BUNDESBLUT UND BUNDESOPFER
(Wurzel, Stamm und Krone - XIX.)
von Dr.theol. Otto Katzer
Bund, besonders im Alten Testament, ist keine Abmachung zwischen zwei gleichberechtigten Parteien, welche sich zu gegenseitiger Treue verpflichten. Dazu ist der Abstand Schöpfer-Geschöpf unüberbrückbar groß. Bund, hebräisch "berith", ist und bleibt unbeschadet der Doppelseitigkeit, hauptsächlich als ein gegebenes göttliches Gesetz. Der Mensch, "Israel" verpflichtet sich zum Gehorsam (was er ohnehin von Natur aus tun muß) gegen den Willen Gottes, und Gott gibt ihm seine Gnadenverheißung, bzw. bedroht es im Falle des Ungehorsams mit Unheil. (1). Nach dem Bruch des Ur-Bundes tritt das Moment der Gnade immer deutlicher hervor, nicht weniger aber auch der Gegenstand der Verpflichtungen von seiten des Menschen.
Der Ur-Bund lautete:
"Von allen Bäumen des Gartens darfst du essen, nur vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen sollst du nicht essen! Denn sobald du davon ißt, bist du dem Tode verfallen." (Gen. 2,17). Das heißt mit anderen Worten: "Ich gebe dir Mich, gib Mir dich!" Wenn du essen wirst, mußt du sterben!" Doch "die Schlange war listiger als alle Tiere des Feldes, die Gott der Herr gemacht hatte. Sie sagte zur Frau... "Keineswegs werdet ihr sterben, vielmehr weiß Gott, daß euch die Augen aufgehen werden, sobald ihr davon eßt, und daß ihr wie Gott werdet, indem ihr erkennt, was gut und böse ist."
Jetzt erst sah die Frau, wie köstlich die Früchte des Baumes munden müßten, welch lieblichen Anblick sie darboten, wie begehrenswert die Früchte des Baumes seien, um durch sie weise zu werden. So nahm sie von seinen Früchten und aß. Auch ihrem Manne, der bei ihr war, gab sie davon, und auch er aß. Da gingen beiden die Augen auf, und sie bemerkten, daß sie nackt waren." (Gen. 3,1-7).
Durch diesen ersten Bundesbruch, die Ursünde, verlor der Mensch nicht nur Gott, sondern sich selbst, sein "Ich", welches der Hölle verfiel. Er sollte zeigen, daß er Gott über alles liebe, liebte aber über alles sein eigenes "Ich". Er gab dem Vergänglichen, Zeitlichen den Vorrang vor dem Unvergänglichen, Ewigen, wie dem leider auch heute meistens ist. Ja er schloß und schließt sogar wie Faust ein Bündnis mit den Mächten der Finsternis:
"Werd, ich zum Augenblicke sagen: Verweile doch, Du bist so schön Dann magst du mich in Fesseln schlagen, Denn will ich gern zugrunde gehn!" (2)
Und er sagte, wie er auch immer noch sagt: "Verweile doch, Du bist so schön!" Der Mensch wurde zur Aufruhr versucht, direkt bei Eva von Satan, indirekt von ihm bei Adam, durch die, die er liebte. Aus diesem Grunde konnte die unendliche Barmherzigkeit Gottes eingreifen, was bei der spontanen Aufruhr eines Teiles der Engel, ob der ebenso unendlichen Gerechtigkeit Gottes nicht möglich war.
Der Mensch bereute seine Tat; er wurde nicht auf ewig verflucht wie sein Verführer, wie hart ihn auch die Strafe treffen mußte. Und in der Finsternis seiner Ausgestoßenheit aus dem Paradies leuchtete hell der Stern der Hoffnung auf, in der ihm wenn auch unbekannten und ihrem Kind!
Nicht ewig sollte die Knechtschaft an den Teufel dauern, das hörten die ersten Menschen im Urteil Gottes über ihn: "Und Feindschaft setze ich zwischen dir und dem Weibe und zwischen deiner Nachkommenschaft und ihrer Nachkommenschaft. Sie (durch die Nachkommenschaft) wird dir den Kopf zermalmen, und du wirst ihr die Ferse verletzen." (Gen. 3,15).
