das konkrete Dasein und Weiterleben vieler ungeborener Kinder. Ferner geht diese Beschuldigung von der Annahme aus, daß das Leben uns nur Wohlstand bringen darf und daß alle Lasten ferngehalten werden sollen. Diese These ist nicht richtig. Es stimmt zwar, daß wir, sofern es möglich ist, aus dem Leben unserer Mitmenschen das Leid abwehren müssen, aber ein Leben ohne Schwierigkeiten gibt es nicht. Es wäre ein Leben ohne Verantwortung, ohne Einsatz, sogar ohne Liebe, die ja immer Selbstaufopferung fordert. Ein christliches Leben ohne Kreuz ist daher undenkbar.
Denkt nicht, daß ich kein Verständnis habe für die übermenschlich schwierige Situation, worin Mädchen und Frauen ratlos werden, den Kopf verlieren, ehrlich davon überzeugt sind, daß sie das Kreuz nicht tragen können und darum die Frucht ihres Leibes töten lassen.
Ich urteile nicht über ihre subjektive Schuld? Ich glaube, daß die Schuld stolzer Eltern, die aufgrund einer Schwäche ihr Kind von sich stoßen, viel größer ist als die des Kindes, das in Verzweiflung bis zum Äußersten getrieben wird. Daß die Unbarmherzigkeit derer, die immer bereit sind, eine Sünderin zu steinigen, für Gott schlimmer ist als eine Abtreibung, die in Panik geschieht. Ich möchte der Herold der barmherzigen Liebe bleiben.
Aber ich darf Gottes Gebot "Du sollst nicht töten" nicht totschweigen, weil es bisweilen schwer ist, es zu befolgen. Trotz meiner eigenen Sündhaftigkeit muß ich dem Beispiel Christi folgen, der die Totalforderung des allmächtigen Gottes unbeugsam stellt. Der nicht duldet, daß auch nur ein Jota oder ein Strich von Gottes Gesetz gestrichen wird. Der jedoch niemanden zwingt. Der den reichen Jüngling nicht daran hindert, von ihm wegzugehen. Der die Pharisäer nicht daran hindert, ihr mörderisches Vorhaben auszuführen. Aber der dem reumütigen Sünder sieben mal siebzigmal verzeiht. Der sein "Geh hin und sündige nicht mehr" unaufhörlich wiederholt. Und der will, daß wir Priester, das Zeichen der Verzeihung über jedes gesenkte Haupt machen, bis unsere Hände müde vom Segnen sind. Denn dieser Segen des verzeihenden Gottes ist für Euch und mich und für alle Sünder unentbehrlich, das Kreuz zu tragen, in dem unser Heil und unsere Rettung ist.
Dieses Kreuz um jeden Preis aus dem Leben zu verbannen, ist vielleicht der größte Verrat, der jetzt an Christus begangen wird. Und es ist abscheulich, unschuldiges Leben zu töten, um dem Kreuz zu entrinnen.
Eins der schwersten Kreuze, das Eltern auf die Schulter gelegt werden kann, ist das anormale Kind. Aber erstens kann man vor der Geburt fast nie mit Sicherheit sagen, daß ein Kind anormal auf die Welt kommen wird. Ist es dann nicht furchtbar, Dutzende von kerngesunden Kindern zu ermorden, um die Gewißheit zu haben, daß kein anormales Kind zu Lasten der Gemeinschaft kommt. Und zweitens: auch das lahme Kind, das blinde Mädchen, der taubstumme Junge sind nicht umsonst in unsere Mitte gestellt. Es geschieht oft, daß ein behindertes Kind der Mittelpunkt des Familienlebens ist und dort Güte und selbstlose Liebe weckt. Wer wagt es zu behaupten, daß so ein Kind nicht viel zum Leben beitragen kann? Was für eine schreckliche Zivilisation ist es, die inmitten ihres Überflusses sich weigert, Zeit, Mühe und Geld für die Behinderten aufzuwenden und anstelle davon ihre Zuflucht nimmt zu einer brutalen Eugenik oder zu Methoden von primitiven Völkern. In einem zivilisierten Staat tötet man nicht die Schwächeren, man beschützt sie.