Immer und immer wieder versuchte der Mensch Gott durch Opfer zu besänftigen, doch diese konnten nur stellvertretende sein, da er den einzig wahrlich gottgefälligen Opfergegenstand nicht mehr besaß, sich selbst, sein eigenes "Ich", daß er, wenn auch nur für einen Augenblick, über alles geliebt hatte. Diese Opfer waren aber nicht wertlos (3), da sie als Angeld der in Zukunft durch das Opfer des Kreuzes von Christus verdienten Rechtfertigungsgnade, die gratia medicinalis, d.i heilende, erwirkten. Immer heller leuchtete diese noch unbekannte Stella Maris, der Meeresstern der Hoffnung! Es folgte ein Bund mit Noe. Bei den alten Sumerern nahm der Regenbogen des Friedens bereits ganz konkrete Züge, wie wir schon einmal angegeben haben:
"1. Das Erlöserkind wird von der Madonna geheimnisvoll geboren. 2. Sein Kommen wird durch kosmische Zeichen jubilierende Prophetien erläutert. 3. In der Kindheit des Heilands spiegelt sich das kommende Heilbringer-Geschick. Das Kind wird verfolgt und geborgen. 4. Im Mysterienalter steigt der Heilbringer hervor, durch kosmische Weisheit sich kundgebend. 5. Der Heiland kämpft wider die antipolarische Macht und siegt oder leidet und stirbt (fährt in die Unterwelt). 6. Der Siegende oder Leidende und Auferstehende feiert seinen Triumph: er erhält die Leitung der neuer Welt im neuen Äon; er empfängt den "neuen Namen"; er feiert himmlische Hochzeit." (4)
Das alles war auch unserem Stammvater Abraham gut bekannt, denn der Erlöser sollte aus seinem Stamme kommen. Eines Tages sprach der Herr zu Abraham: "Zieh fort aus deinem Lande und von deiner Verwandschaft und vom Hause deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde! Denn ich will dich zu einem großen Volke werden lassen, dich segnen und deinen Namen berühmt machen. Segen sollst du verbreiten. Ich will segnen, die dich segnen, und will verfluchen, die dir fluchen! In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde." (Gen. 12,1-3).
Er sollte eine Elite-Menschengruppe schaffen, welche Trägerin der göttlichen Verheißungen sein sollte. Seine Familie sollte ihr Rückgrat bilden, und aus ihr der versprochene Erlöser entstammen.
Die Aufgabe dieser Gruppe war dieselbe wie die der Kirche, denn sie, das spätere Volk-Gottes: Israel, war die Kirche des Alten Testamentes, wie die Kirche das Israel des Neuen Testamentes ist. Diese hatte:
1. den Glauben an einen, wahren Gott innerhalb einer immer mehr der Vielgötterei verfallenen Menschheit aufrechtzuerhalten, 2. nach diesem Glauben in einer sittenlosen Umwelt zu leben, 3. sich und die Welt auf das Kommen des Erlösers vorzubereiten.
Auch mit Abraham erneuerte der Herr seinen Bund. Die Beschneidung war zum Bundeszeichen. Doch selbst Abrahams, wenn auch auf Gottes Geheiß nicht an seinem Sohne vollendetes Opfer konnte das vom Menschen im Paradies verweigerte Opfer nicht ersetzen. Wie sehr ihm sein Sohn Isaak die Bürgschaft der Verheißung verkörperte, war sie dennoch nicht von solcher Bedeutung, daß sie sein "Ich", welches bei der Erbsünde verlorengegangen war, ersetzen könnte. Wohl war das blutige Opfer das höchste Opfer, denn das Blut wurde als Sitz der Seele betrachtet, ja sogar selbst "Seele" genannt. Doch diese war der Hölle verfallen. Der Mensch schuldete dem Herrn sein Leben. Wie konnte da der Bund im vollen Sinne zustande kommen, der lautete: "Gib Mir dich, Ich gebe dir Mich!", wenn der Mensch sein "Ich" verspielt hatte und kein Anschein noch sichtbar war von Dem, Der sein "Ich" eignete? Die Sehnsucht nach Ihm glich einer brennenden Fackel, die von Abraham an Isaak und von ihm an Jakob weitergegeben wurde, ein halbes Jahrtausend in Ägypten verschwunden war, um umso mächtiger in der Hand des Moses neu aufzuleuchten.
Bei Blitz und Donner wird der mit Abraham geschlossene Bund präzisiert und nachher das Volk auf das Bundesbuch, Ex. 20,24-23,19, verpflichtet. "Moses zeichnete nun alle Gebote des Herrn auf. Früh am andern Morgen errichtete er einen Altar am Fuße des Berges und zwölf Denksteine nach der Zahl der zwölf israelitischen Stämme. Junge israelitische Männer beauftragte er, dem Herrn Brandopfer darzubringen und junge Rinder zum Friedopfer zu schlachten. Moses nahm die Hälfte des Blutes und goß es in Opferschalen. Die andere Hälfte des Blutes sprengte er an den Altar. Dann griff er zum Bundesbuch und las dem Volke laut vor, worauf dieses gelobte: "Alles, was der Herr geboten hat, wollen wir willig tun und erfüllen", Moses nahm nun das Blut, besprengte damit das Volk und sagte: "Dies ist das Blut des Bundes, den der Herr mit euch geschlossen hat auf Grund all dieser Gebote." Hierauf stiegen Moses, Aaron, Nadab, Ablu und siebzig israelitische Älteste auf den Berg. Dort schauten sie den Gott Israels und unter seinen Füßen ein Gebilde, das Saphierplatten glich und einen hellen Glanz ausstrahlte wie der Himmel. Er streckte aber seine Hand nicht gegen die Auserwählten der Israeliten aus. Sie durften vielmehr Gott schauen. Hierauf nahmen sie am Opfermahl, und Opfertrunk teil." (Ex. 24, 4-11).
Die ganze Geschichte Israels ist aber zur Geschichte des Bundesbruches geworden, bis er im Gottesmord seinen Höhepunkt erreicht hatte. Der Bund schloß mit den Worten: "Wenn ihr nun treulich auf mein Wort hört und meinen Bund haltet, so sollt ihr unter allen Völkern mein besonderes Eigentum sein - denn mir gehört die ganze Erde, - und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein." (Ex. 19,5-6).
"Ich habe euch spricht Gott, von den Nationen abgesondert, daß ihr mir, angehört!" (Num. 23,9). Dasselbe gilt auch für die Kirche, dem Israel des Neuen Testamentes, wie wir aus dem Brief an Diognet herauslesen können: Wenn auch die Christen weder durch Länder, noch durch Sprache und Sitten von den übrigen Menschen unterschieden sind, keine besonderen Städte bewohnen noch eine eigene Sprache besitzen, dennoch unterscheiden sie sich scharf von den Anderen in ihrer Einstellung. Sie haben mit den Übrigen alles gemein, wie Bürger, erleiden jedoch alles wie Fremdlinge. Jedes fremde Land ist ihr Vaterland und jedes Vaterland ist ihnen Fremde.... Sie sind im Fleische, leben aber nicht nach den Gelüsten des Fleisches. Sie leben auf der Erde, sind aber Bürger des Himmels. Sie halten sich an die gegebenen Gesetze, übertreffen dieselben jedoch durch ihren Lebenswandel. Sie lieben alle und werden von allen verfolgt.... sie sind arm und machen viele reich, sie entbehren aller Dinge, und haben alles in Überfluß... Um mich kurz zu fassen, die Christen sind auf Erden, was die Seele im Körper ist. Die Seele ist durch alle Glieder des Leibes zerstreut, und die Christen in alle Städte der Welt verteilt. Die Seele wohnt zwar im Leibe, aber sie ist nicht aus dem Leibe; so wohnen die Christen auf der Erde, aber sind nicht von der Erde.... Die Seele ist zwar im Körper eingeschlossen, aber sie erhält denselben. Die Christen werden in der Welt wie in einem Gefängnisse bewacht, aber sie erhalten die Welt ...." (5) Nur eines fordert der Herr: Bundestreue und Gottvertrauen. Doch ist die Geschichte Israels, wie wir bereits bemerkt haben, Geschichte eines sich wiederholenden Bundesbruches. Leider müssen wir das auch von den Kindern des Neuen Testamentes sagen. Auch sie haben die Herrlichkeit des Herrn im allerheiligsten Altarsakrament für einen Philosopen- oder Theologengott vertauscht, wie einst Israel die Glorie des Herrn für das goldene Kalb.
Wenn wir die geographische Lage Israels betrachten, dann wird es uns allerdings klar, daß dieses Vertrauen wirklich ein großes sein mußte. Israel war ja nur ein kleines Samenkörnlein zwischen zwei Mühlsteinen: Im Norden Assyrien-Babylonien, im Süden Ägypten - Äthiopien. So war es ganz natürlich, wenn die Angst auftauchte, von ihnen zermalmt zu werden.