Man sagt, es wäre doch besser ein Kind abzutreiben, wenn es niemals ein ganz "volles" Leben führen kann. Aber wer von uns kann behaupten, daß sein Leben ein "volles" Leben ist? Die "Fülle" kommt für uns alle - wie für das behinderte Kind in der Ewigkeit. Und wir haben nicht das Recht, jemanden, der von Gott ins Leben gerufen ist, die Chance zu nehmen, sich durch die Entfaltung dieses Lebens auf das volle Leben vorzubereiten, das nicht auf dieser Erde, sondern im Himmel seinen Schwerpunkt hat. Anormale und behinderte Kinder können unsere Fähigkeit zu lieben und selbstlos zu dienen verstärken. In dieser barbarischen Zeit, in der man Menschen über wehrlose Menschenleben verfügen läßt, müssen wir durch Taten der Liebe die Welt leuchtend und hell machen. Müssen wir den alleinstehenden Müttern helfen. Müssen wir den Kindern helfen - nicht nur den gesunden, sondern vor allem den behinderten - zu einem frohen und menschenwürdigen Dasein zu gelangen. Möge diese Auseinandersetzung, über den Kindermord eine Herausforderung an die Kirche sein, eine Gemeinschaft tatenreicher Liebe zu werden. Eine Herausforderung an jeden Christen, ein Samariter zu sein für die Hilflosesten, die der Drohung der Mörder unter uns preisgegeben sind. Aber möge diese für die Kirche demütigende und fast unglaubliche Diskussion auch eine Warnung und ein Alarmsignal für die verantwortlichen Führer sein. Denn die Verwirrung hat sich bis zum Höhepunkt gesteigert und die Häresie wird in vielen Ländern straffrei gepredigt. Als Jesus ermordet wurde, wurde es dunkel, die Erde bebte und der Vorhang im Tempel riß entzwei. Seither sind viele ermordet worden. Unzählige Male haben sich die Fürsten dieser Welt gegen Gott und seinen Gesalbten verschworen. Heroden, Beria, Kaiphas, Hitler, Pilatus, Stalin... Wie Spreu im Winde wurden sie hinweggefegt, als das Maß der Bosheit voll war. Aber nach Herodes kam Nero und nach Hitler kamen die Abtreiber. Deshalb wird es immer wieder Karfreitag, und tausendfach bleibt das Kreuz stehen über Schafotten und Gaskammern, über den Massengräbern derer, die durch einen Genickschuß starben, und über den Müllabladeplätzen, die den ermordeten Kindern als Grab dienen.
Karfreitag mit dem Kreuz des unschuldig ermordeten Christus ist geblieben. Aber auch der Vorhang ist, geblieben. Nicht der Vorhang im Tempel, aber der Vorhang des Betrugs und der Irreführung, den Presse, Radio und Fernsehen quer durch Europa gespannt haben. Der Vorhang, der den Blutdurst der Mörder verbirgt. Nein, nennt sie nicht Doktor, wenn sie Euch lächelnd und in Handschuhen besuchen. Denn in ihren Handschuhen steckt die Kralle des Würgers und hinter ihrem Lächeln planen sie von neuem einen Kindermord von Bethlehem. Ihre Hände sind mit dem Blut der Unschuldigen besudelt. Nennt sie Mörder. Ruft Eure Kinder zurück von den Ecken der Straßen und verriegelt Eure Türen, wenn sie vorbeikommen. Nennt sie Mörder und laßt Euch nicht täuschen durch den Vorhang der Lügenpropaganda. Sie stehen im Dienst des Teufels!
Lenin hat einmal gesagt: "Wenn wir ein Volk vernichten wollen, müssen wir erst seine Moral zerstören. Dann wird dieses Volk uns wie eine reife Frucht in den Schoß fallen."