Es war aber nicht, der Prophet Isaias, der zuerst das Volk tröstete: "Fürchte dich nicht, du Würmlein Jakob!" (41,14), bereits Moses vergewisserte es: "Wenn du dem Herrn, deinem Gotte, getreulich gehorchst und alle seine Gebote, die ich dir heute gebe, beobachtest, so wird dich der Herr, dein Gott, über alle Völker der Erde erheben. Alle die folgenden Segnungen werden über dich kommen, und bei dir eintreffen, wenn du dem Herrn, deinem Gott, gehorchst.... Der Herr wird deine Feinde, die sich gegen dich erheben, vor dir niederstrecken...." usw., worauf die einzelnen Segnungen näher beschrieben werden.
"Wenn du aber dem Herrn, deinem Gotte nicht gehorchst und all seine Gebote und Satzungen, die ich dir heute gebe, nicht gewissenhaft befolgst, so werden alle folgenden Flüche über dich kommen und dich treffen.... Der Herr wird dich vor deinen Feinden niederstrecken...." usw. Es empfiehlt sich, den ganzen Katalog der Flüche durchzulesen, und ganz besonders den letzten zu bedenken: "Dann wird der Herr dich auf Schiffen nach Ägypten zurückbringen.... (was natürlich nicht geographisch zu nehmen ist, dort müßt ihr euch euren Feinden als Sklaven und Sklavinnen zum Verkauf anbieten lassen. Doch niemand mag euch kaufen!" (Deut. 28).
Das "Schema": "Höre, Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. So liebe denn den Herrn, deinen Gott, mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und all deiner Kraft! Diese Gebote, die ich dir heute gebe, seien dir ins Herz geschrieben! Schärfe sie deinen Kindern ein! Rede von ihnen, ob du zu Hause weilst oder auf Reisen bist, ob du dich niederlegst oder aufstehst! Binde sie dir als Denkzeichen auf deine Hand! Trage sie als Merkzeichen auf der Stirne und schreibe, sie auf die Türpfosten deines Hauses und auf deine Tore! (Deut. 6,4-9), hat auch heute seine Bedeutung nicht verloren, ebensowenig wie wir bereilwillig das Joch der Gebote Gottes auf uns nehmen müssen (Deut. 11,13-21). Dann, aber auch nur dann brauchen wir uns vor Ägypten (natürlich im übertragenen Sinne) nicht zu fürchten." (Num. 15, 37-41).
Jedoch umsonst waren alle Warnungen verklungen. "Wo war ein Prophet, den eure Väter nicht verfolgt hätten", (Apg. 7,52) wirft der hl. Stephanus dem Hohen Rate vor. Umsonst warnte Isaias das nördliche Reich Israel, es folgte nicht und ging 722 durch die Assyrier gänzlich zugrunde. Umsonst warnte Jeremias das südliche Reich Juda, auch dieses folgte nicht und ging 586 zugrunde. Verlassen von Ägypten, den Babyloniern ausgeliefert erinnert es sich zuletzt an den Herrn, um jedoch durch den Propheten Seine Worte zu hören:
"Hat dir das nicht angetan den Abfall vom Herrn, deinem Gott? Was soll jetzt dein Laufen nach Ägypten um Schichorwasser zu trinken, und was dein Laufen nach Assur, um Euphratwasser zu trinken? Deine Bosheit züchtigt dich, und dein Abfall straft dich. Hab Verstand und sieh, wie bitterböse es ist, daß du Gott, deinen Herrn verließest, und keine Furcht vor mit besaßest - Spruch des Herrn der Heerscharen.
Von jeher hast du ja dein Joch zerbrochen, deine Stricke zerrissen, indem du sprachst: ich mag nicht Knecht sein. Vielmehr auf jedem hohen Hügel und unter jedem grünen Baum legtest du dich hin als Dirne. Ich hatte dich doch gepflanzt als edle Rebe - nur echte Reiser? Wie hast du dich doch zum Unkraut gewandelt, zur welschen Rebe! Fürwahr, wüschest du dich auch mit Natron und nehmest noch so viel Lauge, schmutzig bliebe deine Schuld in meinen Augen. - Spruch des Herrn. (Jerem. 2,17-22).
Auch Israel des Neuen Testamentes gehören diese Worte des Herrn. Die Gesamtlage ist geblieben, nur die Achse hat sich gedreht!
Bei solchen Verhältnissen, ständigem Bundesbruch, wird vom Propheten ein neuer Bund angekündigt:
"Wie lange sträubst du dich abtrünnige Tochter, Der Herr schafft doch Neues im Lande: Ein Weib wir einen Mann umschliessen! ..... (6)
Fürwahr es kommen Tage - Spruch des Herrn -, da schließe ich mit dem Hause Israel (und Juda) einen neuen Bund; nicht gleich dem Bund, den ich mit ihren Vätern schloß, als ich ihre Hand erfaßte, und sie aus Ägyptenland herauszuführen - selbigen Bund mit mir haben sie ja gebrochen, obwohl ich ihr Herr war - Spruch des Herrn -, sondern dies ist der Bund, den ich nach denen Tagen mit dem Hause Israel schließen werde - Spruch des Herrn: Ich lege mein Gesetz in ihr Inneres und schreibe es in ihr Herz, so werde ich ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein. Sie werden sich nicht mehr gegenseitig, einer den anderen, belehren: "Erkennet der Herrn!"; denn sie alle werden mich erkennen vom Kleinsten bis zum Größten - Spruch des Herrn. Ja, ich erlasse ihre Schuld und ihrer Sünde gedenke ich nicht mehr." (Jerem. 31,22; 31-34).
Die Gestalt des Erlösers war durch das Einwirken des Heiligen Geistes derartig klar dargeboten, Sein Kommen, Seine Arbeit und Sein Leiden, daß nur ein Nichtwollender Ihn nicht erkennen konnte. Der neue Bund kam mit Christus! Nicht aber daß jemand denken dürfte, daß hiermit dem Alten der Garaus gemacht wurde! "Glaubt nicht, ich sei gekommen, mahnt der Heiland bei der Bergpredigt, das Gesetz oder die Propheten aufzugeben. Ich bin nicht gekommen um sie aufzuheben, sondern um sie zu erfüllen. Denn wahrlich ich sage euch: Eher werden Himmel und Erde vergehen, als daß ein Jota oder ein Strichlein vom Gesetze vergeht, bevor nicht alles in Erfüllung gegangen ist!" (Matth. 5,17-18). Auch in der Bergpredigt hören wir nicht nur Seligpreisungen, sondern auch Wehrufe! Das Bundeszeichen des Neuen Bundes ist die hl. Taufe: "Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden." (Mark. 16,15).
Im Alten-Testament wurde der Bund, eine Abmachung zwischen zwei Parteien mit einer feierlichen Zeremonie begleitet, bei welcher sich die den Bund Schließenden zu gegenseitiger Treue verpflichteten. Da diese Zeremonie meist ein Mahl war, heißt der Bund hebräisch "berith", wörtlich "Essen", "Mahlzeit". Das Blut des Opfertieres bei der Bundesschließung heißt "Blut des Bundes", wie auch vom Salz des Bundes gesprochen wird. (Lev. 2,13).
Wer, wenn auch nur flüchtig einmal die Pessachfeier durchgelesen hatte, womöglich im Original, wurde frappiert von der organischen Verbundenheit des hochheiligen Meßopfers mit ihr. Es scheint, als ob das hochheilige Meßopfer sich aus ihr entwickelt hätte, wie dem auch tatsächlich ist; Bindeglied ist das wahre Osterlamm, AGNUS DEI, das Lamm Gottes. Der heilige Papst Leo d. Große sagt im Zusammenhange mit der Leidensgeschichte des Herrn: "Es war nämlich angemessen, daß das lange im Geheimnis Angedeutete geoffenbart werde, daß das symbolisierende Lamm durch das wahre entfernt werde, und daß mit einem Opfer die vielen dargebracht werden..... die Schatten der Wirklichkeit weichen, und Bilder aufhören." (7). So wie das blutige Opfer vom unblutigen nicht zu trennen ist, ist das hochheilige Meßopfer nicht von der Pessachfeier zu trennen. Dadurch, daß das Alte vollbracht war, wurde das Neue Testament gegründet.