Der Abbau sittlicher Normen, die Zerstörung des Schamgefühls, das Sich-ungehemmtausleben, die Sexualisierung des privaten und öffentlichen Lebens und die Abstumpfung der Gewissen führen zum Zerfall der kulturellen, religiösen, politischen und schließlich auch der wirtschaftlichen Lebensformen der Völker. Das letzte Bollwerk, das dabei im Wege steht, ist die Kirche. Es ist ein schauerlicher Erfolg des Teufels, daß es in der Kirche des freien Westens jetzt Professoren, Bischöfe, Erzieher, Eheberatungsstellen und Priester gibt, die - ungeachtet der päpstlichen Anweisungen - der sexuellen Anarchie Vorschub leisten. *)
Eine klare Sprache wird zu wenig gehört. Zweifelsohne aus Hirtensorge für die undisziplinierten "Neuerer" oder um die innerkirchliche Krise nicht auf die Spitze zu treiben, schweigt mancher Bischof und mit ihm schweigen die Priester. So behalten die Ärgernisgeber das Wort. Moralische Gesetze werden zum Alteisen geworfen, die Gewissen beschwichtigt und die Jugend verdorben. Unzählige wählen den breiten Weg, der zum Untergang führt. Die überrumpelten "Konservativen", die in Folgsamkeit der kirchlichen Autorität durch ihre hohe Geburtenziffer und durch die zahllosen geistlichen Berufe, die sie der Kirche geschenkt, dem Reich Gottes unschätzbare Dienste geleistet haben, stehen wie die Idioten da und finden nirgends Rückhalt. Sie fühlen sich einer Kirche entfremdet, die mit Kommunisten und Heiden dialogisiert, die aber für ihre treuesten Kinder, die sie selbst zu dem, was sie jetzt sind, erzogen haben, kein Interesse mehr zu haben scheint. Tausende haben mir schriftlich ihre Not geklagt. Welchen Trost kann ich Euch geben? Den Trost des Glaubens, daß die Pforten der Hölle Gottes Kirche nicht überwältigen werden. Und den Trost des Wortes Jesu: "Suchet zuerst das Reich Gottes, und alles übrige wird Euch hinzugegeben werden." Alles übrige. Auch die Kraft, rein zu leben. Auch die Familienplanung nach Gottes Willen. Auch die Antwort auf die Bevölkerungsexplosion in den Ländern, wo es diese wirklich gibt. Auch die Lösung der sozialen Frage.
Daraus folgt, daß Jesu Botschaft vom Reich Gottes falsch gedeutet wird von denen, die von der Kirche nicht mehr die Kraft erwarten, ihre Triebhaftigkeit zu bändigen, sondern einen Freibrief, sich mit einem ruhigen Gewissen auszutoben. Das Grundgesetz des Gottesreiches kann nicht durch demokratische Mehrheitsbeschlüsse einer "pluralistischen" Gesellschaft geändert werden. Darum bleibt es wahr, daß wir nicht für uns selbst leben, sondern uns mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen unseren Kräften Gott ausliefern sollen. Das aber wird fast unmöglich im Sumpf der Unreinheit, zu dem Westeuropa geworden ist.
Nur wer ein reines Herz hat, kann Gott sehen, und nur wer aus der Wahrheit ist, hört seine Stimme. Je reiner Geist und Seele eines Menschen sind, umso klarer nimmt er das göttliche Licht wahr und umso mehr wird Gott durch ihn sichtbar in der Welt. Unreinheit macht den Menschen genauso blind für Gottes Wirklichkeit als für die Wirklichkeit des Teufels. Darum verliert ein unreiner Mensch, trotz aller Intelligenz, die Fähigkeit, "die Geister zu unterscheiden". Dies ist die Tragödie mancher heutiger Intellektueller und beklagenswerter Priester, die leider viel zu viel Einfluß in der Kirche haben.
Wir tanzen um ein Pulverfaß und merken es nicht. Die Tage Noahs scheinen zurückgekehrt zu sein. Die Hure von Babylon ist in die Kirche eingedrungen. Jetzt, da staatliche Behörden und allzu viele Priester versagen, muß das einfache Volk Gottes betend auf die Barrikaden steigen.
Gedenkt der Vergangenheit. Die Mauern Jerichos wurden eingerammt durch die Kraft des Gebetes. Betet darum täglich den Rosenkranz. Betet für die Bekehrung des Westens. Betet für Eure Bischöfe, Eure Minister, Eure Abgeordneten, Eure Ärzte, Eure Priester. Betet für die Sünder, die Schwachen, die Untreuen, die falschen Propheten, die Mörder. Wählt Euch einen aus. Nehmt Euch einem aufs Korn. Richtet auf ihn das Kreuzfeuer von Gebet und Liebe. Fleht Gott Tag und Nacht an, durch die Fürsprache Mariens, daß Euer Schützling sich bekehrt und lebe. Und betet wieder das alte abgeschaffte Gebet, das früher nach jeder hl. Messe zum Himmel stieg: "Heiliger Erzengel Michael, verteidige uns im Kampfe. Sei unser Schutz gegen die Bosheit und die Nachstellungen des Teufels. Gott gebiete ihm, so bitten wir flehentlich; du aber, Führer der himmlischen Heerschar, stürze den Satan und die anderen bösen Geister, die in der Welt umherschweifen, um die Seelen zu verderben, in der Kraft Gottes hinab in die Hölle."
*) Zu diesem Thema wäre auf jeden Fall eine Korrektur anzubringen. Siehe den folgenden Beitrag! - Anmerkung der Redaktion |