"Pascha" heißt "Übergang". Deshalb wird das Fest so genannt, weil an "diesem Tage die Kinder Israels aus Ägypten ausgezogen sind und der Sohn Gottes aus dieser Welt zu seinem Vater zurückgekehrt ist. Was hilft euch aber wenn ihr Pascha feiert, nicht aber das nachahmt, was ihr verehrt? -das ist, wenn ihr nicht Ägypten verlasset, aus der Finsternis der Leidenschaften nicht in das Licht der Tugenden übergeht, aus der Liebe zu dieser Welt nicht die Sehnsucht nach der himmlischen Heimat entsteht. Viele sind es, die Freude an diesem Feste finden und es auch feiern. Wohl aber schlecht und aus ihrer Schlechtigkeit, da sie aus dieser Welt nicht zum Vater übergehen, d.i. nicht aus der weltlichen Begierlichkeit und den fleischlichen Gelüsten zur Liebe zur himmlischen Heimat übergehen. Oh die erbärmlichen Christen, die in Ägypten sich befinden, d.i. unter der Macht des Teufels und am Bösen sich erfreuen!" (8)
Der Neue Bund lautet: Gib Mir dich, Ich gebe dir Mich! Wenn ihr nicht essen werdet, müßt ihr sterben!
Jetzt werden wir den hl. Fulgentius verstehen, wenn er schreibt: "Jene, die mit dem Sohne nicht das Opfer darbringen, und sich vom Glauben der Väter und Propheten aus erbärmlicher Verstocktheit lostrennen, stellen sich ob ihres gottlosen Vergehens als die vor, die sich selbst verurteilt haben.... Ein Häretiker ist durch sein eigenes Gericht verurteilt." (9). Im Fragmente contra Fabianum betont der Heilige die Notwendigkeit: den Kelch der Liebe des Herrn zu trinken, daß wir wahrlich das sind, was wir im Opfer mystisch feiern. Deshalb bitten wir in diesem Zusammenhange den Heiligen Geist um die Gnade, die Welt für uns gekreuzigt zu sehen, jedoch auch uns der Welt gegenüber, denn nur so können wir die vom Heilande so heiß angestrebte Einheit erreichen. Dabei müssen wir auch gut erwägen, daß unser ganzes Leben eine einzige Pessachfeier sein soll, eine einzige heilige Messe. Auch müssen wir ergänzend wiederholen:
Ohne das eucharistische Opfer kann es keine Eucharistie geben! aber auch keine geistige Gegenwart! denn wer nicht opfern will, der hat den Bund gebrochen. Eine solche Gesellschaft, die bei einer unrechtmäßig "eucharistisch" benannten Feier versammelt ist, ist es nicht in Seinem Namen, da sie das nicht tun will, was Christus zu Seinem Andenken zu tun befohlen hat!
Nach der Anschauung der Väter wurde Christus an demselben Tage getötet, an welchem Ihn die Jungfrau empfangen hatte. Wie tief hat nun diese Wahrheit der hl. Bernardinus erfaßt, wenn er schreibt, daß "die Jungfrau in jener Stunde mit Christus gekreuzigt wurde, in welcher sie ihn empfangen hatte." "Gekreuzigt empfängt die Jungfrau-Mutter den Gekreuzigten." lesen wir beim hl. Rupert. Kann man so etwas von unserem Offertorium sagen? Beim Offertorium ist es, daß wir mit unserem Erlöser im vollen Sinne blutsverwandt werden, wenn auch zuerst nur symbolisch; das Offertorium ist unsererseits die Vollendung der Taufe, was auch von denen gilt, die nur interpretativ am Offertorium teilnehmen durch ihren übernatürlichen tatkräftigen Glauben. Dies trifft natürlich auch bei denen ein, die, wenn auch getauft, nie zum Gebrauch der Vernunft gekommen sind; die tatkräftige Eingliederung wird hier von den Paten ersetzt.
Rührend ist die Zeremonie der Schließung der Blutsbrüderschaft bei den Pygmäen, wie z.B. eine solche P. Trille selbst mitgemacht hat. Sein Blut wurde mit dem Blute des Häuptlings vermischt und zuerst Gott geopfert mit dem Gebete: "Dieses Blut ist dein! Es ist das Blut deiner Kinder, wir opfern es dir auf!"
Dann tranken beide gegenseitig einer des anderen Blut, worauf dieses direkt im Einschnitt selbst noch vermischt wurde, wonach der Häuptling zu ihm sprach: "Dein Vater ist mein Vater, und deine Mutter ist meine Mutter! Deine Freunde sind meine Freunde, deine Feinde sind meine Feinde! Du bist mein Bruder, ich bin dein Bruder! Dein Clan ist mein Clan, mein Clan ist dein Clan!"
Geschieht nicht etwas ähnliches, wenn auch in einer unendlich vollkommeneren Weise, gerade in dem Augenblicke, wenn ein Tröpfchen Wasser dem Weine beigemischt wird, Blutsverwandte sind wir Christi, ja sogar Glieder Seines Leibes; müssen wir danach nicht auch entsprechend handeln?
"So müssen wir uns alle mit Ihn vereinigen, denn allein dazu ist Er gekommen, um uns zurückzubringen zu sich in seine Glorie" (12). "Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der vom Himmel herabgestiegen ist, dem Menschensohn, der im Himmel ist." (Joh. 3,13). Lasset uns also durch Ihn, mit Ihm und in Ihm in den Himmel aufsteigen, denn Er selbst mahnt uns: "Niemand kommt zum Vater als durch mich! (Joh. 14,6). Im Alten Bund versuchte man es zu erreichen, nur aber um zu lernen, daß dies ohne Ihn nicht möglich ist. "Er ging durch das größere und vollkommenere Zelt, das nicht von Menschenhand gemacht, das heißt nicht von dieser Welt ist, auch nicht mit dem Blute von Böcken und Rindern, sondern mit seinem eigenen Blute ein für allemal in das Allerheiligste hinein, nachdem er eine ewige Erlösung bewirkt hatte. Wenn nämlich schon das Blut von Böcken und Stieren und die Asche einer Kuh durch Besprengung Unreine heiligt, daß sie leiblich rein werden: um wieviel mehr wird das Blut Christi, der kraft seines ewigen Geistes sich selbst als makelloses Opfer Gott dargebracht hat, euer Gewissen von toten Werken reinigen, damit ihr Gott dient!" (Hebr. 9,11-14).
Wir sind nun von Ihm gereinigt und geheiligt worden, dann haben wir die Pflicht, durch die restlose Aufopferung unseres ganzen Lebens insoweit eins mit Ihm zu werden, daß Er im Augenblicke der heiligen Wandlung auch von uns sagen kann: Das ist mein Leib - Das ist mein Blut! Wird der Herr aber auch beim letzten Gericht Seinem Vater im Heiligen Geiste von uns sagen können: Das ist mein Leib - Das ist mein Blut? In tiefster Reue und Demut bitten wir Seine Schmerzhafte Mutter, die Jungfrau Maria, den heiligen Erzengel Michael, den heiligen Johannes den Täufer, die heiligen Apostel Petrus und Paulus, sie mögen uns die absolut unverdiente Gnade erbeten, daß wir nicht die Worte des ewigen Richters werden hören müssen: Ich kenne euch nicht!
Fortsetzung folgt.
Literatur: (1) Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, II. Aufl. Band II, 632. Jüdisches Lexikon, Band I, 1232. (2) Goethes Faust, Erster Teil, 1699. (3) Summa Theol. S. Th. Aq. III, 8,3 ad 3. (4) Alfred Jeremias, Der Kosmos von Sumer, Der Alte Orient, 32,1, Seite 20. (5) PG 2, 1172; Kirchenväter 1 Band Kempt. 1831, Seite 129 sq. (6) Ich denke dennoch in diesem Zusammenhange an die jungfräuliche Geburt des Messias, wenn auch diese Meinung allein (?) vom hl. Hieronymus vorgetragen wird! Die Messianizität der angeführten Stelle beweist gerade der entsprechende, wenn auch anderslautende Text der Septuaginta 38, 22: "... in deinem Heile werden die Menschen wandeln." Ausführlich beim hl. Athanasius, zweite Rede gegen die Arianer 46, und besonders in seiner Darstellung des Glaubens 3. Kirchenväter, Kempten 1836, Band 14, S. 29 ff, sonst Migne PG 26, 1264. (7) PL 54, 332 B S. Leonis Sermo LVIII. (8) PL 17, 694 C S. Ambrosius, Sermo 34. (9) PL 65,183 D S. Fulgentii Ad Nonimun lib. II. (10) Francisci Zidron Comment. in Matth. cap. XVI. (11) Schmidt, Der Ursprung der Gottesidee IV. Seite 82. R.P. Trilles. Les Pygmées de la Forête équatoriale, Seite 500; Antropos, Bloud-Gay, Paris. (12) Bossuet, Explication de la Messe.
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